Basòdino 3272m via Südsüdwestgrat - Tessiner Delikatessen en masse
Es gibt Bergtouren, bei denen ausschliesslich der Gipfelerfolg und die Route dorthin zählen, und es gibt Bergtouren, bei denen der Gipfelerfolg sowie die Schwierigkeit der gewählten Route irrelevant sind. Die meisten in Bergtouren-Foren angesiedelten Berichte dürften irgendwo im breiten Spektrum dazwischen liegen - so auch unsere Tour auf den Basòdino.
Da war der Anreiz, den höchsten Gipfel der Tessiner Alpen und zweithöchsten Tessiner überhaupt zu erklimmen, und dies nach Möglichkeit auf einer weniger bekannten und etwas anspruchsvolleren Route. Da war aber auch die Chance, in die Idylle des Bavonatals und der italienischen Schweiz einzutauchen und das besondere Flair dieser Umgebung geniessen zu dürfen. Weder das eine noch das andere kam zu kurz, und wohl genau darum lohnte sich der Ausflug ins Tessin vollends; dies eben nicht nur, aber auch der Hauptdelikatesse wegen, des Aufstiegs auf den höchsten Gipfel der Tessiner Alpen.
Nach der eher langen Anfahrt ins Bavonatal erwartet und kurz vor San Carlo, namentlich in Sonlerto, eine erste Delikatesse: Im Grotto 'Bavona', das sowohl der einzigartigen Atmosphäre wegen als auch kulinarisch besticht, gönnen wir uns kurzentschlossen ein für die Region typisches Mittagessen. Gestärkt deponieren wir kurz darauf unser Auto in San Carlo und steigen glücklicherweise meist im Schatten der Bäume in der Nachmittagshitze durch das Val d'Antabia auf einem stetig ansteigenden, gut angelegten Wanderweg hoch zum Rifugio 'Pian di Crest'. Die Lage der Hütte ist fantastisch: eine riesige Schwemmebene ist ihr vorgelagert, zwei Seen befinden sich in unmittelbarer Nähe der Hütte und etliche Steinriesen, darunter auch viele Grenzberge inklusive dem Basòdino, schmücken den Horizont.
Nach dem Empfang und Check-in steuern wir direkt die beiden Seen oberhalb der Hütte an, belassen es aber bei einem Fussbad (Badehosen vergessen;-)). Bei herrlicher Aussicht rüber zum Basòdino tischt sissi am oberen See mitgebrachte Delikatessen auf, ein richtiger Apéro riche! Zurück bei der Hütte, geniessen wir die letzten Sonnenstrahlen bzw. eine warme Dusche, bevor das Viergang-Menü aufgetischt wird, wozu wir uns selbstverständlich einen Tessiner Rotwein leisten.
Um 22.00 Uhr beginnt (zumindest für mich) der mühsamste Teil der Tour: die Schlafenszeit. Ich will mich über das Rifugio nicht im Geringsten beklagen. Die Lage ist grandios. Die Hütte war bestens gepflegt (auch wenn die Toilette wenig gemütlich war). Die Hüttenwarte waren sehr sympathisch und schenkten uns grosses Vertrauen (so wurden beispielsweise konsumierte Ware und Dienstleistungen selbständig auf einer Liste eingetragen und anschliessend gemäss eigenem Eintrag verrechnet). Die Nachtruhe wurde bestens eingehalten. ...aber leider war die Hütte zu unserem Erstaunen fast komplett ausgebucht, und dies, obwohl erst am nächsten Tag Wochenende sein sollte. Naja, es sei niemandem zu verübeln, dass er sich einen Aufenthalt in dieser Bergwelt leistet, doch bin ich froh, als ich um 05.00 Uhr endlich aufstehen kann, physisch fit, psychisch nicht wirklich erholt. Diese Nächte in vollen Massenschlägen und schmalen, zu kurz geratenen Betten sind einfach nicht mein Ding und der Hauptgrund, warum ich Eintagestouren den anderen vorziehe. Vielleicht hätte ich besser biwakiert, doch gesellen sich auch dort Störfaktoren dazu, gell TeamMoomin;-)
Mit diesem Tourenbericht von TeamMoomin im Köcher steigen wir nach dem Frühstück einem markierten Weg entlang hoch zum Tamierpass, wobei wir auf der Höhe von ca. 2300m etwas vom Weg abkommen und zu weit nach Nordosten ausholen (s. Track).
Wer, wie üblich, das Tamierhorn links liegen lassen und zum Passo d'Antabia hochsteigen möchte, verlässt den markierten Weg kurz vor dem Tamierpass und gelangt über viel Schutt an den Fuss des Passo d'Antabia. Über drei Seillängen erklimmt man von dort sodann den Pass. Wir entschliessen uns, dem Tamierhorn einen Besuch abzustatten. Während sissi und justus den Grat vom Tamierpass zum Tamierhorn ostseitig im Schutt umgehen, wagen Edwin und ich uns an den Grat. Wie sich zeigen sollte, ist das Gestein dort aber höchst unzuverlässig und meist abwärts geschichtet, was sich als nicht ganz einfach und angenehm erweist. Etwa auf halber Höhe kann sodann durch einen kleinen Kamin in besserem Gestein aufgestiegen werden; kurz gesagt ein nicht ganz glücklicher und in keiner Weise empfehlenswerter Versuch, hart am Grat zu bleiben.
Kurz vor Erreichen des Tamierhorns treffen wir uns wieder und müssen erfahren, dass auch die ostseitige Umgehung des Südgrates kein Genuss war. Dafür entschädigt das grossartige Panorama oben auf dem Tamierhorn: traumhafte Sicht zur Monterosa-Gruppe, anderen Walliser 4000ern, dem Rheinwaldhorn, der Berninagruppe etc.
In herrlicher T5- bis T6-Kraxelei folgen wir dem Grat bis zum Passo d'Antabia, meist direkt auf Messers Schneide, manchmal links vom Grat. Dort treffen wir die beiden Ticinesi und den Italiener, die mit uns frühmorgens die Hütte verlassen haben. Ein kurzer Schwatz und weiter geht's! Technisch unschwierig steigen wir zum Südgipfel des Basòdino auf. Was dann folgt, ist die Hauptdelikatesse der Tour: ein herrlicher Grat rüber zum Hauptgipfel, den wir als weniger luftig als erwartet empfunden haben, einfach perfekt! Anfänglich halten wir uns rechts vom Grat auf, steigen sodann aber alles auf dem Grat hoch zum Hauptgipfel. Klettertechnisch ein Genuss und Entspannung nach dem unangenehmen Aufstieg zum Tamierhorn, eben eine Delikatesse, die ich auch zukünftig nicht missen möchte, falls ich dem prominenten Tessiner nochmals einen Besuch abstatte.
Nach einer Pause bei noch viel überwältigerendem Panorama als auf dem Tamierhorn (nun stand auch der Basòdino nicht mehr im Wege) steigen wir ohne Probleme auf dem Ostgrat ab und queren auf halber Höhe nach Norden, um baldmöglichst über den Gletscher absteigen zu können. Unsere Ungeduld wird jedoch nicht belohnt. In steilem Gelände beim Übergang zum Gletscher macht unser Frontmann Bekanntschaft mit dem Eis unter dem feinen Schutt und sodann mit dem blanken Eis - höchste Zeit, die Steigeisen zu montieren.
Vor dem Bergschrund seilen wir uns alle an und steigen über den Gletscher an reissenden Strömen von Wassern ab, P. 2764 entgegen. Am unteren Ende des Gletschers angelangt, stärken wir uns und steigen sodann zügig hinunter zum Lago del Zött. Dort angekommen, gilt es noch, einige Bäche zu überqueren, die reichlich viel Gletscherwasser in den Stausee befördern - eine Aktion, die nicht bei allen von uns mit trockenen Füssen bzw. Schuhen endet.
Bis zur letzten Fahrt der Seilbahn nach San Carlo geniessen wir im Restaurant/Hotel oberhalb der Seilbahnstation ein letztes Mal den Blick zum Basòdinogletscher. Während sissi und justus oben bleiben, um am kommenden Tag via Piz Cristallina ins Bedrettotal abzusteigen, schweben Edwin und ich zurück zum Ausgangspunkt unserer Tour, nach San Carlo. Nun wartet noch eine letzte Delikatesse, auf die ich mich besonders freue: der Kurzbesuch bei einem gut befreundeten Bauern im Bavonatal, bei dem ich schon des Öfteren im Heu übernachten durfte und wohl der Hauptgrund, warum mir das Bavonatal schon vor 20 Jahren unheimlich ans Herz gewachsen ist.
Tour mit sissi, justus und Edwin. Danke für die tolle Tour mit euch und die beigesteuerten Pics - gerne mal wieder!
Fazit: genussvolle, sehr empfehlenswerte und eher einsame Hochtour, die m. E. das Potential zu einem Klassiker in den Alpen hat: prominenter Gipfel, herrliche Gratkraxelei, Gletscherüberquerung, überwältigende Panoramen, tolle Übernachtungsmöglichkeit im Rifugio ... und dies als Rundtour, die konditionell und technisch (luftige Gräte mit Kletterstellenzwischen II und III, je nach Wegwahl) fordert, aber nicht überfordert.
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