Überschreitung Plattenspitze (2492m) - Bergsteigen am "Ende der Welt"


Publiziert von Daniel87 , 18. Juni 2015 um 14:21.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Karwendel
Tour Datum:12 Juni 2015
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 15:00
Aufstieg: 2000 m
Abstieg: 2000 m
Strecke:P Karwendelrast-Zwerchloch-Lochhüttl-Grubenkar-Plattenspitze-Spritzkar-Zwerchloch-P Karwendelrast
Zufahrt zum Ausgangspunkt:In Vomp bei der Ausschilderung nach Vomperberg abbiegen. Später nach links zum Gasthaus Karwendelrast abzweigen. Dort einige Parkplätze.

Die heutige Unternehmung lässt sich ganz klar kategorisieren. Die Überschreitung der Plattenspitze ist lang und beschwerlich. Lang deshalb, da die nächste befestigte Straße rund 10 km Luftlinie vom Fuße des Berges entfernt liegt und beschwerlich andererseits, da gefühlt 30 mehr oder minder große Gegenanstiege die Kondition, vor allem an heißen Tagen, bereits in den ersten Stunden schwinden lassen. Wer die Plattenspitze, wie hier beschrieben, als eine gewöhnliche Tagestour in Angriff zu nehmen gedenkt, wird unweigerlich begriffen sein, die Grenzen der eigenen Leidensfähigkeit zu bestimmen. Zwar ist es im Karwendel längst nicht ungewöhnlich, dass den Alpinisten, hinsichtlich der Notwendigkeit der Überbrückung der oft großen Distanzen, ein gewisses Maß an Kreativität auszeichnen sollte, doch dieses Mal sind die Möglichkeiten eingeschränkt, was zwangsläufig eine längere Wanderung durch das Vomper Loch einschließt. Allerdings genießt man während der Tour wunderbar ursprüngliche Landschaften und mit der Überschreitung der Plattenspitze wird den meisten obendrein eine lösbare bergsteigerische Herausforderung zuteil, aber ihr haften auch die unangenehmen Nachwirkungen einer solchen konditionellen wie körperlichen Anstrengung an, die sich in einer mehr als nur notwendigen sportlichen Enthaltsamkeit in den folgenden Tagen offenbaren.

In der Morgendämmerung, zuvor dem Schlafsack entstiegen, starte ich beim Gasthof Karwendelrast oberhalb von Vomp. Auf der anfänglichen Forststraße folgt man dem Wegweiser Richtung Hallerangeralm; bei der folgenden Abzweigung nun weiter auf dem langen Wanderweg bis zum Zwerchloch. Dort bleibt der Steig Richtung Lamsenjochhütte unbeachtet, man überquert stattdessen den Zwerchbach und gelangt zur „Katzenleiter“. Einige Trittstufen und Drahtseile später (T3/I) und die kurze Steilstufe ist überwunden (2 Stunden allein für diese Etappe). 

Nun immer weiter und weiter auf Steig 224 im nicht enden wollenden Auf und Ab bis sich das Hochtal nach einem signifikanten Höhenverlust schließlich weitet. Am breiten Bett des rauschenden Vomper Bachs - sehr idyllisch - setzt sich die Hochkanzel bereits eindrucksvoll in Szene. Der Hauptarm führt heute Wasser; dieser wird passiert (kurze Bachquerung ohne Brücke), gegenüber am alten Jagdhaus i. d. Au vorbei und schließlich durch ein Wäldchen zur nicht mehr existenten Lochhüttl jenseits einer kleinen Brücke über den Bach.

Hier nicht mehr weiter zur Hallerangeralm, sondern in nördlicher Richtung zum schon sichtbaren Grubenkar. Zunächst teils über Trittspuren an die Latschen heran, dort wo das Kar steil ins Vomper Loch abbricht. Aus der Ferne sah man bereits den Pfad, der die Latschen durchschneidet und ziemlich direkt nach oben führt, doch ich muss dennoch kurzzeitig suchen. Wenig später stoße ich auf die freigeschnittene Latschengasse. Da es jetzt schon spät ist, geht es südseitig, aufgeheizt wie in einer Sauna, aber auch unschwierig und direkt, ins Grubenkar empor. Erst im Kar wird es wieder ein wenig kühler, Schnee liegt kaum noch. Hier hat man sogar gelegentlich Handyempfang. Rechterhand, etwa in Karmitte (2100m), über einen vorspringenden begrünten Hang zum Grat hinauf. Am Grat problemlos, wie bisher, zum Vorgipfel der Plattenspitze (T4/I). 

Der Übergang zum Gipfel der Plattenspitze ist etwas brüchig, aber dieser ist doch schnell erreicht (T5/II). Von hier oben kann man nun auch die Nordwand herabblicken - es zeigt sich der Große Ahornboden mit den Almen der Eng. Am großen Gipfelsteinmann auch nach langem Suchen kein GB gefunden - schade. Einen möglichen „Weg“ hinauf zur Spritzkarspitze kann hier bereits ausmachen, es scheint nicht sonderlich schwer zu sein. Es ziehen Wolken auf, symbolisch für das gescheiterte Zeitmanagement, denn es sollte im Anschluß sowohl noch zur Spritzkar- als auch zur Eiskarlspitze gehen.

Der nun folgende östliche Abstieg ist nicht so eindeutig und die Schwierigkeiten schnellen in die Höhe. Vom Gipfel versuche ich einfach mein Glück und steige zunächst über viel lockeres Gestein hinab zu den Felsen die jäh ins Spritzkar abbrechen. Man muss sich etwas rechts halten (nicht die auffällige Scharte zwischen Platten- und Spritzkarspitze ansteuern!), bis man eine Schwachstelle erreicht. Hier geht's auf festem Fels, aber auch auf teils brösliger und feiner Kiesauflage ziemlich ausgesetzt runter ins Spritzkar. Im Mittelteil der kleinen Wand eine kleingriffige Stelle II+ auf recht schmalen Tritten (T6).

Hier im oberen Spritzkar wären es nur wenige Schritte zum Einstieg (begrünte Schrofen) und von dort weiter zur Spritzkarspitze (etwa noch 1 Stunde), doch da es bereits später Nachmittag ist, habe ich keine Wahl, ich steige durch das Kar wieder hinunter ins Vomper Loch. In der Mitte des Kars der teils tief eingeschnittene Spritzkarbach, wo man sich links halten sollte. Ich kenne den Weg nicht, auch liegt der AV-Führer daheim. Ich versteige mich hier, später entscheide ich mich für die rechte Spur und gerate dabei tief in dichte Latschen; um wieder möglichst schnell auf die andere Seite zu kommen und um die Zeit aufzuholen, rutsche ich auf einem stark erodierten Hang ab, und ziehe mir einige blutende Hautaufschürfungen zu. Zu allem Überfluss ist der untere Karabschnitt dann nochmals so anstrengend (T5-/II, sowie einige alte Drahtseilchen), dass ich erst in der Abenddämmerung das Vomper Loch und das Jagdhaus i. d. Au erreiche.

Nun stehen mir, wenn ich den Weg sofort finde, mehr als 3 Stunden Fußweg mit der Taschenlampe bevor; bei der Jagdhütte am Zwerchloch bin ich so müde, dass ich mich erst einmal eine halbe Stunde hinlege. Es wird dann aber doch kalt, und so gehe ich besser noch das restliche Stück bis zum Parkplatz, wo im Auto mein Schlafsack liegt.

Schwierigkeiten:

Gasthof Karwendelrast zum Lochhüttl: T3/I (bis auf „Katzenleiter“ unschwierig).
Von Lochhüttl über Grubenkar zum Vorgipfel Plattenspitze: T4/I (Latschen ausgeschnitten).
Zum Gipfel Plattenspitze: T5/II.
Abstieg ins Spritzkar: T6/II+ (brüchig; weiter unten ausgesetzt).
Durch das Spritzkar zum Jagdhaus i. d. Au: T5-/II (anspruchsvoll; Wegfindung nicht unproblematisch).

Die Zeiten machen, wie schon erwähnt, die eigentlichen Schwierigkeiten aus, daher ein kurzer Überblick:
Vom Gasthof Karwendelrast zum Lochhüttl: gut 4 Stunden.
Über Grubenkar zum Gipfel: 2 - 3 Stunden.
Via Spritzkar zum Jagdhaus i. d. Au: 4 Stunden.
Zurück zum P: 3 - 4 Stunden.
Pausenzeiten: (?)

Der Anstieg beläuft sich locker auf 2000 Höhenmeter, vielleicht sogar mehr, aufgrund der vielen Gegenanstiege im Tal, dies ist daher nur eine Schätzung.

Fazit:

Obwohl ich die Runde in dieser Form, ohne Übernachtung am Berg, nicht noch einmal machen würde, so fand ich die ganze Unternehmung doch ziemlich spannend. Man befindet sich hier tief im Karwendel und der Weg ist nicht immer eindeutig. Die Überschreitung aller Gipfel von der Platten- bis zur Eiskarlspitze an einem Tag kann man eigentlich nur einem Reinhold Messner nahelegen. Außerdem ist man so bereits konditionell mehr gefordert, als es etwa bei einer reinen Hochtour der Fall wäre.

Tourengänger: Daniel87


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Kommentare (6)


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Nic hat gesagt:
Gesendet am 18. Juni 2015 um 16:42
Gratulation zur Plattenspitze! Ein Gipfel der mir bis dato völlig unbekannt war. Schaut aber nach einer lohnenden Tour aus. Waren an diesem schönen Tag auch unterwegs. Allerdings im Allgäu.

VG Nico

Daniel87 hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. Juni 2015 um 19:12
Dank Dir, ja eine lohnende Tour, auch wenn die Plattenspitze nicht das primäre Ziel war. Ohne Übernachtung am Hallerangerhaus oder am Berg halt nicht wirklich genussreich.
Müsste auch mal ins Allgäu oder zumindest in die Lechtaler schauen, da fehlt mir auch noch was ;-)

VG
Daniel

mabon hat gesagt: Ui,...
Gesendet am 18. Juni 2015 um 19:26
...Deine (geplante) Tour hätte ich letztes Jahr auch mal fast gemacht.

Schöne Eindrücke und Glückwünsche an Dich!

Ist meiner Meinung nach nur machbar, wenn man auf dem Hallerangerhaus nächtigt; dann sollte es auch mit der Spritzkarspitze und der Eiskarlspitze klappen.

Ich wäre auf jeden Fall mit dabei.

Schöne Grüße

mabon

Daniel87 hat gesagt: RE:Ui,...
Gesendet am 19. Juni 2015 um 19:19
Vielen Dank, ich schätze selbst vom Hallerangerhaus dürfte es ein recht ausgefüllter Tag werden. Man kann angeblich an der Spritzkarspitze übernachten, da ist wohl reichlich Platz am Gipfel vorhanden. Wegen dem Geröll wohl aber nicht ganz so optimal, ich möchte es nicht austesten...
Auch wenn es eine ziemlich luftige Angelegenheit zu sein scheint, ADI hat erwähnt man könne das vielleicht mal via Nordanstieg (siehe Bergteufel-Bericht) machen, kannst dich ja anschließen. Aber egal wie man die Gipfel angeht, einfach ist es eigentlich auf keiner Route..

VG,
Daniel

ADI hat gesagt:
Gesendet am 19. Juni 2015 um 14:34
Hallo, Daniel!

Schöne Tour am "Ende der Welt"......konditionell sehr fordernd.....muß ich mir auch mal anschauen.

Dort war ich leider noch nie......
Gratulation zu dem schönen Bericht!


Beste Grüße!

ADI

Daniel87 hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. Juni 2015 um 19:37
Hey ADI, danke, ich nehme an Du machst das dann mit Ski ;-) , 5-6 Stunden kann man die Dinger schon mal tragen, dafür hast' definitv unverspurtes Kargelände.... :-))

Trotzdem war die Runde recht schee, müsste das halt irgendwie anders planen, wenn man auf die Plattenspitze rauf mag...

Beste Grüße


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