Am Ende auf die Spitze getrieben, Nadelhorn und Stecknadel NE


Publiziert von danski , 1. Juni 2015 um 22:00.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:31 Mai 2015
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Ski Schwierigkeit: SS
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1450 m
Abstieg: 2700 m
Strecke:Bordierhütte - Riedgletscher - Windjoch - Nadelhorn; Abfahrt/Abstieg via Stecknadel NE - Riedgletscher - Gasenried
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖV bis Gasenried
Unterkunftmöglichkeiten:Bordierhütte, unbewartet

Die gute Form, welche wir uns am Grand Combin angewöhnt hatten, wollten wir uns natürlich an einem weiteren 4000er zu Nutze machen. Bei einer Auswahl von 48 Stück fällt die Entscheidung nicht allzu einfach, obwohl von diesen 48 natürlich einige für eine Skibefahrung doch etwas ungeeignet erscheinen. Namen wie Weisshorn E, Bishorn NE und Lenzspitze NE wurden in die Runde geworfen, doch es obsiegten dann doch Zweifel, ob die Verhältnisse dafür wirklich optimal sein würden. Zufrieden einigten wir uns auf das Nadelhorn, das zwar keine extreme Skibefahrung garantieren würde, dafür mit Genuss punkten konnte, ohne dass wir uns dabei langweilen würden und vor allem es nicht teilen müssten mit 50 anderen...

30.05.2015 Gasenried - Bordierhütte

Im Postauto nach Gasenried sind wir, wie könnte es auch anders sein, die einzigen mit Winterausrüstung. Berge sind zwar rundherum da, aber die Schneelage entspricht eher Juli als Ende Mai. Am Hauptplatz in Gasenried, 1659m macht uns der Wirt des dortigen Restaurants prompt den Vogel. Natürlich meint er es nur spasseshalber, aber insgeheim hat er doch auch ein bisschen Recht. Jedenfalls verpflichten wir ihn, uns am kommenden Tag mit Bier und Raclette zu verköstigen. Doch zwischen jetzt und morgen gilt es ein intensives Programm abzuspulen. Eine rasche Benützung der Skis zur Fortbewegung wird uns für längere Zeit verwehrt bleiben, doch daran jetzt zu viele Gedanken zu verlieren, macht es nicht besser. Durch steilen Lärchenwald erreichen wir auf dem Europaweg bald Alpja. Ein verwunschener Flecken Erde und mittendrin eine urige Jagdhütte, deren originaler Bewohner mit uns ein paar Worte wechselt, die wir irgendwie versuchen zu interpretieren. Es seien schon zwei zur Hütte unterwegs, bringen wir in Erfahrung. Was, gibt es tatsächlich noch mehr "Verrückte" auf dieser Welt??? Ebenfalls haben wir jetzt die Gewissheit, dass die Bordierhütte, 2886m auf weitgehend aperem Gelände steht. Leicht konsterniert und den inneren Schweinehund überwindend, kommen wir doch recht speditiv voran. Der Weg ist auf weiten Strecken von einer gefrässigen Moräne verschluckt worden. Auf rund 2740m wagen wir einen Skiversuch. Über steindurchsetzte Lawinenschneereste erreichen wir das Plateau des Riedgletschers, welchen wir rasch überqueren. Zwei massive Stahltreppen überwinden die Gletschschliffplatten. Mit einigen Kunstgriffen wurde hier dem Berg ein Weg abverlangt. Endlich haben wir die Höhe erreicht und können die letzten Meter zur Hütte wieder auf Schnee zurücklegen. Zwei ebenso "verrückte" Allgäuer haben es sich vor dieser gemütlich gemacht und schon Schnee geschmolzen. Dankend kochen wir mit dem Wasser bald unser Nachtessen, während unterdessen 6 Italiener eintreffen. Dass Italien offenbar überdurschnittlich viele Bergverrückte hervorbringt, sollte ja hinlänglich bekannt sein... ;) Um 09:00 legen wir uns in unserem eigenen Schlafraum zu Bett. Weckzeit 03:00. Immerhin eine Stunde länger als am Grand Combin...

31.05.2015 Nadelhorn

Die morgendliche Routine funktioniert ausgezeichnet. Stress gibts keinen, denn die meisten Italiener schlafen noch, während zwei von ihnen bereits zur Lenzspitze aufgebrochen sind. Nach 04:00 verlassen wir die gemütliche Unterkunft. Der frühe Morgen ist sternenklar und der Mond erhellt die Umgebung ein wenig. Gleich zu Beginn gilt es einen hartgefrorenen Hang zu erklimmen. Keine chance ohne Harscheisen. Ein kurzer Fussmarsch über die apere Moräne und der Weg ist endlich frei. Langsam, aber unaufhaltsam setzt die Dämmerung ein. Das fantastische Weisshorn erhascht die allerersten Sonnenstrahlen. Kurz darauf wird auch den "Nadelgrätlern" diese Ehre zuteil. Ein Schauspiel unbeschreiblicher Schönheit, das immer wieder für die frühmorgendlichen Unannehmlichkeiten entschädigt. Vor uns dehnt sich das Hochplateau des Riedgletschers aus. Die umliegenden Gipfel scheinen nah, doch davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Die beiden Italiener legen eine gute Spur zum Windjoch, 3845m hoch. Eine kurze Portage kommt ohne Steigeisen aus. Was für ein Komfort, wenn man bedenkt, in welchem Zustand sich das Windjoch meistens befindet. Zu unserer Freude ist der Schnee ebenso von aussergewöhnlicher Qualität: Leicht komprimierter Pulver! Vom Windjoch zielen unsere Blicke geradewegs zur Lenzspitze NE-Wand. Puh, oben Blankeis, da wird wohl niemand hinauf gehen heute... Und just in diesem Moment bewegt sich ein Punkt flüssig und schnell die Flanke herunter. Wir sind konsterniert und im ersten Moment etwas enttäuscht, dass nicht wir es  sind, die dort Spuren hinterlassen. Es sieht einfach zu fett aus, wie dieses Individuum scheinbar mühelos in Freeridemanier die Wand hinunter kurvt und den Bergschrund mit speed dropped. Wir beobachten weitere Skifahrer, die sich vorsichtig vom Gipfel in die Wand bewegen. Sieht hart aus oben, aber fahrbar. Im Geiste führen wir ein paar technische turns aus, bevor wir es nach dem oberen Wanddrittel krachen lassen. Hingegen sehr real setzen wir unseren Aufstieg über den NE-Grat zum Nadelhorn, 4327m fort. Das linke Auge "hängt" dabei ständig an der Lenzspitze. Noch kommen wir gut mit den Skis voran. Ab ca. 4040m heisst es dann "boots on snow", also die finale Portage zum Nadelhorn. Vor uns sind bereits drei Walliser Jungs am Werk. Wir folgen hart dem teilweise eisigen Grat und umgehen alle Felsen in der Flanke, was Frontzacken-Arbeit beinhaltet. Wir schätzen diese zusätzliche Action. Problemlos erreichen wir den Sattel unter dem Felsaufschwung des Nadelhorns. Puh, es sieht alles andere als trivial aus. Nic und ich nehmen nach einer kurzen Stärkung das letzte Hindernis motiviert in Angriff. Eine II-Kletterstelle gleich zu Beginn ist ein erster Prüfstein und mit Erleichterung stellen wir fest, dass es einfach nur "fägt". Das Seil bleibt dabei wie schon den ganzen Tag im Rucksack. Etwas Eis wechselt sich ab mit dünnen Steinplatten, die wie ein in die Brüche gegangener Geschirrhaufen vor uns liegen und fragile Tritte und Griffe bilden. Bevor wir uns am Gipfelkreuz gratulieren können, müssen wir die drei Walliser absteigen lassen, so eng sind die Platzverhältnisse am höchsten Punkt. Dann sind wir am Zug und mir schiesst unmittelbar eine Gänsehaut den Rücken hinunter. Was für ein Gipfel und ich kann jede Sekunde geniessen. Das Nadelhorn verdient seinen Titel redlich! Wir knipsen ein paar Bilder in alle Himmelsrichtungen, dann verlassen wir diesen erhabenen Ort. Zuerst balancieren wir über einen schmalen, exponierten Schneegrat. Dann folgt der "Geschirrscherbenhaufen". Da wo man jetzt gerne Trittschnee hätte, ist es eisig. Konzentriert arbeiten wir uns nach unten. Die Abkletterstelle bildet die letzte Hürde. Wir verzichten auf die Zuhilfenahme des Seils unserer Walliser Freunde. Stattdessen platzieren wir unsere Frontzacken auf kleinen Vorsprüngen und klettern äusserst behutsam ab. Puh, das wäre geschafft. Alles was jetzt kommt, können wir unter dem Begriff "Dessert" subsumieren!

Unsere Vorgänger stechen fairerweise vor uns in die Nadelhorn NE-Flanke, lassen aber das Stecknadelhorn links liegen. So liegt es nun in unsere Macht, Spuren in die Stecknadelhorn-NE Flanke zu zeichnen. Mit viel Schuss können wir die Höhe fast halten, bevor Nic vor mir in weiten Bögen in der Tiefe verschwindet. Ich glaub, ich trau meinen Augen nicht, denn er shredded (Sorry, aber eine weniger aggressive Wortwahl ist mir da wirklich nicht in den Sinn gekommen... ;) das anhaltend 48° steile 200m Wändli in einer Art und Weise, wie ich sie nur aus einschlägig bekannten Skifilmen kenne! Ermutigt stürze auch ich mich in die Falllinie. Nicht ganz so schnell, aber immer noch unverschämt unbekümmert. Der weiche Schnee gleitet natürlich ständig ab und ich muss achtgeben, meine Linie so zu wählen, um nicht hinein zu geraten. Naja, einen Tick schneller müsste man eben sein. Unten angekommen, können wir kaum fassen, was gerade geschehen ist. Qualitativ kann dieser run mit der Lenzspitze durchaus mithalten, aber eben weinger als deren halbe Länge und 2° weniger steil... Bis hinunter auf das Hochplateau des Riedgletschers werden wir noch einmal mit Powder belohnt. Grandios! Nahtlos greifen unsere Skikanten in den perfektesten Sulz dieser Saison. Makellos weiss und frei jeglicher Unebenheiten kommt er daher. Wir schmieren noch so manchen lässigen turn bis der Schnee ausgeht und losem Geröll weicht. Skischuhe werden durch Turnschuhe getauscht und die Skihosen müssen adäquateren, kurzen Pendants weichen. Völlig beschwingt vernichten wir locker 1100HM nach Gasenried, wo uns der witzige Wirt schon erwartet und mit einem "Birrschen" zu sich auf die Sonnenterrassse lockt. Es endet wie so oft mit einem Hefeweizen und einer währschaften Käseschnitte.

That's it that's all!

Tourengänger: nprace, danski


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