Fleckistock NE-Wand Couloir "Sickinelli"
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Meiental aka "Little Chamonix"! Die Berge sind steil, saftige Höhendifferenzen garantiert und eingeklemmt zwischen wilden Felsformationen findet man eine Vielzahl sehr anspruchsvoller Skiabfahrten, die im Unterschied zu Chamonix nie oder nur äusserst selten befahren werden. Unter dem Strich also ein Traumgelände, das jenseits der roten Linien auf der Skitourenkarte zu Entdeckungen und Abenteuern einlädt.
Bei jedem Besuch des Rorspitzlis ist uns jeweils die NE-Flanke des Fleckistocks in unsere Augen gestochen. Diese sieht zwar zugegebenermassen ziemlich unbefahrbar aus, wenn da nicht dieser weisse Schlauch wäre, der in ein Schneefeld unterhalb des SE-Grates führt... Der Traum war geboren und nistete sich in unseren Hinterköpfen ein, um eines Tages abgerufen und verwirklicht zu werden. Nun sollte es also soweit sein. Vor ziemlich genau 3 Jahren bin ich mit Chris die SW-Flanke hoch und runter http://www.hikr.org/tour/post47764.html, was mir sehr positiv in Erinnerung geblieben ist. Von einer Befahrung der NE-Flanke durch besagtes Couloir ist mir trotz Recherchen hingegen nichts bekannt, und so nehme ich an, dass uns damit eine Erstbefahrung gelungen ist. Aber damit greife ich dem Ausgang dieses Tages eigentlich schon viel zu weit vor...
Aufstieg
Es ist bereits hell als wir um 06:30 bei Bi der Chappele den langen Aufstieg zum Top of Uri in Angriff nehmen. Vor uns sind nur 2 weitere Zweiergruppen bereits früher gestartet. Mühelos erreichen wir den Kartigel. Die anschliessende Steilstufe, die Schlüsselstelle des Skiaufstiegs zum Rorspitzli, präsentiert sich in gutem Zustand. Wir montieren Harscheisen, da die Spur manchmal etwas rutschig ist. Rasch gewinnen wir Höhe und können bald ungehinderte Blicke auf die abweisende NE-Wand des Fleckistocks werfen. In diesem Moment glaubt noch niemand von uns an einen Erfolg, den die Traverse nach dem Couloir sieht ultra exponiert und steil aus, was bei gewissen Schneebedingungen ein no-go darstellt. Schleierwolken und Dunst lassen die wärmenden Sonnenstrahlen nur beschränkt passieren und für Mitte März ist es ganz schön kühl. Pausieren ist dementsprechend wenig attraktiv und so verlassen wir auf 2309m bei Ober Brunni die Rorspitzli-Route und gehen neue Wege. Gute 2km Luftliniendistanz und 700m trennen uns noch vom Beginn des Couloirs. Mit jedem Meter, dem wir ihm näher kommen, wächst unsere Zuversicht. Sieht zwar unvermindert steil und exponiert aus, doch vor unseren geistigen Augen sehen wir uns bereits die Schlusshänge hinaufsteigen. Prophylaktisch ziehen wir den Klettergurt an, denn man weiss ja nie, was einen weiter oben erwartet. Steigeisen und 2 Pickel gehören ebenfalls zum adäquaten setup. Simon, unsere Spurmaschine mit Nordwanderfahrung, macht den Anfang. Der Bergschrund ist harmlos und bald bewegen wir uns zwischen Gneiswänden das Couloir hoch. Bis zum Ausstieg auf den SE-Grat geht die Neigung nirgends mehr unter 45° zurück und bewegt sich an einigen Stellen um die 50°. Unsere Psyche wird also in den kommenden Stunden alles andere als unterfordert sein. Trittschnee erleichtert die "Kopfarbeit", dafür gehts mehr in die Beine. Nach rund 200HM öffnet sich das Couloir in die NE-Flanke. Ab jetzt kommen wir in den Genuss der vollen Exponiertheit! Simon ist nicht aufzuhalten und peilt zielstrebig den Grat gefolgt von uns an. Doch je mehr wir uns dem Ausstieg nähern, desto tiefer sinken in den griesigen Schwimmschnee ein. Vor allem um eingeschneite Felsen ist die Situation kritisch, denn es besteht die Gefahr unvermittelt einzusacken und das Gleichgewicht zu verlieren. Während sich Simon in einer ziemlich delikaten Aktion unerschrocken hochwühlt ist Nic und mir die Situation zu heikel. Folgedessen steigen wir etwas zurück und suchen uns einen gangbaren Weg, der die Felsen umgeht. Wir finden ihn und der Aufstieg zum Gipfel kann fortgesetzt werden. Oben auf dem Grat angekommen, merke ich einmal mehr, dass vor lauter Anstrengung meine Energiereserven bedenklich tief gesunken sind. Ein eilends hinuntergewürgter Schokoriegel muss jetzt reichen und wir nehmen den SE-Grat in Angriff. Zwei weitere Tourengänger haben übrigens den Fleckistock gleichentags via SW-Flanke von der Voralphütte aus bestiegen. Der Gang auf Messersschneide ist wegen viel unverfestigtem Schnee kein Spaziergang. Mittlerweile habe ich das Gefühl, mich auf den letzten Metern zum Mount Everest zu befinden... Meine Reserven sind bei Null und es kommt Übelkeit auf. Ich entscheide mich, auf den allerletzten Aufschwung zum Gipel zu verzichten um wieder zu Kräften zu kommen, denn der Abstieg und die Abfahrt werden uns alle noch einmal ziemlich fordern. Gut zu wissen in diesem Moment, dass ich vor fast genau 3 Jahren schon mal auf dem Gipfel gestanden bin.
Abfahrt
Beim Abstieg fühle ich mich Gel-gestärkt wieder deutlich besser. Vollkonzentriert kommen wir beim Skidepot an und bereiten uns mit grosser Sorgfalt auf die Abfahrt vor. Mittlerweile ist der Gipfel eingenebelt und die Sicht nach unten beschränkt sich auf 50m. Vorsichtig gleiten wir in die Flanke. Der Presspulver könnte nicht besser sein und das Vertrauen in die Skifähigkeiten ist sofort zurück. Nic erlebt eine kurze Schrecksekunde als sich seine Dynafit hinten öffnet. Ärgerlich, aber die Bindung war offenbar nicht korrekt auf seine Skischuhe angepasst. Wir kommen nicht darum herum, die Bindung anzupassen. Eher unangenehm in diesem Gelände... Sehr kontrolliert gehts weiter, denn die Schlüsselstellen folgen noch. Die Schmelzharstkruste ist mit dem Verschwinden der Sonne wieder gefroren und brüchig, was unsere volle Aufmerksamkeit fordert. Endlich sind wir im Couloir angekommen, doch die Enge und konstante Steilheit von 45° lassen weiterhin keine Fehler zu. Erst als wir uns alle unter dem Bergschrund versammeln, macht sich allgemein Erleichterung breit. Puhhhh! Die Sicht ist mittlerweile diffus und die Schneequalität wechselt unvermittelt von pulvrig zu dick-krustig. Kein Vergnügen! Erst auf der "Abfahrtspiste" vom Rorspitzli bessert sich die Situation, da hier der Deckel kreuz und quer durchbrochen ist. Die weitere Abfahrt bis zur Brücke bei Litzigen ist weder schön noch mühsam. Leider hat niemand von uns die Kamera auf der Abfahrt gezückt. Wir waren wohl alle zu sehr damit beschäftigt sicher und heil ins Tal zu kommen. Es ist uns gelungen!!!
"Sickinelli" - eine Kombination von Marinelli und sick... ;)
Bei jedem Besuch des Rorspitzlis ist uns jeweils die NE-Flanke des Fleckistocks in unsere Augen gestochen. Diese sieht zwar zugegebenermassen ziemlich unbefahrbar aus, wenn da nicht dieser weisse Schlauch wäre, der in ein Schneefeld unterhalb des SE-Grates führt... Der Traum war geboren und nistete sich in unseren Hinterköpfen ein, um eines Tages abgerufen und verwirklicht zu werden. Nun sollte es also soweit sein. Vor ziemlich genau 3 Jahren bin ich mit Chris die SW-Flanke hoch und runter http://www.hikr.org/tour/post47764.html, was mir sehr positiv in Erinnerung geblieben ist. Von einer Befahrung der NE-Flanke durch besagtes Couloir ist mir trotz Recherchen hingegen nichts bekannt, und so nehme ich an, dass uns damit eine Erstbefahrung gelungen ist. Aber damit greife ich dem Ausgang dieses Tages eigentlich schon viel zu weit vor...
Aufstieg
Es ist bereits hell als wir um 06:30 bei Bi der Chappele den langen Aufstieg zum Top of Uri in Angriff nehmen. Vor uns sind nur 2 weitere Zweiergruppen bereits früher gestartet. Mühelos erreichen wir den Kartigel. Die anschliessende Steilstufe, die Schlüsselstelle des Skiaufstiegs zum Rorspitzli, präsentiert sich in gutem Zustand. Wir montieren Harscheisen, da die Spur manchmal etwas rutschig ist. Rasch gewinnen wir Höhe und können bald ungehinderte Blicke auf die abweisende NE-Wand des Fleckistocks werfen. In diesem Moment glaubt noch niemand von uns an einen Erfolg, den die Traverse nach dem Couloir sieht ultra exponiert und steil aus, was bei gewissen Schneebedingungen ein no-go darstellt. Schleierwolken und Dunst lassen die wärmenden Sonnenstrahlen nur beschränkt passieren und für Mitte März ist es ganz schön kühl. Pausieren ist dementsprechend wenig attraktiv und so verlassen wir auf 2309m bei Ober Brunni die Rorspitzli-Route und gehen neue Wege. Gute 2km Luftliniendistanz und 700m trennen uns noch vom Beginn des Couloirs. Mit jedem Meter, dem wir ihm näher kommen, wächst unsere Zuversicht. Sieht zwar unvermindert steil und exponiert aus, doch vor unseren geistigen Augen sehen wir uns bereits die Schlusshänge hinaufsteigen. Prophylaktisch ziehen wir den Klettergurt an, denn man weiss ja nie, was einen weiter oben erwartet. Steigeisen und 2 Pickel gehören ebenfalls zum adäquaten setup. Simon, unsere Spurmaschine mit Nordwanderfahrung, macht den Anfang. Der Bergschrund ist harmlos und bald bewegen wir uns zwischen Gneiswänden das Couloir hoch. Bis zum Ausstieg auf den SE-Grat geht die Neigung nirgends mehr unter 45° zurück und bewegt sich an einigen Stellen um die 50°. Unsere Psyche wird also in den kommenden Stunden alles andere als unterfordert sein. Trittschnee erleichtert die "Kopfarbeit", dafür gehts mehr in die Beine. Nach rund 200HM öffnet sich das Couloir in die NE-Flanke. Ab jetzt kommen wir in den Genuss der vollen Exponiertheit! Simon ist nicht aufzuhalten und peilt zielstrebig den Grat gefolgt von uns an. Doch je mehr wir uns dem Ausstieg nähern, desto tiefer sinken in den griesigen Schwimmschnee ein. Vor allem um eingeschneite Felsen ist die Situation kritisch, denn es besteht die Gefahr unvermittelt einzusacken und das Gleichgewicht zu verlieren. Während sich Simon in einer ziemlich delikaten Aktion unerschrocken hochwühlt ist Nic und mir die Situation zu heikel. Folgedessen steigen wir etwas zurück und suchen uns einen gangbaren Weg, der die Felsen umgeht. Wir finden ihn und der Aufstieg zum Gipfel kann fortgesetzt werden. Oben auf dem Grat angekommen, merke ich einmal mehr, dass vor lauter Anstrengung meine Energiereserven bedenklich tief gesunken sind. Ein eilends hinuntergewürgter Schokoriegel muss jetzt reichen und wir nehmen den SE-Grat in Angriff. Zwei weitere Tourengänger haben übrigens den Fleckistock gleichentags via SW-Flanke von der Voralphütte aus bestiegen. Der Gang auf Messersschneide ist wegen viel unverfestigtem Schnee kein Spaziergang. Mittlerweile habe ich das Gefühl, mich auf den letzten Metern zum Mount Everest zu befinden... Meine Reserven sind bei Null und es kommt Übelkeit auf. Ich entscheide mich, auf den allerletzten Aufschwung zum Gipel zu verzichten um wieder zu Kräften zu kommen, denn der Abstieg und die Abfahrt werden uns alle noch einmal ziemlich fordern. Gut zu wissen in diesem Moment, dass ich vor fast genau 3 Jahren schon mal auf dem Gipfel gestanden bin.
Abfahrt
Beim Abstieg fühle ich mich Gel-gestärkt wieder deutlich besser. Vollkonzentriert kommen wir beim Skidepot an und bereiten uns mit grosser Sorgfalt auf die Abfahrt vor. Mittlerweile ist der Gipfel eingenebelt und die Sicht nach unten beschränkt sich auf 50m. Vorsichtig gleiten wir in die Flanke. Der Presspulver könnte nicht besser sein und das Vertrauen in die Skifähigkeiten ist sofort zurück. Nic erlebt eine kurze Schrecksekunde als sich seine Dynafit hinten öffnet. Ärgerlich, aber die Bindung war offenbar nicht korrekt auf seine Skischuhe angepasst. Wir kommen nicht darum herum, die Bindung anzupassen. Eher unangenehm in diesem Gelände... Sehr kontrolliert gehts weiter, denn die Schlüsselstellen folgen noch. Die Schmelzharstkruste ist mit dem Verschwinden der Sonne wieder gefroren und brüchig, was unsere volle Aufmerksamkeit fordert. Endlich sind wir im Couloir angekommen, doch die Enge und konstante Steilheit von 45° lassen weiterhin keine Fehler zu. Erst als wir uns alle unter dem Bergschrund versammeln, macht sich allgemein Erleichterung breit. Puhhhh! Die Sicht ist mittlerweile diffus und die Schneequalität wechselt unvermittelt von pulvrig zu dick-krustig. Kein Vergnügen! Erst auf der "Abfahrtspiste" vom Rorspitzli bessert sich die Situation, da hier der Deckel kreuz und quer durchbrochen ist. Die weitere Abfahrt bis zur Brücke bei Litzigen ist weder schön noch mühsam. Leider hat niemand von uns die Kamera auf der Abfahrt gezückt. Wir waren wohl alle zu sehr damit beschäftigt sicher und heil ins Tal zu kommen. Es ist uns gelungen!!!
"Sickinelli" - eine Kombination von Marinelli und sick... ;)
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