Sein oder nicht sein - Val di Gei oder Valle di Foioi


Publiziert von Regula52 , 23. Dezember 2014 um 21:25.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Locarnese
Tour Datum:20 Dezember 2014
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   Gruppo Poncione Piancascia 
Zeitbedarf: 5:00
Strecke:Gordevio, Cortasel, Montascio, Mella, Malai, Archeggio, Gordevio
Kartennummer:Ausdruck aus CD 1: 25000 Ticino, diverse alte Karten

Dramatischer Titel; dramatisch wilde Landschaften.
Einmalige Täler, unnachsichtig  gegenüber verirrten Wanderern.

Die Val di Gei ist kürzer als die Valle di Foioi, in ihrer Art genauso ruppig oder noch ruppiger, eine felsige Schlucht bis an ihr oberes Ende, aber  im Gegensatz zur Valle die Foioi locken nach all den Mühen keine herrlichen Weiden mit üppigem Gras. 

Die Val di Gei ist mir  auf der Karte aufgefallen, die Tour hatte ich schon lange auf Grund der alten Karten geplant, erträumt  und wie so manche Tour  wurde sie aus Zeitmangel nie umgesetzt. 

Die Val di Gei ist ein tiefer Graben, der  eigenartig schräg in der Landschaft liegt.  Die Formation hat wohl mit der Geologie des Gebietes zu tun.

Andreas Seeger hat bereits die Verbindung von Coroi nach Montascio beschrieben. http://hikr.org/tour/post79046.html.

Meine Photos zeigen vor allem den Weg und seine Umgebung.

Gegen 10,30h mache ich mich in Gordevio auf den Weg.   Ich marschiere  nach Brié, dem gelb markierten Weg folgend. Oben am Dorf stellt sich schon die erste Entscheidung: rechts gehen, links gehen, oder schräg  links hinauf.  Ich entscheide mich für letzteres und siehe da: richtig.  Eine kleine leuchtend blaue Notiz weist den Weg: Montasc, Cortagel. Ein schöner, grosszügiger Weg führt nach Cortasel. Offensichtlich kommt das Leben in dieses Maiensäss zurück. Im untersten Gebäude wird gebohrt und gewerkt. Es findet sich  ein Cachistrauch in mitten von Brombeeren mit vielen schönen orangefarbenen Früchten behangen. Die grosse Versuchung, aber der Dornen sind zu viele und so trolle ich mich davon, ohne saftig süsse Cachi im Bauch. Schade.

Auch der Weg hinauf nach Montasc macht keine Probleme. Er ist die meiste Zeit gut sichtbar.  Montasc liegt auf einer schönen Terrasse. Viele Gebäude sind  zerfallen, einige wenige erhalten.  Der Weg nach Coroi ist gut sichtbar. 

Nun beginnt das Abenteuer. Höhenmeter justiert, alte  Karten herausgeklaubt.  Zuerst bis zur obersten Ruine gehen. Nicht weit davon sieht man ein Mäuerchen. Hier ist wohl das alte Trasse.  Eine schöne Weganlage, allerdings ziemlich überwachsen.  Dies muss einmal ein stattlicher Weg gewesen sein. Er findet sich genau dort, wo er in der Karte eingezeichnet ist. Ich gehe bis zum Talrand. Von rechts kommt noch ein Pfad, direkt von Montascio. Es scheint  alles  gar nicht so schlimm zu sein und ich frage mich, weshalb der Weg auf den neueren Karten nicht eingezeichnet ist.  Herrliche Aussicht. Gemütlich gehe ich weiter und dann, was sehe ich da:
Ein schwarzes Loch und ein Weg, der sich verschmälernd  hinunter zieht. Rechts davon  Abgründe. Im Winter scheint  keine Sonne hin. Also da soll ich runter. o.k. Die Route ist gut erkennbar, mehr Sorgen machen mir die zerklüfteten Felsen oben am Weg. Wenn da nur nichts runter stürzt. Also möglichst schnell und ohne auszurutschen gehen. Dann geht's wieder hoch. Ich bin den Gemsen dankbar, die den Weg unterhalten. Bald bin ich von den Felsen weit genug entfernt und  vor Steinschlag sicher. Ich beschaue mir den nächsten Graben. Oben dran wieder Felsen, diesmal zum Teil überhängend und auf dem Weg einiges an neuerem  Schutt. Auf der anderen Seite hoch oben sehe ich ein Mäuerchen, das dem Mäuerchen in der Valle die Foioi täuschend ähnlich sieht.  Also auch hier wurde ein Mäuerchen vor die Felsen über dem Abgrund gebaut, um den Uebergang zu erlauben.  Ueberhaupt erinnert mich der Weg hier je länger je mehr an den Weg in der  Valle di Foioi. 
In den letzten Tagen kein Regen mehr, kein Frost, kein Sonnenschein hier drinnen, also sollte die Steinschlaggefahr  nicht allzu gross sein, und überhaupt, nach der Felsbrockenattacke auf der Strada alta  der Leventina scheint Glück sowieso die Hauptrolle zu spielen im Leben. Also schnell die heikle Stelle überwinden.  Auf der andern Seite führt der Weg dann wirklich über besagtes Mäuerchen und dann durch steiles Grasgelände Hier gibt es mehrere Spuren, die teils dem Weg entsprechen und teils nur von Gemsen begangen werden.  Dort wo der Weg ist, bzw. gedacht ist, finden sich selten alte Schnittspuren. Unbedingt darauf achten, da eine Passage sowohl oben dran, wie auch unten dran praktisch unmöglich und gefährlich ist. 
Und plötzlich befinde ich mich auf einem wunderschönen  breiten Weg, der innert Kürze nach Mella führt. 
Die Bewohner hier scheinen keine Freude an Wanderern zu haben. Alles ist mit Gattern verriegelt.  Ich möchte nach Aiarlo und dann nach Maggia. Also muss ich irgendwie auf die andere Seite des Maiensässes. Ich klettere über zwei Gatter und bin in der Siedlung. Ein Tor, das den Hauptweg versperrt, ist unmöglich zu überwinden. 
Nun bin ich erstmals ratlos. Dann sehe ich auf einem Stein einen Pfeil und da steht Fiume, Maggia.  Also sehe ich mir das mal an. Dann finde ich auf einer Stufe am Boden unter Laub geschrieben Aiarlo.  Super. Ich freue mich schon.  Auf der Karte ist der Weg  als rot weiss markierter Wanderweg eingezeichnet.  Hier in Mella scheint allerdings die Farbe ausgegangen zu sein. Es gibt verschiedene Weglein und ein schönes Trasse, das aber in die falsche Richtung, nämlich nach oben führt.  Ich denke, schönes Trasse ist immer gut, bis es sich oben im Wald  in nichts auflöste. Wenn ich dem Hang entlang traversiere, sollte ich  auf den Weg stossen, der Hang ist nicht sehr steil.  Aber ich hatte die Rechnung ohne das Buchenlaub gemacht.  Nachdem mich dieses ein paar mal beschleunigt hatte und der Hang nach unten immer steiler wurde, wurde mir die Geschichte zu mühsam  und riskant und ich kehrte um. Wieder oben an den Hütten angelangt,  stellte ich den Fehler fest. Ich hätte ein schmales  Weglein wählen müssen, das oben am Weiler vorbeiführt, eine Umfahrung quasi. Eine Stunde bin ich da oben herumgeirrt. Jetzt ist es Zeit zum Abstieg auf schönem Weg nach Malai und Archeggio.

Material: Höhenmesser. Der alte Weg befindet sich mehr oder weniger entlang der  Höhenkurve 1100m. 
Stöcke. 
Gute Geländegängigkeit, sicheres Wetter und vorsichtige Beurteilung der Steinschlaggefahr  sind essentiell für diese wilde einsame Tour. 
Gordevio Montascio  T2, Traversierung T4+, Abstieg von Mella nach Gordevio T2.




Tourengänger: Regula52


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Kommentare (2)


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Seeger hat gesagt: Beide Seiten vom Val di Gei
Gesendet am 26. Dezember 2014 um 21:36
Hallo Regula
Bewusst habe ich Deinen gewählten Weg durch das Val di Gei nicht gemacht. Ich wurde in Coroi auf die unter Laub versteckten Erdlöcher auf diesem Weg hingewiesen. Ein Geologiestudent aus Luzern ist in diesem Gebiet bis heute spurlos verschwunden.
Du hast hier eine gewagte Tour im Alleingang gemacht. Glück gehabt?
So habe ich mich darauf beschränkt, den tiefen Graben des Val di Gei von beiden Seiten her "anzuschauen".
Gruss
Andreas

Regula52 hat gesagt: RE:Beide Seiten vom Val di Gei
Gesendet am 26. Dezember 2014 um 22:17
Ciao Andreas,
Du hast ihn also gekonnt umrundet.
Wege wie dieser üben auf mich eine ganz grosse Faszination aus. Geht irgendwie in die Kategorie von A nach B auf mittlerer Höhe, oder strada alta oder bassa etc.
Ist das so ein Weg, von dem viel schauderhaftes erzählt wird, (es scheint so) wie z.B. auch die Valle del Diavolo? Letztere habe ich nicht begangen, nachdem ich all die Schauermären gehört hatte, aber nächstes Jahr möchte ich definitiv dort hin, wenn es nicht so viel regnet, wie dieses Jahr, aber schon beim Gedanken daran kribbelt es im Bauch. Löcher habe ich allerdings keine gesehen, oder gespürt und dass man in einem solchen verschwindet, kann ich mir kaum vorstellen. Hingegen kann man sich verlaufen und abstürzen. Da kommt man kaum lebendigen Leibes davon und gefunden wird man wohl auch nicht. Dieser Weg ist dem von Foioi sehr sehr ähnlich, nur dass es keine Markierungen hat und die Sicherheitszone noch schmäler ist. Wenn man nicht garantiert sicher auf der richtigen Route ist, darf man nichts probieren und muss umkehren. Da ich immer allein gehe, bin ich ausserordentlich vorsichtig, dazu gehört auch, dass ich mir genau merke, wo ich hergekommen bin.
Nach dem Strada alta Erlebnis hat sich mein Bewusstsein in Sachen Risiko noch einmal verschoben. Die gefährlichsten Situationen habe ich alle auf relativ harmlosem Gebiet erlebt. Da passt man halt wirklich nicht so gut auf.
cordiali saluti
Regula


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