Schilthorn (2970 m) - Rundwanderung ab/bis Mürren
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Ein Touristen-Hot Spot als Gipfelziel? Auf den ersten Blick mag so mancher die Nase rümpfen ob dieser vermeintlich fragwürdigen Wahl. Das Resümee am Ende des Tages sollte dann allerdings ein deutlich differenzierteres Bild ergeben.
Zwei Tage nach dem Föhnsturm, den ich auf der Sulzfluh erleben durfte, versprach meteo für heute bestes Bergwetter. Für mich Grund, wieder einmal eine Tour im Berner Oberland zu unternehmen und dabei das mir noch völlig unbekannte Lauterbrunnen-Tal zu besuchen. Im Rother-Führer von Daniel Anker, dem ich bereits den Tipp für die wunderbare Tour auf´s Reeti vor 2 Jahren verdanke, waren einige Vorschläge verzeichnet, doch überwiegend mit Wegezeiten in der Grössenordnung von 7 bis 9 Stunden und mehr. Nicht so ganz das Richtige zum Einstieg in ein unbekanntes Gebiet.
Und so verfiel ich nach ausgiebigem Kartenstudium auf´s Schilthorn. Bereits die Anreise zum Ausgangspunkt, Mürren, erscheint kompliziert, zumindest auf den ersten Blick. Von Interlaken zunächst mit der Berner Oberland Bahn nach Lauterbrunnen. Hier Umstieg in eine Seilbahn, die zur Grütschalpe hinaufführt. In meiner etwas bejahrten Karte war hier noch eine Standseilbahn eingezeichnet. Diese war offenbar zwischenzeitlich ersetzt worden. Die Spuren der früheren aus der Kabine noch deutlich erkennbar.
Nach kurzer Fahrt auf der Grütschalpe angekommen Umstieg in einen Triebwagen, der die letzten ca. 4 Kilometer mit nur mässigem Anstieg bis nach Mürren überwindet. Alles deutlich einfacher als erwartet: Keine zusätzlichen Billette erforderlich und für GA-Inhaber ohnehin alles enthalten.
In Mürren strahlender Sonnenschein und ungewöhnlich warm für die Jahreszeit. Eine Route zum Gipfel hatte ich mir zwar zurechtgelegt, doch dann folgte ich doch lieber der Signalisierung am Bahnhof. Ohne sonst vermutlich notwendiges häufigeres Kartenstudium würde ich so wohl schneller zum Gipfel kommen. Drei bis Dreieinhalb Stunden hatte ich ohnehin schon veranschlagt.
Der Wegweiser kündigte freilich 4h15 an. Derartige Zeitangaben erwiesen sich - bisher zumindest – zumeist als recht grosszügig. So liessen sich auch gleich zu Beginn die ausholenden Serpentinen des (noch-) Asphalt-Fahrwegs auf direkterem Weg über die Grasflanke abkürzen. Danach dann wieder auf dem Weg ging es zügig in die Höhe. Etwa ab Höhe des Allmendhubels verlief der markierte Aufstieg nun auf einem breiten Abfahrts-Trassée. Wenig attraktiv der Weg, das Umfeld dagegen schon eher.
Lag´s am Weg oder an meiner heutigen Tagesform, jedenfalls war ich bereits nach 2 Stunden am Schlussaufstieg über den Felsgrat angekommen. Fast jeder einzelne Tritt ist ab hier – wohl als Relikt von einem Berglauf – mit gelber Farbe markiert. Da die grobe Richtung ohnehin vorgegeben war, betrachtete ich diese Markierungen mehr als Angebot, weniger als Verpflichtung. Eine selbstgefundene Variante finde ich ohnehin attraktiver.
Zuletzt noch einige Stufen über eine Treppe hoch und die Bergstation war erreicht – eine geräumige Aussichtsplattform mit dem Gebäude der Seilbahn-Bergstation in der Mitte und darüber, einen Stock höher, dem Panorama-Drehrestaurant.
Die Aussicht von hier oben, an einem Prachtstag mit klarer Luft, war heute phänomenal. Zunächst beeindruckten natürlich EJM, hier aus einer mehr seitlichen Perspektive als ich sie bisher kannte. Dann weitere Gipfel am Talschluss von Lauterbrunnen, die mir bisher, allenfalls als Titel von hikr-Berichten geläufig waren. Westlich davon dann der Bergzug der Blüemlisalp. Selbst ein Teil des Montblanc-Massivs war, wenn auch eher schemenhaft, zu erkennen. Unten Thun und das westliche Ende des gleichnamigen Sees. In der Ferne die Konturen des Jura, der Vogesen und des Schwarzwalds. Die zahlreichen Panorama-Tafeln waren sehr hilfreich, wenn mir viele der dort aufgeführten Namen auch wenig vertraut waren.
Nach einem ausgiebigen Rundgang auf der Terrasse mit zahlreichen Fotos dann einen Stock höher ins Restaurant. Auf dem Weg dorthin Gewusel allüberall.
Auf der aushängenden Speisekarte war kein für kostensensible EU-Besucher preislich verträgliches Tagesmenü so um die 18 Franken 50 zu entdecken wie anderswo (etwa am Bettmergrat oder auf Gemmi). Der Verzicht fiel drum ohnehin nicht schwer, war das Restaurant jetzt um 13 Uhr doch bis auf den letzten Platz besetzt und die Luft etwas dämpfig.
Proviant hatte ich ohnehin dabei, doch die Terrasse inmitten der Touristenscharen war nicht der rechte Ort. Also über die kurze Treppe hinab zum Grat und nur wenige Meter weiter fand sich zwischen den Felsen eine windgeschützte Stelle, die auch noch direkten EJM-Blick bot.
Erst eine Stunde später ging ich noch einmal hoch ins Restaurant für einen Kaffee. Jetzt hatte es sogar einen freien Tisch direkt am Fenster. Und das Drehrestaurant drehte sich. Zunächst zumindest. Dann tat sich nichts mehr. Eine Viertelstunde Ruhepause für die Motoren, die sonst wohl überhitzen würden – zumindest wenn ich die Antwort des Kellners auf meine entsprechende Frage richtig verstanden habe.
Dann musste ich allmählich an den Abstieg denken.
Beim Verlassen des Gipfelbereichs wurde es mir noch einmal bewusst, dass dieser Gipfel etwas touristen-ghetto-artiges hat: So klar und eindeutig wie selten sonst ist hier der Bereich der Kurzzeit-Seilbahn-Besucher abgegrenzt und deren Bewegungsspielraum durch Bebauung und Gestaltung auf die Terrasse beschränkt. Nur wenige Meter die Treppe hinab und auf die andere Seite der Umzäunung gewechselt und man betritt zugleich eine andere Welt.
Nun also zurück und in dieser mir gewohnteren Welt über den Westgrat hinab, zunächst zu P2828 auf der Karte „Sattel“ benannt und danach zu einem weiteren Sattel „Rote Härd“ (die Schreibweisen variieren etwas). Der Grat hat einige Steilstufen, deren Überwindung mithilfe von Treppenstufen und Seilen allerdings kein Problem darstellt (T3).
Von der Roten Härd sodann hinab in das weitläufige Alpgebiet von Poganggen, in dem sich auch die bereits schon wieder geschlossene Rotstockhütte befindet.
Da ich noch Hoffnung hatte, im Schilttal eine geöffnete Beiz vorzufinden nahm ich nun den zum Wasegg-Grat und dort zu P2155 ansteigenden Weg. Diesen dann wieder 200 Höhenmeter hinab zu einem Steg über den Schiltbach und weiter zu einer Alp namens Im Schilt. Alles geschlossen und das Bier wohl auch schon ausgetrunken. Zumindest liessen die mit leeren Flaschen gefüllten Bierkästen vor dem Gebäude dieses vermuten. Von hier dann ohne eine weitere Pause über Gimmela in rund einer halben Stunde zurück nach Mürren.
Und zum Abschluss noch ein kleines Schmankerl auf der Rückfahrt mit dem Triebwagen zur Grütschalp. Eine richtige Panorama-Fahrt war dies am frühen Abend und ein Abschiedsgeschenk, EJM durch die Abendsonne ins rechte Licht gesetzt so unmittelbar von Gegenüber noch einmal bestaunen zu dürfen.
Wie ist am Ende des Tages nun meine Meinung zum Schilthorn?
Bei den Aussichtsbergen in der Liga der (knapp-)Dreitausender ist das Schilthorn gewiss eine Ausnahmeerscheinung, so einmalig schön und umfassend ist der Ausblick an einem Prachttag wie heute. Dass er durch die Bergbahn viel Besuch erhält sollte für alle, die (noch) in der Lage sind, es aus eigener Kraft dort hinauf zu schaffen, leichter erträglich sein angesichts der Vorstellung, dass auch sie später einmal für einen derartigen Genuss auf eine Bahn angewiesen sein könnten.
Überdies lässt sich nur wenige Meter abseits mit Leichtigkeit ein Platz finden, an dem man von dem konzentrierten Trubel so gut wie gar nichts mitbekommt.
Wenn nach den ersten Eindrücken auch die Umgebung und der individuelle Zeitbedarf besser eingeschätzt werden können, sollte es auch kein Problem sein, einen attraktiveren Weg für den Aufstieg zu finden.
Touristen Hot Spot: Ja, aber keiner, um den man einen Bogen machen muss. Dafür strahlen etwaige negative Begleiterscheinungen viel zu wenig auf seine Umgebung aus. Und was spricht gegen einen Kaffee oder ein Bier im Drehrestaurant zu einem Zeitpunkt, wenn es dort etwas ruhiger zugeht. Im Führer von Daniel Anker endet die Schilthorn-Tour (ab Kiental) übrigens auf dem Gipfel: Als Angebot für alle, die ihre Knie schonen wollen.
Schwierigkeitsbewertung:
Aufstieg über den Grat im Schlussaufstieg und Abstieg bis Rot Härd sind T3, alles Übrige maximal T2

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