Ohne Fleiß keine Pleis: Alle vier Grasgrate der Pleisspitze (Bleispitze)


Publiziert von Nik Brückner , 11. September 2014 um 16:02. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Lechtaler Alpen
Tour Datum:29 August 2014
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 6:45
Aufstieg: 1550 m
Abstieg: 1550 m
Strecke:16km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem Auto auf der Fernpassstraße nach Lähn
Kartennummer:AV-Karte 4/1, Wetterstein- und Mieminger Gebirge West

Die Pleisspitze - der nördlichste Grasberg der Lechtaler Alpen!

Wer schon mal auf der Fernpassstraße durch Zwischentoren gefahren ist, dem sind die eleganten Schwünge des Nordgrates sicherlich nicht entgangen. Die wollte ich begehen - nicht wissend, dass an diesem Tag noch einiges mehr möglich sein würde!



Animals As Leaders' "The Joy Of Motion" zum Aufwachen. Früh morgens ging es los, in Lähn, wo ich mein Auto abgestellt habe. Dann über eine Brücke zu einem Gebäude, vor diesem nach rechts und gleich danach auf einem Feldweg wieder nach links, direkt auf den Wald zu. Man gelangt auf eine Weide, wo man am besten direkt links auf eine Rippe hinaufsteigt. Diese Rippe beginnt eigentlich direkt hinter dem beschriebenen Gebäude, ist dort aber schlecht zu ersteigen. Sie ist die westliche Begrenzung des Rigetalbachs.

Nun auf der Rippe bergan. Im zunächst sehr gestrüppigen Wald stößt man schnell auf Trittspuren, die sich aber bald verlaufen. Ich bin daher einfach der Nase nach aufgestiegen, bis ich an einen Holzabfuhrweg kam. Ein paar Meter nach rechts (Westen) steht oberhalb des Weges ein Kruzifix auf der Wiese. Zu diesem bin ich aufgestiegen, und dahinter weiter weglos im Wald hinauf.

Hätte ich mir alles sparen können...

Denn das habe ich nur deshalb gemacht, weil die AV-Karte für diese Ecke veraltet ist. Tatsächlich führt diesen Hang ein bequemer Holzabfuhrweg hinauf, der am Gämple in etwa 1500 Metern Höhe endet. Der ist aber in der Karte nicht eingezeichnet.

Vermutlich gelangt man zum Gämple, wenn man gegenüber von Wengle dem Holzabfuhrweg folgt, der auch als Mountainbike-Strecke hinauf in den Rautwald bezeichnet ist. Das ist dann zwar länger, aber man spart sich das mühsame weglose Steigen im Wald.


Am Gämple ist ein Wendeplatz, von dem aus deutliche Gehspuren rechts die steile Wiese hinaufführen. Es geht immer rauf rauf rauf, nur kurz mal durch breite Erlengassen, ansonsten immer in hohem Gras. Zum Glück - denn im Sommer 2014 hat es ständig geregnet, und die Erde war triefend nass und entsprechend glitschig. Da konnte man über jeden Grashalm froh sein.

Nach einem etwas mühevollen Aufstieg kam ich am Oberen Gämple (1716m) an, einer deutlichen Graskuppe, die auch aus dem Tal gut zu sehen ist. Hier in eine kleine Mulde, und drüben -

Tja - und hier entdeckte ich den Nordostgrat...

Mein Plan war, den Nordgrat zu begehen, der sich in eleganten Schwüngen hinauf zum Gipfel zieht. Schön, aber nicht sonderlich schwer. Nun zeigte sich mir auf der gegenüberliegenden Seite des Kars "Wanne" der Nordostgrat, der von ganz anderem Charakter ist: Weniger elegant, deutlich schroffer und anspruchsvoller, aber deshalb mindestens ebenso reizvoll!

Was sollte ich nur tun?!?


Ich hielt an meinem Plan fest. Wanderte hinüber zum Nordgrat, der als harmloser Wiesenbuckel beginnt. Dann geht es aber überraschend steil und kletterig eine Stufe hinauf. Das grenzt an T5, minus vielleicht, eine I ist's auf jeden Fall. Die einzige Stelle dieser Schwierigkeit in meiner Aufstiegsroute. Alles andere, drunter wie drüber, ist T4 und leichter, und klettern muss man auch nicht. Sogar alte Markierungen sind noch vorhanden.

Die Stufe ist schnell überwunden. Danach ist der Grat ein Laufsteg! Die Schwünge muss man genießen, bevor es dann noch einmal steil zu der Stelle hinaufgeht, an der sich Nordgrat und Nordostgrat vereinigen und den kurzen Gipfelgrat bilden, der in wenigen Minuten hinüber zum Kreuz der Pleisspitze (2225m) führt.

Von Lähn bis zum Gipfel: zweieinhalb Stunden, Waldweg (T1), Trittspuren und welgos, T4, eine Stelle T5-/I.


Geschafft! Wie schön. Zeit, die Rundsicht zu genießen! Vielleicht nicht die beste in den Lechtaler Alpen, aber doch überraschend schön. Es geht im Norden los mit den Ammergauer Alpen: Da dominiert natürlich der gegenüberliegende Danielgrat, von der Kohlbergspitze bis zum, na, eben dem Daniel. Dahinter lugen der Branderschrofender Hohe Straußberg, die Krähe und die Hochplatte hervor, der Kreuzspitz und der Friederspitz.
 
Im Osten folgt dann der Wetterstein, mit dem Waxenstein, der  Zugspitze und den Plattspitzen. Es folgt die Mieminger Kette, mit der Hochwand und dem Hochplattig, der Sonnenspitze direkt davor, sowie dem Grünstein, der aus dieser Perspektive den Schlusspunkt bildet. Der Wannig schiebt erst ein Stückechen weiter Richtung Süden seinen Kopf über die nahe Gartnerwand, die erst im Südwesten den Blick auf mehr freigibt: Dort ist zunächst der Loreakopf zu sehen, es folgen die Galtbergspitze, die Steinmandlspitze und der Rote Stein.
 
Es folgen die drei Kreuzspitzen, an die sich die Reihe der Allgäuer Alpen anschließt:
beginnend mit dem Hohen Licht und dem Krottenkopf, der Bretterspitze und der Urbeleskarspitze. Es folgt der Wildengrat, den Westen markiert dann der Hochvogel. Dann kommen Großer Daumen, Kleiner Daumen, Leilachspitze, Rauhhorn, Schochenspitze, Geißhorn und Sulzspitze.

Dann schiebt sich der nahe Thaneller ins Blickfeld, bevor sich die Allgäuer mit der Gaichtspitze, dem Einstein, der Roten Flüh, dem Gimpel und dem Köllenspitz fortsetzen, bevor die Gehrenspitze den Reigen dann beendet.


Ich hatte mir vorgenommen, hier spontan zu entscheiden, wie ich weitergehen wollte. Im Falle einsetzenden Regens wäre ich auf dem schnellsten Weg abgestiegen. Doch das Wetter hielt! Sollte es möglich sein, Ost- und Westgrat mitzunehmen?

(Ich sag einfach mal Ostgrat zu dem Grat, der sich zum Gartner Joch hinüberzieht, auch wenn der über die Gartjöcher deutlich nach Norden abbiegt, ganz ähnlich wie der Westgrat, der zum Mähbergjoch (auch: Wilfling-Joch) nordwestlich abknickt).


Also Abstieg Richtung Osten, möglichst nicht auf dem glitschigen Weg. Deshalb über Gras hinunter in das Joch. Spätestens dort hatte ich aber keine Chance mehr, dem Matsch auszuweichen: Kühe hatten den gesamten Rücken schlammig gestampft. Und so bin ich von Grasinsel zu Grasinsel über die Weide gehopst, hinüber zu den Gartjöchern. Dabei schweifte mein Blick immer wieder zum Nordostgrat der Pleisspitze...

Von der Pleisspitze über die Gartjöcher: 30 Minuten, Trittspuren und Pfaderl, T3


...bis ich es nicht mehr ausgehalten habe! Also zurück und weiter zur tiefsten Stelle zwischen den Gartjöchern und der Pleisspitze. Den Hang zwischen hier und der Nordostgrat ("Schlafbichl") habe ich mir sehr genau angesehen. Eine Querung auf Gamswechseln schien mir möglich zu sein. Also vom Sattel aus hinunter in den Hang.

Die Querung ist nicht ohne. Im Abstieg muss man schon ziemlich aufpassen, und die Querung zum Nordostgrat wird, je weiter man kommt, steiler. Dazu kommt, dass Geröll unter großblättrigem Kraut den Hang in ein Knochenbrechergelände verwandeln können. Doch die Gämsen sind gute Wegebauer. Mit entsprechender Vorsicht ist die Querung zu schaffen.

Der Ausstieg hinauf auf dem Grat erfordert nochmal sehr umsichtiges Gehen. An der Stelle, die ich mir ausgesucht hatte, helfen Latschenäste mehr als sie behindern, allerdings muss man auch sehr aufpassen, dass man zwischen ihnen nicht hängenbleibt. Das ist hier schon verdammt steil.

Querung vom Sattel aus zum Nordostgrat: 45 Minuten, weglos, T6


Auf dem Sattel angekommen, atmete ich kurz durch. Eine kleine waagrechte Stelle, davor T6, danach T6.

Da klingelt plötzlich mein Handy!

Der Fluchsegen moderner Technik...

Meine Mutter ist dran! Wie's mir geht und so, wen meine Eltern gestern zu Besuch hatten, was es zu essen gab - und was Tolles in meinem Horoskop steht! Wie nett! Und was ich grad so mache...?


Hihi! Ich habe geilen T6! Also weiter am Grat. Ich hatte mich nicht geirrt: Der Nordostgrat mag weniger elegant sein, dafür ist er deutlich steiler, schroffer und anspruchsvoller als der Nordgrat. Die Route dürfte mit T6, weiter oben mit T5 zu bewerten sein. IIer-Stellen allenthalben. Und man muss aufpassen! Denn diese anspruchsvollste Kante der Pleisspitze ist nachvollziehbar Rückzugsgebiet von Gämsen, und so mancher Griff ist, nun ja, glitschig...

Nun also in ebenso anspruchsvoller wie herrlicher Gratkletterei hinauf zu dem Punkt, an dem Nordost- und Nordgrat zusammenlaufen. Davor wird es vorübergehend etwas einfacher, steiles Gras, aber kurz unterhalb des Kopfes muss man nochmal kräftig mit den Händen zupacken. Dann hat man es geschafft!

Und es ging zum zweiten Mal über den Gipfelgrat zum Kreuz der Pleisspitze.

Nordostgrat: 30 Minuten, weglos, T6/II


Blieb einer übrig: Der Westgrat. Trittspuren führen steil, aber gut machbar einen Wiesenhang hinunter, bis sich unten der Gratrücken deutlich ausbildet und zunächst direkt nach Westen führt. Auf halbem Weg zum Mähbergjoch (auch: Wilfling-Joch) knickt er dann nach Nordwesten ab. Der Grat ist schmal, das Pfaderl auch, aber ausgesetzt ist es nie. Alles im T3/T4-Bereich.

Nord-/Nordwestgrat zum Wilfling-Joch: Trittspuren und Pfaderl, 30 Minuten, T3/T4.


Den Abstieg vom Mähbergjoch/Wilfling-Joch übers Wannenegg nach Bichlbach kann ich nicht empfehlen. Er ist steil, bei Nässe schmierig und dann gefährlich, und im unteren Teil steht man zwei mal vor gachen Steilabbrüchen. Der untere der beiden senkrecht. Durchschlupfe gibt es, die sind aber nur schwer und mit guter Ori zu finden.

Abstieg vom Mähbergjoch/Wilfling-Joch nach Bichlbach: 1:30, weglos, T6. Finger weg!


Ich werde den Abstieg daher lieber gar nicht erst beschreiben und empfehle stattdessen folgendes:

Vom Mähbergjoch/Wilfling-Joch aus auf dem Grat weiter zum Gartigköpfl. Wie ich einige Tage später vom Kamp aus sehen konnte, ist ein Abstieg vom Gartigköpfl aus sowohl nach Westen (übers Stockeregg) hinunter zu einem Waldweg wie auch steil über Gras an einem Weidezaun entlang am Waldrand nach Bichlbächle möglich (man liest immer wieder, diese Abstiegsmöglichkeiten gebe es nicht, aber das stimmt nicht).


Fazit:

Die Pleisspitze ist ein faszinierender Grasberg mit steilen Flanken nach fast allen Seiten und vier Graten unterschiedlichen Charakters und unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade. Für Fans von Grasgraten ist der Berg das absolute Nonplusultra in dieser Gegend!


Ausrüstung:

Bergschuhe (eine beinharte Sohle ist für die weglose Querung unerlässlich), Stöcke.


Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (2)


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fspiegel hat gesagt: Wilfingjoch
Gesendet am 30. Oktober 2017 um 18:13
kann ich in meinen Karten nicht finden. Meinst Du etwa das Mähbergjoch?
Tolle Beschreibung!

Nik Brückner hat gesagt: RE:Wilfingjoch
Gesendet am 2. November 2017 um 14:16
Hi!

Ja, das ist ja schräg - der Name "Wilfingjoch" ist aus allen elektronischen Ressourcen verschwunden, die ich normalerweise nutze. Da sieht man mal wieder: Namen sind Schall und Rauch, und können sich auch mal ändern. Ja, ich meinte das Mähbergjoch. Jetzt mach ich mich mal dran, herauszufinden, wie das vor sich gegangen ist.

Danke für den Hinweis!

Nik


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