Pizzo Nero (2904m) & Pizzo Gallina (3061m)
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Der neue Alpinwander-Führer „Gotthard“ enthält einige Leckerbissen, darunter den Pizzo Gallina, hoch über dem Nufenenpass. Der Gipfel erweckte schon lange meine Aufmerksamkeit, etwa als ich vor zwei Jahren gegenüber auf dem Bättelmatthorn (Bericht) und vor drei Jahren auf der Punta di Valrossa (Bericht) stand. Das Blättern im SAC-Führer hob den Gipfel in meiner Prioritätenliste wieder nach oben.
Nun war die Zeit für einen Versuch gekommen. Zwei motivierte Tourenpartner waren schnell gefunden und die Wetterprognose versprach ganztags eitlen Sonnenschein. Nun, da hatten sich die Meteorologen aber deutlich vertan. Während Bombo von „blau in blau“ am Guppengrat berichtete, dämpfte bei uns bereits die Ankunft in Airolo die Stimmung: Sämtliche Gipfel waren von grossen Wolken verhüllt. Seufz, seufz und nochmals seufz. Da wären wir wohl besser in der Zentralschweiz geblieben...
Als das Postauto um 9 Uhr den Nufenenpass erreichte, betrug die Sichtweite noch 20 bis 50 Meter. Das ist nicht gerade ein Vorteil, wenn man weglos in die grosse Mulde unterhalb der Gornerlilücke queren muss. So hielten wir uns primär an den Höhenmeter und versuchten, die lange Querung auf ca. 2500 bis 2530 Meter zu absolvieren. Unterwegs gelangten wir so sogar auf eine Art Weg. Wer mit dem Auto anreist, wird besser daran tun, nach P. 2410 zu parken und von dort dem Wanderweg zu folgen.
Item. Die Querung gelang gut und bald einmal erreichten wir P. 2580. Kurze Zeit später lichtete sich der Nebel etwas, was die weitere Routenfindung hoch zur Gornerlilücke erleichterte. Wir passierten den See bei P. 2566 auf dessen rechter Seite und stiegen weglos hoch in Richtung P. 2691, den wir auf seiner westlichen Seite umgingen. Danach fanden wir eine Art Pfad, welcher uns zur Lücke hoch führte.
Von unserem ersten Ziel, dem Pizzo Nero, war ebenso wenig zu sehen wie von all den Berggipfeln, die von dort oben zu sehen wären. Wir folgten etwas dem Grat und deponierten bald einmal unsere Rucksäcke. Kühler Wind blies uns um die Ohren, die Landi-Gartenhandschuhe schützten beim Kraxeln etwas vor der Kälte. Vor uns sahen wir zwei Berggänger in der schuttigen Rinne, welche zum Pizzo Nero hoch führt, entschieden uns aber, mehr oder weniger auf dem Grat zu bleiben (ein paar Mal muss etwas nach rechts ausgewichen werden). Nach der Kraxelei erreichten wir eine Scharte unter dem Gipfel, wo kurz etwas beherzter zugegriffen werden musste (II). Um 10.45 Uhr, also 1h 45min nach Abmarsch beim Nufenenpass, erreichten wir den Gipfel.
Lange blieben wir dort nicht, denn zu sehen gab es genau gar nichts. Die beiden anderen Berggänger waren noch unschlüssig, ob sie den Pizzo Gallina noch dranhängen würden, folgten dann aber irgendwann (im Abstieg von der Südrippe hörten wir später ihre Stimmen im Couloir). Wir stiegen also bald wieder zu den Rucksäcken ab, dies in meinem Fall aber durch die rutschige Rinne. Nach einer kurzen Pause starteten wir das Unterfangen „Pizzo Gallina Ostgrat“. Das Empfangskomitee – fünf gemütliche Steinböcke – erwartete uns bereits auf der ersten Geröllkuppe. Danach ging's mehr oder weniger auf dem Grat (und hin und wieder den Zacken nach rechts ausweichend) weiter. P. 2844 überkaxelten wir, wobei er sich auch rechts umgehen liesse.
Danach folgte der kurze Schneesattel, an dessen Ende man vor einer Felswand landet. Hier stiegen wir etwa 10 oder 15 Meter entlang der Wand ab, bis wir den Einstieg in eine gut gestufte Verschneidung fanden, die etwas nach links oben durch die Wand führt. Auch wenn es reichlich solide Griffe und Tritte hatte, lohnte es sich, diese auf ihre Festigkeit zu prüfen, denn so ganz alles hielt nicht. Bald einmal liess die Steilheit etwas nach und ein erster Steinmann kam in Sicht. Es folgte rechterhand ein weiterer, bevor wir wieder eher nach links oben zum Geröllfeld kraxelten. Nach der eigentlichen Verschneidung scheint es mehrere Ausstiegsmöglichkeiten zu geben.
Auf dem Geröllfeld ging es nun weiter auf den Pizzo Gallina zu. Nach wie vor betrug die Sicht inetwa null. Bald kraxelten wir auf eine Kuppe und sahen etwas unter uns zwei Felszacken. Etwas unschlüssig, welcher von beiden mit dem „spitzigen Turm“ (SAC-Führer) gemeint ist, stiegen wir zum ersten Zacken ab. Diesen umgingen wir rechts und es bestätigte sich, dass mit dem „spitzigen Turm“ dieser hier gemeint war. Ihn zu überklettern wäre ohne Seil nicht so lustig gewesen und rechts liess er sich nicht umgehen. Ergo stiegen wir hart am Fels nach links (also südseitig) etwas ab, um kurz darauf gleich wieder nach rechts hoch auf den Grat zu klettern (II-III).
Nun hätten wir gerne mal gesehen, wo der Vor- und wo der Hauptgipfel des Pizzo Gallina war. Ahnungslos kraxelten wir in die Höhe und zweifelten, ob wir uns gerade am Vorgipfel zu schaffen machten oder nicht. Etwas spät gelangten wir zur Erkenntnis, das dem wohl so war, denn wirklich einfach war das sich Bietende im oberen Teil nicht. Dessen rechtseitige Umgehung erschien uns allerdings auch nicht wirklich angenehm. Ein erster Versuch meinerseits scheiterte und hinterliess ein ziemlich geprelltes Schienbein mit einer fetten Beule. Meine Tourenpartnerin versuchte es reichlich weit oben mit Klettern, fand sich aber sehr bald in sehr unlustigem, da instabilem Fels. Schliesslich entdeckte ich unterhalb eine halbwegs angenehme Möglichkeit (keinerlei Steinmännchen), den Vorgipfel zu umgehen und direkt in den Sattel unterhalb des Gipfels zu queren.
Gefunden, begangen und schliesslich folgte uns auch vorsichtig die Versteigerin. Im Nachhinein betrachtet ist klar: Mit etwas Sicht hätten wir ganz sicher rechtzeitig gemerkt, dass wir uns am Vorgipfel zu schaffen machten und wären gar nie auf die Idee gekommen, diesen zu besteigen, da er ja bekanntlich bzw. gemäss Führer nordseitig umgangen wird. Diese Umgehung empfand ich wohl als die heikelste Stelle der Tour.
Als wir den Sattel erreichten und den Höhenmesser konsultierten war klar, dass bald einmal der Gipfel erreicht sein sollte. Leicht, wenn auch in instabilem Gelände ging es auf dem Grat weiter bis wir auf ein Steinmännchen und dann noch ein zweites trafen. Einen Moment lang zweifelten wir, ob dies nun der Gipfel war, einigten uns nach einem Blick auf den Höhenmesser aber bald darauf, dass wir den Pizzo Gallina erreicht hatten. Es war 13.10 Uhr. Von der Gornerlilücke aus hatten wir zwei Stunden benötigt. Ohne die Versteigerei und Querungs-Sucherei am Vorgipfel und etwas besserer Sicht wären die im SAC-Führer angegebenen eineinhalb Stunden sicherlich machbar gewesen.
Hinter dem östlichen Gipfelsteinmann genossen wir die verdiente Mittagsrast und hätten uns gerne an der vielbeschworenen, superschönen Aussicht satt gesehen. Stattdessen starrten wir, zusehends etwas fröstelnd, ins graue Grau. Selbiges ist nicht gerade eine gute Voraussetzung für einen heiklen Abstieg. Graustes Grau verhindert derweil gewaltige Tiefblicke, was mich auch diesmal gar nicht so arg störte, denn nun wurde es richtig steil.
Der Abstieg über die Südrippe beginnt beim östlichen Gipfelsteinmann. Wer gut hinschaut, erkennt eine Art „Weg“ durch das instabile Geröll und ein paar Steinmännchen. Hin und wieder erblickten wir unter uns ein paar Felsnadeln, welche uns die Richtigkeit unseres Unterfangens bestätigten. Nach einem kurzen Abstieg durch die instabile Flanke querten wir nach rechts zu den Felsnadeln. Hier erblickten wir erneut Steinmännchen und umgingen besagte Nadeln hart auf deren rechten Seite. Etwas Trittsicherheit und Erfahrung schadete in diesem Gelände nicht, an einer kurzen Stelle war sogar etwas Abkletterei (II) gefragt.
Bald einmal hatten wir die Felsnadeln hinter uns gelassen. Ein paar Spuren nach rechts ins Couloir hätten uns beinahe verleitet, durch dieses abzusteigen. Stattdessen hielten wir am SAC-Führer und der Landkarte fest, welche einem etwa flacheres Gelände und schliesslich dass „Bollwerk“ bei P. 2836 versprechen. Nach den Felsnadeln stiegen wir also zurück auf den Grat und folgten diesem, bis besagter, leichterer Abschnitt begann. Recht bald zeigte unser Höhenmesser an, dass wir kurz vor P. 2836 standen. Steinmännchen zu unserer Linken unterstrichen, dass wir da waren, wo wir zu sein hatten.
Nun begann das letzte, happige Teilstück unserer Tour. Im SAC-Führer wurde den Worten „steil und abschüssig“ nicht zu unrecht ein Ausrufezeichen angefügt. Zur Beruhigung sei aber gesagt, dass die zunächst recht breite Grasrinne gut gestuft und mit etwas Konzentration und Trittsicherheit gut begangen werden kann. Der Nebel sorgte in unserem Fall zwar für eine gewisse Feuchtigkeit, was aber nicht sonderlich störte. Bei Nässe wäre der Abstieg wohl aber ziemlich heikel. Item. In der Grasrinne sieht man von oben linkerhand ein schmales Couloir (auf diesem Bild) rechts. Dort führt der Abstieg nicht durch. Vielmehr hält man sich in etwas in der Mitte der Rinne, bevor es zu deren Ende fast senkrecht in die Tiefe geht und man auf der rechten Seite der Rinne ein kurzes, einfaches Felswändchen abklettert.
Um 14.30 Uhr also ca. eine Dreiviertelstunde nach Abmarsch auf dem Gipfel, hatten wir somit den Ausstieg aus der Südrippe erreicht. Nun ging's über viel Geröll (teilweise Steinmännchen) weiter in Richtung Chilchhorn. Bald einmal stiessen wir auf einen recht gut unterhaltenen Weg, welcher uns an den Fuss des Gipfelfelsens führte. Kurze Zeit hielten wir Ausschau nach einer geeigneten Besteigungsmöglichkeit. Mit einem Seil wäre die Sache machbar gewesen, doch so hatten wir nicht den Mumm dazu. So ging es schliesslich weiter auf dem Wanderweg, auf dem wir um ca. 15.30 Uhr den Nufenenpass erreichten, wo sogar noch Zeit für ein Kaffee blieb.
Das mitgeschleppte Seil, die Schlingen und die Reepschnüre blieben während der ganzen Tour im Rucksack. Erfahrung in solchem Gelände und eine gute Nase für die richtige Routenwahl ist am Pizzo Gallina von grossem Vorteil, denn Ausflüge in die eine oder andere Flanke könnten schnell recht heikel werden.
Neben dem SAC-Führer „Alpinwandern/Gipfelziele Gotthard“ (2014) sind für diese Tour auch der Bericht von Zaza und jener von 360 hilfreich. Und ja: Die Tour bei besseren Sichtverhältnissen zu bestreiten, wäre auch nicht schlecht...
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