Monte Rosa Ostwand über die Brioschi Route


Publiziert von garaventa , 27. August 2008 um 21:01.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum: 6 August 2008
Hochtouren Schwierigkeit: S
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   I 
Zeitbedarf: 2 Tage
Strecke:Mattmarksee-Monte Moro Pass-Staffa-Belvedere-Refugio Zamboni-Rifugio Marinelli-Nordend-Dufourspitze-Monte Rosa Hütte-Rotenboden
Zufahrt zum Ausgangspunkt:mit dem Postbus zum Mattmarksee

Besteigungsbericht:

Monte Rosa Ostwand über die Brioschi-Route am 05 & 06.08.2008

Gipfelziele: Nordend 4609m.ü.m & Dufourspitze 4634m.ü.m

Als Eingeh- und Akklimatisationstour machten wir eine Woche zuvor die vollständige Breithorn-Überschreitung incl. des Pollux als Tagestour vom Klein-Matterhorn aus.
Von dieser Tour werde ich später möglicherweise noch separat berichten.

Lange schon hatten wir die Monte Rosa Ostwand in Planung

Dieser Übergang zwischen dem Saastal (Schweiz) und dem Val Anzasca (Italien) ist schon im Mittelalter als Handels- und Transportweg begangen worden und diente noch bis vor einigen Jahren auch dem Schmuggel verbotener Waren. Ferner siedelten die Walser sich auch im Val Anzasca an und bildeten dort eine eigene Volksgruppe in Oberitalien.

Viele berühmte Bergführer aus dem Wallis liegen begraben auf dem Walserfriedhof von Macugnaga, unter Ihnen auch Ferdinand Imseng, welcher zusammen mit anderen namhaften Alpinisten in der Ostwand des Monte Rosa durch eine Lawine zu Tod kam.

Für den Passübergang brauchten wir 2h und fuhren anschliessend auf der italienischen Seite mit der Pendelbahn hinunter nach Staffa.

Dort besuchten wir noch den Walserfriedhof und machten uns anschliessend über Pecetto auf den Weg hinauf zur Belvedere und von da aus zur Rifugio Zamboni e Zappa.

Hier angekommen, stärkten wir uns noch einmal mit einer guten Portion Pasta und gingen anschliessend den Anstieg von etwas mehr als 1000Hm Richtung Capanna Marinelli an.

Diese Hütte ist eigentlich nicht mehr als ein gemauertes Biwak mit Gaskocher. Die Matrazen und Decken waren feucht und muffig und der Allgemeinzustand dieser Schutzhütte ist momentan sehr bescheiden.

Sie dient ausschliesslich als Stützpunkt für die Routen durch das Marnellicouloir auf die Dufourspitze sowie für die Brioschiroute aufs Nordend.

Sie liegt total abgeschieden vom Rest der Welt, hoch oben über dem Monte Rosa Gletscher und hat normalerweise sehr selten Besuch von Bergsteigern.
Laut Eintrag im Hüttenbuch waren wir in diesem Jahr die ersten, die überhaupt dort zu Gast waren, um eine Ostwanddurchsteigung durchzuführen.

Nach dem Nachtessen legten wir uns bald hin, da wir um 0:30 Uhr aufstehen wollten.
Ich konnte jedoch schlecht zur Ruhe finden, immer wieder rumpelten Eisabbrüche durch die Wand und meine Gedanken kreisten bereits um die folgende Nacht.

Der neue Tag begann für uns um 0:30 Uhr und wir bereiteten Tee und ein klappes Frühstück zu.

Schliesslich starteten wir am 06.08 um 1:10 Uhr. Die Nacht war klar, nicht sehr kalt aber mondlos und die Lichter von Mailand flimmerten gut sichtbar am Horizont.

Die ersten beiden Stunden ging es über viel loses Blockwerk und Geröll, leichte Kletterstellen und ab und an ein kleines Schneefeld. Dann folgte das erste längere Schneestück, welches wir mit Eisen angingen.
Nach 3h endete der Firn und wir mussten entgültig auf die wenig ausgeprägte Felsrippe wechseln, welche von hier an Rtg. Nordend emporzieht.

Trotz der Dunkelheit und des für mich total unübersichtlichen Geländes fand sich mein Freund und Führer Gabriel auch hier sehr gut zurecht. Er war diese Tour auch erst einmal im vergangenen Jahr gegangen, hat aber ein sehr ausgeprägten Gespür für den rechten Weg.

Die Kletterstellen wurden nun zunehmend schwieriger und steiler, an gleichzeitiges Steigen am kurzen Seil war jetzt nicht mehr zu denken.

Hier und da hatte ich meine Probleme, die Felsen waren teilweise lose und die gestuften Platten waren an etlichen Stellen von einer dünnen transparenten und störenden Eisschicht überzogen.

Weiter oben wurde die Felskletterei immer wieder von luftigen Abschnitten auf einem Firngrat unterbrochen und die Stunden flossen dahin.

Langsam setzte jedoch die Morgendämmerung ein und wir erlebten wenig später einen sensationellen Sonnenaufgang auf ca. 4100 m.ü.m.

Auch wurde nun das Gelände um uns herum in dem wir uns bewegten immer besser sichtbar und die Tiefblicke, welche sich nun auftaten, waren schon sehr respekteinflössend.

Dann endlich nach einer Querung nach rechts über eine schwierige, senkrechte Felsmauer, erreichten wir den unteren Rand des Linceul ; zu Deutsch Leichentuch.

Dies ist ein im unteren Teil 50° steiler, weiter oben bis 58° steiler Firnhang, der auf ca. 4200 m.ü.m beginnt und ca. 250Hm nach oben reicht. Der Firn war unten zunächst noch schön fest und die beiden Eisgeräte in den Händen griffen sauber und sicher ein.

Weiter oben, wo die Sonne bereits früher aufgegangen war, sanken die Steigeisen dann aber immer wieder tief in den Firn ein und das Steigen wurde dadurch für mich sehr sehr anstrengend.

Dennoch trieb Gabriel mich aus gutem Grunde zur Eile an, denn am obersten Ende des Linceul schliesst sich das ca. 80 Hm lange Ausstiegscouloir an, welches direkt auf das oberste Firnplateau unterhalb des Nordend-Gipfels führt.

Diese sehr steile und enge Eisrinne drohte nun recht schnell anzutauen und somit hätten wir hier mit Schwierigkeiten rechnen müssen. Die Zeit reichte aber noch aus, das Eis wurde zwar weicher, behielt aber für die Eisgeräte noch ausreichend an Griffigkeit.

Dann endlich reduzierte sich die Hangneigung wieder auf ein ertägliches Mass und wir standen auf dem sanft geneigten Firnplateau, welches zum obersten Teil des NW-Bollwerk gezählt werden kann.

Der Gipfel des Nordend lag nun nur noch wenige Meter über uns und wir erreichten den Gipfel wenige Minuten später über einen äusserst schmalen und felsdurchsetzten Firngrat.

Auf dem Gipfel selbst war kaum Platz für 2 Personen, da die Gipfelfelsen noch überwiegend unter Schnee begraben waren. Ein Bein auf italienischem- und ein Bein auf schweizer Boden, so standen wir auf dem Gipfel des Nordend.

Nach einer kurzen Pause und einem Blick zur Uhr waren wir erstaunt, dass wir letztendlich „nur“ 7:40 Std. für die Brioschi Route benötigt hatten. Noch auf dem Nordend fassten wir den Entschluss, die Dufourspitze vor dem Abstieg noch zu versuchen.

Im Silbersattel liessen wir überflüssiges Material in einem Rucksack zurück und stiegen durch das recht enge und sehr steile zentrale Couloir zum höchsten Punkt hinauf.

Gabriel, dem man bis zum Ende der Tour keinerlei Müdigkeit anmerkte und ich auf der Dufourspitze

Da auf dem Gipfel der Dufourspitze recht viel Betrieb herrschte, hielten wir uns hier jedoch nur wenige Minuten auf und pausierten etwas ausgiebiger im Silberattel, bevor wir den sehr langen und teilweise eintönigen Abstieg (12km reine Wegstrecke mit 2300Hm Ab- und 300Hm Gegenanstieg) Richtung Monte Rosa Hütte angingen.

Dort angekommen, tranken wir beide ausgiebig und querten danach den riessigen Gornergletscher, um dann entgültig zur Station Rotenboden der Gornergratbahn zu gelangen, welche uns müde aber gesund hinab nach Zermatt beförderte.

Alles in allem haben wir für diese Tour 12,5h benötigt, beschränkten die Pausen dabei  allerdings auch auf das Nötigste.


Mein Fazit:

Diese Tour war für mich das bisher grösste hochalpine Erlebnis und ich werde noch sehr lange von diesen Eindrücken zehren.

Doch ohne Gabriel, meinen Freund und sensationellen Führer, hätte ich diese Tour niemals bewältigen können. Vielen Dank dafür!

Die Brioschi-Route wird im SAC-Clubführer mit 8-10h angegeben und mit Schwierigkeitsgrad S eingestuft.

Konditionell möchte ich die Tour als sehr anspruchsvoll bezeichnen, da man sich sehr lange in grosser Höhe aufhält und die Hangneigung selten geringer als 45° beträgt.

Rein klettertechnisch möchte ich die Schwierigkeiten mit max. IV- bezeichnen (wenige Stellen), ansonsten überwiegend III.

Auch die Länge des Abstieges darf nicht unterschätzt werden, zumal der Schnee auf den grossen Gletscherfeldern oberhalb der Monte Rosa Hütte im Laufe des Vormittages weich und matschig wird.
Der Gegenanstieg hinauf zum Gornergrat saugt dann noch einmal die letzten Reseven aus den Schenkeln.

Gruss garaventa


Tourengänger: garaventa


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Kommentare (5)


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AnderL hat gesagt: Fantastische Tour!
Gesendet am 28. August 2008 um 15:15
und eindrückliche Bilder!

garaventa hat gesagt: RE:Fantastische Tour!
Gesendet am 28. August 2008 um 21:12
Danke!

Ja, und ich kann es nur mit diesen Worten beschreiben:

"es war der Hammer"

whannes hat gesagt: Monte Rosa - Königin der Alpen
Gesendet am 15. Mai 2010 um 11:57
Ich habe gerade die Bergmonographie 'Monte Rosa' vor mir, und dachte doch, dass ich da zwei Bilder schon mal irgendwo gesehen hatte ;-)

garaventa hat gesagt: RE:Monte Rosa - Königin der Alpen
Gesendet am 17. Mai 2010 um 07:46
Ja, Du hast recht mit Deiner Erkenntnis.

Ich wurde von einem der Autoren angeschrieben und um Bildmaterial und Hintergrundinformationen gebeten.
Aktuelle Fotos aus der Brioschi-Route sind selten und eigentlich nicht zu bekommen, da diese Tour sehr selten gemacht wird.

Das Buch habe ich auch mit grossem Interesse gelesen und es hat Appetit auf weitere Routen in der Ostwand und Umgebung gemacht.

Gruss garaventa

whannes hat gesagt: RE:Monte Rosa - Königin der Alpen
Gesendet am 18. Mai 2010 um 20:56
Ist wirklich eine tolle Tour. Muss ich auch mal bei Gelegenheit* machen! Besonders weil die Rout objektiv relativ sicher ist.


* Leider gilt:
p(Tour) = p(gute Verhältnisse) x p(Zeit haben) x p(Wetter ist gut) x p(passender Tourenpartner verfügbar) << 100%


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