Vorder Selbsanft über Nordgrat und Selbsanft-Überschreitung
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Hätten sie nicht domiante Gipfel wie Tödi, Bifertenstock oder Hausstock als Nachbarn, die Selbsanft-Gipfel wären bestimmt ein häufig besuchtes Ziel - um so mehr, als die Abstürze beinahe Eiger-Dimensionen erreichen, wie Herber Mäder in seinem Legendären Bildband "Gipfel und Grate" treffend bemerkt.
Ein episch langes, überaus wildes und forderndes Abenteuer im menschenleeren Glarner Hochgebirge
Bericht der kompletten 2-Tagestour inkl. Biferten Eisnase von 3614adrian
und
Fotos von Delta
Die Linie des Selbsanft N-Grat sticht dem Betrachter im Tierfed geradezu ins Auge. Die Tour ist ein Beispiel des klassischen Alpinismus, der heute etwas ausser Mode geraten ist. Heute würde man wohl von einer sehr anspruchsvollem Alpinwanderung, einer leichter Kletter- oder Hochtour sprechen.
Zur Zeit sind grosse Bauarbeiten an den Kraftwerksanlagen im Gang; zudem hat ein Unfall zur Sperrung der Seilbahn geführt. Die Arbeiter werden per Helikopter geflogen, was für eine entsprechende Geräuschkulisse sorgt. Die (siehe Kommentar) weniger gebräuchliche, viele Höhenmeter kürzere Variante von der Limmernsee-Staumauer (Route 601) fällt also weg.
Die Routenbeschreibung fällt etwas detaillierter wie üblich aus, da die Angaben im neuen Glarner SAC Führer z.T. einige Fragen offen lassen.
Von Tierfed über die Pantenbrücke bis zur zweiten Brücke bei P. 1042. Dort zweigt ein gut gepflegter, breiter Weg ab, der leicht bis an den Fuss des Selbsanft N-Grat führt (T4, Seilsicherungen). Von dort führt er horizontal ins wilde Limmerntobel, dem man etwa 150m bis zu einem Stollen der Kraftwerke folgt. Kurze Passage an Fixseilen im Bachbett.
Wir gingen davon aus, dass es sich um die im Führer erwähnte „Wasserfassung“ handelt, denn hier setzt auch ein steiles Grasband, der vermeintliche "Birchgang" an. EDIT I: Die von uns beschriebene Route folgt Anfangs NICHT dem Birchgang. Wir wählten die falsche Variante durch den "Bös Birchgang"! (Siehe Kommentare) Dieser "Bös Birchgang" gleicht mehr einer feuch-moosigen, kaminartigen Rinne in brüchigem, abwärtsgeschichtetem Fels. Ideales Gelände für T6-Fetischisten – die 40m lange Passage beschäftigt uns auch gut anderthalb Stunden! Keine zuverlässige Sicherungsmöglichkeiten, mit vereinten Kräften schaffen wirs bis ins steile Gras oberhalb, dort bieten die Steileisgeräte im Gras veranktert die einzige Standmöglichkeit – prost! Mit Abstand die haarigste Passage, die ich in diesem Gelände jemals geklettert bin, T6+? Reine Kletterschwierigkeit um IV, das wär nicht das Problem...
Edit II: Greigler schickte mir dieses Bild vom Einstieg zum Birchgang - vielen Dank, mit dieser Fotodokumentation sollte die im Führer beschriebene Birchgang-Route gut zu finden sein!
Danach geht’s auf einem guten, grasigen Band teils auf Gämswechseln weiter bis in die lauschigen Baumbestände von „Birchli“ an der Gratkante. Durch das hohe Gras dieses verwunschenen, sehr exklusiven Ortes aufwärts bis man sich an der Baumgrenze nach links hält. Über Felsstüfchen, steile Grashänge und –bänder aufwärts bis zum im Führer erwähnten Markierungszeichen der Kraftwerke. Nach der kurzen Rinne bzw. Stufe (III) geht die Route ab Luegboden gemeinsam mit jener von der Staumauer (601) zusammen. Leicht rechtshaltend bis unter die grossen Felswände, unter denen man auf der Westseite des Grates bis zu einer leicht passierbaren, gestuften Felsstufe folgt (II). Danach links in Schrofen die weite, einfache Rinne hoch zum Grat, T5. Nun immer am Grat oder leicht rechts (westlich) davon aufwärts bis zum ersten markanten, gelblichen Aufschwung. Dieser wird wiederum etwas rechts über gut gestuften, steileren Fels erstiegen (II-III). Nun leichter bis zum Goldenen Horn, ein markanter Aufschwung unter dem grossen Geröllband. Das Horn wird auf der Ostseite gut gestuft erstiegen und danach einfach bis zum grossen Geröllband. Die Stufe danach wird knapp östlich der Gratkante erstiegen (III, Borhaken!), wobei direkt in das geröllige Gelände oberhalb ausgestiegen werden kann oder beim 3. BH über ein abdrängendes Band nach links traversiert wird (gemäss Führer). Nun über schuttbedeckte Bänder und einige Stüfchen auf den Ostgrat hinaus ( Im SAC-Führer Variante 611a). Unter dem markanten Aufschwung ca. 50m nach links bis zu einem grossgriffigen, kaum brüchigen Kamin (III+), oberhalb schräg links aufwärts bis zu einem zweiten, weniger markanten Kamin (BH, II). Nun steht man in den Schuttbändern unter dem Gipfelaufbau, den man von Norden angeht. Eine kurze Kaminstufe westlich führt auf den Gipfelgrat (Südgrat), den man in wenigen Klettermetern (II) ersteigt.
Grandiose Tiefblicke ins Glarnerland und Rundumsicht zur Tödi-Entourage.
Selbsanft-Überschreitung: vom Vorder Selbsanft über den S-Grat absteigen und diesem einmal nach W ausweichend Richtung Plattas Alvas folgen. Die Felsstufe vor dem eigentlichen Plateau sieht schwierig aus, entpuppt sich aber bei näherer Inspektion als wenige Meter grossgriffige Genusskletterei in teils festem Fels (diverse Varianten möglich). Nun einfach über die riesigen Geröllflächen der Plattas Alvas (Mittler Selbsanft) mit einigem auf und ab zum flachen Aufstieg am Hinter Selbsanft. In dieser grandiosen Hochgebirgsszenerie ein einfacher, aber weitläufiger Genuss (T3). Der Abstieg vom Hinter Selbsanft zum Limmerenfirn erfolgt zuerst nach Osten, später nach Süden. Nicht zu direkt nach Süden ziehen (Steilabbrüche). Über Schneefelder und Gletscherschliffplatten zum Limmernfirn auf ca. 2400m. Dort quert man den spaltenarmen Limmernfirn und folgt der problemlosen, rot markierten Wegspur des Limmernband zuerst fast horizontal, am Schluss steiler ansteigend auf den Grat ca. 400m NE vom Limmernpass (T4). Auf Wegspuren hinunter auf das Plateau der Bifertenhütte.
Eine lange Tour – wir waren gut 12 Stunden unterwegs, wobei uns der Einstieg beim Bachbett in den "Bös Birchgang" viel Zeit kostete. Unsere Einstiegsvariante zum Selbsanft Nordgrat ist defintiv nicht zu empfehlen! Der Weg über den Fuss der Staumauer oder über den richtigen Birchgang muss um einiges bequemer und sicherer sein, denn dort bieten Glarner Bergführer auch geleitete Touren an. Der Einstieg unter die Staumauer kann auch durch das Limmerntobel erreicht werden, wenn auch mit evtl. mühsamer Bachbettkletterei.
Kommentare (11)