Pic de Coma Pedrosa, 2943m - eine Supertour mit ungeahntem Ausgang ...
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Eine wunderschöne, relativ einfache T3-Tour, welche einen ungewohnten Ausgang nahm. Dass die Tour letztlich in einem veritablen Fiasko endete, war so tatsächlich nicht voraussehbar. Man könnte auch sagen "was passiert, wenn sich die kleinen (Denk-)Fehler summieren" ... Doch der Reihe nach …
Andorra ist der flächenmässig grösste europäische Zwergstaat und war v.a. früher berüchtigt für Schmugglertouren. Das mit den günstigen Waren trifft auch heute noch zu, ein entsprechender Einkaufstourismus ist nach wie vor zu verzeichnen. Ansonsten kennt man eigentlich nicht so viel von Andorra - der Staat scheint jedoch vor allem vom Wintertourismus zu leben.
Weitere Ausführungen über das Land bzw. den „allgemeinen Teil“ überlasse ich gerne Sputnik, der das in seinen Berichten immer sehr exakt und ausführlich macht.
Bislang ergab sich noch keine Gelegenheit, mit Sputnik eine Tour zu unternehmen. Nun war es jedoch soweit und Sputnik’s Kollege A. war ebenfalls mit von der Partie. Nach einigen Missverständnissen und mit einiger Verspätung trafen wir uns doch noch beim Mietwagenplatz am Flughafen Barcelona. Das fing ja schon mal gut an … (man muss jedoch wissen, dass Sputnik & Co. ab Basel flogen, während ich ab Zürich flog und wir somit nicht am selben Terminal ankamen – dies hatten wir jedoch erst mit der Zeit gepeilt …).
Aber nun konnte unser Andorra-Abenteuer starten; wobei Abenteuer genau der richtige Ausdruck ist, wie wir später feststellen werden … Die Strecke von Barcelona nach Andorra war sehr kurzweilig. Imposant auf dem ersten Abschnitt sind vor allem die eindrücklichen Zacken von Montserrat – wir nannten das Gebirge kurzerhand „Alpstein von Katalonien“ (auch ein „Säntis“ war übrigens auszumachen …).
In einem munteren Auf- und Ab auf guten Strassen erreichten wir die Staatsgrenze Andorra’s. Der Übertritt war problemlos – i.d.R. gestaltet sich denn auch eher die Ausreise etwas mühsamer. In der Hauptstadt (Andorra La Vella) deckten wir uns in einem riesigen Warenhaus erst mal mit reichlich Proviant und Getränken ein. Von der Hauptstadt bis zu unserem eigentlichen Ziel, La Massana, war’s nur noch ein Katzensprung.
Zahlreiche Dörfer in Andorra sind komplett auf den Wintersport ausgerichtet, so auch La Massana und Arinsal. Wir befanden uns also in einer Zwischensaison, was erklärte, dass viele Restaurants geschlossen hatten. Gleichwohl fanden wir nach einer Dorfumrundung zunächst eine kleine Bar, um uns ein Bierchen zu genehmigen. Später fanden wir auch noch ein Restaurant für’s Nachtessen. Zwar war’s weder ein gemütliches noch ein ruhiges Restaurant, das Essen war gleichwohl lecker ;-)
Samstag, 19.10.
Ausschlafen und sich gütlich tun am reichhaltigen Frühstücksbuffet – wir liessen es gemächlich angehen. Mit dem Auto fuhren wir anschliessend nach Arinsal. Am oberen Dorfende fanden wir einen Parkplatz; unmittelbar am Start des Wanderweges.
Um 9.10 Uhr starteten wir unsere Wanderung bei angenehmen Temperaturen. Die Wetterprognosen waren gut für heute, nur der Wind soll in höheren Lagen mit bis zu 50 kmh pfeifen (was sich denn auch bewahrheitete). Der gut markierte Weg führte uns durch den wunderschön gefärbten Wald.
Als wir nach ca. 1.5 Std. die Sonne erreichten, machten wir an schöner Lage eine Verschnaufpause. Auf ca. 2100m frischte der Wind dann (wie „versprochen“) ziemlich auf. Es war zwar nach wie vor angenehm warm, aber die starken Böen waren doch eher störend. Nach einer weiteren Stufe erreichten wir die Hütte Refugi de Comapedrosa (2267m), welche allerdings etwas abseits des Wanderweges steht. Hier eröffnete sich uns ein schöner Blick auf eine Hochebene und erstmals auch die Sicht in Richtung Gipfel.
Wir durchschritten diese Hochebene, während uns der Wind zeitweise fast davonblies. Nun stiegen wir etwas steiler in nördlicher Richtung auf und gelangten zu einem ersten der zahlreichen, kleinen Seen (Basses de l'Estany Negre). Hier rasteten wir nochmals, während A. erstmals Bedenken äusserte, mit uns auf dem Gipfel zu steigen. Wir motivierten ihn jedoch, es zumindest zu versuchen – von hier war’s noch ca. 30 – 45 Min. Gehzeit bis zum Gipfel.
Als wir den Gipfelgrat erreichten, war’s für A. definitiv zu Ende und er kehrte um. Wir vereinbarten, dass er bis zum See absteigen soll und auf der flacheren Westseite zu einem tiefer gelegenen Sattel (Port de Baiau) aufsteigen soll, wo wir uns wieder treffen würden.
Zu zweit stiegen wir zügig auf dem Grat hoch, zwischendurch gabs kleinere Kraxeleinlagen und die Windböen nahmen ständig zu. Um 13.30 hatten wirs geschafft und standen auf dem höchsten Punkt von Andorra; Pic de Coma Pedrosa, 2943m! Trotz heftigem Wind konnten wir eine grandiose Aussicht geniessen; u.a. auch direkt nach Arinsal hinunter.
Auf der etwas windgeschützteren Ostseite hielten wir eine ausgiebige Rast, nicht ohne zahlreiche Fotos zu schiessen. Hatten wir bis anhin keine Tiere gesehen, erspähten wir nun auf dem Gipfel 3 Adler, welche die Thermik bestens ausnutzten. Währenddessen sahen wir auch, wie A. zum vereinbarten Ort aufstieg. Nachdem wir uns mit ein paar Einheimischen unterhalten hatten, stiegen wir auf dem Westgrat ab. Sowohl für Sputnik als auch für mich war es dann noch ein Zusatzziel, den ersten Gipfel auf spanischem Boden zu erklimmen. Von der Einsattelung aus war dies auch ohne grossen Zusatzaufwand zu erreichen. Nach kurzem Gegenanstieg erreichten wir somit bereits den zweiten Gipfel am heutigen Tag, den Pic de Baiau (2886m).
So, hier wäre der „normale“ hikr-Tourenbericht üblicherweise (beinahe) zu Ende – z.B. mit „Abstieg wie Aufstieg“ oder ähnlich … Was jedoch nun folgte, gehört in die Rubrik „unfreiwilliges Abenteuer“ oder „wie man es NICHT machen sollte“ …
Sputnik reizte noch die Überschreitung der ganzen Krete. Wäre ev. auch für mich machbar gewesen (im Nachhinein hörte ich dann zwar von T6, III …), ich hätte jedoch sicher mehr Zeit als er benötigt. Zudem war ich mit den 2 erreichten Gipfeln für heute vollauf zufrieden.
Wir machten deshalb aus, dass wir uns beim nächsten Sattel (Collada dels Estanys Forcats) wieder treffen würden. Sputnik auf dem direkten Weg, wir mit der Umrundung der von Sputniks bestiegenen Gipfeln. Das Gelände war ja soweit recht übersichtlich.
Fehler 1:
Sputnik hatte die Wanderkarte mit sich, ich hatte keine Karte. Zudem hatte Sputnik kein Natel dabei; Kommunikation war somit nicht möglich (auch wenn letztendlich gar kein Empfang war …)
Entgegen der ursprünglichen Idee, beim unteren Sattel zu warten, stieg A. bis zum oberen Sattel (Collada del Forat de Malhiverns) auf, welcher zwischen Coma Pedrosa & Baiau liegt. Auch gut, dachte ich, dann würden wir die kürzeste Abstiegs-Variante nehmen und würden Sputnik trotzdem treffen. Ich stieg also das kurze Stück vom Gipfel ab und traf gleichzeitig mit A. beim Sattel ein.
Ein Blick von ihm genügte um festzustellen, dass der Abstieg für ihn viel zu steil wäre (Schwindel-Gefühle). Da Sputnik zudem diesen Abstieg als sehr geröllig einstufte, dachte ich ok – kein Problem. Also Abstieg zum ursprünglich vereinbarten Sattel (Port de Baiau, 2757m). Der Blick hinunter sagte mir jedoch, dass es hier wohl ebenso steil und geröllig hinunterging. Wenn jedoch dieses Stück geschafft wäre, läge der schwierigste Teil wohl hinter uns und es würde nur noch die Traverse und letztlich der Abstieg folgen – so war jedenfalls der Plan. A. wollte den Versuch machen mit mir als Vorausgehender.
Fehler 2:
ich hatte ja keine Ahnung, wie gut A. konditionell zwäg war; der Hinweis vom Aufstieg hätte mich jedoch alarmieren sollen. Hier hätte ich (entgegen der Abmachung mit Sputnik) entscheiden sollen, dass wir auf gleichem Weg absteigen sollen wie beim Aufstieg
Sehr langsam stiegen wir also ab und erreichten problemlos den Wandfuss. Erst hier hatte man Einblick in den Weiterweg – und was ich sah, gefiel mir nicht: statt bestens markierter Weg und Traverse sahen wir nur eine steile Geröllhalde ohne Wegmarkierung. Hier kann es definitiv nicht durchgehen. Der einzig markierte Weg führte ins Tal hinunter. Geht die Umrundung weiter unten durch? Hier machte sich erstmals das Fehlen der Wanderkarte bemerkbar. Ein Blick hätte genügt um festzustellen, was zu tun wäre. Selbst ein Wieder-Aufstieg zum Sattel und nachfolgender Abstieg auf dem Aufstiegsweg wäre immer noch möglich gewesen.
Wir stiegen weiter ab, als A. plötzlich bemerkte, dass ihn die Energie-Reserven verlassen würden. Das war natürlich ein ziemlich ungünstiger Zeitpunkt, denn irgendwie mussten wir wieder auf die andere Talseite gelangen. Was tun? Ich stieg kurzerhand auf die nächste Krete, um einen besseren Überblick zu gewinnen. Mehrere Taleinschnitte zogen sich vom Hauptkamm hinunter. Vermutlich müsste man zum grossen See hinuntersteigen, um danach den nächsten Taleinschnitt hochzukommen. Zumindest glaubte ich, von oben einen Weg zu sehen, der die „richtige“ Richtung einschlug.
Also weiter dem Wanderweg entlang zum See hinunter – wo sich die Markierungen verloren. Weder weiter ins Tal noch rechts hinauf, wo ich eigentlich hin wollte. Und nun?
Fehler 3:
spätestens hier hätte ich entscheiden sollen, dass ich die nächstbeste Runse aufsteigen sollte, um Sputnik oder sonst jemand zu erreichen und Bescheid geben. Als der Routiniertere hatte ich gleichwohl Skrupel, A. einfach sich selbst zu überlassen; ich fühlte mich in der Verantwortung. Allerdings wäre für den Notfall nicht weit entfernt noch eine Schutzhütte gewesen …
Wir stiegen (mittlerweile weglos) weiter ab, in der irrigen Hoffnung, einen etwas flacheren Taleinschnitt zu finden, der uns wieder auf die „richtige“ Seite der Bergkette bringen würde. Hätte ich nur die ver… Karte dabei!! Ständig behielt ich den Himmel im Auge, wo sich inzwischen auf den höchsten Gipfeln einige Wolken auftürmten. Ebenfalls blickte ich ständig auf die Uhr; die Zeit lief uns davon, ich musste etwas unternehmen!
Da wir nirgends Handy-Empfang hatte, fällte ich schliesslich (sehr spät) um 17.30 Uhr den Entscheid: wir trennen uns. Ich würde versuchen, auf der gegenüberliegenden Talseite aufzusteigen, in der Hoffnung, dort oben Handy-Empfang zu haben. A. solle weiter dem (mittlerweile wieder gefundenen) Wanderweg folgen, immer weiter das Tal hinunter. Wohl wissend, dass es eigentlich die um 180 Grad falsche Richtung war. Mittlerweile ging es jedoch darum, möglichst schnell irgendwelche Zivilisation zu finden.
Fehler 4:
Klar der falsche Entscheid - wenn man auf die (für mich nicht vorhandene) Karte schaut ... Ich hätte einfach den gleichen Weg zurückgehen sollen ... (--> siehe auch unter "Bemerkungen" ganz am Schluss)
Im gehetzten Tempo stieg ich zum Fluss hinunter, um danach wieder ca. 300Hm aufzusteigen. Natürlich war ich eigentlich zu schnell unterwegs und zollte auch bald mal Tribut. Aber die Uhr tickte und ich wollte möglichst schnell jemanden erreichen. Schliesslich erreichte ich nach ca. 1 Std. den höchsten Punkt, ein relativ flacher Sattel (Port de Boet) auf 2510m. Kein Handy-Empfang …! Und der Blick hinunter sagte mir, dass ich ins „falsche“ Tal absteigen würde – Mist!
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit überlegte ich jedoch nicht mehr lange und entschied, hier so schnell als möglich, d.h. möglichst noch bei Tageslicht hinunterzukommen. Nun war also auch noch joggen angesagt … Hier war wenigstens wieder ein markierter Wanderweg auszumachen. Diesem folgte ich im gehetzten Tempo, wobei ich (wohl aufgrund des schwindenden Lichtes) immer wieder mal die Markierung verlor. Mein Instinkt führte mich jedoch in die richtige Richtung.
Eine kleine Aufmunterung war dann, als ich in der Dämmerung unterhalb des Étang de la Soucarrane 2 Rehe beobachten konnte.
Ohne Pause hetzte ich hinunter, bis ich endlich eine riesige Hochebene erreichte. Ein vom gegenüber liegenden Hang hinunterführende Fahrstrasse nährte die Hoffnung, dass ich vielleicht jemanden antreffen könnte. Leider dunkelte es nun endgültig ein, als ich die Fahrstrasse erreichte. Dann, ca. 20 Uhr und bei völliger Dunkelheit erreichte ich einen Campingplatz; wenig oberhalb des Stausee's Étang de Soulcem. Schemenhaft erkannte ich 2 – 3 Vans, und in einem dieser Camper brannte sogar Licht. Hoffnung keimte auf!
Das ältere Ehepaar schaute mich entgeistert an auf meine Frage, wo ich mich befinden würde … In Frankreich, das nächste Dorf sei mind. 15km entfernt; der kürzeste Weg sei zurück ins Tal hinauf! Ok, das war nun nicht die Antwort, auf die ich gewartet hatte … Zudem nach wie vor kein Handy-Empfang – auch die Franzosen hatten nur für Frankreich Empfang – also kein Telefonat nach Andorra möglich.
Hinter den Vans gäbe es ein paar Steinhütten, da könne ich übernachten. Was, kein Schlafsack dabei? Keine Lampe? Nein! Ein Biwak war nun für die heutige Tour wirklich nicht vorgesehen!!! Freundlicherweise überliessen sie mir eine Taschenlampe (welche den Geist nach 5 Min. aufgab) und eine Decke.
Der überaus harte Boden und modrig feuchte Atmosphäre war nicht das, was ich in meinem Alter suche. Aber ich war nun seit 11 Std. unterwegs und müde. Zudem hungrig und durstig, aber auch Übelkeit machte sich bemerkbar. Dies alles merkte ich erst jetzt, wo das ganze Adrenalin weg war; die ganze Anspannung wegfiel. Meine Hoffnung war, dass es A. wenigstens besser erging und er in Sicherheit war (was dann auch der Fall war, wie ich anderntags erfuhr: er fand eine bewartete Hütte, wo es Nachtessen & Bett gab … - zudem gab es in der Hütte Satelliten-Telefon).
Während ich mir das warme, kuschelige Hotelbrett vorstellte und das schöne Restaurant, wo wir heute Abend essen wollten, schlief ich irgendwann ein. Wobei ich nicht wusste, wie ich liegen sollte, alles tat irgendwie weh und war unbequem. Irgendwann gegen Morgen ging auch noch ein Gewitter nieder und es begann heftig zu regnen. Und es tropfte auch noch auf mich hinunter – „meine“ Hütte war undicht – na super!!
Sonntag, 20.10.
6 Uhr, alles noch dunkel, Regen … Während der halben Nacht hatte ich mir überlegt, welche Variante ich einschlagen soll: ins Tal aufsteigen und den richtigen Übergang suchen? Oder doch ganz ins Tal absteigen und möglichst schnell meinen Kollegen Bescheid geben, wo ich bin? Es sprach mehr gegen den Aufstieg: unsicheres Wetter, Weg unbekannt, zu wenig Getränk und Proviant für voraussichtliche 5-6 Std. Wanderzeit.
Um 7 Uhr hörte der Regen auf, zaghaft gab es bereits etwas Tageslicht. Ca. 7.10 Uhr startete ich meinen weiteren Abstieg, jetzt alles auf geteerter Strasse. Vorbei am riesigen Stausee Étang de Soulcem, Kehre um Kehre hinab. Einige Fahrzeuge kamen mir entgegen; allesamt Jäger, wie sich herausstellte. Und alle fuhren natürlich hinauf, niemand hinunter …
Da stand wieder mal ein Wagen am Strassenrand. Wie weit es noch zum nächsten Dorf wäre und wie ich am schnellsten nach Andorra käme. Das Tal hinauf ist der schnellste Weg! Ok … - und sonst? Nach etwa 5 km käme ein kleines Dorf. Von da per Anhalter weiter, dann mit Zug, etc. … Alles andere als aufmunternd, zumindest die Tochter des grummligen Jägers hatte etwas Mitleid und gab mir Brot und etwas Serrano-Schinken ;-)
Und weiter ging‘s. Endlich kam ein Weiler in Sicht. Ein mit „Café“ angeschriebenen Haus und Licht in demselben gab etwas Hoffnung zurück. Man bedenke: irgendwo im „Schilf“, sonntags um 9 Uhr morgens geht nicht viel – aber ein Versuch war’s wert. Und tatsächlich, eine ältere Dame öffnete mir und bat mich hinein.
Meine unglaublich anmutende Story liess sie mit geöffnetem Mund stehen … Woher genau käme ich??? Zumindest konnte ich endlich nach Andorra telefonieren. Erstaunlicherweise hat mich jedoch im Hotel noch niemand vermisst … (?!)
Nach einem überaus erfrischendem Cola anerbot sich die Dame, mich ins nächste Dorf mitzunehmen (immerhin nochmals 9 km!) – sie müsse sowieso ihr Brot besorgen. Diesem Angebot konnte ich natürlich nicht widerstehen. So fuhren wir nach Vicdessos, dort gäbe es Taxi’s. Nur, das Taxi war ein kleines Privatunternehmen. Nach Andorra? Das tönte für den guten Mann nach einer kleinen Weltreise. Er könne mich nach Tarascon bringen, da würde ein Zug fahren. Ok, was bleibt mir anderes übrig …
Und just als ich Sputnik ein SMS schreiben wollte (endlich Handy-Empfang!), rief er mich an. Natürlich war er froh, dass es mir gutging und ich war ebenso froh zu hören, dass offensichtlich auch A. wohlauf war. Uff! Scheint ja für alle Beteiligten nochmals gut gegangen zu sein!
Gleich wie A. (2 Std. Taxifahrt) musste ich jedoch irgendwie noch nach Andorra zurückfinden. Die Odysse ging nämlich weiter: per Taxi also die ca. 16 km nach Tarascon-sur-Ariège. Glücklicherweise fuhr nur gerade 15 Min. später ein Zug. Der Taxifahrer beschied mir, nach 5 Haltestellen auszusteigen, dort gäbe es Busse. Diese Strecke mit der pittoresken Schmalspurbahn (Region Midi-Pyrénées) brachte mich also in ca. 1 Std. Fahrzeit via Ax-les-Thermes nach L’Hospitalet-près-l’Andorre.
Der Name dieses Ortes war etwas irreführend für mich; wie sich bald herausstellen sollte, war dieses Andorra nämlich gar nicht so nahe … Busse? Fehlanzeige; der nächste bzw. einzige am heutigen Tag fuhr um 19 Uhr!! Ein junges Pärchen hatte dasselbe Problem wie ich; wie gelangen wir nach Andorra??
Und wieder wartete auf mich eine neue Herausforderung: Autostopp! Ich glaube, das habe ich nicht mal in jungen Jahren ausprobiert … Also Daumen raus und hoffen! Mittlerweile war’s bereits 11.30 Uhr. Nach hunderten vorbeifahrenden Autos gab ich die Hoffnung bereits auf, als plötzlich einer hielt: Typ kettenrauchender Spanier in grossem Van – mit Wohnsitz Andorra!
Er würde mich nach La Massana bringen; kein Problem für ihn!! In diesem Moment war das für mich eine wirklich grossartige Aussage … Was ich dann erst auf den Strassenschildern sah: noch 42 km bis Andorra … Es folgte eine wilde Passfahrt (etwas gewöhnungsbedürftiger Fahrstil) bis Pas de la Casa, wo der Fahrer das junge Pärchen absetzte.
Nun also zu zweit durch das Tunnel, welches mich endlich wieder nach Andorra brachte. Noch war es weit bis zur Hauptstadt hinunter. Nun konnte ich jedoch wenigstens die Fahrt durch das schöne Tal etwas geniessen. Ein Skiort folgte dem anderen (ein bekannterer ist wohl Soldeu); teilweise sind die Hänge ziemlich verunstaltet durch die zahlreichen Pistenschneisen.
Die Unterhaltung mit dem pausenlos quatschenden Fahrer ergab, dass dieser auch schon in Val d’Isère und Chamonix gewohnt hatte – und zudem auch schon mal auf dem Mont Blanc war (1955)!
Endlich erreichten wir die Hauptstadt und kurz danach das Hotel in La Massana. Tausend Dank!!
Es war nun 13 Uhr … Rein ins Hotel und ab unter die Dusche, anschliessend packen. Und da war ja auch noch das Auto, welches in Arinsal stand. Wie nach Arinsal? Per Bus, die würden allerdings sonntags nicht so oft fahren … Ich hatte jedoch Glück; nach 10 Min. warten fuhr mich ein Bus in die Nähe des Parkplatzes. Mit dem Auto zurück, wo ich dann endlich wieder Sputnik und A. antraf.
Natürlich mussten wir uns mal über das Geschehene unterhalten. Gleichzeitig drängte jedoch die Zeit, denn noch lagen ca. 3 Std. Autofahrt nach Barcelona vor uns. Und Mittagessen war auch noch ein Thema … - obwohl; eigentlich verspürte ich nach wie vor keinen grossen Hunger.
Wir fuhren erst mal los, passierten nach einem grösseren Stau die Grenze und gelangten schnell nach La Seu d’Urgell. Wir steuerten ein kleines Restaurant an der Strasse an, welches zumindest nach hinten raus idyllisch an einem Fluss lag. 30 Min. sollten reichen für’s Essen. Dass wir dann so lange auf’s Essen warten mussten und letztendlich eine ganze Stunde benötigten, war natürlich nicht vorgesehen.
So waren wir langsam echt in Zeitnot, denn noch lagen ca. 150 km vor uns, dann noch Auto tanken und Abgabe des Mietwagens – eigentlich war schon klar, dass nicht alles zu schaffen war … Die zahlreichen Maut-Stellen bremsten etwas, ansonsten kamen wir zügig vorwärts ;-). Kurz vor 19 Uhr erreichten wir den Flughafen T1; Tanken konnten wir vergessen. Schnell Auto abgeben, denn mein Flug ging ja schon um 20 Uhr, während derjenige von Sputnik & Co. erst um 20.45 Uhr ging. Schnell zum check-in hetzen, weiter durch die security zum Gate, wo eben das boarding begann. Uff – quasi in letzter Minute geschafft!
Chapeau, wer’s bis hierhin geschafft hat; wurde ein etwas längerer Bericht … ;-)
Fazit:
Das Fazit muss zweigeteilt werden: die Wanderung auf den höchsten Punkt von Andorra ist ein wahrer Genuss und kann nur weiterempfohlen werden! Auch sonst könnte man problemlos 2-3 Wochen Wanderferien in diesem schönen Gebiet buchen; da wird’s einem nicht langweilig!
Der zweite Teil der Geschichte war weniger erfreulich und ich hätte mir eigentlich ein viel entspannteres weekend vorgestellt …! Meine Lehren werde ich daraus ziehen und mit dem Verfassen dieses Berichtes habe ich auch eine erste Verarbeitung des Ganzen realisiert.
Bemerkungen:
Ich bin mir in meinem Bericht bezgl. Schreib-Stil treu geblieben; d.h. es ist ein Erlebnisbericht, so wie ich das Ganze eben erlebt habe. Wichtig: es geht hier nicht um allfällige Schuldzuweisungen! Der Bericht soll vielmehr zum Nachdenken anregen und aufzeigen, wie es eben auf einer vermeintlich einfachen Wanderung auch laufen kann.
Natürlich bleiben einige Fragen offen: z.B. weshalb bin ich nicht einfach denselben Weg zurückgegangen? Zum Zeitpunkt des Entscheides schien mir der Weg über den Port de Boet viel näher und v.a. innert kurzer Zeit machbar zu sein; beim Blick auf die lange, bereits zurückgelegte Strecke schien mir dieser Rückweg bei Tageslicht nicht mehr möglich.
Tatsächlich wäre jedoch der Weg zurück über die bereits bekannte Strecke klar der bessere Entscheid gewesen; letztendlich hätte ich es vermutlich bei Tageslicht noch mindestens bis zur grossen Hütte (Refugi de Coma Pedrosa) geschafft. Aber eben; hätte, wäre, etc. ...
Im Nachhinein ist man immer schlauer und mit einem Blick auf die Karte ist es jetzt kaum nachvollziehbar, welche unglaublichen Umwege ich letztendlich gegangen bin - und für Aussenstehende ist das Ganze vermutlich sowieso nicht nachvollziehbar ... (ich würde es keinem übel nehmen, welcher sich denkt, wie dämlich ...). Klar ist, dass ich mich masslos geärgert habe, nachdem ich nur 5 Sek. auf die Karte geschaut habe ...
Diese Geschichte zeigt auch: man kann 100 Spielmöglichkeiten, Apps, etc. auf seinem Handy haben; ohne Empfang geht gar nix – kein Telefon, keine Landkarte, kein gar nichts; man hat quasi ein „totes Gadget“ …
Zeiten:
Aufstieg (inkl. Pausen): 4 Std. 20 Min. bei gemütlichem Tempo
Am Samstag 11 Std. unterwegs; ca. 10 Std. reine Marschzeit
Andorra ist der flächenmässig grösste europäische Zwergstaat und war v.a. früher berüchtigt für Schmugglertouren. Das mit den günstigen Waren trifft auch heute noch zu, ein entsprechender Einkaufstourismus ist nach wie vor zu verzeichnen. Ansonsten kennt man eigentlich nicht so viel von Andorra - der Staat scheint jedoch vor allem vom Wintertourismus zu leben.
Weitere Ausführungen über das Land bzw. den „allgemeinen Teil“ überlasse ich gerne Sputnik, der das in seinen Berichten immer sehr exakt und ausführlich macht.
Bislang ergab sich noch keine Gelegenheit, mit Sputnik eine Tour zu unternehmen. Nun war es jedoch soweit und Sputnik’s Kollege A. war ebenfalls mit von der Partie. Nach einigen Missverständnissen und mit einiger Verspätung trafen wir uns doch noch beim Mietwagenplatz am Flughafen Barcelona. Das fing ja schon mal gut an … (man muss jedoch wissen, dass Sputnik & Co. ab Basel flogen, während ich ab Zürich flog und wir somit nicht am selben Terminal ankamen – dies hatten wir jedoch erst mit der Zeit gepeilt …).
Aber nun konnte unser Andorra-Abenteuer starten; wobei Abenteuer genau der richtige Ausdruck ist, wie wir später feststellen werden … Die Strecke von Barcelona nach Andorra war sehr kurzweilig. Imposant auf dem ersten Abschnitt sind vor allem die eindrücklichen Zacken von Montserrat – wir nannten das Gebirge kurzerhand „Alpstein von Katalonien“ (auch ein „Säntis“ war übrigens auszumachen …).
In einem munteren Auf- und Ab auf guten Strassen erreichten wir die Staatsgrenze Andorra’s. Der Übertritt war problemlos – i.d.R. gestaltet sich denn auch eher die Ausreise etwas mühsamer. In der Hauptstadt (Andorra La Vella) deckten wir uns in einem riesigen Warenhaus erst mal mit reichlich Proviant und Getränken ein. Von der Hauptstadt bis zu unserem eigentlichen Ziel, La Massana, war’s nur noch ein Katzensprung.
Zahlreiche Dörfer in Andorra sind komplett auf den Wintersport ausgerichtet, so auch La Massana und Arinsal. Wir befanden uns also in einer Zwischensaison, was erklärte, dass viele Restaurants geschlossen hatten. Gleichwohl fanden wir nach einer Dorfumrundung zunächst eine kleine Bar, um uns ein Bierchen zu genehmigen. Später fanden wir auch noch ein Restaurant für’s Nachtessen. Zwar war’s weder ein gemütliches noch ein ruhiges Restaurant, das Essen war gleichwohl lecker ;-)
Samstag, 19.10.
Ausschlafen und sich gütlich tun am reichhaltigen Frühstücksbuffet – wir liessen es gemächlich angehen. Mit dem Auto fuhren wir anschliessend nach Arinsal. Am oberen Dorfende fanden wir einen Parkplatz; unmittelbar am Start des Wanderweges.
Um 9.10 Uhr starteten wir unsere Wanderung bei angenehmen Temperaturen. Die Wetterprognosen waren gut für heute, nur der Wind soll in höheren Lagen mit bis zu 50 kmh pfeifen (was sich denn auch bewahrheitete). Der gut markierte Weg führte uns durch den wunderschön gefärbten Wald.
Als wir nach ca. 1.5 Std. die Sonne erreichten, machten wir an schöner Lage eine Verschnaufpause. Auf ca. 2100m frischte der Wind dann (wie „versprochen“) ziemlich auf. Es war zwar nach wie vor angenehm warm, aber die starken Böen waren doch eher störend. Nach einer weiteren Stufe erreichten wir die Hütte Refugi de Comapedrosa (2267m), welche allerdings etwas abseits des Wanderweges steht. Hier eröffnete sich uns ein schöner Blick auf eine Hochebene und erstmals auch die Sicht in Richtung Gipfel.
Wir durchschritten diese Hochebene, während uns der Wind zeitweise fast davonblies. Nun stiegen wir etwas steiler in nördlicher Richtung auf und gelangten zu einem ersten der zahlreichen, kleinen Seen (Basses de l'Estany Negre). Hier rasteten wir nochmals, während A. erstmals Bedenken äusserte, mit uns auf dem Gipfel zu steigen. Wir motivierten ihn jedoch, es zumindest zu versuchen – von hier war’s noch ca. 30 – 45 Min. Gehzeit bis zum Gipfel.
Als wir den Gipfelgrat erreichten, war’s für A. definitiv zu Ende und er kehrte um. Wir vereinbarten, dass er bis zum See absteigen soll und auf der flacheren Westseite zu einem tiefer gelegenen Sattel (Port de Baiau) aufsteigen soll, wo wir uns wieder treffen würden.
Zu zweit stiegen wir zügig auf dem Grat hoch, zwischendurch gabs kleinere Kraxeleinlagen und die Windböen nahmen ständig zu. Um 13.30 hatten wirs geschafft und standen auf dem höchsten Punkt von Andorra; Pic de Coma Pedrosa, 2943m! Trotz heftigem Wind konnten wir eine grandiose Aussicht geniessen; u.a. auch direkt nach Arinsal hinunter.
Auf der etwas windgeschützteren Ostseite hielten wir eine ausgiebige Rast, nicht ohne zahlreiche Fotos zu schiessen. Hatten wir bis anhin keine Tiere gesehen, erspähten wir nun auf dem Gipfel 3 Adler, welche die Thermik bestens ausnutzten. Währenddessen sahen wir auch, wie A. zum vereinbarten Ort aufstieg. Nachdem wir uns mit ein paar Einheimischen unterhalten hatten, stiegen wir auf dem Westgrat ab. Sowohl für Sputnik als auch für mich war es dann noch ein Zusatzziel, den ersten Gipfel auf spanischem Boden zu erklimmen. Von der Einsattelung aus war dies auch ohne grossen Zusatzaufwand zu erreichen. Nach kurzem Gegenanstieg erreichten wir somit bereits den zweiten Gipfel am heutigen Tag, den Pic de Baiau (2886m).
So, hier wäre der „normale“ hikr-Tourenbericht üblicherweise (beinahe) zu Ende – z.B. mit „Abstieg wie Aufstieg“ oder ähnlich … Was jedoch nun folgte, gehört in die Rubrik „unfreiwilliges Abenteuer“ oder „wie man es NICHT machen sollte“ …
Sputnik reizte noch die Überschreitung der ganzen Krete. Wäre ev. auch für mich machbar gewesen (im Nachhinein hörte ich dann zwar von T6, III …), ich hätte jedoch sicher mehr Zeit als er benötigt. Zudem war ich mit den 2 erreichten Gipfeln für heute vollauf zufrieden.
Wir machten deshalb aus, dass wir uns beim nächsten Sattel (Collada dels Estanys Forcats) wieder treffen würden. Sputnik auf dem direkten Weg, wir mit der Umrundung der von Sputniks bestiegenen Gipfeln. Das Gelände war ja soweit recht übersichtlich.
Fehler 1:
Sputnik hatte die Wanderkarte mit sich, ich hatte keine Karte. Zudem hatte Sputnik kein Natel dabei; Kommunikation war somit nicht möglich (auch wenn letztendlich gar kein Empfang war …)
Entgegen der ursprünglichen Idee, beim unteren Sattel zu warten, stieg A. bis zum oberen Sattel (Collada del Forat de Malhiverns) auf, welcher zwischen Coma Pedrosa & Baiau liegt. Auch gut, dachte ich, dann würden wir die kürzeste Abstiegs-Variante nehmen und würden Sputnik trotzdem treffen. Ich stieg also das kurze Stück vom Gipfel ab und traf gleichzeitig mit A. beim Sattel ein.
Ein Blick von ihm genügte um festzustellen, dass der Abstieg für ihn viel zu steil wäre (Schwindel-Gefühle). Da Sputnik zudem diesen Abstieg als sehr geröllig einstufte, dachte ich ok – kein Problem. Also Abstieg zum ursprünglich vereinbarten Sattel (Port de Baiau, 2757m). Der Blick hinunter sagte mir jedoch, dass es hier wohl ebenso steil und geröllig hinunterging. Wenn jedoch dieses Stück geschafft wäre, läge der schwierigste Teil wohl hinter uns und es würde nur noch die Traverse und letztlich der Abstieg folgen – so war jedenfalls der Plan. A. wollte den Versuch machen mit mir als Vorausgehender.
Fehler 2:
ich hatte ja keine Ahnung, wie gut A. konditionell zwäg war; der Hinweis vom Aufstieg hätte mich jedoch alarmieren sollen. Hier hätte ich (entgegen der Abmachung mit Sputnik) entscheiden sollen, dass wir auf gleichem Weg absteigen sollen wie beim Aufstieg
Sehr langsam stiegen wir also ab und erreichten problemlos den Wandfuss. Erst hier hatte man Einblick in den Weiterweg – und was ich sah, gefiel mir nicht: statt bestens markierter Weg und Traverse sahen wir nur eine steile Geröllhalde ohne Wegmarkierung. Hier kann es definitiv nicht durchgehen. Der einzig markierte Weg führte ins Tal hinunter. Geht die Umrundung weiter unten durch? Hier machte sich erstmals das Fehlen der Wanderkarte bemerkbar. Ein Blick hätte genügt um festzustellen, was zu tun wäre. Selbst ein Wieder-Aufstieg zum Sattel und nachfolgender Abstieg auf dem Aufstiegsweg wäre immer noch möglich gewesen.
Wir stiegen weiter ab, als A. plötzlich bemerkte, dass ihn die Energie-Reserven verlassen würden. Das war natürlich ein ziemlich ungünstiger Zeitpunkt, denn irgendwie mussten wir wieder auf die andere Talseite gelangen. Was tun? Ich stieg kurzerhand auf die nächste Krete, um einen besseren Überblick zu gewinnen. Mehrere Taleinschnitte zogen sich vom Hauptkamm hinunter. Vermutlich müsste man zum grossen See hinuntersteigen, um danach den nächsten Taleinschnitt hochzukommen. Zumindest glaubte ich, von oben einen Weg zu sehen, der die „richtige“ Richtung einschlug.
Also weiter dem Wanderweg entlang zum See hinunter – wo sich die Markierungen verloren. Weder weiter ins Tal noch rechts hinauf, wo ich eigentlich hin wollte. Und nun?
Fehler 3:
spätestens hier hätte ich entscheiden sollen, dass ich die nächstbeste Runse aufsteigen sollte, um Sputnik oder sonst jemand zu erreichen und Bescheid geben. Als der Routiniertere hatte ich gleichwohl Skrupel, A. einfach sich selbst zu überlassen; ich fühlte mich in der Verantwortung. Allerdings wäre für den Notfall nicht weit entfernt noch eine Schutzhütte gewesen …
Wir stiegen (mittlerweile weglos) weiter ab, in der irrigen Hoffnung, einen etwas flacheren Taleinschnitt zu finden, der uns wieder auf die „richtige“ Seite der Bergkette bringen würde. Hätte ich nur die ver… Karte dabei!! Ständig behielt ich den Himmel im Auge, wo sich inzwischen auf den höchsten Gipfeln einige Wolken auftürmten. Ebenfalls blickte ich ständig auf die Uhr; die Zeit lief uns davon, ich musste etwas unternehmen!
Da wir nirgends Handy-Empfang hatte, fällte ich schliesslich (sehr spät) um 17.30 Uhr den Entscheid: wir trennen uns. Ich würde versuchen, auf der gegenüberliegenden Talseite aufzusteigen, in der Hoffnung, dort oben Handy-Empfang zu haben. A. solle weiter dem (mittlerweile wieder gefundenen) Wanderweg folgen, immer weiter das Tal hinunter. Wohl wissend, dass es eigentlich die um 180 Grad falsche Richtung war. Mittlerweile ging es jedoch darum, möglichst schnell irgendwelche Zivilisation zu finden.
Fehler 4:
Klar der falsche Entscheid - wenn man auf die (für mich nicht vorhandene) Karte schaut ... Ich hätte einfach den gleichen Weg zurückgehen sollen ... (--> siehe auch unter "Bemerkungen" ganz am Schluss)
Im gehetzten Tempo stieg ich zum Fluss hinunter, um danach wieder ca. 300Hm aufzusteigen. Natürlich war ich eigentlich zu schnell unterwegs und zollte auch bald mal Tribut. Aber die Uhr tickte und ich wollte möglichst schnell jemanden erreichen. Schliesslich erreichte ich nach ca. 1 Std. den höchsten Punkt, ein relativ flacher Sattel (Port de Boet) auf 2510m. Kein Handy-Empfang …! Und der Blick hinunter sagte mir, dass ich ins „falsche“ Tal absteigen würde – Mist!
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit überlegte ich jedoch nicht mehr lange und entschied, hier so schnell als möglich, d.h. möglichst noch bei Tageslicht hinunterzukommen. Nun war also auch noch joggen angesagt … Hier war wenigstens wieder ein markierter Wanderweg auszumachen. Diesem folgte ich im gehetzten Tempo, wobei ich (wohl aufgrund des schwindenden Lichtes) immer wieder mal die Markierung verlor. Mein Instinkt führte mich jedoch in die richtige Richtung.
Eine kleine Aufmunterung war dann, als ich in der Dämmerung unterhalb des Étang de la Soucarrane 2 Rehe beobachten konnte.
Ohne Pause hetzte ich hinunter, bis ich endlich eine riesige Hochebene erreichte. Ein vom gegenüber liegenden Hang hinunterführende Fahrstrasse nährte die Hoffnung, dass ich vielleicht jemanden antreffen könnte. Leider dunkelte es nun endgültig ein, als ich die Fahrstrasse erreichte. Dann, ca. 20 Uhr und bei völliger Dunkelheit erreichte ich einen Campingplatz; wenig oberhalb des Stausee's Étang de Soulcem. Schemenhaft erkannte ich 2 – 3 Vans, und in einem dieser Camper brannte sogar Licht. Hoffnung keimte auf!
Das ältere Ehepaar schaute mich entgeistert an auf meine Frage, wo ich mich befinden würde … In Frankreich, das nächste Dorf sei mind. 15km entfernt; der kürzeste Weg sei zurück ins Tal hinauf! Ok, das war nun nicht die Antwort, auf die ich gewartet hatte … Zudem nach wie vor kein Handy-Empfang – auch die Franzosen hatten nur für Frankreich Empfang – also kein Telefonat nach Andorra möglich.
Hinter den Vans gäbe es ein paar Steinhütten, da könne ich übernachten. Was, kein Schlafsack dabei? Keine Lampe? Nein! Ein Biwak war nun für die heutige Tour wirklich nicht vorgesehen!!! Freundlicherweise überliessen sie mir eine Taschenlampe (welche den Geist nach 5 Min. aufgab) und eine Decke.
Der überaus harte Boden und modrig feuchte Atmosphäre war nicht das, was ich in meinem Alter suche. Aber ich war nun seit 11 Std. unterwegs und müde. Zudem hungrig und durstig, aber auch Übelkeit machte sich bemerkbar. Dies alles merkte ich erst jetzt, wo das ganze Adrenalin weg war; die ganze Anspannung wegfiel. Meine Hoffnung war, dass es A. wenigstens besser erging und er in Sicherheit war (was dann auch der Fall war, wie ich anderntags erfuhr: er fand eine bewartete Hütte, wo es Nachtessen & Bett gab … - zudem gab es in der Hütte Satelliten-Telefon).
Während ich mir das warme, kuschelige Hotelbrett vorstellte und das schöne Restaurant, wo wir heute Abend essen wollten, schlief ich irgendwann ein. Wobei ich nicht wusste, wie ich liegen sollte, alles tat irgendwie weh und war unbequem. Irgendwann gegen Morgen ging auch noch ein Gewitter nieder und es begann heftig zu regnen. Und es tropfte auch noch auf mich hinunter – „meine“ Hütte war undicht – na super!!
Sonntag, 20.10.
6 Uhr, alles noch dunkel, Regen … Während der halben Nacht hatte ich mir überlegt, welche Variante ich einschlagen soll: ins Tal aufsteigen und den richtigen Übergang suchen? Oder doch ganz ins Tal absteigen und möglichst schnell meinen Kollegen Bescheid geben, wo ich bin? Es sprach mehr gegen den Aufstieg: unsicheres Wetter, Weg unbekannt, zu wenig Getränk und Proviant für voraussichtliche 5-6 Std. Wanderzeit.
Um 7 Uhr hörte der Regen auf, zaghaft gab es bereits etwas Tageslicht. Ca. 7.10 Uhr startete ich meinen weiteren Abstieg, jetzt alles auf geteerter Strasse. Vorbei am riesigen Stausee Étang de Soulcem, Kehre um Kehre hinab. Einige Fahrzeuge kamen mir entgegen; allesamt Jäger, wie sich herausstellte. Und alle fuhren natürlich hinauf, niemand hinunter …
Da stand wieder mal ein Wagen am Strassenrand. Wie weit es noch zum nächsten Dorf wäre und wie ich am schnellsten nach Andorra käme. Das Tal hinauf ist der schnellste Weg! Ok … - und sonst? Nach etwa 5 km käme ein kleines Dorf. Von da per Anhalter weiter, dann mit Zug, etc. … Alles andere als aufmunternd, zumindest die Tochter des grummligen Jägers hatte etwas Mitleid und gab mir Brot und etwas Serrano-Schinken ;-)
Und weiter ging‘s. Endlich kam ein Weiler in Sicht. Ein mit „Café“ angeschriebenen Haus und Licht in demselben gab etwas Hoffnung zurück. Man bedenke: irgendwo im „Schilf“, sonntags um 9 Uhr morgens geht nicht viel – aber ein Versuch war’s wert. Und tatsächlich, eine ältere Dame öffnete mir und bat mich hinein.
Meine unglaublich anmutende Story liess sie mit geöffnetem Mund stehen … Woher genau käme ich??? Zumindest konnte ich endlich nach Andorra telefonieren. Erstaunlicherweise hat mich jedoch im Hotel noch niemand vermisst … (?!)
Nach einem überaus erfrischendem Cola anerbot sich die Dame, mich ins nächste Dorf mitzunehmen (immerhin nochmals 9 km!) – sie müsse sowieso ihr Brot besorgen. Diesem Angebot konnte ich natürlich nicht widerstehen. So fuhren wir nach Vicdessos, dort gäbe es Taxi’s. Nur, das Taxi war ein kleines Privatunternehmen. Nach Andorra? Das tönte für den guten Mann nach einer kleinen Weltreise. Er könne mich nach Tarascon bringen, da würde ein Zug fahren. Ok, was bleibt mir anderes übrig …
Und just als ich Sputnik ein SMS schreiben wollte (endlich Handy-Empfang!), rief er mich an. Natürlich war er froh, dass es mir gutging und ich war ebenso froh zu hören, dass offensichtlich auch A. wohlauf war. Uff! Scheint ja für alle Beteiligten nochmals gut gegangen zu sein!
Gleich wie A. (2 Std. Taxifahrt) musste ich jedoch irgendwie noch nach Andorra zurückfinden. Die Odysse ging nämlich weiter: per Taxi also die ca. 16 km nach Tarascon-sur-Ariège. Glücklicherweise fuhr nur gerade 15 Min. später ein Zug. Der Taxifahrer beschied mir, nach 5 Haltestellen auszusteigen, dort gäbe es Busse. Diese Strecke mit der pittoresken Schmalspurbahn (Region Midi-Pyrénées) brachte mich also in ca. 1 Std. Fahrzeit via Ax-les-Thermes nach L’Hospitalet-près-l’Andorre.
Der Name dieses Ortes war etwas irreführend für mich; wie sich bald herausstellen sollte, war dieses Andorra nämlich gar nicht so nahe … Busse? Fehlanzeige; der nächste bzw. einzige am heutigen Tag fuhr um 19 Uhr!! Ein junges Pärchen hatte dasselbe Problem wie ich; wie gelangen wir nach Andorra??
Und wieder wartete auf mich eine neue Herausforderung: Autostopp! Ich glaube, das habe ich nicht mal in jungen Jahren ausprobiert … Also Daumen raus und hoffen! Mittlerweile war’s bereits 11.30 Uhr. Nach hunderten vorbeifahrenden Autos gab ich die Hoffnung bereits auf, als plötzlich einer hielt: Typ kettenrauchender Spanier in grossem Van – mit Wohnsitz Andorra!
Er würde mich nach La Massana bringen; kein Problem für ihn!! In diesem Moment war das für mich eine wirklich grossartige Aussage … Was ich dann erst auf den Strassenschildern sah: noch 42 km bis Andorra … Es folgte eine wilde Passfahrt (etwas gewöhnungsbedürftiger Fahrstil) bis Pas de la Casa, wo der Fahrer das junge Pärchen absetzte.
Nun also zu zweit durch das Tunnel, welches mich endlich wieder nach Andorra brachte. Noch war es weit bis zur Hauptstadt hinunter. Nun konnte ich jedoch wenigstens die Fahrt durch das schöne Tal etwas geniessen. Ein Skiort folgte dem anderen (ein bekannterer ist wohl Soldeu); teilweise sind die Hänge ziemlich verunstaltet durch die zahlreichen Pistenschneisen.
Die Unterhaltung mit dem pausenlos quatschenden Fahrer ergab, dass dieser auch schon in Val d’Isère und Chamonix gewohnt hatte – und zudem auch schon mal auf dem Mont Blanc war (1955)!
Endlich erreichten wir die Hauptstadt und kurz danach das Hotel in La Massana. Tausend Dank!!
Es war nun 13 Uhr … Rein ins Hotel und ab unter die Dusche, anschliessend packen. Und da war ja auch noch das Auto, welches in Arinsal stand. Wie nach Arinsal? Per Bus, die würden allerdings sonntags nicht so oft fahren … Ich hatte jedoch Glück; nach 10 Min. warten fuhr mich ein Bus in die Nähe des Parkplatzes. Mit dem Auto zurück, wo ich dann endlich wieder Sputnik und A. antraf.
Natürlich mussten wir uns mal über das Geschehene unterhalten. Gleichzeitig drängte jedoch die Zeit, denn noch lagen ca. 3 Std. Autofahrt nach Barcelona vor uns. Und Mittagessen war auch noch ein Thema … - obwohl; eigentlich verspürte ich nach wie vor keinen grossen Hunger.
Wir fuhren erst mal los, passierten nach einem grösseren Stau die Grenze und gelangten schnell nach La Seu d’Urgell. Wir steuerten ein kleines Restaurant an der Strasse an, welches zumindest nach hinten raus idyllisch an einem Fluss lag. 30 Min. sollten reichen für’s Essen. Dass wir dann so lange auf’s Essen warten mussten und letztendlich eine ganze Stunde benötigten, war natürlich nicht vorgesehen.
So waren wir langsam echt in Zeitnot, denn noch lagen ca. 150 km vor uns, dann noch Auto tanken und Abgabe des Mietwagens – eigentlich war schon klar, dass nicht alles zu schaffen war … Die zahlreichen Maut-Stellen bremsten etwas, ansonsten kamen wir zügig vorwärts ;-). Kurz vor 19 Uhr erreichten wir den Flughafen T1; Tanken konnten wir vergessen. Schnell Auto abgeben, denn mein Flug ging ja schon um 20 Uhr, während derjenige von Sputnik & Co. erst um 20.45 Uhr ging. Schnell zum check-in hetzen, weiter durch die security zum Gate, wo eben das boarding begann. Uff – quasi in letzter Minute geschafft!
Chapeau, wer’s bis hierhin geschafft hat; wurde ein etwas längerer Bericht … ;-)
Fazit:
Das Fazit muss zweigeteilt werden: die Wanderung auf den höchsten Punkt von Andorra ist ein wahrer Genuss und kann nur weiterempfohlen werden! Auch sonst könnte man problemlos 2-3 Wochen Wanderferien in diesem schönen Gebiet buchen; da wird’s einem nicht langweilig!
Der zweite Teil der Geschichte war weniger erfreulich und ich hätte mir eigentlich ein viel entspannteres weekend vorgestellt …! Meine Lehren werde ich daraus ziehen und mit dem Verfassen dieses Berichtes habe ich auch eine erste Verarbeitung des Ganzen realisiert.
Bemerkungen:
Ich bin mir in meinem Bericht bezgl. Schreib-Stil treu geblieben; d.h. es ist ein Erlebnisbericht, so wie ich das Ganze eben erlebt habe. Wichtig: es geht hier nicht um allfällige Schuldzuweisungen! Der Bericht soll vielmehr zum Nachdenken anregen und aufzeigen, wie es eben auf einer vermeintlich einfachen Wanderung auch laufen kann.
Natürlich bleiben einige Fragen offen: z.B. weshalb bin ich nicht einfach denselben Weg zurückgegangen? Zum Zeitpunkt des Entscheides schien mir der Weg über den Port de Boet viel näher und v.a. innert kurzer Zeit machbar zu sein; beim Blick auf die lange, bereits zurückgelegte Strecke schien mir dieser Rückweg bei Tageslicht nicht mehr möglich.
Tatsächlich wäre jedoch der Weg zurück über die bereits bekannte Strecke klar der bessere Entscheid gewesen; letztendlich hätte ich es vermutlich bei Tageslicht noch mindestens bis zur grossen Hütte (Refugi de Coma Pedrosa) geschafft. Aber eben; hätte, wäre, etc. ...
Im Nachhinein ist man immer schlauer und mit einem Blick auf die Karte ist es jetzt kaum nachvollziehbar, welche unglaublichen Umwege ich letztendlich gegangen bin - und für Aussenstehende ist das Ganze vermutlich sowieso nicht nachvollziehbar ... (ich würde es keinem übel nehmen, welcher sich denkt, wie dämlich ...). Klar ist, dass ich mich masslos geärgert habe, nachdem ich nur 5 Sek. auf die Karte geschaut habe ...
Diese Geschichte zeigt auch: man kann 100 Spielmöglichkeiten, Apps, etc. auf seinem Handy haben; ohne Empfang geht gar nix – kein Telefon, keine Landkarte, kein gar nichts; man hat quasi ein „totes Gadget“ …
Zeiten:
Aufstieg (inkl. Pausen): 4 Std. 20 Min. bei gemütlichem Tempo
Am Samstag 11 Std. unterwegs; ca. 10 Std. reine Marschzeit
Tourengänger:
Linard03
Communities: Europäische Höhepunkte
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