Geigenkammdurchquerung Tag 2 – Akklimatisierung am Luibiskogel 3112m
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Die ungemütliche Nacht in unserem Minus-3-Sterne-Notbiwak auf 1800m lässt uns dennoch bis 7:30 Uhr schlafen. Der Blick nach draußen nimmt uns den Atem. Der Frühnebel lichtet sich; die ersten Felswände zeichnen ihre Umrisse aus dem Schleier. Weil wir z.T. mit nassen Hosen ins Zelt gekrochen sind, sind nun auch unsere Schlafsäcke klamm. Besonders kalt war es nicht. Nur der Untergrund fühlte sich trotz unserer guten ThermARest-Matten eher nach einer anspruchsvollen Minigolf-Bahn an.
Biwakplatz – Hauersee (T2)
Wir brauchen einige Zeit, bis die Sachen sortiert und gepackt und die Zelte verstaut sind. Zum Frühstück gibt es für uns vier eine Tafel Schokolade und je einen Riegel. Wer will, nimmt noch ein Milchbrötchen in die Hand, nachdem wir losgelaufen sind. 9:10 Uhr.
Und wieder zerren die Rucksäcke an den Schultern und die steileren Anstiege in den Waden. Doch kommen wir gut voran. Bald schon lichtet sich die dünner werdende Nebeldecke gänzlich und ein milder Lufthauch eröffnet uns die Sicht zu den Vasallen unseres Tagesziels. Sehr weit scheint es noch bis dort hin. Joe und ich nehmen etwas Tempo auf, um am Hauersee den besten Biwakplatz ausfindig zu machen. Im letzten Steilanstieg (T2) setze ich mich im gleichmäßig zügigen Tempo von ihm ab und erreiche um 10:30 Uhr den Hauersee mit seiner geschlossenen, niedlichen Selbstversorgerhütte. Wir hätten uns auch den Schlüssel dafür organisieren können, doch vertrauen wir völlig auf unsere sehr guten, geliehenen Zelte.
Hauersee – Luibiskogel (T4+, I)
Die weichen Mattenflächen, entstanden durch altes Schwemmmaterial vom Hauerferner und bieten sicher Platz für über 30 Zelte. So fällt es nach einigen Verschnaufen nicht schwer einen davon zu wählen und die nassen Zelte auszubreiten. Auch Joe ist inzwischen angekommen, verschnauft kurz und baut dann mit auf. Nur unerwartet kurz danach tauchen auch schon David und Luise auf, die sich mehr Zeit gelassen haben. Gemeinsam genießen wir eine kräftige Zwischenmahlzeit, bis ich zum Aufbruch dränge. Das bedeutet alles Unnötige aus den Rucksäcken in die Zelte zu verfrachten und den Rest gut zu verteilen auf zwei bis drei Rucksäcke. 12:30 Uhr.
Am Wegweiser vorbei führt der Steig ins alte Moränengelände des Hauerferners. In zahlreichen steilen Kehren ersteigen wir die ersten 400Hm (T3). Der Weg ist gut markiert und weitestgehend trassiert. Die alte Route in meiner AV-Karte wird dabei nicht berührt. Die richtige Route führt auf 2600m links (östlich) der Fernerköpfe vorbei und zieht westlich an deren Ansatz vorbei. Knapp oberhalb befindet sich der Eisrand, den man am nördlichen Rand in westlicher Richtung umgeht (T4).
Da wir aber unsere Steigeisen dabei haben, möchte ich, dass wir über die einfache Eispassage (ca. 25°) gehen. Im Fels haben sich meine Freunde schon auf früheren Touren bewährt. Zwei kleine überfirnte Spalten (etwa bei 2800m) müssen überwunden werden. Das letzte Stück auf dem Eis verläuft genau parallel zur markierten Route im Fels. Wo sich die Route nordwärts richtet, betreten wir wieder den Fels und steigen steil auf (T4). Auf knapp 3000m zweigt die Route zur Luibisscharte links ab (Wegweiser). Wir steigen weiter auf dem markierten Weg (teils Drahtseile und Steighilfen), der weiter oben mit einigen kurzen Firnpassagen garniert ist (T4+, I).
Als besonders schön erweist sich der letzte Aufschwung zum Kreuz. 15:15 Uhr. Die Freude ist groß über den ersten 3000er meiner Freunde. Sogar einige Fernblicke bleiben uns nicht verwehrt. Schnell gehe ich am Grat etwas weiter nach Westen und bleibe einige Zeit allein, beobachte meine Freunde, schieße Fotos vom Gipfel und bin schlicht dankbar bis hier hin gekommen zu sein mit ihnen.
Abstieg über Normalweg und Zugabe Fernerkopf (T5+, II-III)
Im Abstieg beobachte ich jeden Einzelnen von hinten genau beim Bewegungsablauf im Abstieg, gebe hier und da Tipps und bin froh, dass alle noch nicht an ihre Grenzen gekommen sind. Am Wegweiser zur Scharte deponieren wir Pickel und Steigeisen, um morgen bis hierher weniger schleppen zu müssen. Dann teilen wir uns. Joe und ich gehen vor und wollen unten schon mit kochen beginnen. Nach Verlassen des mit Trittfirn bedeckten Gletschers steige ich noch schnell auf den südlichen Fernerkopf 2730m (direkter Grat T5+, II-III, bei Umgehung der Absätze eher T5-, I-II) und bin nach rund 20min wieder unten. Der Rest des Abstiegs wird im Laufschritt überwunden. Zum Schluss gehe ich auf der alten Route weiter westlich am Hauersee vorbei direkt auf unseren Zeltplatz zu, wo Joe um 17:15 Uhr gerade erst ankommt.
Zum Abendessen gibt’s Spaghetti mit verdünntem Tomatenmark mit Gewürzgemüse und heißen Tee.
Diese Tour war für heute genau das Richtige. Sie war abwechslungsreich und unschwierig - fast schon wie ein leichte Hochtour! Die eigentlichen Schwierigkeiten lagen auf dem Gletscher (die zwei Spalten) und im Schlussanstieg am Gipfelaufschwung. Am Fernerkopf gab es reinsten Kraxelgenuss, den die meisten Kletterer, ohne darüber nachzudenken, mitnehmen. Meine Freunde haben alle Prüfungen heute mit Bravour bestanden, so dass ich ihnen noch weit mehr zutraue.
Dennoch wollen wir am nächsten Tag zunächst einmal den weiten Weg über fünf Jöcher zur Rüsselsheimer wagen...
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