Auf die Spitze getrieben, Aguoglia d'Es-cha - Piz d'Es-cha
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Der "Homo alpinus" treibt es gerne auf die Spitze. Und erst recht auf die Nadel! Davon gibt es glücklicherweise eine ganze Menge in unseren Grenzen. Eine, die mir seit früher Kindheit in Erinnerung geblieben ist, steht stolz im Engadin: Die Keschnadel, oder eben eigentlich viel schöner Aguoglia d'Es-cha.
Mein Optimismus hielt sich angesicht der eher volatilen Wetterprognosen für jenes erste September-Wochenende eher in Grenzen. So brauchte es dieses Mal etwas mehr Verhandlungsgeschick, mich doch noch umzustimmen. Den Vorwurf des Pessimismus konnte ich mir aber natürlich nicht gefallen lassen! Um diesen Vorwurf möglichst schnell zu entkräften, musste ich nun proaktiv werden und schlug gleich die Aguoglia d'Es-cha im sonnenverwöhnten Engadin vor. Da nur der Samstag wettertechnisch in Frage kam, war die Anreise am Freitagabend unumgänglich. Mit Bike, Kletter- und Biwakmaterial schafften wir es knapp auf den Zug. Natürlich waren wir nicht die einzigen Fahrgäste, aber unzweifelhaft die mit dem umfangreichsten Gepäck, was logistisch immer wieder eine Herausforderung darstellt. Um 20:30 starteten wir mit den Bikes und schweren Säcken auf dem Rücken in Madulain. Es gibt schon angenehmere Fortbewegungsarten... Sternenklar aber zappenduster brach die Nacht über uns herein. Als wir vor der Alp Es-cha Dadains eine Kuhherde mit unseren hellen Stirnlampe aufschreckten, kam ganz plötzlich ziemlich viel Bewegung in die sonst friedliche Tierwelt. Es blieb uns nur die verdunkelte Flucht nach oben. Wir getrauten uns für eine Weile nicht mehr, unsere Stirnlampen anzuschalten. Irgendwann beruhigte sich das aggressive Gebimmel und wir wagten uns vorsichtig zurück zu unseren Bikes, die wir an Ort und Stelle an einen Wegweiser schlossen. Ohne weiteren Zwischenfälle, aber mit einer nun doch nicht mehr zu negierenden Müdigkeit erreichten wir die schlafende Es-cha Hütte. Wir entschieden uns, etwas oberhalb hinter der alten Hütte unser Nachtlager auf den letzten flachen und grasigen Quadratmetern aufzuschlagen. Die Nacht war ruhig und begleitet von einer aussergewöhnlich hohen Zahl Sternschnuppen.
Ich brauchte keinen Wecker, denn um kurz vor 5:00 wiederfuhr mir das gleiche, wie den Kühen am Abend zuvor. Geblendet von zwei Stirnlampenstrahlen wusste ich, dass nun auch für uns die Stunde geschlagen hatte. Um 05:45 brachen wir ebenfalls Richtung Porta d'Es-cha auf. Eine wahre Steinwüste erwartet den Alpinwanderer auf seinem Weg. Mit dem anbrechenden Tag und der weissen Krone des Berninamassivs ergab sich eine grossartige Stimmung. Auf dem Vadret da Porchabella entschieden wir uns zu Gunsten leichterer Rucksäcke und deponierten die Steigeisen, was sich im Nachhinein als gerechtfertigt herausstellte. Vom Gletscher erreicht man einfach den Beginn des NE-Grates. Auch die Sonne hatte es mittlerweile über den gebirgigen Horizont geschafft und zauberte, unterstützt durch wabernde Nebelschwaden, fantastische Stimmungen an die zackigen Grate. Anseilen kann man sich vorerst ersparen, denn das II-Gelände lässt sich spielerisch erklettern. Unterhalb des ersten grösseren Aufschwungs seilten wir an und dachten, dass nun die erste IV-SL folgen würde. Doch das Gelände war eher im Bereich II-III anzusiedeln. An einer Steilstufe beginnt die eigentliche Kletterei mit einer schönen IV. Zwei BHs stecken an den neuralgischen Stellen. Einfach (25m, I) gelangt man zu einem weiteren Aufschwung, der links haltend überwunden wird (40m, IV-). Wir fanden zwei BHs, der Rest kann, wie eigentlich überall, gut mit Friends und Keilen abgesichert werden. Schöne 45m, III auf einer wenig geneigten Platte erwarten einen vor der Crux der Route, einer V+. Mit schweren Bergschuhen kamen wir ganz schön ins Schwitzen. Der erste Teil dieser SL ist steil, aber gut griffig und führt dann anschliessend in eine recht glatte Verschneidung. 4 BHs entschärfen diese lohnende direkte Variante etwas. Sie kann auch nordseitig (IV-) umgangen werden. Die zweitletzte SL (45m, IV) beginnt mit einem Spreizschritt auf die Gipfelplatte. Anschliessend an ihr hoch, dann rechts in einen Riss queren und nun wenig schwierig (25m, I) zum Gipfel.
Der Gipfel der Nadel ist entgegen den Erwartungen recht geräumig mit umfassendem Rundumblick. Mindestens ebenso beeindruckend war der Vorbeiflug eines Bartgeiers. Der majestätische König der Lüfte zog dank seiner gewaltigen Flügelspannweite gelassen seine Kreise über der Südwand. Der Verbindungsgrat zum Piz Kesch ist nun in seiner ganzen Länge sichtbar. Er versprach weitere interessante Kletterstellen im unteren III-Bereich, aber ebenso einfaches Gehgelände auf gut sichtbaren Wegspuren. Zuerst steigt man einige Meter den Nordgrat ab, bevor ein Steinmännchen die Querung in die Nordflanke markiert. Kurz darauf findet man eine Abseilstelle, die einen in die Scharte zwischen Keschnadel und "Mittelgipfel", P. 3405, führt. Der Weiterweg zu diesem ist offensichtlich und beinhaltet wenig schwierige Kletterstellen. Auf zum Teil recht ausgeprägten Wegspuren folgt man dem brüchigen Grat bevor man in eine weitere Scharte absteigt. An dieser Stelle lag mittlerweile etwas aufgeweichter Schnee. Sonst wäre der Abstieg ohne Steigeisen wohl ziemlich heikel gewesen. Je mehr man sich dem Keschgipfel nähert, desto kompakter präsentiert sich der Fels. Einige schöne, etwas exponierte Kletterstellen sowie eine weitere kurze Abseilstelle folgen. Nach gut zwei Stunden lag der Grat hinter uns und wir gratulierten uns zum zweiten Gipfel. Da wir keine weiteren Schwierigkeiten erwarteten, banden wir uns aus und stiegen nach einer ausgedehnteren Pause über den Normalweg ab. Wir blieben konsequent auf dem Grat, was klettertechnisch etwas delikater dafür weniger steinschlägig ist. Es mangelt übrigens nicht an BHs... Bei grossem "Verkehrsaufkommen" sind Steinschläge so gut wie unvermeidbar. Den Vadret da Porchabella liessen wir schnell hinter uns, sammelten unserer deponierten Steigeisen ein und überquerten abermals die Porta d'Es-cha. Selbst in den frühen Nachmittagsstunden beobachteten wir noch Seilschaften auf dem SE-Grat der Keschnadel. Reichlich spät, vor allem wenn man bedenkt, dass die frühen Morgenstunden einfach magisch waren! Unsere Schlafsäcke flatterten von weitem sichtbar an der Wäscheleine hinter der alten Es-cha Hütte, wo wir bald anlangten und es uns erst einmal bequem machten.
Zu lange durften wir auch nicht verweilen, denn wir wollten vor Ladenschluss wieder zurück im Tal sein. Dank den deponierten bikes erreichten wir Madulain in rasanter Fahrt, die die Scheibenbremsen an ihre Leistungsgrenze brachte. Die rund 20 zusätzlichen Kilos der Rucksäcke hatten einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Bremsleistung. Locker schafften wir es noch die nötigen Kalorien zu beschaffen, bevor wir uns beim Grillplatz am Beginn des Val Chamuera gleich hinter Chamues-ch für eine weitere Biwaknacht einrichteten. Das Konzept unseres "low budget" Engadin Tourismus wollten wir konsequent umsetzen um am Sonntag einige Trails auf der Corviglia mit unseren Bikes zu rocken. Nur setzte leider am frühen Morgen ein unangenehmer Nieselregen ein...
Vor wohl ziemlich genau 20 Jahren stand ich als Dreikäsehoch mit meinem Vater auf dem Kesch. Es war meine erste Hochtour. Schon damals war mir die Keschnadel ein Bergriff, aber natürlich noch in weiter Ferne. Für eine Weile versank sie unter dem "Aktenberg" weiterer Gipfelprojekte, bis sie nun mittlerweile etwas verstaubt auf meinem "Tisch" landete. Nach erfolgreicher "Bearbeitung" reihe ich sie gerne digitalisiert ins hikr-Archiv mit dem Vermerk besonders empfehlens wert ein!
Mein Optimismus hielt sich angesicht der eher volatilen Wetterprognosen für jenes erste September-Wochenende eher in Grenzen. So brauchte es dieses Mal etwas mehr Verhandlungsgeschick, mich doch noch umzustimmen. Den Vorwurf des Pessimismus konnte ich mir aber natürlich nicht gefallen lassen! Um diesen Vorwurf möglichst schnell zu entkräften, musste ich nun proaktiv werden und schlug gleich die Aguoglia d'Es-cha im sonnenverwöhnten Engadin vor. Da nur der Samstag wettertechnisch in Frage kam, war die Anreise am Freitagabend unumgänglich. Mit Bike, Kletter- und Biwakmaterial schafften wir es knapp auf den Zug. Natürlich waren wir nicht die einzigen Fahrgäste, aber unzweifelhaft die mit dem umfangreichsten Gepäck, was logistisch immer wieder eine Herausforderung darstellt. Um 20:30 starteten wir mit den Bikes und schweren Säcken auf dem Rücken in Madulain. Es gibt schon angenehmere Fortbewegungsarten... Sternenklar aber zappenduster brach die Nacht über uns herein. Als wir vor der Alp Es-cha Dadains eine Kuhherde mit unseren hellen Stirnlampe aufschreckten, kam ganz plötzlich ziemlich viel Bewegung in die sonst friedliche Tierwelt. Es blieb uns nur die verdunkelte Flucht nach oben. Wir getrauten uns für eine Weile nicht mehr, unsere Stirnlampen anzuschalten. Irgendwann beruhigte sich das aggressive Gebimmel und wir wagten uns vorsichtig zurück zu unseren Bikes, die wir an Ort und Stelle an einen Wegweiser schlossen. Ohne weiteren Zwischenfälle, aber mit einer nun doch nicht mehr zu negierenden Müdigkeit erreichten wir die schlafende Es-cha Hütte. Wir entschieden uns, etwas oberhalb hinter der alten Hütte unser Nachtlager auf den letzten flachen und grasigen Quadratmetern aufzuschlagen. Die Nacht war ruhig und begleitet von einer aussergewöhnlich hohen Zahl Sternschnuppen.
Ich brauchte keinen Wecker, denn um kurz vor 5:00 wiederfuhr mir das gleiche, wie den Kühen am Abend zuvor. Geblendet von zwei Stirnlampenstrahlen wusste ich, dass nun auch für uns die Stunde geschlagen hatte. Um 05:45 brachen wir ebenfalls Richtung Porta d'Es-cha auf. Eine wahre Steinwüste erwartet den Alpinwanderer auf seinem Weg. Mit dem anbrechenden Tag und der weissen Krone des Berninamassivs ergab sich eine grossartige Stimmung. Auf dem Vadret da Porchabella entschieden wir uns zu Gunsten leichterer Rucksäcke und deponierten die Steigeisen, was sich im Nachhinein als gerechtfertigt herausstellte. Vom Gletscher erreicht man einfach den Beginn des NE-Grates. Auch die Sonne hatte es mittlerweile über den gebirgigen Horizont geschafft und zauberte, unterstützt durch wabernde Nebelschwaden, fantastische Stimmungen an die zackigen Grate. Anseilen kann man sich vorerst ersparen, denn das II-Gelände lässt sich spielerisch erklettern. Unterhalb des ersten grösseren Aufschwungs seilten wir an und dachten, dass nun die erste IV-SL folgen würde. Doch das Gelände war eher im Bereich II-III anzusiedeln. An einer Steilstufe beginnt die eigentliche Kletterei mit einer schönen IV. Zwei BHs stecken an den neuralgischen Stellen. Einfach (25m, I) gelangt man zu einem weiteren Aufschwung, der links haltend überwunden wird (40m, IV-). Wir fanden zwei BHs, der Rest kann, wie eigentlich überall, gut mit Friends und Keilen abgesichert werden. Schöne 45m, III auf einer wenig geneigten Platte erwarten einen vor der Crux der Route, einer V+. Mit schweren Bergschuhen kamen wir ganz schön ins Schwitzen. Der erste Teil dieser SL ist steil, aber gut griffig und führt dann anschliessend in eine recht glatte Verschneidung. 4 BHs entschärfen diese lohnende direkte Variante etwas. Sie kann auch nordseitig (IV-) umgangen werden. Die zweitletzte SL (45m, IV) beginnt mit einem Spreizschritt auf die Gipfelplatte. Anschliessend an ihr hoch, dann rechts in einen Riss queren und nun wenig schwierig (25m, I) zum Gipfel.
Der Gipfel der Nadel ist entgegen den Erwartungen recht geräumig mit umfassendem Rundumblick. Mindestens ebenso beeindruckend war der Vorbeiflug eines Bartgeiers. Der majestätische König der Lüfte zog dank seiner gewaltigen Flügelspannweite gelassen seine Kreise über der Südwand. Der Verbindungsgrat zum Piz Kesch ist nun in seiner ganzen Länge sichtbar. Er versprach weitere interessante Kletterstellen im unteren III-Bereich, aber ebenso einfaches Gehgelände auf gut sichtbaren Wegspuren. Zuerst steigt man einige Meter den Nordgrat ab, bevor ein Steinmännchen die Querung in die Nordflanke markiert. Kurz darauf findet man eine Abseilstelle, die einen in die Scharte zwischen Keschnadel und "Mittelgipfel", P. 3405, führt. Der Weiterweg zu diesem ist offensichtlich und beinhaltet wenig schwierige Kletterstellen. Auf zum Teil recht ausgeprägten Wegspuren folgt man dem brüchigen Grat bevor man in eine weitere Scharte absteigt. An dieser Stelle lag mittlerweile etwas aufgeweichter Schnee. Sonst wäre der Abstieg ohne Steigeisen wohl ziemlich heikel gewesen. Je mehr man sich dem Keschgipfel nähert, desto kompakter präsentiert sich der Fels. Einige schöne, etwas exponierte Kletterstellen sowie eine weitere kurze Abseilstelle folgen. Nach gut zwei Stunden lag der Grat hinter uns und wir gratulierten uns zum zweiten Gipfel. Da wir keine weiteren Schwierigkeiten erwarteten, banden wir uns aus und stiegen nach einer ausgedehnteren Pause über den Normalweg ab. Wir blieben konsequent auf dem Grat, was klettertechnisch etwas delikater dafür weniger steinschlägig ist. Es mangelt übrigens nicht an BHs... Bei grossem "Verkehrsaufkommen" sind Steinschläge so gut wie unvermeidbar. Den Vadret da Porchabella liessen wir schnell hinter uns, sammelten unserer deponierten Steigeisen ein und überquerten abermals die Porta d'Es-cha. Selbst in den frühen Nachmittagsstunden beobachteten wir noch Seilschaften auf dem SE-Grat der Keschnadel. Reichlich spät, vor allem wenn man bedenkt, dass die frühen Morgenstunden einfach magisch waren! Unsere Schlafsäcke flatterten von weitem sichtbar an der Wäscheleine hinter der alten Es-cha Hütte, wo wir bald anlangten und es uns erst einmal bequem machten.
Zu lange durften wir auch nicht verweilen, denn wir wollten vor Ladenschluss wieder zurück im Tal sein. Dank den deponierten bikes erreichten wir Madulain in rasanter Fahrt, die die Scheibenbremsen an ihre Leistungsgrenze brachte. Die rund 20 zusätzlichen Kilos der Rucksäcke hatten einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Bremsleistung. Locker schafften wir es noch die nötigen Kalorien zu beschaffen, bevor wir uns beim Grillplatz am Beginn des Val Chamuera gleich hinter Chamues-ch für eine weitere Biwaknacht einrichteten. Das Konzept unseres "low budget" Engadin Tourismus wollten wir konsequent umsetzen um am Sonntag einige Trails auf der Corviglia mit unseren Bikes zu rocken. Nur setzte leider am frühen Morgen ein unangenehmer Nieselregen ein...
Vor wohl ziemlich genau 20 Jahren stand ich als Dreikäsehoch mit meinem Vater auf dem Kesch. Es war meine erste Hochtour. Schon damals war mir die Keschnadel ein Bergriff, aber natürlich noch in weiter Ferne. Für eine Weile versank sie unter dem "Aktenberg" weiterer Gipfelprojekte, bis sie nun mittlerweile etwas verstaubt auf meinem "Tisch" landete. Nach erfolgreicher "Bearbeitung" reihe ich sie gerne digitalisiert ins hikr-Archiv mit dem Vermerk besonders empfehlens wert ein!
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