Mittlere Guslarspitze Südostgrat inkl. Vorderer und Hinterer 3147m Biwaktour
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Die schlimme Nacht davor
0:30 Uhr. Es ist ungemütlich am Hang über der Straße zwischen Rofen und Vent. Es regnet. Aber irgendwie komme ich übermüdet im Biwaksack zur Ruhe...
Doch plötzlich fühlt sich alles nass an im Fuß- und Hüftbereich! 2 Uhr morgens und es schüttet immer noch. Ich raffe schlaftrunken in höchster Eile meine Sachen zusammen, versuche möglichst wenig dabei nass werden zu lassen und stolpere hinunter auf die Straße. In wenigen Minuten befinde ich mich am Hotel zur Geierwally, wo die Materialseilbahn hinauf zur Breslauer Hütte beginnt. In dessen Talstation finde ich noch einige Stunden Unterschlupf, hier ist es wenigstens trocken.
Der schönste Morgen überhaupt
Als ich wieder erwache, zieht wabernder Nebel durch das Rofental. Alles schläft noch. Ich deponiere alle unnötigen Gegenstände und Nahrungsmittel in einem Einkaufsbeutel in der Talstation und begeben mich schnellstens auf den Cyprian-Grandbichler- (Weggefährte des Gletscherpfarrers Franz Senn) Weg hinter zum Hochjochhospiz. 6 Uhr. Das Wetter scheint heute gut zu werden, die Tiefausläufer sind über Nacht nach Westen abgezogen. Allein in höchst angenehmer Umgebungsgeräuschkulisse (Vögelgezwitscher, Wasserrauschen, gleichmäßige Schritte) hänge ich meinen Gedanken nach. Zwei Tage in Einsamkeit bleiben mir an diesem herrlichsten aller Alpenflecken.
Eine junge Truppe dreier Männer aus Berlin werde ich in der kommenden Woche hier herum führen. Die Verhältnisse sind denkbar ungünstig für Anfänger, oberhalb von 2700m liegt eine geschlossene Schneedecke, die sich über Nacht sicher verstärkt hat. Mir bleibt die Zeit, einige konditionell fordernde Erkundungstouren zu machen. Habe mir dafür die Guslarspitzen heute und die Seykogel-Überschreitung morgen vorgenommen. Von diesen beiden Gipfeln habe ich einen guten Einblick auf die mit den Einsteigern geplante Runde und die dortigen Verhältnisse.
Diese frühen Stunden sind immer die schönsten in den Bergen! Der mir schon bekannte und am Tage viel begangene Weg ist still, die Sonne schiebt die Schatten am Kreuzkamm immer weiter hinab, die Pferde nehmen in Ruhe ihr Frühstück ein. Nach einiger Zeit überkommt auch mich Hunger. Ich fülle einen Teil meiner Wasserbestände auf, setze mich an den Wegrand und genieße den wunderbaren Blick hinaus aus dem Rofen- und Venter Tal. Die Rofenache wird an manchen Stellen noch von dicken Altschneeschichten überzogen, da wo die Rinnen in die Schlucht münden.
An der gegenüberliegenden Schluchtseite sehe ich häufig Wegspuren. Dort werde ich morgen zurück nach Vent gehen!
Nach vielen Fotos und mit gut gefülltem Magen gehe ich etwa um 8 Uhr weiter. Die Drahtseilsicherungen erscheinen mir lächerlich, doch die meisten Tagesbesucher des Hochjochhospiz werden froh darüber sein. Die Schäferhütte unter dem Hospiz ist besetzt, Freude auf das Wiedersehen mit der Altbekannten kommt auf. Wie wird es sein ohne Winterraum?
Das Hochjochhospiz am Vormittag
Rege Emsigkeit herrscht auf der Hütten. Herr Pirpamer baut einen Sandkasten für seine zwei Kleinen, die fidel umhertollen. Ich setze mich in Ruhe auf die Terrasse und hänge meine noch nassen Sachen an der Leine auf. Thomas scheint nicht sehr begeistert darüber, dass ich mein eigenes Getränk zu mir nehme und über ein Stunde nichts bestelle. Auf eine Frage als Gesprächseinleitung folgt in einem Nebensatz der Hinweis, dass er hoffe, die Tagesgäste konsumierten hoffentlich wenigstens etwas von der Hütte. Mir wird unwohl und nach einiger Zeit bestelle ich einen leckeren Apfelstrudel. Dabei komme ich mit einem der neuen Saisonhilfskräfte gut ins Gespräch, die Tagesgäste sind noch weit im Tal. Der Winterraum wird im Sommer offensichtlich als Keller genutzt. Gegen 11 Uhr packe ich alle nun getrockneten Sachen wieder zusammen und begebe mich zunächst auf den Delorette-Weg Richtung Brandenburger Haus, der sich mit dem Normalweg zu den Guslarspitzen bis auf weiteres deckt.
Der Fund eines Biwakplatzes
Oberhalb des Delorettewegs liegt auf ca. 2700m eine flache Ebene, auf der nur noch Schneereste liegen. Hier fließt genügend Wasser, welches man nur mit einigen Schafen teilen muss, die Aussicht ist phänomenal und der Zugang zu den Guslarspitzen befindet sich direkt in der Nähe. Hier werfe ich mich vergnügt in das superweiche Gras auf meine Isomatte und bleibe einfach erst einmal fast eine halbe Stunde liegen und schaue einfach nur, obwohl ich kein bisschen erschöpft bin. Einige Wanderer passieren den Steig zum Brandenburger Haus und den Normalweg auf die Mittlere Guslarspitze, der zur Zeit deutlich von dem eingezeichneten in meiner Karte von 2008 abweicht (ist weiter östlich eingezeichnet).
Ostgrat auf die Mittelere Guslarspitze und Übergang zur Vorderen
Dann räume ich alle überflüssigen Materialien und Klamotten aus meinem Rucksack, nehme meinen Pickel in die Hand und mache mich auf in unmarkiertes und schneebedecktes Terrain. 13:10 Uhr. Zunächst mitten durch die Südostflanke über einen steileren Aufschwung (T3+) auf eine weitere Hochebene (ca. 2900m). Hier liegt bereits so viel Schnee, dass es anstrengender ist durchzuspuren.
Ins Auge fasse ich den anregend aussehenden Südostgrat ins Auge. Zu dessen Einstieg muss ich mitten über die Ebene stapfen. Dann geht’s steiler aufwärts und meist direkt am Grat in gutem Fels und über einige vereiste Stellen (T4+, I) in einer halben Stunde bis zum Gipfelgrat. Hier sind zwei-drei etwas ausgesetzte Stellen zu überwinden. Der Firngrat gibt das traumhafte, hochalpine Feeling!
Am Gipfel sind drei weitere Wanderer, von denen einer äußerst schlecht ausgerüstet ist (u.a. mit durchnässter Jeanshose und ohne Gamaschen). Etwas schmunzelnd gehe ich hinab in die Scharte zur Vorderen Guslar. Spuren belegen, dass einer heute sogar durch die Nordflanke von der Vernagthütte hier herauf gekommen ist. Der Gratübergang ist weitgehend unschwierig, verlangt bei diesen Verhältnissen aber absolute Trittsicherheit (T4)! Der Steilaufschwung auf die Vordere Guslar sieht zwar steil aus, ist aber unschwierig zu erklimmen (I). Nach deren Besuch gehe ich wieder zurück zum mittleren Gipfel und entschließe mich auch noch die Hintere zu besuchen.
Hintere Guslarspitze und Abstieg
Dorthin zieht sich ein interessanter Firn- und Neuschneegrat. Zunächst geht es herab bis zum Abzweig, wo der Normalweg nach Süden abgeht. Der weitere Gratverlauf weist noch keine Spuren auf. Man halte sich fern vom Wechtenrand. Der letzte Aufschwung hat es etwas in sich, hat aber guten Trittschnee. Über die kleine Gipfelwechte zu steigen hat etwas von Nordwandfeeling, obwohl es verhältnismäßig flach ist. Ansonsten ist der Gipfel äußerst unspektakulär und wird sicher sehr wenig besucht, bei diesen interessanten Verhältnissen aber zu Unrecht nach meiner Ansicht.
Beim Abstieg muss ich erst wieder einige 100m den Gratverlauf zurück verfolgen, bis die Spuren in die Flanke leiten. Ich kürze nach Belieben ab und fahre genüsslich im weichen Schnee abwärts, bzw. steige im Laufschritt bis zum Biwakplatz ab. Kaum eine halbe Stunde ist seit dem Verlassen des letzten Gipfels vergangen! So stehe ich um 15:45 Uhr wieder an meinem Biwakplatz und freue mich auf eine interessante Nacht auf 2700m. Kalt wird es sicher werden.
Hier oben ist es nie langweilig. Gemütlich koche ich meine Suppe, im warmen Schlafsack liegend. Schon bald finde ich Ruhe nach der letzten furchtbaren Nacht.
Als abwechslungsreiche Erkundungstour war die heutige wirklich perfekt gelungen. Wenn es heut schon auf 3100m so viel Schnee gab, wird es morgen auf 3300m sicher noch übler. Der Ostgrat der Mittleren Guslarspitze ist nicht besonders stark ausgeprägt, erfordert Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Das echte alpine Abenteuer hält sich hier sehr in Grenzen, doch wollte ich auf keinen Fall einfach den Normalweg „hochlatschen“, gilt dieser doch mit als einfachster auf einen 3000er in dieser Region. Der Anstieg von Norden ist in diesem Jahr so früh kaum zu empfehlen gewesen, außer man nimmt Steigeisen und Pickel zu Hilfe. Auch auf meiner Route war mein Eispickel mir stets ein treues Werkzeug. Lustige Wanderer, die mager ausgerüstet sind, wird man an diesem Gipfel mit Gipfelkreuz sicher häufiger treffen...
Morgen geht’s hinab über die Rofenschlucht und hinauf über den Seykogel und zurück nach Vent.
Gehzeiten:
Rofen-Hochjochhospiz ca. 2h (exkl. Pause)
Biwakplatz-Guslarspitzen-Biwakplatz ca. 3h
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