Doppelüberschreitung der Alpspitze


Publiziert von Nik Brückner , 1. September 2013 um 19:03.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Wetterstein-Gebirge
Tour Datum:23 August 2013
Wandern Schwierigkeit: T4- - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K2+ (WS+)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 9:30
Aufstieg: 2170 m
Abstieg: 2170 m
Strecke:13km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz in Hammersbach
Unterkunftmöglichkeiten:Höllentalangerhütte
Kartennummer:AV-Karte 4/2 Wetterstein und Mieminger Gebirge Mitte

Die Alpspitze! Ein Berg mit vier Gipfelanstiegen? Das ist doch sehr ungewöhnlich. Klingt auch ein bisschen nach einem langweiligen Berg. Andererseits: Da drängt sich bei vier Wegen doch eine Idee auf! Die Alpspitze (die mich ansonsten kaum interessiert hätte) könnte man doch am gleichen Tag zwei Mal überschreiten! Und wenn man das ohne Seilbahn macht, also etwa von der Höllentalangerhütte aus, dann bekommt das ganze Unternehmen sogar noch etwas Anspruch.


Also verlängerte ich einen Aufenthalt auf der Höllentalangerhütte (1387m) zwengenz Waxensteinbesteigung um einen Tag, schloss mich den Frühfrühstückern an, und zog gegen Viertel vor sieben los Richtung Matheisenkar.

Der Weg durch Wald und Latschen ist einfach, aber im Wetterstein hat das Wort "einfach" eine andere Bedeutung als anderswo: Die extremen Höhenunterschiede auf kurzer Distanz bringen ein ungewöhnlich steiles Gelände mit sich. Selbst auf guten Wanderwegen muss man hier und da Hand anlegen, einfache Kletterstellen sind üblich. Trotzdem kam ich gut voran, nach einer Stunde stand ich bereits im Karboden.

Vier Stunden bis zur Alpspitze? Das schien mir maßlos übertrieben. Doch die Route sollte mich eines Besseren belehren.

Im Matheisenkar zieht der Weg zielstrebig auf dessen ostseitige Begrenzung zu. Hier geht es mit Hilfe einiger Drahtseile über eine erste felsige Stufe hinauf in bröseliges Gehgelände, bis sich der Steig am Grat nach rechts wendet. Bis hierher gibt es keine nennenswerten Schwierigkeiten. Auch ist der Grat nicht allzu schmal, man kann überall gut gehen. Der Rest des Weges hinauf zur Grießkarscharte am Jubiläumsgrat ist allerdings ein Klettersteig, und auch wenn man sich nicht überall sichern muss, sollte man diesen Anstieg keinesfalls ohne Klettersteigset und Helm gehen. Bewerten würde ich die Passage mit KS2 bzw. B, höchstens B/C.

Der Klettersteig bremste meinen Anstieg, der bis dahin sehr schnell war, ziemlich aus. Ich sicherte mich zwar nicht überall, aber an einigen luftigen und trittarmen Stellen bleibt einem nichts anderes übrig. Und so karabinierte ich meinen Weg Schritt für Schritt hinauf Richtung Grießkarscharte.

An der Grießkarscharte (2465m) gelangt man dann endlich hinaus auf den Grat. Hier legte ich eine kurze Pause ein, bevor ich mich daran machte, die letzte Dreiviertelstunde der grandiosen Route von der Zugspitze zum Alpspitze zu überkraxeln.

Jubiläumsgrat! Modetour, Klassiker - vier Jahre später dann endlich auch unter meinen Füßen. Ich aber wollte nach links weiter.

Der felsige Grat ist ziemlich rauh, und so klettert man nur selten am Grat. Meist umgeht man die wilden Zacken rechts über dem Grießkar, seltener links. Einige sparsame Drahtseile helfen über problematischere Stellen. Schwerer als I wird es allerdings nie und wenn man angesichts der Ausgesetztheit nicht auspsycht, hat man keine Probleme. Um 10.45 Uhr kam ich endlich am Gipfel der Alpspitze (2628m) an.

Eine Stunde später als gedacht. Hatte ich den Anstieg übers Matheisenkar unterschätzt? Na, zumindest seine Dauer. Oben zweifelte ich, ob ich weitermachen sollte. Ich erkundigte mich bei zwei netten Mädels nach den Gehzeiten und nach dem Verkehrsaufkommen auf der Alpspitz-Ferrata, über die ich den zweiten Gipfelanstieg machen wollte.

Die Auskunft war ermutigend, also schoß ich gegen 11 Uhr über den Ostgrat hinunter zum Nordwandsteig. Der Ostgratsteig ist im oberen Teil sehr geröllig, es geht in Serpentinen über Schotter und einige Felsrippen nach unten. Im unteren Teil dagegen bildet sich der Grat deutlicher heraus und man muss an Drahtseilen weiter absteigen, was das Fortkommen doch erheblich verlangsamt. Im schrofigen Gelände des letzten Teils bin ich dann mehr oder weniger in der Falllinie ins Oberkar hinabgestiegen.

Doch auch der Nordwandsteig ist nicht wirklich Renngelände. Als erstes muss man über Klammern (oder eine Leiter) ein paar Meter hinunter, dann folgen ein paar Drahtseilpassagen. Doch nicht so langweilig, die Alpspitze! Im Laufgelände habe ich wieder Tempo gemacht, auch durch die beiden Stollen lässt es sich gut gehen. Um 12.30 Uhr erreichte ich schließlich den Einstieg der Ferrata.

Die Alpspitzferrata (Topo hier) trägt nicht umsonst diesen Namen. Der klassische Eisenweg ist vollkommen überversichert (Schwierigkeit A/B). Man geht mehr auf Eisen denn auf Fels.

Und so ist es kein Wunder, dass viele sich hier nicht sichern - es ist an den meisten Stellen nicht unbedingt notwendig. Allenfalls einige Passagen im unteren Teil und im Ausstieg sind ein wenig schwieriger bzw. recht ausgesetzt. Unverständlich ist mir allerdings, dass viele hier ohne Helm gehen. Das ist höchst leichtsinnig und hat weder mit Erfahrung noch mit kerliger Todesverachtung etwas zu tun.

Zunächst geht es eine gut geklammerte Platte hinauf (B) in gestuftes Gelände, in dem man weiter hinaufgeht, hier und da unterstützt von weiteren Klammern (A). Eine flache Gehpassage führt nach rechts zu der berühmten langen Klammernreihe (A/B), die man nun hinausteigt, bis man oben wieder in leichtes Gelände (A) kommt. Dort hinauf zu einer Scharte (rechts befindet sich der Höllentorkopf).

Aus der Scharte nach links weit hinauf, über groß gestuftes Gehgelände, das von mehreren einfachen A-Passagen unterbrochen ist (Achtung! Keinen Steinschlag auslösen!). Am "Herzerl" befindet sich das Ende des Gehgeländes. Hier wird der Fels plattiger, einige Klammern (A/B) führen hinauf zu einer plattigen Rampe (A/B und A), die auf den Nordwestgrat führt. 

Hier nach links in einen glatten Kessel (A). Auf der anderen Seite befindet sich der Abzweig zum Jubiläumsgrat und zum Mathaisenkarsteig. Auf weiteren Klammern steigt man eine Rinne (A/B) hinauf, droben geht es über letzte, einfache Stellen auf den Grat (A), und auf diesem zum Gipfelkreuz.

Wenn man sich nur an den wenigen Stellen sichert, an denen es nötig ist, kann man die Ferrata gut in eineinhalb Stunden durchsteigen. Um 14 Uhr war ich zum zweiten Mal am Gipfel. Und jetzt ist endlich mal ein bissl Zeit! Also hinsetzen, abpausen und die Rundsicht genießen.
 
Der Blick fällt – natürlich – zuerst auf Hochblassen, Jubiläumsgrat und Zugspitze. Tschirgant, Fluchthorn, die drüber herüberschauen, verblassen (Wortspiel beabsichtigt) dagegen. Im Westen zieht der Waxensteinkamm vom Gipfel herab. Dahinter zeigen sich die Allgäuer und die Ammergauer Alpen. Zu sehen sind Hochvogel und Nebelhorn, davor der Thaneller, davor der Danielgrat mit dem Daniel, dann die Lailachspitze, der Große Daumen, Rauhhorn und Geißhorn, die Rote Flüh, die Köllenspitze und die Gehrenspitze. In den Ammergauern zeigen sich Säuling, Hoher Straußberg, Kreuzspitz, der Grat vom Friederspitz zum Kreuzspitzl und dahinter die Klammspitze.
 
Im Osten dann Wendelstein, der Kaiser, mit Sonneck und Ellmauer Halt, dahinter der Watzmann. Dann Karwendel, dahinter Großglockner und Großvenediger, Richtung Dolomiten dann der Hohe Riffler und der Olperer. Davor erheben sich die nahen Dreitorspitzen und der Hochwanner.


Hier traf ich dann auch zwei Physiker wieder, die ich zuvor auf der Höllentalangerhütte kennengelernt hatte. Nach einem kurzen Schwätzchen machte ich mich dann aber schon gegen 14.30 Uhr an den Abstieg über den namenlosen Schottersteig direkt ins Oberkar. Dieser Steig ist weitgehend unproblematisch und in etwa vergleichbar mit dem oberen Teil des Ostgratsteigs. Auch hier muss an einigen Rippen Hand angelegt werden.

Wieder zurück auf dem Nordwandsteig wanderte ich nun ganz hinüber zum Osterfelderkopf (2050m) mit der Bergstation der Alspitzbahn.

Ein Besuch der AlpspiX-Aussichtsplattform bestätigte meinen Eindruck vom Schwachsinn solcher Bauten (das Ding hat ja noch nicht einmal einen durchsichtigen Plexiglasboden).

Nach einer Pause machte ich mich gegen Viertel nach vier an den Abstieg vom Osterfelderkopf durch die Rinderwegscharte (Höllentor, 2077m) ins Höllental. Dieser Weg ist unproblematisch. In zahllosen Serpentinen geht es auf Holztritten und auf gutem, breiten Steig hinunter. Um halb sechs war ich wieder auf der Höllentalangerhütte.

Tourengänger: Nik Brückner


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