Über die Chammhaldenroute auf den Girenspitz (2448 m) und den Säntis
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Ausnahmsweise fuhr ich statt mit der Bahn mit dem Auto auf die Schwägalp. Ausgangs- und Endpunkt der Tour waren fest gegeben. Und eine halbe Stunde später von zu Hause weg, dazu noch eine halbe Stunde früher auf der Schwägalp, das war allzu verlockend. Die Natur möge es mir verzeihen! Und das hat sie auch, glaube ich. Denn sie hat mich an diesem Tag sehr wohlwollend in der T5-Welt empfangen.
Seit zwei Jahren hatte ich mit der Chammhaldenroute geliebäugelt, bisher hatte es nie geklappt. Was mich anfänglich davon abhielt, war vor allem dieses Bild: Würde es mir auch so ergehen? Und was dann, so mutterseelenallein in den Felsen? Die Bedenken waren völlig unbegründet, wie sich nun herausgestellt hat. Die Chammhaldenroute hat sich nämlich als wahre Genusstour entpuppt. Der Tag schien wie geschaffen, um das Vorhaben endlich in die Tat umzusetzen: "Ideales Bergwetter", hörte ich im Autoradio kurz vor sieben den Meteosprecher verkünden. Wenn nicht heute, wann dann!
Die Chammhaldenroute beginnt eigentlich beim P. 1577 mit den ersten orangen Markierungen an den Felsen am Ende des Zauns. Weit genug also vom Wanderweg entfernt, so dass sich niemand versehentlich auf diese Route verirren kann. Da sie bekanntlich nicht ausgeschildert ist, fehlen auch entsprechende Warnhinweise. Eine Art 'Geheimroute' also oder besser gesagt: ein offenes Geheimnis unter Alpinwanderern.
Nach den ersten orangen Markierungen geht es rechts steil hinauf. Und dann folgt auch gleich ein erster Test der Schwindelfreiheit: Der schmale Weg führt nämlich über den Felsen ein Stück weit ziemlich ausgesetzt dem Abgrund entlang. Wer sich bereits hier unsicher fühlt, tut sich wahrscheinlich den grösseren Gefallen, den Rückzug anzutreten und auf die Nasenlöcher-Route auszuweichen, die ja auch nicht weit weg ist. Überhaupt erinnert mich hier viel an jene Route: Das Gelände ist fast gleich, die Steilheit ebenso. Dort handelt es sich halt um einen offiziellen, weiss-blau-weissen Weg, dessen schwierigste Stellen mit Drahtseilen entschärft sind, während hier alles naturbelassen ist. Die Wegfindung allerdings ist überhaupt nicht schwierig: Es hat derart viele orange Tupfer, dass man sich fast nicht verlaufen kann. Einmal entdecke ich gleich acht Markierungen auf einen Blick, die so an den Schrofen angebracht sind, dass sich ein Fragezeichen ergibt, wenn man in Gedanken die Punkte miteinander verbindet. Naja! Dieses Piktogramm ist ziemlich sicher nicht gewollt, aber gleichwohl ein seltsames Omen. ;-)
Beim Steinmannli kurz vor der Gedenktafel auf etwa 2100 m Höhe setze ich den Helm auf. Sowohl im alten wie im neuen Clubführer wird ausdrücklich auf die Steinschlaggefahr hingeweisen, nicht so erstaunlicherweise im neuen Alpinwanderbuch Ostschweiz. Nun gilt es ernst, nun kommen die in den zahlreichen Berichten und auch im neuen Buch erwähnten Schlüsselstellen. Die berühmte "luftige Querung" empfinde ich nicht als besonders schwierig. Gewiss, die geschätzten knappen zwei Meter, die hinabgestiegen werden müssen, bevor man in die Rinne gelangt, erfordern Konzentration. Die Kletterstellen in der Rinne selber unterscheiden sich nicht gross von jenen der Nasenlöcherroute, ausser dass es weder Drahtseil noch Eisenstifte hat. Man muss sich daher die Tritte und Griffe selber suchen. Zum meinem Erstaunen führen die orangen Markierungen schon bald wieder aus der Rinne heraus und elegant an deren rechten Rand nach oben. Anschliessend ist es nicht mehr weit bis auf den Hüenerbergsattel (2325 m) .
Etwas unterhalb des Hüenerbergsattels empfängt mich die wärmende Sonne. Ich verstaue die Jacke im Rucksack und setze mich auf den weichen, grasigen Boden. Es ist zwölf Uhr. Viereinhalb Stunden sind vergangen, seit ich morgens auf der Schwägalp aus dem Auto gestiegen bin. Nach den Zeitangaben im Buch müsste ich längst auf dem Säntis sein. Was soll's! Der Tag ist viel zu schön, um mich zu quälen. Ich geniesse die Stille, die Einsamkeit der Natur, die fabelhafte Weitsicht und bin glücklich und entspannt. Es hat sich gelohnt, nur gemächlich aufzusteigen und immer wieder anzuhalten, um die wechselnden Perspektiven zu bestaunen und bei den heiklen Stellen jeden Tritt und Griff sorgfältig zu prüfen, ob er auch wirklich hält. Eigentlich wäre es ein wunderschöner Platz zum Essen und auch Zeit dazu. Doch ich will zuerst mein nächstes Ziel, den Girenspitz, erreichen - ein Fehler, wie sich herausstellen sollte.
Der kurze, aber steile Abstieg vom Hüenerbergsattel zum Wanderweg ist für mich der unangenehmste Teil der Tour. Lieber drei "luftige Querungen" als dieser Schutt und dieses Geröll! Dazu muss ich ständig achtgeben, dass ich keine Steine löse, die dann auf den Wanderweg hinunterfallen. Denn dort ziehen immer mal wieder Leute vorbei, auch an einem Montag. Eigentlich wäre ich ganz gerne auf direktem Weg über den Nordostgrat auf den Girenspitz geklettert, ich habe mir sogar den Einstieg auf dem Hüenerbergsattel kurz angesehen. Es scheint nicht überaus schwierig und sollte machbar sein. Die Schwierigkeitsangabe T6 (III-) im Buch ist mir allerdings mehr als ein Warnsignal, es ist für mich - bis auf Weiteres - ein eigentliches Verbotsschild. So gross die Versuchung auch ist, ich lasse es lieber bleiben und fordere das Schicksal, das es auf der Chammhaldenroute (einer Route, vor der ich jahrelang allzu grossen Respekt hatte) so gut mit mir gemeint hat, nicht unnötig heraus.
Auf dem Sattel, wo die beiden Säntiswege, von der Tierwies und vom Blau Schnee her, zusammenkommen, pfeift ein böiger Südwestwind, der auf dem Gipfel des Girenspitz (2448 m) noch stärker zu spüren ist. Dort begegne ich übrigens dem ersten Menschen, seit ich am Morgen von der Schwägalp weg bin. Er erzählt mir, er sei von der Stütze 2 direkt hinaufgestiegen. Dann verabschiedet er sich und geht weiter. Es ist ihm wohl zu windig hier. Und mir? Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mich zu verkriechen, als nordwärts ein paar Meter abzusteigen und dort auf engem Raum, aber wenigstens windgeschützt meine Mittagspause zu machen. Nachher kann ich es nicht lassen, mich noch ein paar Meter weiter hinabzuwagen, um die Route über den Nordost-Grat zu erspähen. Sie lässt sich allerdings eher erahnen als vollständig erfassen. Und die Schwierigkeiten zeigen sich ohnehin erst vor Ort.
Auf der "Himmelsleiter" zum Säntisstollen herrscht das übliche Kommen und Gehen. Obwohl kein eigentlicher Stau wie an den Wochenenden, so doch zu viel für meinen Geschmack - vor allem nach der herrlichen Einsamkeit auf der Chammhaldenroute. Als ich ein paar Schritte nach rechts ausweiche, um die Leute vorbeizulassen, entdeckt mein Auge einen zweiten Riss, der ungefähr parallel zur "Himmelsleiter" verläuft. Diesmal kann ich der Versuchung nicht widerstehen und enschliesse mich spontan, mein Glück dort zu versuchen statt wie bisher den gut gesicherten Weg zu benützen. Schwierig ist der Riss nicht, es hat genügend Griffe und Tritte, wenn auch eher feine, dafür schön rauh und überhaupt nicht speckig. Kurz vor dem Stolleneingang, beim letzten "Bödeli" komme ich wieder auf den Wanderweg. Somit ist die "Himmelsleiter" gewissermassen zweispurig geworden: der mit "Leitplanken" versehene Säntisweg und eine freie, alpine Route. Neu ist diese Route eigentlich nicht, die Rinne war immer da. Nur wird sie vermutlich kaum je benützt, weil die meisten Menschen, auch geübte Alpinisten, lieber den offiziellen Weg nehmen als ihren eigenen Weg zu suchen. Oder täusche ich mich? ;-)
Auf dem betonierten Säntisgipfel fühle ich mich wie in der Stadt. Das laute Stimmengewirr verstört mich. Als ich mich auf eine Treppe setze und etwas esse, stolpern die Leute fast über mich hinweg. Es ist, wie wenn in der Stadt sich jemand auf die Treppe einer Bahnhofunterführung setzen würde. Man würde glatt überrannt! Auf diese Art will ich diesen schönen Tag nicht beenden. Bevor ich mit der Säntisbahn hinunterfahre, wechsle ich darum die Seite und besuche "mein" Kreuz auf dem Chalbersäntis.
Als Erstes richte ich das alte, windschiefe und rostige Kreuz wieder gerade, mit einem flachen Steinchen als Keil. Lange wird es auch diesmal nicht halten, aber immerhin! Dann entdecke ich unter dem Kreuz einen pflastersteingrossen Granitbrocken, auf dem ein Bibelvers angebracht ist. Da hat doch tatsächlich jemand diesen schweren Stein, einer Art "Wallfahrt" gleich, bis auf den NW-Gipfel des Chalbersäntis hinauf geschleppt! Das mag vielen schwer verständlich erscheinen, und doch kann ich es gut verstehen, auch als nicht religiöser Mensch. Denn es ist ein andächtiger Ort, ein Ort der Einkehr und Stille, hier, kaum zwei Meter über dem vielbegangenen Wanderweg zum Rotsteinpass.
Meinerseits begnüge ich mich damit, ein paar Steine zusammenzutragen, um das erst in Ansätzen erkennbare Gipfelmannli zu vergrössern. Auch wenn es in dieser Konstruktion kaum von Bestand sein dürfte, es ist jetzt sogar von der gegenüberliegenden Seite aus gut erkennbar. So hat dieser Gipfel, der es nicht einmal zu einem Punkt auf der Landeskarte gebracht hat, inzwischen ein Kreuz und ein Steinmannli. Einzig das Gipfelbuch fehlt noch. Falls bis dahin es noch niemand getan (und hier kommunziert) hat, werde ich das nächste Mal eines mitnehmen!
Fast eine Stunde verbringe ich allein an diesem beschaulichen Ort, bevor ich erneut die Seite wechsle und die futuristische Kathedrale der Säntisbahn mich verschluckt.
Seit zwei Jahren hatte ich mit der Chammhaldenroute geliebäugelt, bisher hatte es nie geklappt. Was mich anfänglich davon abhielt, war vor allem dieses Bild: Würde es mir auch so ergehen? Und was dann, so mutterseelenallein in den Felsen? Die Bedenken waren völlig unbegründet, wie sich nun herausgestellt hat. Die Chammhaldenroute hat sich nämlich als wahre Genusstour entpuppt. Der Tag schien wie geschaffen, um das Vorhaben endlich in die Tat umzusetzen: "Ideales Bergwetter", hörte ich im Autoradio kurz vor sieben den Meteosprecher verkünden. Wenn nicht heute, wann dann!
Die Chammhaldenroute beginnt eigentlich beim P. 1577 mit den ersten orangen Markierungen an den Felsen am Ende des Zauns. Weit genug also vom Wanderweg entfernt, so dass sich niemand versehentlich auf diese Route verirren kann. Da sie bekanntlich nicht ausgeschildert ist, fehlen auch entsprechende Warnhinweise. Eine Art 'Geheimroute' also oder besser gesagt: ein offenes Geheimnis unter Alpinwanderern.
Nach den ersten orangen Markierungen geht es rechts steil hinauf. Und dann folgt auch gleich ein erster Test der Schwindelfreiheit: Der schmale Weg führt nämlich über den Felsen ein Stück weit ziemlich ausgesetzt dem Abgrund entlang. Wer sich bereits hier unsicher fühlt, tut sich wahrscheinlich den grösseren Gefallen, den Rückzug anzutreten und auf die Nasenlöcher-Route auszuweichen, die ja auch nicht weit weg ist. Überhaupt erinnert mich hier viel an jene Route: Das Gelände ist fast gleich, die Steilheit ebenso. Dort handelt es sich halt um einen offiziellen, weiss-blau-weissen Weg, dessen schwierigste Stellen mit Drahtseilen entschärft sind, während hier alles naturbelassen ist. Die Wegfindung allerdings ist überhaupt nicht schwierig: Es hat derart viele orange Tupfer, dass man sich fast nicht verlaufen kann. Einmal entdecke ich gleich acht Markierungen auf einen Blick, die so an den Schrofen angebracht sind, dass sich ein Fragezeichen ergibt, wenn man in Gedanken die Punkte miteinander verbindet. Naja! Dieses Piktogramm ist ziemlich sicher nicht gewollt, aber gleichwohl ein seltsames Omen. ;-)
Beim Steinmannli kurz vor der Gedenktafel auf etwa 2100 m Höhe setze ich den Helm auf. Sowohl im alten wie im neuen Clubführer wird ausdrücklich auf die Steinschlaggefahr hingeweisen, nicht so erstaunlicherweise im neuen Alpinwanderbuch Ostschweiz. Nun gilt es ernst, nun kommen die in den zahlreichen Berichten und auch im neuen Buch erwähnten Schlüsselstellen. Die berühmte "luftige Querung" empfinde ich nicht als besonders schwierig. Gewiss, die geschätzten knappen zwei Meter, die hinabgestiegen werden müssen, bevor man in die Rinne gelangt, erfordern Konzentration. Die Kletterstellen in der Rinne selber unterscheiden sich nicht gross von jenen der Nasenlöcherroute, ausser dass es weder Drahtseil noch Eisenstifte hat. Man muss sich daher die Tritte und Griffe selber suchen. Zum meinem Erstaunen führen die orangen Markierungen schon bald wieder aus der Rinne heraus und elegant an deren rechten Rand nach oben. Anschliessend ist es nicht mehr weit bis auf den Hüenerbergsattel (2325 m) .
Etwas unterhalb des Hüenerbergsattels empfängt mich die wärmende Sonne. Ich verstaue die Jacke im Rucksack und setze mich auf den weichen, grasigen Boden. Es ist zwölf Uhr. Viereinhalb Stunden sind vergangen, seit ich morgens auf der Schwägalp aus dem Auto gestiegen bin. Nach den Zeitangaben im Buch müsste ich längst auf dem Säntis sein. Was soll's! Der Tag ist viel zu schön, um mich zu quälen. Ich geniesse die Stille, die Einsamkeit der Natur, die fabelhafte Weitsicht und bin glücklich und entspannt. Es hat sich gelohnt, nur gemächlich aufzusteigen und immer wieder anzuhalten, um die wechselnden Perspektiven zu bestaunen und bei den heiklen Stellen jeden Tritt und Griff sorgfältig zu prüfen, ob er auch wirklich hält. Eigentlich wäre es ein wunderschöner Platz zum Essen und auch Zeit dazu. Doch ich will zuerst mein nächstes Ziel, den Girenspitz, erreichen - ein Fehler, wie sich herausstellen sollte.
Der kurze, aber steile Abstieg vom Hüenerbergsattel zum Wanderweg ist für mich der unangenehmste Teil der Tour. Lieber drei "luftige Querungen" als dieser Schutt und dieses Geröll! Dazu muss ich ständig achtgeben, dass ich keine Steine löse, die dann auf den Wanderweg hinunterfallen. Denn dort ziehen immer mal wieder Leute vorbei, auch an einem Montag. Eigentlich wäre ich ganz gerne auf direktem Weg über den Nordostgrat auf den Girenspitz geklettert, ich habe mir sogar den Einstieg auf dem Hüenerbergsattel kurz angesehen. Es scheint nicht überaus schwierig und sollte machbar sein. Die Schwierigkeitsangabe T6 (III-) im Buch ist mir allerdings mehr als ein Warnsignal, es ist für mich - bis auf Weiteres - ein eigentliches Verbotsschild. So gross die Versuchung auch ist, ich lasse es lieber bleiben und fordere das Schicksal, das es auf der Chammhaldenroute (einer Route, vor der ich jahrelang allzu grossen Respekt hatte) so gut mit mir gemeint hat, nicht unnötig heraus.
Auf dem Sattel, wo die beiden Säntiswege, von der Tierwies und vom Blau Schnee her, zusammenkommen, pfeift ein böiger Südwestwind, der auf dem Gipfel des Girenspitz (2448 m) noch stärker zu spüren ist. Dort begegne ich übrigens dem ersten Menschen, seit ich am Morgen von der Schwägalp weg bin. Er erzählt mir, er sei von der Stütze 2 direkt hinaufgestiegen. Dann verabschiedet er sich und geht weiter. Es ist ihm wohl zu windig hier. Und mir? Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mich zu verkriechen, als nordwärts ein paar Meter abzusteigen und dort auf engem Raum, aber wenigstens windgeschützt meine Mittagspause zu machen. Nachher kann ich es nicht lassen, mich noch ein paar Meter weiter hinabzuwagen, um die Route über den Nordost-Grat zu erspähen. Sie lässt sich allerdings eher erahnen als vollständig erfassen. Und die Schwierigkeiten zeigen sich ohnehin erst vor Ort.
Auf der "Himmelsleiter" zum Säntisstollen herrscht das übliche Kommen und Gehen. Obwohl kein eigentlicher Stau wie an den Wochenenden, so doch zu viel für meinen Geschmack - vor allem nach der herrlichen Einsamkeit auf der Chammhaldenroute. Als ich ein paar Schritte nach rechts ausweiche, um die Leute vorbeizulassen, entdeckt mein Auge einen zweiten Riss, der ungefähr parallel zur "Himmelsleiter" verläuft. Diesmal kann ich der Versuchung nicht widerstehen und enschliesse mich spontan, mein Glück dort zu versuchen statt wie bisher den gut gesicherten Weg zu benützen. Schwierig ist der Riss nicht, es hat genügend Griffe und Tritte, wenn auch eher feine, dafür schön rauh und überhaupt nicht speckig. Kurz vor dem Stolleneingang, beim letzten "Bödeli" komme ich wieder auf den Wanderweg. Somit ist die "Himmelsleiter" gewissermassen zweispurig geworden: der mit "Leitplanken" versehene Säntisweg und eine freie, alpine Route. Neu ist diese Route eigentlich nicht, die Rinne war immer da. Nur wird sie vermutlich kaum je benützt, weil die meisten Menschen, auch geübte Alpinisten, lieber den offiziellen Weg nehmen als ihren eigenen Weg zu suchen. Oder täusche ich mich? ;-)
Auf dem betonierten Säntisgipfel fühle ich mich wie in der Stadt. Das laute Stimmengewirr verstört mich. Als ich mich auf eine Treppe setze und etwas esse, stolpern die Leute fast über mich hinweg. Es ist, wie wenn in der Stadt sich jemand auf die Treppe einer Bahnhofunterführung setzen würde. Man würde glatt überrannt! Auf diese Art will ich diesen schönen Tag nicht beenden. Bevor ich mit der Säntisbahn hinunterfahre, wechsle ich darum die Seite und besuche "mein" Kreuz auf dem Chalbersäntis.
Als Erstes richte ich das alte, windschiefe und rostige Kreuz wieder gerade, mit einem flachen Steinchen als Keil. Lange wird es auch diesmal nicht halten, aber immerhin! Dann entdecke ich unter dem Kreuz einen pflastersteingrossen Granitbrocken, auf dem ein Bibelvers angebracht ist. Da hat doch tatsächlich jemand diesen schweren Stein, einer Art "Wallfahrt" gleich, bis auf den NW-Gipfel des Chalbersäntis hinauf geschleppt! Das mag vielen schwer verständlich erscheinen, und doch kann ich es gut verstehen, auch als nicht religiöser Mensch. Denn es ist ein andächtiger Ort, ein Ort der Einkehr und Stille, hier, kaum zwei Meter über dem vielbegangenen Wanderweg zum Rotsteinpass.
Meinerseits begnüge ich mich damit, ein paar Steine zusammenzutragen, um das erst in Ansätzen erkennbare Gipfelmannli zu vergrössern. Auch wenn es in dieser Konstruktion kaum von Bestand sein dürfte, es ist jetzt sogar von der gegenüberliegenden Seite aus gut erkennbar. So hat dieser Gipfel, der es nicht einmal zu einem Punkt auf der Landeskarte gebracht hat, inzwischen ein Kreuz und ein Steinmannli. Einzig das Gipfelbuch fehlt noch. Falls bis dahin es noch niemand getan (und hier kommunziert) hat, werde ich das nächste Mal eines mitnehmen!
Fast eine Stunde verbringe ich allein an diesem beschaulichen Ort, bevor ich erneut die Seite wechsle und die futuristische Kathedrale der Säntisbahn mich verschluckt.
Tourengänger:
Fico
Communities: Alleingänge/Solo
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