Aletschgletscher-Wanderung


Publiziert von lainari , 11. Mai 2012 um 20:09.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Jungfraugebiet
Tour Datum:11 September 1997
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Hochtouren Schwierigkeit: L
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-VS 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 200 m
Abstieg: 1450 m
Strecke:21 km (Tag 1: 8 km, Tag 2: 13 km)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Zug der BOB Interlaken Ost-Lauterbrunnen, Zug der WAB Lauterbrunnen-Kleine Scheidegg, Zug der JB Kleine Scheidegg-Jungfraujoch
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Luftseilbahn LFE Fiescheralp-Fiesch, Zug der FO (jetzt MGB) Fiesch-Brig, Zug der SBB Brig-Spiez, Zug der BLS Spiez-Interlaken Ost
Unterkunftmöglichkeiten:Konkordiahütte

Das umfangreichste Billett der Schweiz?
 
Im Frühjahr 1997 hatte ich mit meinem Kumpel eine touristische Rundreise durch die Schweiz unternommen. Dabei besuchten wir auch das Berner Oberland. Über den Versuch meiner zweiten Bergwandertour breiten wir im Interesse der Beteiligten den Mantel des Schweigens. Vom Jungfraujoch hatte ich einen Prospekt mitgenommen, der unter anderem eine geführte Aletschgletscher-Wanderung mit dem Bergsteigerzentrum Grindelwald bewarb. Ich überzeugte meinen Begleiter, dass wir diese Tour bei passender Gelegenheit machen müssten.
 
Im September war es dann soweit. Perfektes, fast schon heißes Wetter schien der ideale Rahmen zu sein. Wir meldeten uns vorab telefonisch an, und begaben uns zum vereinbarten Termin nach Interlaken-Ost auf den Bahnhof. Hier lösten wir das spezielle Billett einfach am Bahnschalter. Nach der Fahrt über Lauterbrunnen und die Kleine Scheidegg erreichten wir das Jungfraujoch. Das Wissen, diesen Ort heute zu Fuß zu verlassen, gab uns ein völlig anderes Gefühl als beim Besuch im Frühjahr. Da wir noch Zeit hatten, nahmen wir zunächst den Lift zur Sphinx und schauten uns die Bescherung von oben an. Später begaben wir uns zum Stollenausgang und trafen den Bergführer. Nach und nach kamen die restlichen Teilnehmer, zusammen waren wir etwa 10-11 Personen. Nun wurden wir ins Seil geknüpft, Schlinge um den Bauch und gut war´s, weitere technische Hilfsmittel gab es nicht. Nach einer Einweisung des 69-jährigen Bergführers Fritz Baumann liefen wir los. Ich war der letzte Mann am Seil und musste die Temposchwankungen der Gruppe ausgleichen, was beim Überspringen von Gletscherspalten manchmal etwas heikel war. Die Wetterbedingungen schafften ein merkwürdiges Gefühl - auf einer schier unglaublichen Eismasse gehend, wurden wir fast gekocht. Die Temperatur hatte an die 25° C und die Sonneneinstrahlung wurde schön reflektiert - Ober- und Unterhitze sozusagen. An alles hatten wir gedacht, nur die Sonnenhüte fehlten uns. Mein Kumpel behalf sich mit einem verknoteten Taschentuch und ich versuchte es mit Sonnencreme, die ich aller Viertelstunde auf das lichter bewaldete Haupt auftrug. Das Ergebnis: am Abend hatte ich einen knallroten Kopf und Kopfschmerzen. Wir erreichten die große „Gletscherkreuzung“, den Konkordiaplatz und umgingen die Gletschersümpfe. Über Funk wurde das Nachtessen geordert: Käsefondue für alle. Mein Kumpel war kein großer Freund davon, versuchte mich davon abzubringen. Ich wollte es jedoch erstmalig probieren, so dass er sich zähneknirschend anschloss, um nicht aus der Reihe zu tanzen. Über Metalltreppen erreichten wir die Konkordiahütte. Hier spannten wir den Rest des Nachmittages aus und begaben uns dann zum Essen. Käsefondue scheint mir als Sättigungsmahlzeit völlig ungeeignet, das ewige Herumgerühre, meinem Magen fehlte völlig das Maß, fühlte sich von den Krümeln betrogen. Ein Schweizer Mitwanderer legte fest, dass derjenige der einen Brocken Brot im Topf verliere, eine Flasche Wein bestellen müsse. Mir fiel nichts vom Spieß, mein Kumpel hatte ohnehin nach vier Brocken das Essen eingestellt. Das Ergebnis: 7 Männer tranken 7 Flaschen Wein - blöder Plan auf 2850 m Höhe. Nach dem Mahl aßen wir heimlich auf der Terrasse im schwindenden Licht zwei ungarische Paprikawürste aus meinem Rucksack. Dann ging es zur gemeinsamen Nachtruhe. Die Mitwanderer fielen sofort in den Schlaf und nach einiger Zeit wurde kubikmeterweise Holz gesägt…
Mir war heiß, durch das angeklappte Fenster drang zu wenig der klaren Frostluft herein, der Kopf brummte und ich lag den größten Teil der Nacht wach. Als ich gegen Morgen doch eingeschlummert war, verließ um 4 Uhr eine Abteilung Gebirgsspezialisten der Armee, die auch hier oben übernachtet hatte, die Hütte und stieg die Metalltreppen hinunter - klack, klack, klack…
 
Nach dem Frühstück verließen wir die Konkordiahütte und stiegen auf einem anderen Weg schräg zum Gletscher hinunter. Auf dem rechten Mittelstreifen des Aletschgletschers liefen wir dann talwärts. An diesem Morgen war es zunächst bedeckt und kalt und wir konnten auf unsere mitgeschleppte Bekleidung samt dicken Mützen zurückgreifen. Der Bergführer zeigte uns tiefe Schmelzwasserlöcher, Salz leckende Steinböcke am Gletscherrand und einen Steinadler. Weiter unten wurden die Gletscherspalten flacher, die Rippen dazwischen runder und obwohl die grau gefärbte Oberfläche beinahe wie gestreut aussah, war es durch ständige Frost-Tau-Wechsel furchtbar glatt. Wir hatten gerade angehalten, wollten noch einmal eine Rundumschau machen bevor wir den Gletscher verließen, als ein undefinierbares Pfeifen oder Zischen erklang. Der Schatten einer Mirage III der Luftwaffe im Kurvenflug schoss in kurzer Distanz an uns vorbei, das Zischen wurde zum infernalischen Donnern und wir wurden vom heißen Abgasstrahl gestreift. Schon war die Maschine über den Aletschgletscher hinauf gerast und am Jungfraujoch steil in den Himmel gestiegen. Wir gingen vom Gletscher herunter und wurden vom Seil gelöst. Zur Erinnerung an die Tour bekamen wir einen Anstecker, der Bergführer verabschiedete sich bereits und löste die geführte Tour auf. Wir gingen oberhalb vorbei am Märjelensee bis zur Gletscherstube Märjelen und durchquerten auf dem Fahrweg den langen Tunnel, der ursprünglich für die Wasserleitung vom Speichersee angelegt worden war. Über Salzgäb wanderten wir hinunter zur Fiescheralp, wo wir uns im Gasthaus stärkten. Danach fuhren wir mit der Seilbahn nach Fiesch ab. Unterwegs stoppte diese immer wieder um die Großkabine auspendeln zu lassen, die Windschwankungen waren zu hoch. Einigen Fahrgästen wurde schon etwas flau um den Magen. Dennoch sicher kamen wir schließlich im Tal an. Mit mehrmaligem Umsteigen fuhren wir mit dem Zug zurück nach Interlaken-Ost. Hier verabschiedeten wir uns noch einmal vom Bergführer und dankten für das - uns Flachländern - großartige Erlebnis.

Tourengänger: lainari


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