Heimgarten (1790 m) - die Tarnkappenrunde
|
||||||||||||||||||||||
Seltsamer Untertitel, was? Aber ich war heute eindeutig für einen Teil der Bergsteiger, denen ich unterwegs begegnete, unsichtbar - mein Berghut fungierte sozusagen als Tarnkappe. Laßt mich also erzählen.
Ich starte um 7:45 Uhr in Ohlstadt (700 m); den Wegweisern folgend, geht es zunächst aufwärts Richtung Wankhütte und Rauheck. Im übrigen bewege ich mich im wesentlichen auf dem Weg_von_Tef, der nur 3 Tage vor mir hier herauf gespurt hat, so daß ich nun alles zu Fuß gehen kann - Danke, Tef für Deine Spurarbeit! Eine detailierte Beschreibung erübrigt sich deshalb - ich darf mich auf einige wenige Zusammentreffen mit anderen Bergsteigern konzentrieren. Eigentlich wäre es eine Erzählung für den 1. April - wenn es nicht traurige Realität wäre, wie stoffelhaft andere Zweibeiner wort- und grußlos durch die Berge trampeln.
Tarnkappe Nr. 1
Kurz vor dem Gipfel kommt mir ein älterer Bergkamerad im Abstieg entgegen. Wie es so üblich ist, grüße ich ihn als wohlerzogener Mitmensch und frage ihn, auf welchem Weg er aufgestiegen sei. Aber irgendwie sieht er durch mich hindurch - eine nochmalige Nachfrage, auf welchem Weg er nun absteigen würde, führt zu einer unverständlich gemurmelten Lautgebung seinerzeit - im übrigen steigt er, ohne mich weiterhin eines Blickes zu würdigen, weiter ab.
Tarnkappe Nr. 2
Na gut, denke ich mir, es gibt schon seltsame Wesen in Gottes großem Tiergarten. Wenige Minuten später stehe ich dann droben auf dem Heimgarten (1790 m). Unter dem sehr großen Gipfelkreuz nestelt eine Bergkameradin an ihrem Rucksack herum, mein freudiges "Berg Heil" ignoriert sie völlig. Vielleicht habe ich mich zu leise artikuliert? Ich probiere es nochmals : "Grüß Dich, wo bist denn heraufgekommen?" Keine Reaktion. "Und wo gehst hinunter? Zur Bärenfleckhütte - da unten über die Senke, den Sattel vor dem Rauheck?" Jetzt erst nimmt sie von mir flüchtig Notiz, blickt mich wie einen Geist an und stammelt "Senke? Welche Senke?". Noch bevor ich es nochmal probieren kann, schultert sie ihren Rucksack und marschiert ohne ein weiteres Wort talwärts.
Also, irgendwas stimmt mit mir nicht. Ich gucke an mir runter - stehe ich vielleicht barfuß im Schnee, oder habe ich vergessen, mir eine Hose anzuziehen? Aber nein, alles an mir ist vorschriftsmäßig. Also ... so schlimm kann es um mich ja doch nicht stehen.
Tarnkappe Nr. 3 - Begegnung mit dem Leibhaftigen?
Ich bekomme auch gleich Gelegenheit, es nochmals zu probieren - denn ein weiterer Bergsteiger betritt den geräumigen Gipfel. Artig grüße ich ein weiteres Mal: "Servus und Berg Heil, willkommen auf dem Heimgarten" rufe ich ihm zu, als er das Gipfelkreuz erreicht. Er zuckt heftig zusammen, guckt irritiert in meine Richtung, und jetzt ist es ganz eindeutig: ich bin unsichtbar - er sieht mich nicht! Ist es die körperlose Stimme aus dem Jenseits, die ihn so maßlos erschreckt - oder steht der Leibhaftige mit Gehörn und Bockhuf vor ihm? Er stammelt irgendwas, bekreuzigt sich - und dann macht er auf dem Absatz kehrt und steigt sofort wieder ab, ohne auch nur ein einziges Mal die phantastische Aussicht zu würdigen. Keine 10 Sekunden war er auf dem Gipfel, panisch geradezu die Flucht vor dem Bösen, das ihn da so unvermutet überrascht hat!
Es muß an meinem Berghut liegen - er macht mich unsichtbar. Ich setze ihn also ab, inzwischen ist sowieso ein recht kalter Wind aufgekommen, und ich ziehe das etwas wärmere Stirnband aus dem Rucksack und setze es auf. Und schon bekomme ich die nächste Chance!
Tarnkappe Nr. 4 - nein, diesmal nur das Stirnband
Denn ein weiterer Bergkamerad betritt den Gipfel. Auch er bekommt mein "Berg Heil" zu hören, diesmal allerdings schon in etwas skeptischerem Tonfall. Aber - wo ist das Problem? Schließlich kann er erkennen, wer vor ihm steht -ich, der gero, ein ganz normaler, sichtbarer Sterblicher, und es entwickelt sich ein lebhaftes Gespräch zwischen uns. Erst jetzt erfahre ich, daß der Steig hinunter zur Bärenfleckhütte problemlos zu begehen ist, und wir tauschen noch ein paar nette Worte aus, bevor wir auseinandergehen.
Tarnkappe Nr. 5
Ich beschließe also, den gut gespurten Weg via Bärenfleckhütte nach Ohlstadt zurückzugehen. Es ist weiter unten wieder wärmer geworden, das Stirnband habe ich deshalb wieder gegen meine Tarnkappe, den Berghut ausgetauscht. Und schon kommen mir die nächsten Probanden entgegegen: voran ein größerer Hund, dann ein älterer Herr und seine blondgelockte Tochter. Ich probiere es wieder - inzwischen schon gespannt, was passieren wird. "Grüßt Euch, guten Aufstieg, schöner Tag heute, stimmts?" Es geschieht - nichts. Die Blondine strampelt wortlos an mir vorbei (kein Wunder - so eine junge Dame redet schließlich nicht mit jedem dahergelaufenen Bergmenschen), und ihr Vater macht irgendwie nur so etwas wie "Wuff". Wahrscheinlich meint er damit den Hund - selbiger ist noch am höflichsten, indem er mich wenigstens nicht beißt. Jedenfalls funktioniert die Tarnkappe prächtig - meine Person und mein Berggruß bleiben unerkannt !
Tarnkappe Nr. 6
Ein letztes Mal zeigt die Kappe ihre Wirkung, als ich an der Bärenfleckhütte vorbeikomme. Zwei Bergkameraden sonnen sich davor, allerdings mit äußerst wichtigen Dingen beschäftigt: der Ältere von beiden ist gerade in zahnärtzlicher Behandlung : er entfernt konzentriert mit einem Zahnstocher die Reste des gestrigen Nachtmahles aus seinen Zähnen - unmöglich, bei so einer Tätigkeit auf den profanen Gruß eines anderen Menschen zu reagieren, da könnte man sich immerhin ziemlich verletzen. Und der Jüngere führt grad ein wichtiges Telefonat mit seinem Handy: schlichtet er den Streit mit der Freundin, oder läßt er sich die neuesten Aktionenkurse durchgeben? Sei es wie es mag - zur Erwiderung eines Berggrußes ist auch hier gerade ein denkbar ungeeigneter Moment. War ja eigentlich auch nicht anders zu erwarten.
Tarnkappe Nr. 7 - das Ende des Geheimnisvollen
Und dann passiert etwas völlig Überraschendes: kurz unterhalb der Bärenfleckhütte kommt mir ein weiterer Bergsteiger entgegen - und grüßt mich als Erster! Ich bin so verdattert, daß mir im zunächst die Worte fehlen - aber dann erwidere ich natürlich seinen Gruß. Und auch alle weiteren Personen, die mir beim Abstieg nach Ohlstadt begegnen, grüßen - und ich komme zum wichtigen Schluß: meine Tarnkappe macht mich nur oberhalb von 1250 m unsichtbar, in niedrigeren Höhenlagen hat sie keine Wirkung.
Somit Fazit der heutigen Tour: lieber Bergkamerad, wenn Dir mal ein körperloses "Berg Heil" oder "Grüß Gott" oder "Grüezi miteinand" entgegenschalt - nicht erschrecken, die Stimme kommt nicht vom nächstbesten Baum, sondern von MIR - gleich nehme ich meine Tarnkappe ab, und dann wirst Du mich erkennen!
In diesem Sinne - Berg Heil, Euer gero (momentan ohne Tarnkappe, denn sonst könntet Ihr ja möglicherweise diesen Bericht vom Heimgarten nicht lesen ;-)
Ich starte um 7:45 Uhr in Ohlstadt (700 m); den Wegweisern folgend, geht es zunächst aufwärts Richtung Wankhütte und Rauheck. Im übrigen bewege ich mich im wesentlichen auf dem Weg_von_Tef, der nur 3 Tage vor mir hier herauf gespurt hat, so daß ich nun alles zu Fuß gehen kann - Danke, Tef für Deine Spurarbeit! Eine detailierte Beschreibung erübrigt sich deshalb - ich darf mich auf einige wenige Zusammentreffen mit anderen Bergsteigern konzentrieren. Eigentlich wäre es eine Erzählung für den 1. April - wenn es nicht traurige Realität wäre, wie stoffelhaft andere Zweibeiner wort- und grußlos durch die Berge trampeln.
Tarnkappe Nr. 1
Kurz vor dem Gipfel kommt mir ein älterer Bergkamerad im Abstieg entgegen. Wie es so üblich ist, grüße ich ihn als wohlerzogener Mitmensch und frage ihn, auf welchem Weg er aufgestiegen sei. Aber irgendwie sieht er durch mich hindurch - eine nochmalige Nachfrage, auf welchem Weg er nun absteigen würde, führt zu einer unverständlich gemurmelten Lautgebung seinerzeit - im übrigen steigt er, ohne mich weiterhin eines Blickes zu würdigen, weiter ab.
Tarnkappe Nr. 2
Na gut, denke ich mir, es gibt schon seltsame Wesen in Gottes großem Tiergarten. Wenige Minuten später stehe ich dann droben auf dem Heimgarten (1790 m). Unter dem sehr großen Gipfelkreuz nestelt eine Bergkameradin an ihrem Rucksack herum, mein freudiges "Berg Heil" ignoriert sie völlig. Vielleicht habe ich mich zu leise artikuliert? Ich probiere es nochmals : "Grüß Dich, wo bist denn heraufgekommen?" Keine Reaktion. "Und wo gehst hinunter? Zur Bärenfleckhütte - da unten über die Senke, den Sattel vor dem Rauheck?" Jetzt erst nimmt sie von mir flüchtig Notiz, blickt mich wie einen Geist an und stammelt "Senke? Welche Senke?". Noch bevor ich es nochmal probieren kann, schultert sie ihren Rucksack und marschiert ohne ein weiteres Wort talwärts.
Also, irgendwas stimmt mit mir nicht. Ich gucke an mir runter - stehe ich vielleicht barfuß im Schnee, oder habe ich vergessen, mir eine Hose anzuziehen? Aber nein, alles an mir ist vorschriftsmäßig. Also ... so schlimm kann es um mich ja doch nicht stehen.
Tarnkappe Nr. 3 - Begegnung mit dem Leibhaftigen?
Ich bekomme auch gleich Gelegenheit, es nochmals zu probieren - denn ein weiterer Bergsteiger betritt den geräumigen Gipfel. Artig grüße ich ein weiteres Mal: "Servus und Berg Heil, willkommen auf dem Heimgarten" rufe ich ihm zu, als er das Gipfelkreuz erreicht. Er zuckt heftig zusammen, guckt irritiert in meine Richtung, und jetzt ist es ganz eindeutig: ich bin unsichtbar - er sieht mich nicht! Ist es die körperlose Stimme aus dem Jenseits, die ihn so maßlos erschreckt - oder steht der Leibhaftige mit Gehörn und Bockhuf vor ihm? Er stammelt irgendwas, bekreuzigt sich - und dann macht er auf dem Absatz kehrt und steigt sofort wieder ab, ohne auch nur ein einziges Mal die phantastische Aussicht zu würdigen. Keine 10 Sekunden war er auf dem Gipfel, panisch geradezu die Flucht vor dem Bösen, das ihn da so unvermutet überrascht hat!
Es muß an meinem Berghut liegen - er macht mich unsichtbar. Ich setze ihn also ab, inzwischen ist sowieso ein recht kalter Wind aufgekommen, und ich ziehe das etwas wärmere Stirnband aus dem Rucksack und setze es auf. Und schon bekomme ich die nächste Chance!
Tarnkappe Nr. 4 - nein, diesmal nur das Stirnband
Denn ein weiterer Bergkamerad betritt den Gipfel. Auch er bekommt mein "Berg Heil" zu hören, diesmal allerdings schon in etwas skeptischerem Tonfall. Aber - wo ist das Problem? Schließlich kann er erkennen, wer vor ihm steht -ich, der gero, ein ganz normaler, sichtbarer Sterblicher, und es entwickelt sich ein lebhaftes Gespräch zwischen uns. Erst jetzt erfahre ich, daß der Steig hinunter zur Bärenfleckhütte problemlos zu begehen ist, und wir tauschen noch ein paar nette Worte aus, bevor wir auseinandergehen.
Tarnkappe Nr. 5
Ich beschließe also, den gut gespurten Weg via Bärenfleckhütte nach Ohlstadt zurückzugehen. Es ist weiter unten wieder wärmer geworden, das Stirnband habe ich deshalb wieder gegen meine Tarnkappe, den Berghut ausgetauscht. Und schon kommen mir die nächsten Probanden entgegegen: voran ein größerer Hund, dann ein älterer Herr und seine blondgelockte Tochter. Ich probiere es wieder - inzwischen schon gespannt, was passieren wird. "Grüßt Euch, guten Aufstieg, schöner Tag heute, stimmts?" Es geschieht - nichts. Die Blondine strampelt wortlos an mir vorbei (kein Wunder - so eine junge Dame redet schließlich nicht mit jedem dahergelaufenen Bergmenschen), und ihr Vater macht irgendwie nur so etwas wie "Wuff". Wahrscheinlich meint er damit den Hund - selbiger ist noch am höflichsten, indem er mich wenigstens nicht beißt. Jedenfalls funktioniert die Tarnkappe prächtig - meine Person und mein Berggruß bleiben unerkannt !
Tarnkappe Nr. 6
Ein letztes Mal zeigt die Kappe ihre Wirkung, als ich an der Bärenfleckhütte vorbeikomme. Zwei Bergkameraden sonnen sich davor, allerdings mit äußerst wichtigen Dingen beschäftigt: der Ältere von beiden ist gerade in zahnärtzlicher Behandlung : er entfernt konzentriert mit einem Zahnstocher die Reste des gestrigen Nachtmahles aus seinen Zähnen - unmöglich, bei so einer Tätigkeit auf den profanen Gruß eines anderen Menschen zu reagieren, da könnte man sich immerhin ziemlich verletzen. Und der Jüngere führt grad ein wichtiges Telefonat mit seinem Handy: schlichtet er den Streit mit der Freundin, oder läßt er sich die neuesten Aktionenkurse durchgeben? Sei es wie es mag - zur Erwiderung eines Berggrußes ist auch hier gerade ein denkbar ungeeigneter Moment. War ja eigentlich auch nicht anders zu erwarten.
Tarnkappe Nr. 7 - das Ende des Geheimnisvollen
Und dann passiert etwas völlig Überraschendes: kurz unterhalb der Bärenfleckhütte kommt mir ein weiterer Bergsteiger entgegen - und grüßt mich als Erster! Ich bin so verdattert, daß mir im zunächst die Worte fehlen - aber dann erwidere ich natürlich seinen Gruß. Und auch alle weiteren Personen, die mir beim Abstieg nach Ohlstadt begegnen, grüßen - und ich komme zum wichtigen Schluß: meine Tarnkappe macht mich nur oberhalb von 1250 m unsichtbar, in niedrigeren Höhenlagen hat sie keine Wirkung.
Somit Fazit der heutigen Tour: lieber Bergkamerad, wenn Dir mal ein körperloses "Berg Heil" oder "Grüß Gott" oder "Grüezi miteinand" entgegenschalt - nicht erschrecken, die Stimme kommt nicht vom nächstbesten Baum, sondern von MIR - gleich nehme ich meine Tarnkappe ab, und dann wirst Du mich erkennen!
In diesem Sinne - Berg Heil, Euer gero (momentan ohne Tarnkappe, denn sonst könntet Ihr ja möglicherweise diesen Bericht vom Heimgarten nicht lesen ;-)
Tourengänger:
gero
Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden
Kommentare (8)