Vogesen-Tour: Von Thann zum Donon
|
||||||||||||||||
Basisinformation
WEG: von Thann nördlich über Schirmeck zum Donon und wieder zurück nach Schirmeck; größtenteils auf dem GR 5
GEWICHT (am Körper und im Rucksack, ohne Wasser, Essen, Spiritus): 8159 Gramm
WETTER: anfangs nachts noch etwas frisch, morgendliche Temperaturen um 5°C; gegen Ende jedoch hochsommerliches Klima; kein einziger Regentropfen
Tag 1: Marburg - Thann - Abri du Molkenrain (10 km)
Zeitig ging es los am Sonntagmorgen. 5.30 Uhr aufstehen, frühstücken und ab. Mein Mitwanderer F. saß bereits im Zug und war wie ich schon voller Vorfreude auf die kommenden Tage in den Vogesen. Geplant waren 11 Tage inklusive An- und Abreise, die uns auf dem GR 5 von Thann nach Schirmeck bringen sollten. Dass es etwas anders kam, ahnten wir noch nicht...
So schlugen wir die Reisezeit mit allerlei Geplaudere tot, diskutierten Sinn und Unsinn diverser Wanderutensilien und erfreuten uns am schwäbischen Dialekt Freiburger Omas. Nachdem uns in Mulhouse von einer netten Elsässerin geholfen wurde, das richtige Ticket nach Thann zu kaufen, lag auch bald der letzte Reiseabschnitt hinter uns und wir erreichten Thann um etwa 18 Uhr. Dunkelgrün und wolkenverhangen erhoben sich vor uns die Südvogesen. Sollte bereits der erste Tag mit Regen beginnen?
Nein, wir kamen zwar nassgeschwitzt, aber trockenen Fußes bei unserem Tagesziel, der Abri (= Schutzhütte) du Molkenrain, an. Wir hielten sie zunächst für eine private oder zumindest kommerzielle Hütte, doch die dort grillenden und Gras rauchenden Elsässer versicherten uns, dass das eine öffentliche Schutzhütte sei und wir willkommen seien. So verbrachten wir also den ersten Abend unserer Tour in einer dank Holzofen herrlich warmen Hütte, unterhielten uns radebrechend mit den drei Einheimischen und wurden für unser Projekt bewundert. Schließlich hatten wir gegen 22 Uhr die Hütte für uns, machten jedoch auch bald Feierabend, da wir um 6 Uhr des Folgetages aufstehen wollten.
Tag 2: Abri du Molkenrain - Col d'Hahnenbrunnen (23 km)
Relativ unausgeschlafen hieß die erste Devise: Kaffee kochen! Ein Job, den dieses Mal ich, an den anderen Tagen jedoch dankenswerterweise F. mit seinem stabilen Mini-Trangia übernahm. Gegen sieben Uhr rafften wir uns endlich auf und marschierten zur Ruine Freundstein, wo wir frühstückten und uns mental auf den Grand Ballon, dem mit 1424 m höchsten Berg der Vogesen, einstimmten. Bisher hatte es noch nicht geregnet, aber der Ballon war von Wolken umgeben und wir fürchteten, keine Aussicht zu haben.
Dies war jedoch unbegründet, denn nach einem knackigen Aufstieg bließ uns ein ordentlicher Wind um die Ohren - und die Wolken davon. So konnten wir studieren, was uns die kommenden Tage erwarten würde, und machten uns danach beschwingt an den Abstieg, wobei wir einen Temperaturunterschied von etwa 10 Grad zum windigen Gipfel verspürten.
Schließlich kam sogar die Sonne zum Vorschein, sodass wir bald in kurzen Hosen nach Markstein, einem Wintersportort, der nun von Bikern frequentiert wurde, liefen und dort unsere Wasservorräte in einer Auberge (= Restaurant mit lokaler Speise) aufstockten. Nach kurzer Rast ging es auf einem schlecht markierten Weg weiter nördlich.
Unser Nachtlager schlugen wir kurz nach dem Col (= Pass) d'Hahnenbrunnen auf. Es war in dieser Ecke gar nicht einfach, einen Platz zu finden, der zugleich eben und einigermaßen windgeschützt war. Dennoch fanden wir gegen 18 Uhr eine Möglichkeit, richteten uns ein, kochten und krochen auch bald in die Schlafsäcke. Der erste ganze Tag draußen, Bewegung und frische Luft machten angenehm müde.
Tag 3: Col d'Hahnenbrunnen - Quelle des Lac Blanc (25 km)
Das morgendliche Ritual verfestigte sich: Ich bzw. mein Wecker plärrt um 6 Uhr los. F. macht Kaffee, den wir noch in den Schlafsäcken schlürfen. Dann relativ zügiges Packen und bis zum Frühstück ein bis zwei Stunden marschieren. An diesem Tag war es besonders eindrucksvoll: Zum einen hatte der nebelumwehte Kamm der Südvogesen eine ganz eigene Atmosphäre. Zum anderen tauchte unerwartet eine gemauerte Schutzhütte auf, in der wir sehr gemütlich frühstücken konnten. Währenddessen drang sogar die Sonne durch die Wolken, die Kühe zogen klingelnd und muhend die Wiesen herauf und wir dankten herzlichst den elsässischen Wettergöttern...
Gestärkt ging es gen Hohneck (1363 m). Auf dem Weg kamen uns zunächst einige Soldaten und schließlich ein einsamer, alter Wanderer entgegen. Um letzteren sponnen wir die Sage vom modernden Wanderer, dessen Seele unerlöst durch die Vogesen streifen muss - ja, ja, was so ein bisschen Nebel bewirken kann...
Vor dem Hohneck legten wir an einer sehr (!) frischen Quellen jedoch erst einmal eine Waschpause ein und stiegen dann auf zu dem zweithöchsten Gipfel unserer Tour. Wir erreichten ihn schnell und zogen dank größerer Touristenmengen bald weiter.
Wir kamen gut voran und liefen ohne größere Höhenunterschiede über eine der eher untypischen Bergwiesen, bis wir unser Ziel, die Quelle des Lac Blanc, erreicht hatten. Dort herrschten perfekte Bedingungen: Wasser, eine Sitzgelegenheit und ein windgeschützter Schlafplatz auf recht weichem Boden.
Tag 4: Quelle des Lac Blanc - bei Aubure (24 km)
Nach dem morgendlichen Standardprogramm ging es zum Tête des Faux (1220 m), den wir nach einem kurzen, knackigen Aufstieg bald erreichten. Bei strahlendem Sonnenschein nahmen wir dort unser Frühstück ein und freuten uns auf die kommende Strecke, da diese historisch sehr interessant ist: Im Ersten Weltkrieg war der Tête sowie die gesamte Region stark umkämpft und man findet von diesen aus heutiger Sicht unglaublich sinnlosen Schlachten noch etliche Relikte (Schützengräben, Bunker, Stacheldraht...).
Im Laufe des Marsches bekomme ich heftige Kopfschmerzen und realisiere, dass ich die letzten Tage viel zu wenig getrunken habe. Das sollte mir die Folgetage nicht mehr passieren, man muss sich das Trinken jedoch mitunter wirklich vornehmen.
Außerdem begannen mit dem Abstieg von 1220 m auf 690 m im Dörfchen Le Bonhomme die besonders für mich anstrengenden Tage der Tour: So gerne ich aufsteige, so ungern steig ich ab - und genau dieses Wechselspiel erwartete uns. Von Le Bonhomme aus ging es entsprechend wieder auf den Grand Brézouard (1228 m; kurz danach prächtige Schutzhütte!) hoch, um dann schließlich nach Aubure (800 m) erneut abzusteigen.
Weil uns in dem Dörfchen die Wegführung unklar war und es zu dämmern begann, schlugen wir unser Lager in einem nahegelegenen Wald auf. Mein Mitwanderer F. bekam angesichts der vielen summenden Fliegen seine morbiden 5-Minuten und phantasierte vom Totenwald (dass der modernde Wanderer dabei eine tragende Rolle spielte, versteht sich von selbst). Mich hingegen beschäftigte vielmehr meine missratene Polenta. Erkenntnis: getrocknete Pilze mit aufkochen und mehr würzen und an Parmesan nicht sparen!
Tag 5: bei Aubure - Abri Schaentzel (23 km)
Durch eine Lücke in den Baumwipfeln schien noch der Mond, während wir unseren Kaffee einnahmen. Dann wurde in Aubure nochmal Wasser aufgetankt und wir entschieden, eine Abkürzung nach Ribeauvillé zu nehmen statt auf die merkwürdige Wegführung des GR 5 zu vertrauen. Der Preis, den wir dafür zahlten, war ein gefühlt endloser Weg an der Straße entlang. Letztlich kamen wir jedoch in dem sehr malerischen Ort an, frühstückten und deckten uns mit neuen Vorräten ein. Wir gönnten uns sogar den Luxus von Grillwürstchen, Wein und Käse sowie Möhren und Äpfeln, woraus wir uns abends ein frugales Mahl bereiten wollten. Doch dies sollte noch dauern...
...denn zunächst galt es, vom niedrig gelegenen Ribeauvillé (250 m) wieder einiges an Höhe wettzumachen, bis wir zurück auf der Marschhöhe von etwa 900 m waren. Dieser Aufstieg wurde jedoch durch die Aussicht auf verschiedene Burgen sowie die ausgedehnten Weinfelder versüßt. Bald aber setzten erneut die Wegfindungsprobleme ein. Mit einigem Frust im Bauch erreicht wir unser Tagesziel aber dennoch und waren äußerst zufrieden damit, wenn auch nah an der Straße gelegen: Schutzhütte, Feuerstelle, ausreichend trockenes Holz, Sonne und Rucksäcke voller leckerem Futter!
Nach einem ausgedehnten Grillabend, in dessen Verlauf ich mir wegen meiner Knie aus einem stabilen Stock und einer mitgebrachten Schlaufe einen passablen Wanderstab bastelte, fielen wir sehr zufrieden in unsere Schlafsäcke.
Tag 6: Abri Schaentzel - Naturfreundehaus Gruckert (29 km)
Was für ein Tag! Zunächst begann alles wie gewohnt: Kaffee, packen, Abmarsch, später Frühstück. Dieses nahmen wir auf dem Château du Haut-Koenigsbourg ein. Die Burg hat eine recht wechselhafte Geschichte hinter sich. Urkundlich erstmals 1147 erwähnt, wurde sie im dreißigjährigen Krieg größtenteils zerstört und schließlich von Kaiser Wilhelm II. neu aufgebaut. So sieht sie zwar beeindruckend aus, ist jedoch kaum authentisch. Fürs Frühstück bot sie jedoch eine annehmbare Kulisse!
Anschließend kämpfte jeder von uns beiden mit seinen persönlichen Problemen: Mir machten die Knie zu schaffen, was jedoch zu ertragen war. F. hingegen hatte massive Fuß- und Schuhprobleme, die ihn im Städtchen Châtenois letztlich zum Abbruch zwangen.
Ich zog alleine weiter, da ich mir bei diesem genialen Wetter einen vorzeitigen Abschied von den Vogesen kaum hätte verzeihen können. In vorerst recht zügigem Tempo verließ ich die Stadt, stieg zu den Ruinen Ortenbourg und Bernstein auf und freute mich eines absolut einsamen und schönen Weges. Der Kampf begann am Ungersberg: von 358 m ging's auf 901 m bei mittlerweile drückender Hitze. Am Ende trug nur noch der Wille, endlich anzukommen. Schließlich war auch dies erreicht, aber nach dem notwendig folgenden Abstieg der nächste Ärger: Ich stand wieder am Ausgangspunkt des Aufstiegs. Ich war unglaublich wütend, allerdings verrieten mir die ungerührt herumstehenden Bäume trotz Gebrüll nicht den richtigen Weg. Orientiert am Stand der Sonne und der Ahnung, wo ich hinwollte, entschied ich mich letztlich dafür, einige Meter zurückzugehen, und fand dort glücklicherweise einen sehr versteckten Abzweig. Holzauge, sei wachsam!
Mein Nachtlager schlug ich wenig später eine Stunde vor Andlau auf dem Grundstück des unter der Woche verlassenen Naturfreundehauses Gruckert auf. Ich futterte und schlief sehr gut in einer Art halben Baumhauses für Kinder, in dem ich diagonal liegend gut Platz fand.
Tag 7: Naturfreundehaus Gruckert - Donon (min. 30 km)
Noch so ein Wahnsinnstag! Zunächst passierte ich das recht malerische Andlau frühmorgens und frühstückte bei herrlichem Wetter etwas oberhalb. Dann ging's hoch zu dem Restaurant "Hungerplatz" und weiter Richtung Le Hohwald. Da ich irgendwo zu früh abgebogen bin, habe ich ziemlich abgekürzt und kam schon mittags in der (ziemlich touristischen) Stadt an. Der Ursprungsplan wäre gewesen: noch bis kurz vor Schirmeck laufen, dort pennen und am Folgetag heimfahren. Nun rückte eine geniale Alternative in den Blick: Mit etwas Anstrengung und einer weiteren Abkürzung des GR 5 könnte ich bei perfektem Wetter auf dem Donon übernachten! Gesagt, getan.
Wie im Rausch lief ich die Strecke nach Schirmeck. Zunächst galt es schweißtreibend wieder einige Höhenmeter gutzumachen, dann ging es auf der Höhe aber recht flott voran. Ein etwas flaues Gefühl machte sich rund um das ehemalige Konzentrationslager Natzweiler-Struthof breit. Trotz Eile stoppte ich kurz an zwei Gedenkstätten: einem Steindenkmal für den geknechteten und den freien Menschen und einer Platte für die Widerstandskämpfer aller Nationen.
Wenig später war ich jedoch schon in Schirmeck und musste dringend Wasser auftanken. Dann ging es auf dem GR 5 aus der Stadt in nördliche Richtung hinauf zum Donon - zumindest glaubte ich dies. Jedenfalls musste ich irgendwo schon wieder einen Abzweig verpasst haben, was nicht nur an mangelnder Aufmerksamkeit liegen konnte. Letzten Endes stand ich dezent schwitzend auf dem falschen Gipfel, bekam von einem freundlichen Elsässer, der - ganz Klischee - Boule spielend vor einer Grillhütte stand, den Weg gewiesen. Dieser letzte Aufstieg der Tour von 315 m bei Schirmeck auf schließlich 1009 m auf dem Donon ging noch einmal gut an die Substanz. Dafür war jedoch das Gefühl unbeschreiblich, dort oben den Sonnenuntergang zu erleben.
In der einbrechenden Dunkelheit bezog ich in östlicher Richtung Stellung und kochte feierlich meine bis zuletzt aufbewahrte Portion Kartoffelpüree. Ich verspeiste diese in nahezu vollkommener Dunkelheit. Mich einsam wähnend, knippste ich meine Lampe sofort aus, als ich das Flackern mehrerer anderer Taschenlampen auf dem etwas entfernten Gipfel sah. Wer auch immer das war, ich zog es vor, unentdeckt zu bleiben. Leise machte ich mich fertig und schlüpfte in den Schlafsack. Einige Zeit lang war immer wieder ein Aufleuchten zu beobachten, dann war es endlich wieder dunkel und ich konnte mich dem Betrachten des gigantischen Sternenhimmels widmen.
Tag 8: Donon - Schirmeck - Marburg (10 km)
Der Morgen stand dem Abend auf dem Donon in nichts nach, ja, übertraf diesen eigentlich noch! Nach einer prächtigen Nacht genoss ich mit Kaffee und Keksen das Licht und die wärmenden Strahlen der aufsteigenden Sonne. Dass der Donon in früheren Zeiten ein keltischer Kultplatz war, verwundert in solchen Moment nicht.
Schweren Herzens hieß es dann, nicht nur vom Gipfel, sondern auch von den Vogesen Abschied zu nehmen, um den Zug von Schirmeck aus um halb zwölf zu erwischen. Doch man sagt ja nicht grundlos:
"Auf Wiedersehen!" bzw. "à bientôt!"
Fazit
Es war seit etwa einem Jahr die erste längere Tour und erneut habe ich viel gelernt - über das Elsaß, das (leichte) Wandern und mich selbst. Meine größte Baustelle werden künftig die Knie sein. Ansonsten sind sicherlich noch etliche Gramm hier und dort herauszukitzeln. Zu optimieren - unter dem Gesichtspunkt einer größtmöglichen Tagesdistanz - dürfte außerdem besonders das morgendliche Procedere und in Verbindung damit die "Lagerlogistik" sein.
Wenn man jedoch zu zweit unterwegs ist, tritt dies eher in den Hintergrund. Hier war ich Herrn F. dankbar für sein Verständnis für meinen Kilometerehrgeiz. Vor allem werden jedoch der morgendliche Kaffeeservice sowie die sinnvolleren und sinnfreieren Gespräche in Erinnerung bleiben. Besten Dank auch dafür!
WEG: von Thann nördlich über Schirmeck zum Donon und wieder zurück nach Schirmeck; größtenteils auf dem GR 5
GEWICHT (am Körper und im Rucksack, ohne Wasser, Essen, Spiritus): 8159 Gramm
WETTER: anfangs nachts noch etwas frisch, morgendliche Temperaturen um 5°C; gegen Ende jedoch hochsommerliches Klima; kein einziger Regentropfen
Tag 1: Marburg - Thann - Abri du Molkenrain (10 km)
Zeitig ging es los am Sonntagmorgen. 5.30 Uhr aufstehen, frühstücken und ab. Mein Mitwanderer F. saß bereits im Zug und war wie ich schon voller Vorfreude auf die kommenden Tage in den Vogesen. Geplant waren 11 Tage inklusive An- und Abreise, die uns auf dem GR 5 von Thann nach Schirmeck bringen sollten. Dass es etwas anders kam, ahnten wir noch nicht...
So schlugen wir die Reisezeit mit allerlei Geplaudere tot, diskutierten Sinn und Unsinn diverser Wanderutensilien und erfreuten uns am schwäbischen Dialekt Freiburger Omas. Nachdem uns in Mulhouse von einer netten Elsässerin geholfen wurde, das richtige Ticket nach Thann zu kaufen, lag auch bald der letzte Reiseabschnitt hinter uns und wir erreichten Thann um etwa 18 Uhr. Dunkelgrün und wolkenverhangen erhoben sich vor uns die Südvogesen. Sollte bereits der erste Tag mit Regen beginnen?
Nein, wir kamen zwar nassgeschwitzt, aber trockenen Fußes bei unserem Tagesziel, der Abri (= Schutzhütte) du Molkenrain, an. Wir hielten sie zunächst für eine private oder zumindest kommerzielle Hütte, doch die dort grillenden und Gras rauchenden Elsässer versicherten uns, dass das eine öffentliche Schutzhütte sei und wir willkommen seien. So verbrachten wir also den ersten Abend unserer Tour in einer dank Holzofen herrlich warmen Hütte, unterhielten uns radebrechend mit den drei Einheimischen und wurden für unser Projekt bewundert. Schließlich hatten wir gegen 22 Uhr die Hütte für uns, machten jedoch auch bald Feierabend, da wir um 6 Uhr des Folgetages aufstehen wollten.
Tag 2: Abri du Molkenrain - Col d'Hahnenbrunnen (23 km)
Relativ unausgeschlafen hieß die erste Devise: Kaffee kochen! Ein Job, den dieses Mal ich, an den anderen Tagen jedoch dankenswerterweise F. mit seinem stabilen Mini-Trangia übernahm. Gegen sieben Uhr rafften wir uns endlich auf und marschierten zur Ruine Freundstein, wo wir frühstückten und uns mental auf den Grand Ballon, dem mit 1424 m höchsten Berg der Vogesen, einstimmten. Bisher hatte es noch nicht geregnet, aber der Ballon war von Wolken umgeben und wir fürchteten, keine Aussicht zu haben.
Dies war jedoch unbegründet, denn nach einem knackigen Aufstieg bließ uns ein ordentlicher Wind um die Ohren - und die Wolken davon. So konnten wir studieren, was uns die kommenden Tage erwarten würde, und machten uns danach beschwingt an den Abstieg, wobei wir einen Temperaturunterschied von etwa 10 Grad zum windigen Gipfel verspürten.
Schließlich kam sogar die Sonne zum Vorschein, sodass wir bald in kurzen Hosen nach Markstein, einem Wintersportort, der nun von Bikern frequentiert wurde, liefen und dort unsere Wasservorräte in einer Auberge (= Restaurant mit lokaler Speise) aufstockten. Nach kurzer Rast ging es auf einem schlecht markierten Weg weiter nördlich.
Unser Nachtlager schlugen wir kurz nach dem Col (= Pass) d'Hahnenbrunnen auf. Es war in dieser Ecke gar nicht einfach, einen Platz zu finden, der zugleich eben und einigermaßen windgeschützt war. Dennoch fanden wir gegen 18 Uhr eine Möglichkeit, richteten uns ein, kochten und krochen auch bald in die Schlafsäcke. Der erste ganze Tag draußen, Bewegung und frische Luft machten angenehm müde.
Tag 3: Col d'Hahnenbrunnen - Quelle des Lac Blanc (25 km)
Das morgendliche Ritual verfestigte sich: Ich bzw. mein Wecker plärrt um 6 Uhr los. F. macht Kaffee, den wir noch in den Schlafsäcken schlürfen. Dann relativ zügiges Packen und bis zum Frühstück ein bis zwei Stunden marschieren. An diesem Tag war es besonders eindrucksvoll: Zum einen hatte der nebelumwehte Kamm der Südvogesen eine ganz eigene Atmosphäre. Zum anderen tauchte unerwartet eine gemauerte Schutzhütte auf, in der wir sehr gemütlich frühstücken konnten. Währenddessen drang sogar die Sonne durch die Wolken, die Kühe zogen klingelnd und muhend die Wiesen herauf und wir dankten herzlichst den elsässischen Wettergöttern...
Gestärkt ging es gen Hohneck (1363 m). Auf dem Weg kamen uns zunächst einige Soldaten und schließlich ein einsamer, alter Wanderer entgegen. Um letzteren sponnen wir die Sage vom modernden Wanderer, dessen Seele unerlöst durch die Vogesen streifen muss - ja, ja, was so ein bisschen Nebel bewirken kann...
Vor dem Hohneck legten wir an einer sehr (!) frischen Quellen jedoch erst einmal eine Waschpause ein und stiegen dann auf zu dem zweithöchsten Gipfel unserer Tour. Wir erreichten ihn schnell und zogen dank größerer Touristenmengen bald weiter.
Wir kamen gut voran und liefen ohne größere Höhenunterschiede über eine der eher untypischen Bergwiesen, bis wir unser Ziel, die Quelle des Lac Blanc, erreicht hatten. Dort herrschten perfekte Bedingungen: Wasser, eine Sitzgelegenheit und ein windgeschützter Schlafplatz auf recht weichem Boden.
Tag 4: Quelle des Lac Blanc - bei Aubure (24 km)
Nach dem morgendlichen Standardprogramm ging es zum Tête des Faux (1220 m), den wir nach einem kurzen, knackigen Aufstieg bald erreichten. Bei strahlendem Sonnenschein nahmen wir dort unser Frühstück ein und freuten uns auf die kommende Strecke, da diese historisch sehr interessant ist: Im Ersten Weltkrieg war der Tête sowie die gesamte Region stark umkämpft und man findet von diesen aus heutiger Sicht unglaublich sinnlosen Schlachten noch etliche Relikte (Schützengräben, Bunker, Stacheldraht...).
Im Laufe des Marsches bekomme ich heftige Kopfschmerzen und realisiere, dass ich die letzten Tage viel zu wenig getrunken habe. Das sollte mir die Folgetage nicht mehr passieren, man muss sich das Trinken jedoch mitunter wirklich vornehmen.
Außerdem begannen mit dem Abstieg von 1220 m auf 690 m im Dörfchen Le Bonhomme die besonders für mich anstrengenden Tage der Tour: So gerne ich aufsteige, so ungern steig ich ab - und genau dieses Wechselspiel erwartete uns. Von Le Bonhomme aus ging es entsprechend wieder auf den Grand Brézouard (1228 m; kurz danach prächtige Schutzhütte!) hoch, um dann schließlich nach Aubure (800 m) erneut abzusteigen.
Weil uns in dem Dörfchen die Wegführung unklar war und es zu dämmern begann, schlugen wir unser Lager in einem nahegelegenen Wald auf. Mein Mitwanderer F. bekam angesichts der vielen summenden Fliegen seine morbiden 5-Minuten und phantasierte vom Totenwald (dass der modernde Wanderer dabei eine tragende Rolle spielte, versteht sich von selbst). Mich hingegen beschäftigte vielmehr meine missratene Polenta. Erkenntnis: getrocknete Pilze mit aufkochen und mehr würzen und an Parmesan nicht sparen!
Tag 5: bei Aubure - Abri Schaentzel (23 km)
Durch eine Lücke in den Baumwipfeln schien noch der Mond, während wir unseren Kaffee einnahmen. Dann wurde in Aubure nochmal Wasser aufgetankt und wir entschieden, eine Abkürzung nach Ribeauvillé zu nehmen statt auf die merkwürdige Wegführung des GR 5 zu vertrauen. Der Preis, den wir dafür zahlten, war ein gefühlt endloser Weg an der Straße entlang. Letztlich kamen wir jedoch in dem sehr malerischen Ort an, frühstückten und deckten uns mit neuen Vorräten ein. Wir gönnten uns sogar den Luxus von Grillwürstchen, Wein und Käse sowie Möhren und Äpfeln, woraus wir uns abends ein frugales Mahl bereiten wollten. Doch dies sollte noch dauern...
...denn zunächst galt es, vom niedrig gelegenen Ribeauvillé (250 m) wieder einiges an Höhe wettzumachen, bis wir zurück auf der Marschhöhe von etwa 900 m waren. Dieser Aufstieg wurde jedoch durch die Aussicht auf verschiedene Burgen sowie die ausgedehnten Weinfelder versüßt. Bald aber setzten erneut die Wegfindungsprobleme ein. Mit einigem Frust im Bauch erreicht wir unser Tagesziel aber dennoch und waren äußerst zufrieden damit, wenn auch nah an der Straße gelegen: Schutzhütte, Feuerstelle, ausreichend trockenes Holz, Sonne und Rucksäcke voller leckerem Futter!
Nach einem ausgedehnten Grillabend, in dessen Verlauf ich mir wegen meiner Knie aus einem stabilen Stock und einer mitgebrachten Schlaufe einen passablen Wanderstab bastelte, fielen wir sehr zufrieden in unsere Schlafsäcke.
Tag 6: Abri Schaentzel - Naturfreundehaus Gruckert (29 km)
Was für ein Tag! Zunächst begann alles wie gewohnt: Kaffee, packen, Abmarsch, später Frühstück. Dieses nahmen wir auf dem Château du Haut-Koenigsbourg ein. Die Burg hat eine recht wechselhafte Geschichte hinter sich. Urkundlich erstmals 1147 erwähnt, wurde sie im dreißigjährigen Krieg größtenteils zerstört und schließlich von Kaiser Wilhelm II. neu aufgebaut. So sieht sie zwar beeindruckend aus, ist jedoch kaum authentisch. Fürs Frühstück bot sie jedoch eine annehmbare Kulisse!
Anschließend kämpfte jeder von uns beiden mit seinen persönlichen Problemen: Mir machten die Knie zu schaffen, was jedoch zu ertragen war. F. hingegen hatte massive Fuß- und Schuhprobleme, die ihn im Städtchen Châtenois letztlich zum Abbruch zwangen.
Ich zog alleine weiter, da ich mir bei diesem genialen Wetter einen vorzeitigen Abschied von den Vogesen kaum hätte verzeihen können. In vorerst recht zügigem Tempo verließ ich die Stadt, stieg zu den Ruinen Ortenbourg und Bernstein auf und freute mich eines absolut einsamen und schönen Weges. Der Kampf begann am Ungersberg: von 358 m ging's auf 901 m bei mittlerweile drückender Hitze. Am Ende trug nur noch der Wille, endlich anzukommen. Schließlich war auch dies erreicht, aber nach dem notwendig folgenden Abstieg der nächste Ärger: Ich stand wieder am Ausgangspunkt des Aufstiegs. Ich war unglaublich wütend, allerdings verrieten mir die ungerührt herumstehenden Bäume trotz Gebrüll nicht den richtigen Weg. Orientiert am Stand der Sonne und der Ahnung, wo ich hinwollte, entschied ich mich letztlich dafür, einige Meter zurückzugehen, und fand dort glücklicherweise einen sehr versteckten Abzweig. Holzauge, sei wachsam!
Mein Nachtlager schlug ich wenig später eine Stunde vor Andlau auf dem Grundstück des unter der Woche verlassenen Naturfreundehauses Gruckert auf. Ich futterte und schlief sehr gut in einer Art halben Baumhauses für Kinder, in dem ich diagonal liegend gut Platz fand.
Tag 7: Naturfreundehaus Gruckert - Donon (min. 30 km)
Noch so ein Wahnsinnstag! Zunächst passierte ich das recht malerische Andlau frühmorgens und frühstückte bei herrlichem Wetter etwas oberhalb. Dann ging's hoch zu dem Restaurant "Hungerplatz" und weiter Richtung Le Hohwald. Da ich irgendwo zu früh abgebogen bin, habe ich ziemlich abgekürzt und kam schon mittags in der (ziemlich touristischen) Stadt an. Der Ursprungsplan wäre gewesen: noch bis kurz vor Schirmeck laufen, dort pennen und am Folgetag heimfahren. Nun rückte eine geniale Alternative in den Blick: Mit etwas Anstrengung und einer weiteren Abkürzung des GR 5 könnte ich bei perfektem Wetter auf dem Donon übernachten! Gesagt, getan.
Wie im Rausch lief ich die Strecke nach Schirmeck. Zunächst galt es schweißtreibend wieder einige Höhenmeter gutzumachen, dann ging es auf der Höhe aber recht flott voran. Ein etwas flaues Gefühl machte sich rund um das ehemalige Konzentrationslager Natzweiler-Struthof breit. Trotz Eile stoppte ich kurz an zwei Gedenkstätten: einem Steindenkmal für den geknechteten und den freien Menschen und einer Platte für die Widerstandskämpfer aller Nationen.
Wenig später war ich jedoch schon in Schirmeck und musste dringend Wasser auftanken. Dann ging es auf dem GR 5 aus der Stadt in nördliche Richtung hinauf zum Donon - zumindest glaubte ich dies. Jedenfalls musste ich irgendwo schon wieder einen Abzweig verpasst haben, was nicht nur an mangelnder Aufmerksamkeit liegen konnte. Letzten Endes stand ich dezent schwitzend auf dem falschen Gipfel, bekam von einem freundlichen Elsässer, der - ganz Klischee - Boule spielend vor einer Grillhütte stand, den Weg gewiesen. Dieser letzte Aufstieg der Tour von 315 m bei Schirmeck auf schließlich 1009 m auf dem Donon ging noch einmal gut an die Substanz. Dafür war jedoch das Gefühl unbeschreiblich, dort oben den Sonnenuntergang zu erleben.
In der einbrechenden Dunkelheit bezog ich in östlicher Richtung Stellung und kochte feierlich meine bis zuletzt aufbewahrte Portion Kartoffelpüree. Ich verspeiste diese in nahezu vollkommener Dunkelheit. Mich einsam wähnend, knippste ich meine Lampe sofort aus, als ich das Flackern mehrerer anderer Taschenlampen auf dem etwas entfernten Gipfel sah. Wer auch immer das war, ich zog es vor, unentdeckt zu bleiben. Leise machte ich mich fertig und schlüpfte in den Schlafsack. Einige Zeit lang war immer wieder ein Aufleuchten zu beobachten, dann war es endlich wieder dunkel und ich konnte mich dem Betrachten des gigantischen Sternenhimmels widmen.
Tag 8: Donon - Schirmeck - Marburg (10 km)
Der Morgen stand dem Abend auf dem Donon in nichts nach, ja, übertraf diesen eigentlich noch! Nach einer prächtigen Nacht genoss ich mit Kaffee und Keksen das Licht und die wärmenden Strahlen der aufsteigenden Sonne. Dass der Donon in früheren Zeiten ein keltischer Kultplatz war, verwundert in solchen Moment nicht.
Schweren Herzens hieß es dann, nicht nur vom Gipfel, sondern auch von den Vogesen Abschied zu nehmen, um den Zug von Schirmeck aus um halb zwölf zu erwischen. Doch man sagt ja nicht grundlos:
"Auf Wiedersehen!" bzw. "à bientôt!"
Fazit
Es war seit etwa einem Jahr die erste längere Tour und erneut habe ich viel gelernt - über das Elsaß, das (leichte) Wandern und mich selbst. Meine größte Baustelle werden künftig die Knie sein. Ansonsten sind sicherlich noch etliche Gramm hier und dort herauszukitzeln. Zu optimieren - unter dem Gesichtspunkt einer größtmöglichen Tagesdistanz - dürfte außerdem besonders das morgendliche Procedere und in Verbindung damit die "Lagerlogistik" sein.
Wenn man jedoch zu zweit unterwegs ist, tritt dies eher in den Hintergrund. Hier war ich Herrn F. dankbar für sein Verständnis für meinen Kilometerehrgeiz. Vor allem werden jedoch der morgendliche Kaffeeservice sowie die sinnvolleren und sinnfreieren Gespräche in Erinnerung bleiben. Besten Dank auch dafür!
Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden
Kommentare