Herbetet (3778 m) - Ostgrat
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29.08.2009 Herbetet - Ostgrat 3778 m-


Randinformationen
Bivacco Leonessa (2910 m) -> Herbetet-Gletscher (Einstieg Gratschneide auf ca. 325 0m) -> Ostgrat (3498 m) -> Herbetet-Gipfel (3778 m) -> Abstieg über NNO-Grat und Coll del Herbetet
Route
Der Herbetet (3778 m) ist wohl einer der schönsten Gipfel im Gran Paradiso Nationalpark. Schon beim Zustieg zum Bivacco Leonessa haben wir seine Pyramidenform bewundert. Für uns war klar, wir müssen da hoch.
Der AV-Führer beschreibt den Ostgrat als lohnenden, wenn auch nicht als den leichtesten Gipfelaufstieg (Schwierigkeit: ZS; meist III und II, eine III+). Bereits am Vortag erkundeten wir den Einstieg zum Ostgrat, der über den Herbetet-Gletscher führt und später über die NO-Wand zur Gratschneide verläuft.
Der Einstieg zum Grat ist im Führer ein wenig schwammig beschrieben. Man sollte sich dahingehend im unteren Gratteil am Fuße der NO-Wand eine weniger steile "Schwachstelle" suchen um möglichst schnell und unkompliziert zum festen Fels des Grates zu gelangen. Für den Aufstieg sind laut AV-Führer ca. 5 Stunden zu kalkulieren.
Wir schmiedeten folgenden Plan für den nächsten Tag: Früh aufstehen, leckeres Schoko-Müsli mit lauwarmen Wasser futtern, schnell zum Einstieg laufen, dort unnötige Sachen deponieren, schnell Klettern, über Nordgrat und Coll dell Herbetet absteigen, Sachen holen und wiederum über Coll dell Herbetet zum Rif. F Chabod laufen.
Realistisch war der Plan absolut durchdacht, doch wir hatten die Rechnung ohne den Herbetet gemacht. Es sollt alles ganz anders kommen. Das mit dem früh aufstehen und dem "leckeren" Müsli funktionierte ganz gut, sodass wir das Bivacco Leonessa um ca. 05:30 Uhr in Richtung Herbetet-Gletscher verließen. Auch der nächste Punkt, Sachen deponieren, wurde planmäßig ausgeführt. Leicht bepackt (mit etwas Trinken, Essen und Gerödel), stapften wir mit der aufgehenden Sonne im Rücken über den Herbetet-Gletscher, bis wir "ohne Schwierigkeiten" zur Gratschneide klettern konnten.
Bereits hier zeigten sich leichte Differenzen zwischen Theorie und Praxis.
Wir entschieden den Aufstieg zum Ostgrat zu sichern. Vorsteigen und Nachholen dauert in einer Fünfer-Seilschaft durchaus lange und das bröcklige Gestein der NO-Wand ließ bei uns auch nicht gerade ein sicheres Klettergefühl aufkommen. Letztendlich verloren wir zu Beginn unserer Tour schon sehr viel wertvolle Zeit. Nach zwei Stunden erreichten wir die Gartschneide des Herbetet-Ostgrates (P. 3244 m). Hier wird das Gestein schlagartig besser und die Kletterei wundervoll. Zu fünft gingen wir die einfachen Stellen frei und sicherten die schwierigeren mit Seil. Wie bereits beschrieben kosten solche Manöver enorm viel Zeit, sodass der Blick auf die Uhr unsere Mienen zusehends verfinstern lies. Nur die herrlichen Tiefblicke auf das Valnontey und die Gipfellandschaft um uns herum ließen die Zeit immer wieder in den Hintergrund rücken.
So kämpften wir uns die letzten 200 Hm Seillänge für Seillänge nach oben. Gerade die letzten Klettermeter sollten nicht unterschätzt werden. Der obere III Schwierigkeitsgrad wird hier schon verlangt, wobei alles selbst abzusichern ist (selten findet man eine Schlinge oder einen alten "Bühler"). Nach 12 Stunden Kletterei standen wir um 17:30 Uhr auf dem Gipfel des Herbetet. Die Freude über das Erreichte wollte sich bei uns allen nicht so recht einstellen, da sich durch die tiefstehende Sonne bereits lange Schatten in unseren Gesichtern abzeichneten. Wir wussten, dass wir viel zu spät dran waren, der Abstieg noch lang und im Licht der Dämmerung nicht gerade einfach werden würde. Noch dazu hatten wir (außer Tom) die Kopflampen am Einstieg gelassen. Sogleich machten wir uns auf den Abstieg und fanden eine nahezu vertrauenswürdige Abseilschlinge vor. Man steigt bzw. seilt an vertrauenswürdigen Felsköpfen anfangs direkt in der Nordostwand ab, in einem 3er/2er Gelände. Später folgt der Abstieg dem steilen N-Geröllgrat. Wir nutzten unsere Zwillingsseile um zweimal abzuseilen. Danach kletterten, rutschten und fuhren wir in zunehmender Dunkelheit den schier endlosen Geröllhaufen des Herbetet-Nordgrates ab.
Ein absolutes Highlight (im negativen Sinn) ist das Coll dell Herbetet. Das Ding ist eine fiese, steile Scharte in der wir vor lauter losem Gestein nur rutschend vorwärts kamen. Zum Ende der Scharte hin erwartete uns eine Art Rampe. Jegliche Versuche unsererseits dieses heimtückische "Teil" in vollkommener Dunkelheit abzuklettern, waren zum Scheitern verurteilt. So blieb uns nichts anderes übrig, die Abfahrt auf dem Hosenboden zu wählen. Am Ende der Rampe dienten große Gesteinsblöcke als Bremspuffer. Wir können wahrhaftig von Glück reden, dass sich bei dieser Aktion keiner von uns verletzt hat.
Wie man sich vorstellen kann, war unsere Stimmung zu diesem Zeitpunkt nicht gerade auf dem Höhepunkt, sondern entsprach eher dem Stand der Sonne. Wir waren dehydriert, die Füße schmerzten, es war stockdunkel und auch nach 16 Stunden physischer und psychischer Anstrengung war immer noch kein Ende in Sicht (wie auch, es war ja bereits Nacht). Die nächste Aufgabe bestand darin, mit dem Licht von nur einer Kopflampe heil über den Herbetet-Gletscher zu kommen und viel wichtiger, unsere deponierten Sachen zu finden.
Glücklicherweise strahlte uns der rote Biwaksack, in welchem sie verstaut waren, schon von Weitem an. Wie sehr man sich mitten in der Nacht auf einem Gletscher über kaltes Wasser aus der Trinkblase freuen kann, könnt ihr euch nicht vorstellen! Schon auf dem Gipfel war uns klar, dass wir den Übergang zum Rif. F. Chabod aus der Planung streichen konnten. Somit sattelten wir unsere Rucksäcke und trabten im Mondschein über die nicht enden wollenden Gesteinsfelder der Gletschermoräne zum Bivacco Leonessa zurück. Nach der 18 stündigen (Tor)T(o)ur waren wir alle völlig erschöpft, aber gesund zurückgekehrt. Es gab nun nichts schöneres, als wiederum Müsli mit lauwarmen Wasser zu essen. Somit schließt sich der (Teufels)kreis vom Herbetet.
Fazit: Die Tour an sich ist wunderschön. Die Aus-und Tiefblicke unvergesslich. Nur schnell und sicher sollte man Klettern. Der Herbetet hat uns viel gelehrt und irgendwie sind ihm auch dankbar dafür.
Eure Dresdner-Alpinisten

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