Der STEINBOCKWEG im Blenio-Tal
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Bescheidene Anfrage von upthehill, ob ich ihn begleiten würde. Sentiero dei stambecci – Der Steinbockweg zuhinterst im Bleniotal. Sich einmal fühlen wie ein stolzer Steinbock. Da bin ich dabei. Minutiös ist alles vorbereitet, wie es sich für einen aktiven HIKR gebührt. So treffen wir uns, Wecker sei‘s geklagt, bei ihm verspätet zuhause und fahren mit seinem Auto nach Campo Blenio, der Wintersportstation. Unendlich viele Parkplätze. Wintersport scheint attraktiver (und lukrativer) zu sein. Sommerwandern ist zu mühsam = nicht lukrativ.
Das Postauto bringt uns über viele Kehren und 800 Höhenmeter auf Pian Geirett 2012m, einer noch bestossenen Alp, deren Käse im Tessin sehr bekannt und geliebt wird. Wir buckeln unsern Rucksack und los geht’s dem Wegweiser und den wrw-Markierungen entlang angenehm steigend über liebliche Wiesen. Schon bald schauen wir waagrecht zur Scaletta-Hütte hinüber. Das schöne und klare Wetter ermöglicht eine unbeschreibliche Weitsicht. Mit jedem Höhenmeter öffnen sich neue Horizonte gleich einem aufgeschlagenen Buch, welche Seite um Seite spannender wird.
Ein Schneefeld und drahtseilgesicherte Kraxelstellen runden den Aufstieg ab. Das Steinmännchen und eine Trockensteinmauer-Ecke erscheinen am Horizont: Der Pass d’Uffiern 2628m (T3) ist erreicht. Ein in Felsen, Geröll und Weiden eingebetteter Bergsee reflektiert jenseits des Passes gleich einem Spiegel die darüber liegenden Schneefelder. Kleine Forschungsstation mit Richtstrahl-Antenne. Zur Linken erhebt sich der Sasso Lanzone Pt. 2761 (T3), welchen wir sogleich anpacken. Mein Kollege knipst begeistert mit Teleobjektiv und Weitwinkel mehr als ich von barem Auge erfassen kann. Die Spannung steigt. Was bietet uns die 800m lange Gratwanderung, das Kernstück des Steinbockweges? Unschwierig erklimmen wir über Geröllabschnitte den blockigen Gneisgrat. Diesen erreicht, sind wir hoch erfreut über den Tiefblick ins Bleniotal. In der Tiefe blöken Schafe, eine Herde von sicher 50 Wollknäueln, Segantinibildern gleich. Am Horizont zeichnet sich das Adula-Massiv in schönster Pose ab, beherrscht vom Rheinwaldhorn (Adula). Unter Hikr’s will man ja möglichst viele Gipfel „bestimmen“: Basodino, dahinter die Berner Alpen mit Finsteraarhorn und Schreckhorn, rund 60 km Distanz! Doch das Unglaublichste: Ich glaube, den Tödi zu sehen – ganz per Zufall über einem Einschnitt. Genau – das ist er! Mit der abfallenden Wand Richtung Planurahütte!!! Usw…..
Zum Pt. 2826 (T4) turnen wir entlang der NW-Flanke – wenige Meter unterhalb des Grates – über, unter und neben mächtigen Felsbrocken. Ziemlich knifflig. Und wir fragen uns, weshalb die blau-weisse in rot/weiss übermalt wurde. Zwar nicht exponiert und mit Stahlseilen entschärft, jedoch eindeutig eine Herausforderung für meinen Kollegen, welcher sich das erste Mal in einem T4-Gelände bewegt und dies mit Bravour bewältigt. Complimenti! Von Zeit zu Zeit erklimmen wir den Grat und erfreuen uns des überwältigenden Tiefblickes entlang der 400m hohen Felswand.
60m vor Pt. 2814 (T4) müssen wir diese Himmelsleiter verlassen. Das hätte sicher auch einen echten Steinbock gereut. Doch diese Kletter-Fritze steigen sicher weiter auf die Cima di Garina 2780m und scheren sich um den widrigen Abstieg durch das 20m lange senkrechte Kaminchen zum „Gratbuch“. Zum Glück auch mit Drahtseilen gesichert. Mit Adhäsion-Technik meistert mein Tessiner Kollege bravourös auch diese Stelle, das Drahtseil fest umklammernd. Langsam nähert sich der Schwierigkeitsgrat der rot/weissen Markierung. Steiler Abstieg über eine Geröllrippe. Das verlassene kleine Gemslein entgeht nicht dem Fotoauge meines Begleiters.
Über Pt. 2616 erreichen wir den Sattel nördlich Pt. 2595 (T3). Alles picco bello markiert. Diesen erreicht, öffnet sich das einmalige Tälchen mit dem Lago Retico 2372m (T2). Bilderbuchaufnahmen im Chor. Über Bündner-Schiefer gleiten wir zum See hinunter und finden an dessen linken Rand den Weg über Pt.1964 und Pt.1926 zur Capanna Bovarina UTOE 1870m (T2) hinunter, empfangen von einer sicher 60 Häupter zählenden Kuhherde. Das MUSS ein guter Käse geben aus dieser Milch bei diesen saftigen Wiesen! Auf gleicher Höhe sehen wir die mächtige Staumauer des Lago Luzzone. Wir kehren kurz in der gastlichen und sehr persönlich geführten Bovarina-Hütte ein.
Nun gilt es, die restlichen 600 Höhenmeter abzubauen. Vorerst durch Wälder und Auen. Über die Brücke zu den Ferienhäusern von Ronco di Gualdo 1573m (T2). Da stehen Autos.
Die Zivilisation hat uns wieder! Unzivilisiert folgen wir zu Fuss der Teerstrasse bis Campo Blenio (T1). Die Nacht hat uns beinahe eingeholt. Noch bei Tageslicht erreichen wir unser Auto.
Bravo upthehill! Era un piacere d’accompagnarti. A presto.
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