Erste Schritte auf den alten Pfaden des Val Grande
|
||||||||||||||||||||||||||
In einer Prüfungsaufgabe im Rahmen meines Geographiestudiums wurde ich vor einiger Zeit mit einer Karte des Val Grande konfrontiert. Vor meinem geistigen Auge erhoben sich damals die steilen, bewaldeten Berge und die überwachsenen Alpen aus dem Papier, das Gebiet war als mögliches Wanderziel in meinem Kopf gespeichert. Erst vor einigen Wochen realisierte ich bei einer Fahrt ins Tessin aber, wie einfach und schnell das Gebiet von Bern aus zu erreichen ist.
Schnell war der Plan gefasst und ein Freund vom Unterfangen überzeugt, über Auffahrt sollten für vier Tage möglichst viele alte Pfade und Alpen im Val Grande erkundet werden. Die starken Niederschläge der vergangenen Wochen hatten zwar ein Abschmelzen des Schnees im Gebiet besonders an den Nordhängen verhindert, die für mich erst kürzlich zu Ende gegangene Skitourensaison liess die Aussicht auf einige schneebedeckte Passübergänge aber nicht abschreckend wirken. So machten wir uns am Donnerstag von Domodossola aus auf den Weg, in Porcelli fanden wir schnell den ersten unmarkierten Pfad, steil hinauf zur Alpe Crischiovo und weiter zur Alpe Drisioni. Über die ersten Schneefelder erreichen wir die Alpe Rina um 15:00, kurz darauf beginnt es zu Schneien, und wir entscheiden uns die erste Etappe vor dem Passübergang des Passo de la Rola zu beenden und hoffen auf besseres Wetter am Freitag.
Den frühen Start zu diesem Tag verschlafen wir – der Wecker wird überhört – und so verpassen wir die wenigen schönen Stunden des Tages früh am Morgen. Bereits kurz nach unserem Start zur Alpe Menta steigt wieder Nebel auf und es schneit jetzt stark. Wir entscheiden uns, die stark schneebedeckte Traverse zur Alpe Menta auszulassen und steigen direkt zum Passo dei tre Uomini auf. Der Aufstieg auf den schneebedeckten Grasflanken des Passes ist nicht ganz einfach. Oben angekommen folgt ein kurzer Schock, hinter dem Pass ist zuerst nur eine steile Felswand zu erkennen. Wo führt hier unter dem Schnee ein Weg hinunter? Nach einer kurzen Suche finden wir aber das Couloir, das uns auf einer rasanten Fahrt auf dem Hosenboden in Richtung Alpe Bassagrana führt. Von hier beginnt eine äusserst abwechslungsreiche Wanderung durch das Valle Rossa. Über neue und alte Lawinenkegel, vorhandene und verschwundene Wege finden wir via Alpe Burchi auf der linken Talseite in mehreren Stunden bis zur Alpe Vald di Sotto. Der gut markierte Pfad von hier bis nach In la Piana ist im Gegensatz dazu fast schon langweilig.
Unseren ersten – zu dieser Jahreszeit zugegebenermassen etwas naiven – Plan, den Schluchtweg zu “begehen“ haben wir bereits am ersten Tag aufgegeben. Es gibt im Tal genügend Pfade und Alpen, die sehr selten begangen werden und die anspruchsvoll zu finden sind. So starten wir am Samstag zu einer Runde durch die Täler des westlichen Val Grande. Ein gut markierter Pfad bringt uns schnell zur Alpe Serena. Von hier versuchen wir einen alten Pfad zur Alpe Crot di Sopra zu finden, nach einiger Zeit müssen wir diesen Versuch aber erfolglos abbrechen. Über Colletta und einen wunderschönen Grat erreichen wir die Alp kurze Zeit später trotzdem, der folgende Abstieg über die Alpe Crot di Sotto zur Alpe Valle die Sotto ist dagegen gut zu finden und stellenweise wunderschön angelegt. Auf dem folgenden Anstieg von der Alpe Val Gabbio zum P. Mottàc geniessen wir das erste Mal das Panorama über die Schlucht des Val Grande zum Lago Maggiore. Eigentlich wollten wir an diesem Tag noch die Alpe Vald erreichen, um am Sonntag über die Bocchetta di Vald das Tal zu verlassen. Unser Versuch den Pfad von der Alpe Monticello über die Alpe Ceresa zur Alpe Basciot zu finden endet aber in einem steilen Hang zwischen zwei Bächen. Angesichts der fortgeschrittenen Stunde verzichten wir darauf, die Strecke weglos zurückzulegen. Via Falllinie erreichen wir so den Hauptweg und entscheiden uns für eine weitere Nacht in In la Piana.
Am Sonntag starten wir früh, anstelle der Bocchetta di Vald haben wir uns am Abend für den Ausgang über die Alpe Scaredi entschieden. Unser früher Start zahlt sich aus, in kürzester Zeit gelangen wir über die noch gefrorenen Schneefelder zum Pass. Ein letzter Blick zurück zeigt uns nochmals alles was das Tal zu bieten hat. Schneefelder im Vordergrund, tiefe Schluchten, verwachsene Alpen und alle Grünstufen die der Frühling zu bieten hat. Eine Rutschpartie über den Schnee nach Le Fornaci und ein schneller Marsch bringen uns nach Malesco und die Centovallibahn zurück nach Domodossola.
Das Val Grande hat mich!, wie viele andere konnten mich die tiefen Schluchten und schwer auffindbaren Pfade nicht abschrecken. Die verwachsenen Alpen und verschwunden Wege wollen erkundet werden, die Gräte und Gipfel – bei etwas weniger Schnee – bestiegen und begangen werden, und auch der Schluchtweg bleibt ein Projekt für die Zukunft. Meine erst kürzlich erstandene Karte des Gebietes von 1963 werde ich für künftige Projekte in der Region weiterhin mit Sorgfalt behandeln.
Fotos von der Wanderung gibt’s auf:
http://picasaweb.google.com/talesntrails/ValGrande#
Kommentare (2)