Tour de Soleil: von Realp zum Simplon in 5 Tagen


Publiziert von tschiin76 , 13. April 2010 um 21:52. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum: 6 April 2010
Ski Schwierigkeit: WS+
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   I   Gruppo Pizzo Rotondo   CH-TI   CH-UR   Gruppo Grieshorn 
Zeitbedarf: 5 Tage


kursiv von tschiin76
normal von chamuotsch

Dienstag, 6. April (Tag 1)
Realp-Rotondohütte

Kurz vor 10 Uhr, Bahnhof Realp: wir stürcheln aus dem roten Zug und richten uns erst mal am Geländer ein. Auf der anderen Seite des Geleises begrüssen sich 3 andere Tourengänger: die beiden Herren sind mir schon im Zug von Arth-Goldau nach Göschenen aufgefallen und wollten in Andermatt auch noch an den gleichen Tisch sitzen, die Dame in Rot ist schon da.
Dass die drei auch zu unserer Gruppe gehören merken wir spätestens, als der Rest aus dem Berner Oberland eintrifft.
Erst mal ein Kaffee im Bistro und schon werden die ersten Spässe ausgetauscht. Vom ersten Moment an stimmt die Chemie und die hält bis am Schluss.
Dann heisst es erst mal Ski buckeln und ab Richtung Eingang Wittenwasserental.
Es ist warm, sehr warm und sobald wir die Skis an den Füssen haben fallen schon die ersten Hüllen, die Gesichter werden weiss von Sonnencreme, weiteres Gelächter wegen faulen Sprüchen und wir nehmen die ersten Meter in Angriff.
Das Tempo ist super, ich falle immer wieder zurück zwecks Fotografiererei, und ich bin nicht die einzige.
Ein Traumtag, das Tal sanft geschwungen, zuhinterst geht es um die Ecke, der Chef weicht einem Lawinenhang aus, wir schwitzen und kleben am tonnenschweren Schnee fest und schwups, stehen wir vor der Hütte.
Die nächsten Stunden verbringen wir auf der neuen Terrasse aus Lärchenholz, die kurzerhand in ein Turnstudio umgewandelt wird (dehnen, strecken, Lachmuskeln trainieren), ich habe noch Energie und bearbeite die Schneetreppe, bevor weitere Sturzopfer und ausgeleerte Biergläser (wobei letzteres sicher tragischer ist) zu beklagen sind.
Danach will ich mich noch erfrischen und zu meiner grossen Freude kommt eiskaltes Wasser aus den Hahnen im Waschraum: so schläft es sich doch viel besser.
Das Znacht ist sehr fein, der Wein ebenso und wir höckeln noch gemütlich zusammen.

Mittwoch, 7. April (Tag 2)
Rotondohütte - Witenwasserenpass - Passo di Rotondo - Cap. Piansecco

Zmorge: halb 5, um 5 stehen wir auf den Ski. Es ist kalt, die Nacht war klar, alles ist gefroren, wir sind voller Vorfreude und Energie.
Nach kurzem "Täbele" fahren wir auf den Witenwasserengletscher, der Tag beginnt sanft, das Licht ist wunderbar blau. Der Schnee etwas weniger, Bruchharst vom Feinsten, ich begrüsse den Tag weiss ca. 1m vor meinen Skis, die schön nebeneinander stecken geblieben sind.
Schon bald färben sich die umliegenden Gipfel rosa und dann gelb, wir gehen und staunen, geniessen und schauen, was die Welt uns zu Füssen legt.
Der Weg ist erst flach, dann kurze Zeit steiler, wir erreichen den Witenwasserenpass. Weiter gehts immer etwas rauf und wieder runter, mal rutschen wir auf den Fellen die eisig-pulvrigen Hänge entlang, mal flitzen wir ohne Felle runter, um dann nach ein paar Metern wieder hochzutripppeln.
Die ganze Zeit sind wir im Schatten, ich habe kalt trotz Bewegung, das Panorama ist dafür umso eindrücklicher, Schatten und Lichtspiele verzaubern mich.
Wie schön, als wir beim Passo di Rotondo endlich in die Sonne kommen. Unser Gipfel ist heute der Pass, wir machen Pause und schauen den Pizzo Rotondo - Gipfelstürmern zu, wie sie das Couloir meistern. Von unten sieht es enorm steil aus, scheint aber alles halb so wild zu sein siehe hier
Die Abfahrt ist dann die absolute Herausforderung: nasser schwerer Schnee mit leichtem Harschdeckel lässt uns Badewannen am Laufmeter produzieren: dementsprechend das Gelächter. Wir sinken so tief ein, dass wir fast nicht mehr aus eigener Kraft hochkommen.
Weiter unten wirds dann nur wenig besser, nach 3 Metern tragender Schicht das grosse Absaufen, dann wieder windgepresst und zum Abschluss noch Steine. In beispielloser Eleganz kurven wir dem Tal entgegen.....
Dann endlich dürfen wir auch ein bisschen Sulz geniessen. Kurz vor der Hütte dann noch ein paar Meter wunderschön harte Unterlage, die doch noch ein paar Schwünge zulässt.
Die Hüttenwartin empfängt uns mit gelben Handschuhen, wir sind früh da (11 Uhr), vermutlich wäre es ihr auch recht gewesen, eine Weile ihren Frieden zu haben.
Wir breiten uns sofort auf dem kleinen Balkon aus und da sich niemand getraut, den Liegestuhl zu besetzen mache ich das. Ich darf ihn für eine ganze Weile behalten.
Wir schwatzen, füllen die leeren Salz- und Energielager auf, braten in der Sonne und geniessen das Leben, bis...ja, bis im Keller eine Wasserleitung platzt und die Dame mit den gelben Handschuhen einen "idraulico" sucht und nicht findet. Mit ebenso ratlosem Gesicht wie sie uns anschaut schauen wir zurück.
Na dann, auf in den Kampf, mit Wassereimer, Bodenlumpen und Schüüfeli bewaffnet sagen wir dem See den Kampf an.
Zum Dank gibts dann gratis Getränk und ein lachendes Gesicht.
Danach wollen wir eigentlich noch etwas ruhen, bis uns dann aber die Augen zufallen gehts noch eine ganze Weile, wir scherzen, erzählen soviel Blödsinn wie schon lange nicht mehr und lachen, bis uns alles weh tut....
Das Znacht ist fein, die Besprechung des morgigen Tages fällt kurz aus, der Weg wird nicht kürzer, auch wenn wir noch so lange auf die Karte schauen...


Donnerstag, 8. April (Tag 3)
Cap. Piansecco - Cap. Corno Gries - Griesgletscher - Blinnenhorn - Rif. Claudio e Bruno

Früher Tagwach... die Wecker klingeln schon um 2:45 Uhr!! Alle sind dann auch pünktlich zum Zmorge da, jeder weiss, dass eine lange Tour bevor steht und dies braucht Disziplin. Abmarsch um 3:45 Uhr bei Stirnlampenlicht über die Alpe Manio mit kleiner Abfahrt zur Nufenenpassstrasse und zur Alpe di Gruina.
Der Schnee ist steinhart gefroren, um uns herum rieselt es, erst denken wir, dass das ein uns ewig begleitender Bach ist, dann kleine Schneestückchen, die den Hang hinunter rollen und schlussendlich realisieren wir, dass es die Hochspannungsmasten sind. Meine Beine brennen und ich bin froh, als wir wieder auffellen.
Dann folgt ein steiler Aufstieg ins Val Corno, vorbei an der Cap. Corno Gries, wo die Sonne das erste Mal an diesem Tag den Himmel farbig färbt. Ein weiteres Mal sind wir überwältigt.
Die Hütte wäre eigentlich unser Etappenziel am Vortag gewesen, da die Sektion der Hütte aber zu wenig flexibel war oder unserer Ehrlichkeit nicht traute, wurde uns kein Schlüssel zur Hütte hinterlegt. Wir haben von anderen Gruppen erfahren, dass dies bei ihnen geklappt hatte, was uns doch etwas befremdet. Wir haben aber auch erfahren, dass die Hütte in einem desolaten Zustand gewesen ist. Schade eigentlich für so eine neue und elegante Hütte!! Wir haben uns durch diese Umstände aber nicht aus der Ruhe bringen lassen und marschieren Richtung Passo del Corno zum Griesspass.
Nach einer kurzen Rast und  2 interessanten Stürzen zweier Mitgänger (Showtime!) gehts über den Griesgletscher Richtung Blinnenhorn. Es ist ein sehr langgezogener Aufstieg und nach 2/3 des Weges muss ich gesundheitlich passen. Sofort sind die aufmerksamen Kollegen zur Stelle und gemeinsam schaffen wir den Aufstieg zum Rothornsattel. Dort lasse ich die anderen gen den Gipfel ziehen, chamuotsch leistet mir Gesellschaft, ich bin froh um die Pause. Kurzerhand taufen wir "unseren" Gipfel "Blinnenhorn Pitschen" Wir schauen den anderen zu wie sie zum Blinnenhorn stürmen und geniessen "unseren" eigenen ;)!
Die Abfahrt führt über supertolle Firnhänge zum Rifugio Claudio e Bruno.
Die heutige Tagesetappe: rund 1500 Höhenmeter rauf, 800 runter, 21 km Distanz und 11 Stunden Marschzeit.
Den Merlot und die Pause haben wir verdient!
Das Rifugio ist typisch italienisch: von aussen sieht es zwar einer Schweizer Hütte ähnlich, innen sind die Räume aber höher. Der Boden ist aus Stein, das Holz dunkel angestrichen, die massive Eingangstüre reich verziert mit Schnitzereien.
Aussen auf der Terrasse kein Stuhl, keine Bank, kein Tisch, überall ausgebreitet die Felle und Schuhe zum trocknen. Ein holländischer Geburtstagshund rennt geworfenen Schneebällen nach und findet sie nicht mehr, was ihn zu wildem Buddeln veranlasst...
Der Ofen zieht nicht recht, der Aufenthaltsraum und wir werden ausgeräuchert, bis der Chef kommt und alles in Ordnung bringt.
Wir bekommen feine Lasagne und Minestrone als Primo Piatto, die Crew ist dafür angeblich 3 Stunden in der Küche gestanden.
Der Secondo Piatto ist eine etwas eigenartige, fettige Wurst mit Kartoffeln, leider hat es einbisschen wenig für unseren grossen Hunger.
Wir runden das Tafeln mit einem Genepi (oder ähnlichem) ab und kriechen schon bald unter die Wolldecken.
Die Kajütenbetten sind etwas wackelig und ich friere die ganze Nacht, obwohl ich vor dem Schlafengehen den Raum noch etwas mit dem Öfeli geheizt habe.

Freitag, 9. April (Tag 4)
Rif. Claudio e Bruno - Mittlebärgpass - Hohsandhorn - Ausserbinn


Nach einer friedlichen und langen Nacht im 4-er Schlag gehts um 6 Uhr wieder los, zuerst eine kurze Abfahrt auf den Hohsandhorngletscher, teilweise begleitet von Juf, dem holländischen "Hüttenhund" :). Wie abgemacht tragen alle die von Iris geschenkten GrindelwaldSport Chäppli... ein hellblaues Farbtüpfli.
Auf dem Gletscher angekommen, Felle drauf und ein kurzer Aufstieg von 500 Höhenmeter steht vor uns. Der Gletscherhang ist mit einem Zickzack von ca. 13 Spitzkehren verziert... aber nicht mit uns!! Hansueli, unser Bergführer, zaubert sage und schreibe nur gerade ganze 2!!! Spitzkehren und eine Däppelikehre hin! Unglaubliches Auge und natürlich reine Erfahrung und flutsch! sind wir auf dem Mittlebärgpass. Unglaubliches Panorama in alle Richtungen. Da wollen wir doch schnell hoch zum Gipfel!! Noch ein kurzer Anstieg und wir werden von Juf und seinen Besitzeren, 3 Holländern, freudig begrüsst. Jeder bekommt einen grossen Hundeschmatz :))!
Die Aussicht ist echt traumhaft!! Und schon werden die Gipfel benannt, alte Tourengeschichten ausgetauscht und neue Ziele entdeckt. Und es werden Fotos gemacht, Steine gesammelt und einfach in Ehrfurcht der Moment genossen. Vor allem, dass wir das alles miteinander erleben dürfen, sind wir doch eine MEGATOLLE Gruppe!!
Dann die Abfahrt. Und schon eine kleine Schwierigkeit... am Mittlebärgpass müssen wir eine Wächte durchfahren, welche einige am Seil bewältigen. Vielen Dank Hansueli für die Sicherheit!
Dann kommen Hänge die fast nicht zu toppen sind!! Unglaubliche Firnabfahrt bis Freichi im Binntal. Dann noch einwenig Stöckeln und Schieben bis Fäld, wo wir die Skis engültig abziehen müssen. Nach einer kleinen Rast marschieren wir noch wenige Minuten nach Binn, wo das Postauto nur noch auf uns wartet :).
Kurze Fahrt nach Ausserbinn zu unserer Unterkunft, dem Rest. Jägerheim. Welche Wohltat.. ein Zimmer mit Balkon und DUSCHE wartet auf uns. Nach und nach riechen alle wieder fein und die Tour wird mit Röschti, Salat, Bier und Schorle abgeschlossen.
Nach einem gemütlichen Nachmittag mit Siesta und/oder "Après-Ski" auf der Sonnenterasse des Restaurants geniessen wir noch ein wunderbares Nachtessen.

Samstag, 10. April (Tag 5)
Ausserbinn - Steinejoch - Simplonpass 

Mit einem lachenden (ich habe grosse Blasen an den Füssen und bin froh, dass ich nicht mehr in die Skischuhe rein muss) und einem weinenden (ich muss die liebgewonnenen Kameraden ziehen lassen) Auge verabschiede ich mich von der Gruppe und kehre zurück in die Hektik des Alltags.
Mit dem Kopf voller Gedanken, Gefühlen und Erinnerungen brause ich in 3.5h vom Wallis nach Hause.

Der Tag beginnt wieder früh, um 4:45 Uhr läuten die Wecker. Das toll vorbereitete Frühstück (danke Hansueli) ist ein Genuss und wird von allen geschätzt. Wie der Himmel auf Erden :)
Da wir  in Heiligkreuz starten, dürfen wir das Auto der Restaurantfamilie für 2x Taxidienst benützen, wie nett ist das denn! Darum pressiert es dann auch, der letzte Tag wartet auf uns. Leider muss tschiin76 uns an diesem Morgen verlassen und zurück in den Alltag. Sie war aber jede Minute mit uns dabei, ganz bestimmt!!
Eben, mit dem Auto bis zum etwas lottrig aussehenden Seilbähnli hinten im Tal, schnell die Felle drauf und los gehts bei Stirnlampenlicht Richtung Mättital hoch. Zuerst ists ganz gemütlich, doch schon bald müssen wir den Bach überqueren und den Wald hoch "stägeren". Auf dem Wanderweg gehts teilweise mit, teilweise ohne Skis über Lawinenkegel und Brüggli, mit Harscheisen und viel Schweiss die ersten 250 Höhenmeter hoch. Dann erreichen wir das Hochtal und geniesssen die zweite Rast bei Sonnenschein.
Weiter gehts auf hartem Schnee dem Steinejoch entgegen, mit Wolkenformationen die nur der Fön zeichnen kann, einfach traumhaft.
Die letzten Höhenmeter führen uns dann steil über die letzten Reste des Mättitalgleschters und oben sind wir, nach nur 3,5 Std. Aufstieg. Was für ein tolles Gefühl... und tschiin76... du warst mit dabei!!!! Es wird geküsst, umarmt und fotografiert, wie immer... bütsch al piz!!
Ein kleines Stück unterhalb unseres Gipfels findet Hansueli ein perfektes, windgeschütztes und wunderbarem Panorama versehenes Rastplätzli.
Dann die Abfahrt: am Tag zuvor war der Firn einfach perfekt. Aber was uns hier erwartet,  können wir nur erahnen!! Ein Juchzer folgte dem anderen, jeder kommt mit einem Strahlen im Gesicht daher das kaum wegzukriegen ist!!! .. und tschiin76... du warst auch hier mit dabei :)!
Einfach ein gewaltig schöner Firn!!! Viel zu schnell trefen wir dann auf die Schlüsselstelle auf Hansuelis Karte, dem Steinuchäller, eine kleine Schlucht kurz vor Berisal. Wir müssen die Skis abwechselnd tragen und wieder anschnallen, mit viel Rücksicht auf die Steine... Alle meistern diese Herausvorderung gut und wir müssen nur noch eine Brücke und einen kleinen Gegenanstieg meistern bis wir endgültig die Simplonpassstrasse erreichen.

Eine wunderbare Tour ist leider zu Ende gegangen und wird uns allen lange in Erinnerung bleiben! Wunderbare Natur, tolle Erlebnisse, interessante Bekanntschaften, gute Gespräche, super Führung und vor allem: VIEL HERZHAFTES, GEMEINSAMES LACHEN!!! Vielen herzlichen Dank an alle!! Bis auf ein hoffentlich nächstes Mal.

Tourengänger: tschiin76, chamuotsch


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