Durchquerung der östlichen Verwall-Gruppe
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Abenteuerliche Alpinwanderung auf großartigen Höhenwegen
Für diesen Sommer planten wir eine mehrtägige Wanderung in den Alpen. Die beiden Bergruppen Verwall und Silvretta hatten wir schon länger für eine solche Unternehmung ins Auge gefasst. Zufällig stießen wir bei der Recherche auf eine Internet-Seite, die die, erst kürzlich zusammengestellte "Verwall-Runde" beschreibt. Der dort beschriebene Weg deckte sich wunderbar mit der von uns bevorzugten Route und so setzten wir diesen Vorschlag in die Tat um. Der Einstieg in die Tour sollte Pettneu an der nordöstlichen Ecke der Verwall-Gruppe sein. Der Bergkette vom Hohen Riffler im NO zur Gaisspitz im SW folgend, wollten wir den östlichen Teil der Verwallgruppe durchschreiten und schließlich in Galtür in die Silvretta-Gruppe wechseln.
Der Charakter der Tour ist durchaus alpin; die Schwierigkeit der Wege bewegt sich zwischen unterem T3- und oberen T4-Bereich. Man sollte auf das teils weglose - aber durchweg gut markierte - Gehen in Fels, Geröll und ausgedehnten Schutthalden vorbereitet sein. Beim Übergang von der Darmstädter zur Friedrichshafener Hütte muss der Große Küchlferner überquert werden. Im Spätsommer oder bei wenig Niederschlag im Winter sind hier Steigeisen und Pickel durchaus angebracht. Konditionell anspruchsvoll sind auch die - im Vergleich zu anderen Bergruppen - steilen Jöcher und Pässe: einem recht flachen Zustieg ans Ende des Tals folgt ein ziemlich steiler Anstieg hinauf zum Sattel. Die schroffe Berglandschaft, die beeindruckenden Tiefblicke und die gelungene Wegführung der Höhenwege lohnt eine Begehung auf jeden Fall.
Noch eine kleine Anmerkung: Leider gibt es zu dieser Tour keine Bilder. Das Digitalzeitalter hatte damals noch nicht Einzug bei uns gehalten, und unserer kleinen analogen Kamera ging leider gleich zu Beginn der Saft aus. Uns bleiben aber die Erinnerungen an diese großartige Tour und wir versuchen, sie hier in Worten wiederzugeben.
1. Tag (11.08.2007) - Hüttenzustieg Edmund-Graf-Hütte (T3)
[Aufstieg 1200 hm, 8,5 km Distanz]
Nach einer strapaziösen Zugfahrt nach Landeck in Tirol (Nachtzug von Berlin nach München, dann weiter über Innsbruck) nahmen wir den Postbus nach Pettneu-Kirche. Um halb eins mittags begann dann unser Abenteuer. Von der Haltestelle gingen wir noch ein Stück die Dortstraße entlang, überquerten die Landstraße Nr. 197 und folgten der kleinen Straße hinab zum Fluss Rosanna. Vor der Bahnlinie gings links ab, dann nach rechts unter selbiger hindurch. Wir überquerten die Rosanna, dann wanderten wir auf breitem Fahrweg hinein ins Malfontal. Bei der Hinteren Malfonalpe (1825 m) begann der teils steZustieg ins Jakobstal. Nach etwa drei Stunden erreichten wir die Edmund-Graf-Hütte (2375 m), auf der wir einen angenehmen Hüttenabend verbrachten.
2. Tag (12.08.2007) - Hoher Riffler (T4), Riffler Weg (T3+) und Kieler Weg (T3) zur Niederelbe Hütte
[Hoher Riffler: 800 hm Aufstieg und Abstieg; Höhenwege: 500 hm Aufstieg, 550 hm Abstieg, 9 km Distanz]
Gleich am ersten vollen Tourentag sollte heute der höchste Berg der ganzen Tour bestiegen werden, der Hohe Riffler. Wir deponierten etwas Gepäck, darunter die mitgebrachten Steigeisen und Pickel, in der Hütte und begannen um viertel nach sieben den Aufstieg. Es war recht kühl und der frische Wind ließ die gefühlte Temperatur noch niedriger erscheinen. Zunächst ging es in nördlicher Richtung hinter der Hütte die Almwiesen hinauf. Bei P. 2614 drehten wir nach Nordosten ab und wanderten auf stetig steiler werdendem Weg durch ein Schuttkar hinauf zu der breiten Firnscharte zwischen Blankahorn und Kleinem Riffler. Über das kleine Firnfeld gelangten wir zum Gipfelaufbau. Über teilweise noch mit Reif überfrorenen Felsplatten erreichten wir nach insgesamt eineinhalb Stunden den Südgipfel des Hohen Rifflers (3168 m).
Die Sicht vom Gipfel war großartig. Noch war keine Wolke am Himmel, der Alpenhauptkamm im Süden lag zum Greifen nahe. Zum Genießen der Aussicht ließ uns der zunehmend kalte Wind aber nicht viel Zeit. Nach kurzer Gipfelrast machten wir uns wieder an den Abstieg zur Hütte auf dem gleichen Weg (ca. 1 1/4 h). Das zurückgelassene Gepäck wurde wieder eingeladen, dann gings an den Übergang zur Niederelbe Hütte.
Der Riffler-Weg führte uns von der Edmund-Graf-Hütte zunächst in südöstlicher Richtung auf die andere Seite des Jakobstals. Über eine kleine, mit Drahtseilen versicherte Felsstufe erreichten wir den Schmalzgrubensee (2558 m). Weit waren wir zwar noch nicht gekommen, aber der See lud einfach zu einer Rast ein. Schnell hatten wir auf dem mitgebrachten Gaskocher ein kleines Mittagessen bereitet (gefriergetrocknete Gerichte können sooo lecker sein, wenn man wirklich Hunger hat) und genossen die Ruhe an diesem malerischen Bergsee. Gestärkt gings dann auf gutem Bergweg hinauf zur Schmalzgrubenscharte (2697 m).
Nun gings auf dem Kieler-Weg zunächst steil hinab in die Südostflanke der Hohen Spitze und hinüber auf deren Südrücken (P. 2440). Der anschließende Höhenweg traversierte nun die Südseite des Verwall-Hauptkammes etwa auf einer Höhe von 2000 m bis 2400 m. Zum Ende hin zieht sich der Weg etwas in die Länge, aber die wunderbare Sicht auf die Silvretta-Gruppe sorgte für Ablenkung. Leicht erschöpft aber gut gelaunt erreichten wir das heutige Etappenziel, die Niederelbe Hütte (2310 m).
3. Tag (13.08.2007) - Hoppe-Seyler-Weg (T4) zur Darmstädter Hütte
[850 hm Aufstieg, 800 hm Abstieg, 9 km Distanz]
Von der Niederelbe Hütte hat man zwei Möglichkeiten, zur Darmstädter Hütte zu gehen: den leichteren Sepp-Jöchler-Weg über das Sessladjöchli; oder den anspruchsvolleren Hoppe-Seyler-Weg über die Kieler Wetterhütte und das Schneidjöchli. Wir hatten uns für den zweiten Übergang entschieden. Morgens beim Aufstehen regnete es überraschenderweise in Strömen; erst nach einem verlängertem Frühstück gegen halb acht ließ der Regen etwas nach und wir zogen los.
Von der Hütte verlief der Weg in westlicher Richtung, die Südflanke des Breiterkopfs querend, hinein in das breite Fatlar. Auf gutem Weg erreichten wir zügig das Ende des Kars. Nun stieg der Weg in Serpentinen durch Schutt und Geröll steil hinauf zur Oberen Fatlarscharte und mit der Kieler Wetterhütte (2800 m). Leider regnete es jetzt wieder stärker und wir machten nur kurz Rast, bevor wir steil in anspruchsvollem Block-Geröll-Gelände Richtung Süden abstiegen. Die Nässe machte die teils mit Flechten überzogenen Felsen recht glitschig und den Abstieg zusätzlich interessant. Bei der nächsten Verzweigung hielten wir uns rechts und querten durch Südflanke der Fatlarspitze nach Westen. Der Weg ist gut mit roten Markierungen und Steinmännchen gekennzeichnet. Teils über Schotter, teils über große Felsblöcke stiegen wir anschließend zum Schneidjöchli (2841 m) hinauf.
Zum Glück wurde das Wetter besser und als wir auf dem Schneidjöchli ankamen, lugte die Sonne sogar zwischen den Wolken hervor. Wieder wurde unser Gaskocher hervor gekramt; diesmal auf dem Speiseplan: Asia-Nudel-Suppe. Auch sehr lecker und gut gegen Durst. Nach der kleinen Mittagsrast stiegen wir steil über Geröllfelder hinab ins das weite Rund des Hinteren Kartells. Der fast kreisrunde und nur mit einem recht schmalem Ausgang nach Norden versehene Talkessel bietet eine großartige Kulisse für diverse Klettertouren zu den flankierenden Gipfeln. Beeindruckend sind auch die beiden - leider etwas dezimierten - Gletscher. Wir umrundeten auf gutem Wanderweg das Hintere Kartell, bis wir nach total 6 1/2 Stunden incl. Pausen die Darmstädter Hütte (2384 m) erreichten.
4. Tag (14.08.2007) - Versuch Faselfadspitze, Scheibler (T4)
[750 hm Aufstieg und Abstieg]
Heute wollten wir von der Darmstädter Hütte den Westgipfel der Faselfadspitze ersteigen. Der Steig über den Südgrat war gerade noch in Bau, aber laut Aussage des Hüttenwirts Andi schon gut begehbar. Allerdings hatte es in der Nacht und am Morgen ausgiebig geregnet und wir waren deshalb nicht sicher, ob wir den Steig begehen konnten.
Um halb neun machten wir auf den Weg. Nach wenigen Minuten verließen wir den Weg zum Kuchajoch bei einem großen Steinmann und gingen über Gras und Geröll nach Norden in Richtung Faselfadspitze. Wir liefen zunächst auf die vor uns liegende Geländestufe zu und umgingen die Felsstufe dann links ausholend. Einige kleine Steinmännchen erleichterten die Wegfindung. Nach der ersten Geländestufe drehten wir nach Westen ab, überquerten zwei kleine Schneefelder und erreichten schließlich den Einstieg zum S-Grat. Wir kletterten die ersten Meter in dem kleinen Kamin hoch, mussten aber bald erkennen, dass der Fels zu schmierig war und brachen die Besteigung ab.
Zurück auf dem Wanderweg beschlossen wir als Alternative, den Scheibler zu erklimmen. So wanderten wir etwas mühsam zum Kuchajoch (2730 m) hinauf. Durch das zunehmende Abschmelzen des Großen Kuchaferners werden die blanken Felsen und Geröllhalden freigelegt. Die direkte Besteigung des Kuchajoch über den Ferner ist nicht mehr möglich - zumindest im Sommer. So musste der Weg zum Joch in die Geröllhänge der Südostflanke des Scheibler verlegt werden. Vom Kuchajoch erreichten wir in einigen Minuten in interessanter Kraxelei den Gipfel des Scheiblers (2978 m).
Wieder zurück in der Hütte gab's Kaffee und Kuchen. Der Nachmittag war noch nicht zu Ende und so beschlossen wir eine kleine Erkundungstour zum großen Küchlferner und dem Aufsteig von morgen zu unternehmen. Über den alten Aufstieg westlich vom P. 2524 erreichten wir das Geröllfeld unterhalb des Gletscherabbruchs. Wir wanderten in anspruchsvollem Geröll- und Blockgelände zum Gletscher hinüber. Nach ausgiebiger Begutachtung und Diskussion über die morgige Routenwahl, stiegen über den neuen Weg östlich vom P. 2524, an vielen roten Markierungen vorbei wieder hinab zur Hütte.
5. Tag (15.08.2007) - Ludwig-Dürr-Weg (T4, L) zur Friedrichshafener Hütte
[750 hm Aufstieg, 1000 hm Abstieg, 9,5 km Distanz]
Die heutige Etappe war wohl die anspruchsvollste der ganzen Tour, sowohl technisch als auch konditionell. Um zwanzig nach sieben starteten wir in diesen wunderbar sonnigen und warmen Tag. Über den neuen Weg entlang der zahlreichen roten Markierungen stiegen wir östlich um P. 2524 herum zum Küchlferner hinauf. Wir hielten uns zunächst auf der rechten Seitenmoräne und querten recht weit oben hinüber zum Gletscher. Die mäßig steile Überquerung des fast komplett aperen, mit zahlreichen, bis zu 10 cm breiten Spalten zerfurchten und mit vielen Steinen übersähten Ferners erforderte volle Konzentration. Der Bergschrund war gut zu überqueren, nur ein kleiner Schritt über den schneegefüllten Riss. Der anschließende Aufstieg zum Rautejöchli (2752 m) über Fels und steile Geröllflächen mit etwas matschigem Restschnee war ebenfalls nicht ohne Spannung. Vom Rautijöchli konnten wir noch einmal den Blick über das Hintere Kartell und die Darmstädter Hütte schweifen lassen. Wir kommen wieder, dann aber mit Kletterausrüstung zum Besteigen der zahlreichen umliegenden Gipfel!
Die anschließende Alpinwanderung auf dem Ludwig-Dürr-Weg zur Friedrichshafener Hütte war, mal mit schwerem Marschgepäck, recht kraftraubend. Zunächst stiegen wir steil über Blöcke und Geröll hinab in das weite Schuttkar der östlichen Madleinalpe. In weitem Bogen wanderten wir in südlicher Richtung an den Fuß des Ostgrates des Nördlichen Schönbleiskopfes. Nun ging es steil hinauf zu P. 2782. Nach einer kleinen Rast gings wieder steil hinab in das Schuttkar östlich des Schönbleisjöchlis. Ein erstes Schneefeld konnte gut überschritten werden, dann querten wir die Schutthänge in das nächste Kar südöstlich des Südlichen Schönbleiskopfes. Wir überquerten ein weiteres Schneefeld, dann gings wieder steil hinauf auf das letzte Joch südöstlich von P. 2915. Etwas erschöpft genossen wir ein weiteres Gericht von unserem Gaskocher und erholten uns an der warmen Sonne.
Jetzt ging es (fast) nur noch bergab. Wieder stiegen wir steil vom Joch in endlosen Serpentinen durch die Schutthalden hinab und querten hinüber zur Karkopfnasa P. 2596. Weiter ging's über Schutt und Geröll, dann kam doch noch ein kleiner Anstieg zum Dürrschärtli (2666 m). Wieder ein steiler Abstieg zum Lumpaschadseele bei P. 2507, dann zog sich der folgende Abstieg zur Friedrichshafener Hütte scheinbar endlos in die Länge. Nicht mehr wirklich fit erreichten wir die Freidrichshafener Hütte (2138 m) und waren über die Pasta Bolognese am Abend mehr als glücklich.
6. Tag (16.08.2007) - Gaisspitze (T3+) und Abstieg nach Galtür (T3)
[Gaisspitze: 650 hm; Höhenweg: 750 hm Abstieg, 6 km Distanz]
Zur gewohnten Zeit gingen wir die letzte Etappe unserer Verwall-Durchquerung an. Auf dem Fahrweg wanderten wir Richtung Westen bis zur Brücke über den Verwallbach. Hier deponierten wir unsere Rucksäcke und stiegen zügig in ca. 45 min zum Muttenjoch (2620 m) hinauf. Hier trafen wir auf eine Gruppe von Steinböcken, die sich in der Morgensonne aufwärmten. In weiteren 15 min erreichten wir über etwas Geröll und ein paar Felsplatten den Gifpel der Gaisspitze (2779 m). Überraschenderweise findet sich noch kein Eintrag bei hikr.org über diesen, zwar abseits gelegenden, aber trotzdem lohnenden Gipfel. Wir genossen den herrlichen Rundblick auf die Verwall- und Silvrettagruppe. Aus Westen zog die schon tagszuvor angekündigte Kaltfront heran: ein beeindruckendes Schauspiel, wie die tiefhägnenden Wolken an die Berge geschoben wurden und die Nebelschwaden von der Bieler Höhe ins Paznauntal hinab flossen.
Zurück bei der Abzweigung am Verwallbach machten wir uns an den Abstieg über den Adamsberg nach Galtür. Dieser Weg war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in den Karten eingezeichnet; der Alpenvereinsführer "Verwallgruppe" beschreibt ihn aber als "neu errichteten Weg" und von der Hütte aus ist der Absteig ebenfalls gut ausgewiesen und markiert. Romantisch durch endlose Lawinenverbauungen und dazwischen gepflanzte Zirben hindurch ging es im Zick-Zack steil hinab ins Paznauntal. Zum Glück erreichten wir Galtür noch vor der Kaltfront, die nun mit Macht vom Kapssee und der Bielerhöhe ins Tal drückte. In einem gemütlichen Zimmer in einer Familien-Pension direkt im Dorf freuten wir uns über diese gelungene Wanderung und darüber, dass wir im Trockenen saßen, während draußen der Regen vom Himmel stürzte.
[hier geht's zur Fortsetzung der Tour in der Silvretta-Gruppe]
Kleines Fazit
Wir können diese Tour nur weiter empfehlen! Sie bietet jede Menge Abwechslung in interessantem und anspruchsvollem Terrain. Dazu kommen großartige Aus- und Tiefblicke in die beeindruckende Bergwelt des Verwall. Uns haben die fast messerartigen "Jöchlis" und die weiten Schuttkare besonders imponiert. Für den ambitionierten Alpinwanderer bieten die Gipfel am Wegesrand jede Menge Betätigungsmöglichkeiten; auch Kletterer kommen, vorallem an der Darmstädter Hütte auf ihre Kosten. Für genaue Vorschläge verweisen wir auf den Alpenvereinsführer "Verwallgruppe", der Rother Bergverlages. Hier sind auch die erwähnten Höhenwege genau beschrieben.
Für diesen Sommer planten wir eine mehrtägige Wanderung in den Alpen. Die beiden Bergruppen Verwall und Silvretta hatten wir schon länger für eine solche Unternehmung ins Auge gefasst. Zufällig stießen wir bei der Recherche auf eine Internet-Seite, die die, erst kürzlich zusammengestellte "Verwall-Runde" beschreibt. Der dort beschriebene Weg deckte sich wunderbar mit der von uns bevorzugten Route und so setzten wir diesen Vorschlag in die Tat um. Der Einstieg in die Tour sollte Pettneu an der nordöstlichen Ecke der Verwall-Gruppe sein. Der Bergkette vom Hohen Riffler im NO zur Gaisspitz im SW folgend, wollten wir den östlichen Teil der Verwallgruppe durchschreiten und schließlich in Galtür in die Silvretta-Gruppe wechseln.
Der Charakter der Tour ist durchaus alpin; die Schwierigkeit der Wege bewegt sich zwischen unterem T3- und oberen T4-Bereich. Man sollte auf das teils weglose - aber durchweg gut markierte - Gehen in Fels, Geröll und ausgedehnten Schutthalden vorbereitet sein. Beim Übergang von der Darmstädter zur Friedrichshafener Hütte muss der Große Küchlferner überquert werden. Im Spätsommer oder bei wenig Niederschlag im Winter sind hier Steigeisen und Pickel durchaus angebracht. Konditionell anspruchsvoll sind auch die - im Vergleich zu anderen Bergruppen - steilen Jöcher und Pässe: einem recht flachen Zustieg ans Ende des Tals folgt ein ziemlich steiler Anstieg hinauf zum Sattel. Die schroffe Berglandschaft, die beeindruckenden Tiefblicke und die gelungene Wegführung der Höhenwege lohnt eine Begehung auf jeden Fall.
Noch eine kleine Anmerkung: Leider gibt es zu dieser Tour keine Bilder. Das Digitalzeitalter hatte damals noch nicht Einzug bei uns gehalten, und unserer kleinen analogen Kamera ging leider gleich zu Beginn der Saft aus. Uns bleiben aber die Erinnerungen an diese großartige Tour und wir versuchen, sie hier in Worten wiederzugeben.
1. Tag (11.08.2007) - Hüttenzustieg Edmund-Graf-Hütte (T3)
[Aufstieg 1200 hm, 8,5 km Distanz]
Nach einer strapaziösen Zugfahrt nach Landeck in Tirol (Nachtzug von Berlin nach München, dann weiter über Innsbruck) nahmen wir den Postbus nach Pettneu-Kirche. Um halb eins mittags begann dann unser Abenteuer. Von der Haltestelle gingen wir noch ein Stück die Dortstraße entlang, überquerten die Landstraße Nr. 197 und folgten der kleinen Straße hinab zum Fluss Rosanna. Vor der Bahnlinie gings links ab, dann nach rechts unter selbiger hindurch. Wir überquerten die Rosanna, dann wanderten wir auf breitem Fahrweg hinein ins Malfontal. Bei der Hinteren Malfonalpe (1825 m) begann der teils steZustieg ins Jakobstal. Nach etwa drei Stunden erreichten wir die Edmund-Graf-Hütte (2375 m), auf der wir einen angenehmen Hüttenabend verbrachten.
2. Tag (12.08.2007) - Hoher Riffler (T4), Riffler Weg (T3+) und Kieler Weg (T3) zur Niederelbe Hütte
[Hoher Riffler: 800 hm Aufstieg und Abstieg; Höhenwege: 500 hm Aufstieg, 550 hm Abstieg, 9 km Distanz]
Gleich am ersten vollen Tourentag sollte heute der höchste Berg der ganzen Tour bestiegen werden, der Hohe Riffler. Wir deponierten etwas Gepäck, darunter die mitgebrachten Steigeisen und Pickel, in der Hütte und begannen um viertel nach sieben den Aufstieg. Es war recht kühl und der frische Wind ließ die gefühlte Temperatur noch niedriger erscheinen. Zunächst ging es in nördlicher Richtung hinter der Hütte die Almwiesen hinauf. Bei P. 2614 drehten wir nach Nordosten ab und wanderten auf stetig steiler werdendem Weg durch ein Schuttkar hinauf zu der breiten Firnscharte zwischen Blankahorn und Kleinem Riffler. Über das kleine Firnfeld gelangten wir zum Gipfelaufbau. Über teilweise noch mit Reif überfrorenen Felsplatten erreichten wir nach insgesamt eineinhalb Stunden den Südgipfel des Hohen Rifflers (3168 m).
Die Sicht vom Gipfel war großartig. Noch war keine Wolke am Himmel, der Alpenhauptkamm im Süden lag zum Greifen nahe. Zum Genießen der Aussicht ließ uns der zunehmend kalte Wind aber nicht viel Zeit. Nach kurzer Gipfelrast machten wir uns wieder an den Abstieg zur Hütte auf dem gleichen Weg (ca. 1 1/4 h). Das zurückgelassene Gepäck wurde wieder eingeladen, dann gings an den Übergang zur Niederelbe Hütte.
Der Riffler-Weg führte uns von der Edmund-Graf-Hütte zunächst in südöstlicher Richtung auf die andere Seite des Jakobstals. Über eine kleine, mit Drahtseilen versicherte Felsstufe erreichten wir den Schmalzgrubensee (2558 m). Weit waren wir zwar noch nicht gekommen, aber der See lud einfach zu einer Rast ein. Schnell hatten wir auf dem mitgebrachten Gaskocher ein kleines Mittagessen bereitet (gefriergetrocknete Gerichte können sooo lecker sein, wenn man wirklich Hunger hat) und genossen die Ruhe an diesem malerischen Bergsee. Gestärkt gings dann auf gutem Bergweg hinauf zur Schmalzgrubenscharte (2697 m).
Nun gings auf dem Kieler-Weg zunächst steil hinab in die Südostflanke der Hohen Spitze und hinüber auf deren Südrücken (P. 2440). Der anschließende Höhenweg traversierte nun die Südseite des Verwall-Hauptkammes etwa auf einer Höhe von 2000 m bis 2400 m. Zum Ende hin zieht sich der Weg etwas in die Länge, aber die wunderbare Sicht auf die Silvretta-Gruppe sorgte für Ablenkung. Leicht erschöpft aber gut gelaunt erreichten wir das heutige Etappenziel, die Niederelbe Hütte (2310 m).
3. Tag (13.08.2007) - Hoppe-Seyler-Weg (T4) zur Darmstädter Hütte
[850 hm Aufstieg, 800 hm Abstieg, 9 km Distanz]
Von der Niederelbe Hütte hat man zwei Möglichkeiten, zur Darmstädter Hütte zu gehen: den leichteren Sepp-Jöchler-Weg über das Sessladjöchli; oder den anspruchsvolleren Hoppe-Seyler-Weg über die Kieler Wetterhütte und das Schneidjöchli. Wir hatten uns für den zweiten Übergang entschieden. Morgens beim Aufstehen regnete es überraschenderweise in Strömen; erst nach einem verlängertem Frühstück gegen halb acht ließ der Regen etwas nach und wir zogen los.
Von der Hütte verlief der Weg in westlicher Richtung, die Südflanke des Breiterkopfs querend, hinein in das breite Fatlar. Auf gutem Weg erreichten wir zügig das Ende des Kars. Nun stieg der Weg in Serpentinen durch Schutt und Geröll steil hinauf zur Oberen Fatlarscharte und mit der Kieler Wetterhütte (2800 m). Leider regnete es jetzt wieder stärker und wir machten nur kurz Rast, bevor wir steil in anspruchsvollem Block-Geröll-Gelände Richtung Süden abstiegen. Die Nässe machte die teils mit Flechten überzogenen Felsen recht glitschig und den Abstieg zusätzlich interessant. Bei der nächsten Verzweigung hielten wir uns rechts und querten durch Südflanke der Fatlarspitze nach Westen. Der Weg ist gut mit roten Markierungen und Steinmännchen gekennzeichnet. Teils über Schotter, teils über große Felsblöcke stiegen wir anschließend zum Schneidjöchli (2841 m) hinauf.
Zum Glück wurde das Wetter besser und als wir auf dem Schneidjöchli ankamen, lugte die Sonne sogar zwischen den Wolken hervor. Wieder wurde unser Gaskocher hervor gekramt; diesmal auf dem Speiseplan: Asia-Nudel-Suppe. Auch sehr lecker und gut gegen Durst. Nach der kleinen Mittagsrast stiegen wir steil über Geröllfelder hinab ins das weite Rund des Hinteren Kartells. Der fast kreisrunde und nur mit einem recht schmalem Ausgang nach Norden versehene Talkessel bietet eine großartige Kulisse für diverse Klettertouren zu den flankierenden Gipfeln. Beeindruckend sind auch die beiden - leider etwas dezimierten - Gletscher. Wir umrundeten auf gutem Wanderweg das Hintere Kartell, bis wir nach total 6 1/2 Stunden incl. Pausen die Darmstädter Hütte (2384 m) erreichten.
4. Tag (14.08.2007) - Versuch Faselfadspitze, Scheibler (T4)
[750 hm Aufstieg und Abstieg]
Heute wollten wir von der Darmstädter Hütte den Westgipfel der Faselfadspitze ersteigen. Der Steig über den Südgrat war gerade noch in Bau, aber laut Aussage des Hüttenwirts Andi schon gut begehbar. Allerdings hatte es in der Nacht und am Morgen ausgiebig geregnet und wir waren deshalb nicht sicher, ob wir den Steig begehen konnten.
Um halb neun machten wir auf den Weg. Nach wenigen Minuten verließen wir den Weg zum Kuchajoch bei einem großen Steinmann und gingen über Gras und Geröll nach Norden in Richtung Faselfadspitze. Wir liefen zunächst auf die vor uns liegende Geländestufe zu und umgingen die Felsstufe dann links ausholend. Einige kleine Steinmännchen erleichterten die Wegfindung. Nach der ersten Geländestufe drehten wir nach Westen ab, überquerten zwei kleine Schneefelder und erreichten schließlich den Einstieg zum S-Grat. Wir kletterten die ersten Meter in dem kleinen Kamin hoch, mussten aber bald erkennen, dass der Fels zu schmierig war und brachen die Besteigung ab.
Zurück auf dem Wanderweg beschlossen wir als Alternative, den Scheibler zu erklimmen. So wanderten wir etwas mühsam zum Kuchajoch (2730 m) hinauf. Durch das zunehmende Abschmelzen des Großen Kuchaferners werden die blanken Felsen und Geröllhalden freigelegt. Die direkte Besteigung des Kuchajoch über den Ferner ist nicht mehr möglich - zumindest im Sommer. So musste der Weg zum Joch in die Geröllhänge der Südostflanke des Scheibler verlegt werden. Vom Kuchajoch erreichten wir in einigen Minuten in interessanter Kraxelei den Gipfel des Scheiblers (2978 m).
Wieder zurück in der Hütte gab's Kaffee und Kuchen. Der Nachmittag war noch nicht zu Ende und so beschlossen wir eine kleine Erkundungstour zum großen Küchlferner und dem Aufsteig von morgen zu unternehmen. Über den alten Aufstieg westlich vom P. 2524 erreichten wir das Geröllfeld unterhalb des Gletscherabbruchs. Wir wanderten in anspruchsvollem Geröll- und Blockgelände zum Gletscher hinüber. Nach ausgiebiger Begutachtung und Diskussion über die morgige Routenwahl, stiegen über den neuen Weg östlich vom P. 2524, an vielen roten Markierungen vorbei wieder hinab zur Hütte.
5. Tag (15.08.2007) - Ludwig-Dürr-Weg (T4, L) zur Friedrichshafener Hütte
[750 hm Aufstieg, 1000 hm Abstieg, 9,5 km Distanz]
Die heutige Etappe war wohl die anspruchsvollste der ganzen Tour, sowohl technisch als auch konditionell. Um zwanzig nach sieben starteten wir in diesen wunderbar sonnigen und warmen Tag. Über den neuen Weg entlang der zahlreichen roten Markierungen stiegen wir östlich um P. 2524 herum zum Küchlferner hinauf. Wir hielten uns zunächst auf der rechten Seitenmoräne und querten recht weit oben hinüber zum Gletscher. Die mäßig steile Überquerung des fast komplett aperen, mit zahlreichen, bis zu 10 cm breiten Spalten zerfurchten und mit vielen Steinen übersähten Ferners erforderte volle Konzentration. Der Bergschrund war gut zu überqueren, nur ein kleiner Schritt über den schneegefüllten Riss. Der anschließende Aufstieg zum Rautejöchli (2752 m) über Fels und steile Geröllflächen mit etwas matschigem Restschnee war ebenfalls nicht ohne Spannung. Vom Rautijöchli konnten wir noch einmal den Blick über das Hintere Kartell und die Darmstädter Hütte schweifen lassen. Wir kommen wieder, dann aber mit Kletterausrüstung zum Besteigen der zahlreichen umliegenden Gipfel!
Die anschließende Alpinwanderung auf dem Ludwig-Dürr-Weg zur Friedrichshafener Hütte war, mal mit schwerem Marschgepäck, recht kraftraubend. Zunächst stiegen wir steil über Blöcke und Geröll hinab in das weite Schuttkar der östlichen Madleinalpe. In weitem Bogen wanderten wir in südlicher Richtung an den Fuß des Ostgrates des Nördlichen Schönbleiskopfes. Nun ging es steil hinauf zu P. 2782. Nach einer kleinen Rast gings wieder steil hinab in das Schuttkar östlich des Schönbleisjöchlis. Ein erstes Schneefeld konnte gut überschritten werden, dann querten wir die Schutthänge in das nächste Kar südöstlich des Südlichen Schönbleiskopfes. Wir überquerten ein weiteres Schneefeld, dann gings wieder steil hinauf auf das letzte Joch südöstlich von P. 2915. Etwas erschöpft genossen wir ein weiteres Gericht von unserem Gaskocher und erholten uns an der warmen Sonne.
Jetzt ging es (fast) nur noch bergab. Wieder stiegen wir steil vom Joch in endlosen Serpentinen durch die Schutthalden hinab und querten hinüber zur Karkopfnasa P. 2596. Weiter ging's über Schutt und Geröll, dann kam doch noch ein kleiner Anstieg zum Dürrschärtli (2666 m). Wieder ein steiler Abstieg zum Lumpaschadseele bei P. 2507, dann zog sich der folgende Abstieg zur Friedrichshafener Hütte scheinbar endlos in die Länge. Nicht mehr wirklich fit erreichten wir die Freidrichshafener Hütte (2138 m) und waren über die Pasta Bolognese am Abend mehr als glücklich.
6. Tag (16.08.2007) - Gaisspitze (T3+) und Abstieg nach Galtür (T3)
[Gaisspitze: 650 hm; Höhenweg: 750 hm Abstieg, 6 km Distanz]
Zur gewohnten Zeit gingen wir die letzte Etappe unserer Verwall-Durchquerung an. Auf dem Fahrweg wanderten wir Richtung Westen bis zur Brücke über den Verwallbach. Hier deponierten wir unsere Rucksäcke und stiegen zügig in ca. 45 min zum Muttenjoch (2620 m) hinauf. Hier trafen wir auf eine Gruppe von Steinböcken, die sich in der Morgensonne aufwärmten. In weiteren 15 min erreichten wir über etwas Geröll und ein paar Felsplatten den Gifpel der Gaisspitze (2779 m). Überraschenderweise findet sich noch kein Eintrag bei hikr.org über diesen, zwar abseits gelegenden, aber trotzdem lohnenden Gipfel. Wir genossen den herrlichen Rundblick auf die Verwall- und Silvrettagruppe. Aus Westen zog die schon tagszuvor angekündigte Kaltfront heran: ein beeindruckendes Schauspiel, wie die tiefhägnenden Wolken an die Berge geschoben wurden und die Nebelschwaden von der Bieler Höhe ins Paznauntal hinab flossen.
Zurück bei der Abzweigung am Verwallbach machten wir uns an den Abstieg über den Adamsberg nach Galtür. Dieser Weg war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in den Karten eingezeichnet; der Alpenvereinsführer "Verwallgruppe" beschreibt ihn aber als "neu errichteten Weg" und von der Hütte aus ist der Absteig ebenfalls gut ausgewiesen und markiert. Romantisch durch endlose Lawinenverbauungen und dazwischen gepflanzte Zirben hindurch ging es im Zick-Zack steil hinab ins Paznauntal. Zum Glück erreichten wir Galtür noch vor der Kaltfront, die nun mit Macht vom Kapssee und der Bielerhöhe ins Tal drückte. In einem gemütlichen Zimmer in einer Familien-Pension direkt im Dorf freuten wir uns über diese gelungene Wanderung und darüber, dass wir im Trockenen saßen, während draußen der Regen vom Himmel stürzte.
[hier geht's zur Fortsetzung der Tour in der Silvretta-Gruppe]
Kleines Fazit
Wir können diese Tour nur weiter empfehlen! Sie bietet jede Menge Abwechslung in interessantem und anspruchsvollem Terrain. Dazu kommen großartige Aus- und Tiefblicke in die beeindruckende Bergwelt des Verwall. Uns haben die fast messerartigen "Jöchlis" und die weiten Schuttkare besonders imponiert. Für den ambitionierten Alpinwanderer bieten die Gipfel am Wegesrand jede Menge Betätigungsmöglichkeiten; auch Kletterer kommen, vorallem an der Darmstädter Hütte auf ihre Kosten. Für genaue Vorschläge verweisen wir auf den Alpenvereinsführer "Verwallgruppe", der Rother Bergverlages. Hier sind auch die erwähnten Höhenwege genau beschrieben.
Tourengänger:
alpinos
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