Gros Perré & Vanil Carré

Obwohl unmittelbar benachbart, lassen sich Gros Perré und Vanil Carré nicht vernünftig kombinieren. Die Skirouten trennen sich bereits in Liéry Odet und der Grat ist im Winter keine Option. So dachte ich zumindest. Beim Kartenstudium dann plötzlich der Geistesblitz: ein steiles SW-Couloir stellt die Verbindung zwischen den beiden Geländekammern her. So fuhr ich gespannt und hochmotiviert Richtung Intyamon-Tal und fühlte mich fast schon an meine besten Zeiten erinnert.

Die Anfahrt ab Grandvillard bietet bereits mehr Abenteuer als nötig: doch mit beherztem Einsatz (sprich Schwung) schaffe ich es auf der weiss planierten Strasse tatsächlich bis nach P. 1227. Dort wird mir die Affiche definitiv zu kriminell und ich lass den Karren stehen. Bereits kurz nach dem Start lasse ich mich zu einer vermeintlichen Abkürzung verführen: Liéry Odet (1345m) umgehend peile ich über einen Sommerweg in direkter Linie Les Tsavas an. In der Abfahrt definitiv lohnend, aber im Aufstieg Blödsinn: in der engen, steilen Waldschneise verbrennt man unnötig Energie. Egal, nach Ankunft im Kessel von Les Tsavas beruhigt sich mein Puls wieder und ich studiere die garstige Westflanke der Pointe de Paray.

Die Gipfelkote des Gros Perré ist aus dieser Perspektive noch verdeckt, doch verlaufen wird sich hier niemand. Und der Berg wurde am Wochenende angespurt, wenn auch etwas steil für meine abgenutzten Felle...Vor dem Gipfelaufschwung dann leichtes Stutzen: Wieso führt die Spur nicht der offiziellen Route dem Grat entlang, sondern direkt die steile Nordflanke (>40°) hoch? Die Antwort später. Nach einem ärgerlichen, fellbedingten Unterbruch mitten im Steilhang - zum Glück habe ich Klebeband dabei - geht's weiter bis zum Gipfelkreuz des Gros Perré (2208m), welches sich zurzeit noch ganz auf Skiern erreichen lässt. Nach dem durchwegs schattigen Aufstieg strahlt mir oben die Sonne ins Gesicht und ich geniesse den Rundumblick auf die geliebten Freiburger Alpen. Ach wieviele Abenteuer habt Ihr mir schon beschert!?

Frisch gestärkt mache ich mich an die Zwischenfahrt, dieses Mal über die "offizielle" Route dem NW-Grat entlang. Diese entpuppt sich als ziemlich unsinnig: Im Zwischenteil versperren Felsblöcke die Durchfahrt. Statt zu tragen, weiche ich anspruchsvoll in die Westflanke aus (ausgesetzt, >45°, SS), stürzen verboten. Dann wieder dem Grat entlang Richtung P. 1977, in dessen Falllinie "mein" Couloir abgeht. Dessen obersten, sehr steilen Meter sind aper. Ich mag erneut nicht tragen und fahre - rutschen trifft es besser - stattdessen von Osten ein (>45°, beinhart, S+). Auch das Couloir selbst ist pickelhart. Oder dann mit Lawinenkegeln verziert...
[Hinweis: Ohne meine Spezialeinlagen wäre das Couloir mit "S-" zu bewerten."]

Egal, es bietet eine effiziente Verbindung zwischen den beiden Gipfeln und so verbleiben gerademal 250Hm bis zum Skidepot (mit Buch) am Vanil Carré (2195m). Den Gipfel selbst schenke ich mir, obschon ich Pickel und Steigeisen dabei hätte. Ich staune über mich selbst, da kommen ganz neue Züge zum Vorschein... Aber ich war im Sommer schon oben und verspüre einfach keinerlei Lust auf ausgesetzte Schneewühlerei. Stattdessen eine "petite causette" mit einem Einheimischen und das obligate "casse-crôute de sommet".

Die Abfahrt entpuppt sich als ganz leidlich: in den extremen Schattenhängen konnte sich der Pulver vielerorts noch halten, sofern kein Wind reinkam. Die schönsten Schwünge erlauben dann wider Erwarten die sanften, besonnten Hänge unten auf der Alp Chadou. Über Liéry Odet (1344m) geht's der Fahrstrasse entlang rassig zurück zum Ausgangspunkt.