Veneziaspitze 3386m - Überschreitung im Alleingang


Publiziert von Cubemaster , 4. Januar 2025 um 17:38.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum: 5 August 2024
Hochtouren Schwierigkeit: ZS-
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 11:00
Aufstieg: 1700 m
Abstieg: 1700 m

Der einfachste Anstieg auf die Veneziaspitze von der Marteller Seite führt über den Schranferner in die Lücke zwischen Dritter Veneziaspitze und Hinterer Schranspitze sowie anschließend über den langen, aber einfachen Grat über die Dritte und Zweite zur Ersten Veneziaspitze (relativ einfache Hochtour, vermutlich im Bereich L bis WS-). Deutlich anspruchsvoller ist die Route über Hohenferner und Köllkuppe (ich schätze ZS-).  Mangels eines Tourenpartners kamen beide Routen über die Gletscher nicht infrage und ich musste wieder einmal improvisieren. Eine Überschreitung des ganzen Kamms klang natürlich auch recht interessant und so tüftelte ich mir eine Route aus, die zwar lang, aber machbar sein sollte.

Enzianhütte - Köllkuppe
Ich startete am Parkplatz bei der Enzianhütte und wanderte gemütlich über die Zufallhütte zur Marteller Hütte. (Diesen Weg kannte ich schon, da ich vor Jahren einmal von dieser Seite aus Zufallspitze und Cevedale bestiegen hatte.) Nach einer kleinen Pause an der Hütte ging es weiter mit einem kurzen Abstieg zum See. Dahinter gabelt sich der Weg und ich nahm denjenigen, der Richtung Hohenferner hinaufführt (Nr. 27). Der markierte Weg endet dann auf einer kleinen Anhöhe vor einem Gletschersee. Hier bog ich rechts ab und lief erst in südlicher, dann in südwestlicher Richtung über etwas mühsames, aber unproblematisches Gelände in Richtung eines Rückens der nördlich von der Hohenfernerspitze herabzieht.

Der Rücken läuft in eine kleine Felsstufe aus, so dass ich etwas seitlich einstieg (von Nordosten), um diese zu umgehen. Danach ging es am Grat hinauf, eine kurze Passage im unteren Bereich ist recht steil und man muss aufgrund der Brüchigkeit Vorsicht walten lassen. Dann wird es immer flacher und bald hatte ich meinen ersten Gipfel des Tages erreicht. Anschließend ging es direkt weiter am Grat entlang Richtung Südosten. Einige Aufschwünge habe ich umgangen, teilweise musste ich auch etwas kraxeln (bis II, brüchig). Nach der Lücke zur Köllkuppe (vom Hohenferner problemlos zu erreichen) steigt der Grat dann an und in moderat schwieriger Kletterei (bis II, brüchig, großteils leichter bzw. Gehgelände) erreichte ich die Köllkuppe.

Köllkuppe - Veneziaspitze
Nach ein paar Fotos ging es auch hier direkt weiter, ich hatte ja noch einiges vor mir. Zuerst müssen ein paar Zacken überklettert bzw. umgangen werden (II). Da das Gelände generell brüchig ist, hielt ich mich immer so nah am Grat wie möglich. Ohne größere Schwierigkeiten erreichte ich dann eine Lücke vor dem Aufschwung zur Veneziaspitze. Hier zieht nun eine scharfe, gezackte Schneide nach oben, die problematisch aussah (mindestens III) und Fußspuren führen in die linke (nordwestliche) Flanke. Weiter oben am Grat sah eine weitere Stelle sehr unangenehm aus (Spuren eines Ausbruchs in den letzen Jahren), daher folgte ich den Fußspuren in die Flanke.

Die Fußspuren verloren sich in der steilen Flanke und oberhalb waren Plattenschüsse, die einen Wiederaufstieg zum Grat erstmal unmöglich machten. Sehr vorsichtig arbeitete ich mich durch das gefährliche, abschüssige Gelände vorwärts, immer leicht absteigend, da mich kleine Stufen nach unten drängten. An einer schwach ausgeprägten Rippe war das Gelände dann etwas weniger steil und ich konnte mich hinaufkämpfen bis unter einen sperrenden, ca. 2m hohen Riegel aus brüchigen, vorstehenden Platten. Ein kleiner kaminartiger Einschnitt erlaubte mir, diesen Riegel zu überwinden, und ich erreichte den Grat kurz oberhalb der Stelle mit dem Ausbruch.

Die ganze Umgehung war heikles T6-Gelände, also ein ziemlicher Mist. Im Nachhinein ärgere ich mich ein bisschen, dass ich gar nicht erst versucht habe, am Grat zu klettern. Denn als ich die Stelle mit dem Ausbruch von oben begutachtete, sah es machbar aus. Man könnte vermutlich ausgesetzt auf der südöstlichen Seite um den Ausbruch herumkraxeln und dann über steile Stufen den Grat wieder erreichen. Dann würde alles von der unteren Kletterstelle abhängen, das müsste man eben vorsichtig probieren. Jedenfalls hatte ich nun die schwierigen Passagen überwunden und das letzte Stück zum Gipfel war mehr oder weniger Gehgelände.

Veneziaspitze - Hintere Schranspitze
Die Aussicht von oben war wieder einmal grandios: Man sieht die hohen Berge der Ortler- und Cevedalegruppe, eine große Seenplatte im Südosten, welche durch den starken Rückgang des Vedretta Careser entstanden ist, und vieles mehr. Nun ging es weiter dem Grat entlang, ein Schneefeld am Nordostgrat der Veneziaspitze konnte ich vorsichtig ohne Steigeisen bewältigen. Ansonsten traf ich auf keine besonderen Schwierigkeiten bei der Überschreitung der Zweiten und Dritten Veneziaspitze, so dass ich viel Aussicht genießen konnte.

Auf diesem Stück war ich dann auch endlich ganz schmerzfrei, mein immer noch leicht geschwollenes Schienbein (siehe hier) hatte anfangs noch etwas Probleme gemacht, die stundenlange gute Durchblutung schien nun aber endgültig positiv zu wirken. Nach einer weiteren Graterhebung hinter der Dritten Veneziaspitze ging es schließlich hinunter ins Joch zur Hinteren Schranspitze. (Von hier aus könnte problemlos der flache Schranferner betreten werden.) Der Aufstieg zur Hinteren Schranspitze war zwar kraftraubend, aber ebenfalls einfach. So stand ich schließlich auf dem sechsten und letzten Gipfel des Tages.

Hintere Schranspitze - Enzianhütte
Nach einer kleinen Pause machte ich mich daran, den Nordgrat abzusteigen. Hier traf ich auf deutlich mehr Schwierigkeiten als erwartet. Nach dem obersten, etwas abschüssigen Stück stellen sich mehrere Gratzacken in den Weg, welche ich ostseitig über steile Schneefelder umgehen musste. Ohne Steigeisen wäre dort kein Durchkommen gewesen! Dummerweise sieht man von oben kommend nicht, wann man wieder zum Grat aufsteigen muss, und so kraxelte ich einmal zu früh hinauf. Schließlich wieder am Grat, erwartete mich eine weitere recht abschüssige Passage, dann wird es aber immer einfacher und ich konnte nach rechts in einen Kessel absteigen.

Über das übliche Geröllgelände stieg ich zum Wanderweg (Nr. 37a) ab. Dann folgte ich dem Weg nach rechts in Richtung des Abzweigs zur Vorderen Rotspitze. Hier stieg ich nicht ganz bis zum Abzweig auf, sondern kürzte über deutliche Pfadspuren nach links ab (zum Weg Nr. 31). Gemütlich stieg ich nun über Wanderwege ab, machte dabei einige Fotos und besuchte noch einen Aussichtspunkt an der Plimaschlucht. Zufrieden über eine wunderschöne Tour (mit ein paar kleinen Einschränkungen) kam ich schließlich wieder beim Parkplatz der Enzianhütte an.

Zeiten:
Enzianhütte 6:20
Zufallhütte 7:00
Marteller Hütte 8:05 - 8:15
Gletscherrand 9:15
Hohenfernerspitze 10:15
Köllkuppe 11:05
Erste Veneziaspitze 12:25 - 12:45
Zweite Veneziaspitze 13:00
Dritte Veneziaspitze 13:20- 13:25
Hintere Schranspitze 14:25 - 14:30
Abzweig zur Rotspitze 16:00
Enzianhütte 17:20

Bemerkungen
Generell war die Tour sehr schön. Ein Nachteil ist mit Sicherheit das brüchige Gelände, auch in den schwierigeren Passagen ist es nicht besser. Schlüsselstelle war der Aufstieg zur Veneziaspitze, hier würde ich unbedingt empfehlen, den Grat zu probieren, bevor man die ekelhafte Umgehung in Erwägung zieht.
Zuletzt noch eine Anmerkung für geländegängige, abenteuerlustige Wanderer: Ich gehe davon aus, dass man die Veneziaspitze ohne Gletscherberührung oder Klettereien erwandern kann: Vom Rifugio Dorigoni über Weg Nr. 104 bis unter die Cima Mezzena, dann unterhalb von Hinterer Rotspitze und Hinterer Schranspitze über große Geröllfelder bis in die Lücke zwischen Dritter Veneziaspitze und Hinterer Schranspitze. Ab dort am Grat entlang ohne wesentliche Schwierigkeiten (bei schneefreien und trockenen Bedingungen natürlich!) bis zum Gipfel. Als Tagestour braucht man dafür sicher eine Kondition wie ein Ochse, aber man kann ja auch auf der Hütte übernachten...

In Gedenken an 83_Stefan, der mich mit seinem schönen Bericht zu dieser Tour inspiriert hat.

Tourengänger: Cubemaster


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