Zittauer Gebirge (I / II): Rund um Oybin


Publiziert von Bergmax , 9. November 2024 um 19:42.

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Oberlausitz
Tour Datum:21 Oktober 2024
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 7:30
Aufstieg: 800 m
Abstieg: 800 m
Strecke:Oybin Bahnhof - Gratzer Felsen - Krieche - Töpfer - Böhmische Aussicht - Scharfenstein - Gr. Felsengasse - Rosensteine - Kelchstein - Hain - Ludwigshöhe - Waldtheater - Oybin Bahnhof
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto oder Zug zum Bahnhof Oybin
Unterkunftmöglichkeiten:z. B. Hotel am Berg Oybin
Kartennummer:R. Böhm: Zittauer Gebirge Ostteil 1:10.000 / Bellmann, Trültzsch: Kletterführer Zittauer Gebirge / opentopomap.org

Pilze sammeln auf den Felsen...

Etwas unmotiviert könnte man das Zittauer Gebirge als Miniausgabe der Sächsischen Schweiz bezeichnen. Es sind weniger Felstürme, im Schnitt auch nicht ganz so hoch. Und das Gebirge ist ganz schön kleinräumig, fast wie eingequetscht in den äußersten Südosten Sachens rund um die Kurorte Jonsdorf und Oybin.
Andererseits ragen die eigentlichen Berge höher auf als in der Sächsischen Schweiz. Und wer klettert, wird feststellen, dass viele der Felsen echt harte Brocken sind - vor allem natürlich der unverwechselbare Kelchstein. Das Zittauer Gebirge wird durchaus rege besucht, aber eben nicht so international; es ist eher lokal bekannt und deswegen auch recht authentisch geblieben.

Natürlich könnte man von Dresden oder so einen Tagesausflug ins Zittauer Gebirge unternehmen, aber lustiger ist es, direkt im Gebirge zu übernachten und ganz ohne Zeitdruck dort herumzustöbern. Also habe ich drei Nächte in Oybin gebucht, um zwei ausführliche Wander- und Kraxeltouren durchzuführen: eine eher im östlichen und die zweite eben im westlichen Teil. Ein bisschen Vorerfahrung ist vorhanden und dadurch schon klar, dass man in zwei Tagen nicht jedes kleine Türmchen, Bäumlein oder Quellwässerchen zu Gesicht bekommen kann - aber zumindest eine Menge davon.

Bei trockenem, aber grauen Herbstwetter gehe ich am Bahnhof von Oybin (ca. 390 m) los, und zwar nicht in den Ort hinein, sondern an der Straße entlang nach Norden bis etwa auf halbe Strecke zur Teufelsmühle. Kurz vor dem Bahnübergang (ca. 370 m) zweigt ein alter Forstweg nach rechts (Osten) ab. Zu meinem Erstaunen ist dieser mit einem Zaun versperrt, eine Tafel hängt dran. Erst will ich sie gar nicht lesen - wieder mal irgendein Betretungsverbot? - tue es dann aber doch. Ach so! Der Zaun gilt für Wildschweine wegen der Schweinepest, nicht für Menschen. Man darf also mit gutem Gewissen in das Gebiet hinein.
in einem Schlenker gewinne ich etwa 50 Höhenmeter, bevor der Weg in mehrere Trampelpfade aufgeht. Ich halte mich tendenziell eher nördlich, nicht östlich und erreiche nach weiteren 50 Höhenmetern die erste Felsgruppe - die Gratzer Felsen. Der Hauptfelsen heiße auch Gratzer Höhle, obwohl es dort nicht wirklich eine Höhle gibt.
Diese Sandsteinfelsen sind eigentlich recht typisch für das Zittauer Gebirge: ziemlich zerklüftet, einige hohe Wände, aber auch düstere Winkel und völlig vergrünte Bereiche. In Summe gibt es dort etwa ein halbes Dutzend einzelne Klettergipfel. Ich versuche mich an einem Ier und kraxele eine Schrofenwand hoch - und merke gleich, das ich aus der Übung bin, was den Sandstein betrifft. Oben müsste man durch einen selbstverständlich senkrechten Kamin zum Gipfel, was ich jetzt nicht gleich als erstes machen möchte. Nach ein paar Tagen Training wäre der "Weg" vielleicht drin gewesen...

Also weiter, denn die nächsten Felsen warten schon. Östlich der Gratzer Felsen befindet sich das Töpfermassiv. Ich wandere aber nicht direkt zur Gaststätte hinauf, sondern steige erst wieder etwas auf der Nordseite ab bis zum Beginn der Krieche (ca. 480 m). Das ist eine klassische und auch ausgeschilderte Stiege. Es gibt viele steile Sandsteinstufen, aber keine besonderen Überraschungen. Vor dem Schlussaufstieg schaue ich mir noch den Saurier und die Echse an. Beides Kletterfelsen, wobei vor allem die Echse scheinbar nur aus aufeinandergestapelten Blöcken besteht. Den Ier-Aufstieg finde ich nicht so richtig...

Die Krieche endet mehr oder weniger genau im Gastgarten der Baude (ca. 580 m). Für ein Bier ist es aber selbst mir zu früh. Dafür steige ich gleich mal auf das Töpfertor mit seiner ulkigen Wendeltreppe. Oben bekomme ich einen kräftigen, kalten und unangenehmen Wind ab, der über den Gebirgskamm drüberfegt und der mich (leider) fast die ganzen zwei Wandertage begleiten wird.
Deshalb - und wegen der dunstig-bescheidenen Aussicht gehe ich gleich weiter in östliche Richtung zur nächsten Sehenswürdigkleit. Das ist die Brütende Henne, die stolz auf einer Art Sockel sitzt. Obwohl ein Naturdenkmal, dürfte man hinaufklettern. Das Problem ist aber nicht die Henne selbst, sondern der Sockel, auf den man am einfachsten durch einen unangenehm breiten Kamin käme. Auch hierfür fehlt es mir gerade an Übung.

Tja, ich hätte ehrlich gesagt auch nicht ernsthaft gedacht, dort so einfach hinaufzukommen. Also weiter zur Böhmischen Aussicht am Ostrand des Plateaus. Ohne den Dunst wäre der Blick zum Jeschken bei Reichenberg, ins Iser- und Riesengebirge sicher super, aber so gibt der Platz wenig her. Ich mache noch einen Abstecher zur tiefer gelegenen Rübezahlwand, einem Sandsteinturm aus ganz festem und glatten Gestein (fast wie Quarzit) und erblicke vom Weg dorthin den Kleinen Kelch. Dieser tropfenartige Felsblock nahe der Abbruchkante auf dem Massiv ist selbst hierzulande für einen Klettergipfel zu niedrig, wird aber nichtsdestotrotz manchmal bestiegen (das könnte man neumodisch als Boulderproblem bezeichnen...).

So, jetzt habe ich aber doch Appetit auf ein Bier, das ich bloß aus dem Rucksack nehmen muss. Schön kühl ist es auch. Es hat eben seine Vorteile, im Herbst und nicht im Hochsommer wandern zu gehen. Auf dem nächsten Wegabschnitt in Richtung Scharfenstein kann ich es in Ruhe trinken, denn sooo spannend ist es dort nicht. Wobei mir der Herbstwald gut gefällt. Kurz vor dem Scharfenstein geht es dann über eine lange Reihe Sandsteinstufen abwärts zu einer großen Wegkreuzung (530 m) mit Rastplatz.

Der Scharfenstein (570 m) ist ein toller, freistehender Felsen, der über Eisentreppen fast schon etwas entäuschend einfach zugänglich ist. Bei starkem Höhenschwindel wohl trotzdem kein sonderlicher Genuss. Oben hätte man wieder mal eine prima Rundumsicht, heute gibts vor allem kalten Wind. Und hier hat auch der Normalwanderer mal die Gelegenheit, eine echt sächsische Gipfelbuchkassette aufzumachen und sich in das Buch einzutragen.

Nach dem Eintrag steige ich wieder über die Stiege hinunter und wandere dann weiter in südliche Richtung zur Edmundshütte. Der Wegabschnitt ist durch Waldschäden in Mitleidenschaft gezogen und zum Glück nur kurz. Die Edmundshütte (offene Schutzhütte, ca. 580 m) befindet sich in einem kleinen Sattel am oberen "Eingang" der Großen Felsengasse.

Hier möchte ich den nächsten Klettergipfel suchen und erkunden - den Abt. Er befindet sich vielleicht einhundert Meter nordwestlich der Hütte. Praktischerweise geht sogar ein kleiner Pfad in diese Richtung, doch er endet an einer Reihe von Klippen mitten im Wald. Nun habe ich drei Quellen für den Weiterweg, die alle nicht ganz eindeutig sind - die Böhm-Karte, den Kletterführer und die opentopomap.org. Ich entscheide mich intuitiv für letztere. Und habe Glück. Ich halte mich eher nördlich und gelange so absteigend auf einen Sporn, von dessen Spitze ich die Gipfelbuchkassette sehe - durch einen tiefen Spalt getrennt.
Der Sprung wäre nur etwas für echte Könner. Aber da gibt es ja noch den Alten Weg, einen Ier, der um den halben Gibbel herumquert. ich steige ab zum Einstieg an einer begrünten Wandstufe. Dahinter ein eigentlich ausgesetztes, aber völlig bewaldetes Felsband. So gelange ich in die Talseite und schließlich zum Eingang in den Schlusskamin. Alles an ihm gefällt mir. Senkrecht, völlig begrünt, düster und mit riesigen, aber natürlichen Tappsen in den Wänden. Da komme ich rauf! Gut, vielleicht hätte ich den Rucksack unten lassen sollen, aber es geht auch mit.
Jetzt kann ich sie endlich aus der Nähe betrachten, die Gipfelbuchkassette. Super edel, mit eingeprägtem Gipfelnamen und natürlich auch ein besonders gut gepflegtes Buch, in dem sich jährlich immer nur so zwei bis drei Seiten füllen. Manchmal sagt man scherzhaft-verächtlich, dass man auf diesem oder jenen Gibbel Pilze sammeln könne. Auf dem Abt gibts heute tatsächlich welche. Kuhröhrlinge. Die sind sogar essbar, aber minderwertig...
Runterwärts geht der Kamin - wie meistens bei solchen Wegen - einfacher als hochzu. Dann noch die kleine Wandstufe am Ende des Bandes. Als ich denke, das sei schon geschafft, rutsche ich plötzlich mit dem rechten Fuß weg. Weil aber rechts unten letztlich irgendwo ein Abgrund kommt, mache ich sofort eine unelegante Bewegung nach links, um mich zu fangen. Grumpf, aber nix passiert, denke ich. Rückblickend muss mein Knie aber bei der Aktion einen abbekommen haben, wie ich in den nächsten Tagen noch unangenehm bemerken werden...

Zurück an der Edmundshütte schaue ich in die Karte und entscheide mich für einen kurzen Abstecher zum höchsten Punkt (596 m) in der näheren Umgebung (Brandhöhe). Oben gibts zwar einen kleinen Gipfelfelsen, aber so richtig lohnend ist das nicht. Egal, weiter gehts durch die Große Felsengasse. Nicht wahnsinnig beeindruckend, aber ganz hübsch. Gegen Ende der Felsengasse lohnt sich unbedingt ein Abstecher zu einem Aussichtspunkt mit Tiefblick auf Oybin. Hier endet der Klettersteig Alpiner Grat - ein "echter" Klettersteig mittlerer Schwierigkeit, der gewöhnlich gesichert und nur von unten nach oben begangen wird. Gut zu wissen, dass der Steig lohnend aussieht. Da würde ich beim nächsten Mal die Ausrüstung mitbringen, zumal es bei Jonsdorf noch einen zweiten Klettersteig gibt. Zunächst aber bestaune ich die Taube. Diese wiederum befindet sich "auf" dem Klettergipfel Osterturm, der mehr ein Sammelmassiv als ein isolierter Turm ist. Jedenfalls mache ich einen Versuch, steige über das Geländer der Aussicht und quere über Bänder und Schrofen (kaum ausgesetzt, aber eine Stelle rückzu etwas tricky) in die Scharte am Fuß des Vogels.
Hier müsste ich nun einen Riss hoch, bei dem mir der Rückweg irgendwie suspekt ist. Wäre ein Gibbelbuch auf dem Vogelkopf, wäre auch die Motivation höher. So aber lasse ich es dann doch lieber sein und kraxele vorsichtig zur Aussicht zurück.

Als nächstes geht es kräftig abwärts zu den Rosensteinen. Diese Klettergipfel bestehen aus auffallend rötlichem, rundlich verwitterten Sandstein, der extrem weich ist. Mich interessiert der Hauptrosenstein mit seiner beeindruckenden Südwand. Dort will ich natürlich nicht direkt hochklettern, jedoch weiß ich, dass ich den Felsen vor Jahren mal von der Rückseite bestiegen habe und dies ganz schön eklig gewesen ist... Naja, mal sehen.
Man kann rechts (östlich) durch eine schmale, sandige Gasse um den Hauptrosenstein queren. "Dahinter" befindet sich eine Lichtung mit einer bemerkenswerten Aussicht zu den anderen Rosensteinen, deren Farbe und Form sich doch merklich aus der Masser der Sandsteinfelsen abheben.
Ich quere dann weiter, bis ich eine Art Band in der Nordseite betreten kann. Nun geht es quasi in Gegenrichtung weiter. Puh, da hat mich die Erinnerung nicht getäuscht! Irgendwie klettere ich dann schon rauf, aber mehr an morschem Holz, Heidelbeersträuchern, loser Erde und was weiß ich was noch denn an  Fels. Trotzdem dürfte ich mir oben angekommen den Leichten Weg ins Tourenbuch eintragen. Außer einigen Maronenröhrligen wachsen im Leichten Weg auch reichlich Kahle Kremplinge, Achtung, die sind giftig. Mir gelingt es im Auf- wie im Abstieg, alle Pilzhüte ganz zu lassen ;-).
Ganz im Gegensatz zum Weg dorthin ist das Gipfelplateau des Hauptrosensteins sauber und aussichtsreich. Nur ein Gibbelbuch kann ich nicht finden. Nach dem Abstieg schaue ich mir die Talseite genauer an und entdecke es dort, wo es am steilsten ist - etwas unter der Abseite in der Westecke. Gut, immerhin gibt es eines und ich weiß jetzt, wo es liegt.

Ein paar Dutzend Meter südlich der Rosensteine steht auch schon der Kelchstein. Den muss man einfach mal gesehen haben! Die Klettergeschichte ist durchaus interessant. Zumindest geht hier unter VIIc sächsisch gar nix.

Ich gehe noch etwas mehr bergauf, überquere dann die Straße (ca. 490 m, kostenloser Parkplatz)  und gönne mir einen gemütlichen Waldhatscher zur kleinen Siedliung Hain. Am östlichen Ortseingang wandere ich gleich weiter zur Ludwigshöhe (527 m). Nicht so spektakulär, aber sehr hübsch, um die getane "Arbeit" zu überblicken. Auf der nächsten Wegstrecke entlang der Kante (immer gut 500 m) macht sich das lädierte Knie erstmals unangenehm bemerkbar. Naja, ist ja eh bald geschafft für heute! Da der Ameisenberg für morgen auf dem Programm steht, habe ich keine Qual damit, am Thomasweg nach Oybin abzubiegen. Doch halt! Unweit der Schutzhütte Käseecke (ca. 465 m) gibt es doch noch einen Klettergipfel, der vielleicht erreichbar wäre...?

Dieser Gibbel - es ist der Liebesturm - fehlt in der Böhm-Karte, nicht aber im Kletterführer. Das deutet darauf hin, dass er noch nicht soooo ewig lang anerkannt ist. Nördlich der Schutzhütte beginnt ein steiler Pfad, der nach zehn Minuten direkt an der Bergseite des Gipfels entlanggeht. Hier gibt es ein paar recht kurze, aber steile Kletterwege (ca. VII sächsisch). Mich interessiert aber wie immer der einfachste Weg am Rand der Talseite. Es ist eine Rinne, die wieder einmal dermaßen mit alten Nadeln und Erde gefüllt ist, dass die Kletterschwierigkeit undefinierbar ist. Jedenfalls kann man nicht ganz einfach hochspazieren. Oben gibt es keine Aussicht, aber ein Gibbelbuch. Ich glaube, es ist sogar noch das "originale" der lokal bekannten "Entdecker" dieses Wahnsinns-Kletterziels. Der Abstieg fühlt sich dann ähnlich an wie eine Rusche auf einem Spielplatz, nur das Landegelände unten ist nicht so toll ;-).

Zurück an der Schutzhütte ists nur noch ganz kurz nach Oybin. Ich nehme den Weg "hinter" dem Berg Oybin am ehemaligen Waldtheater entlang. Davon ist nach 60 Jahren nichts mehr übrig als ein schattiges Plätzchen. Zuletzt spaziere ich an einem Teich vorbei zum Bahnhof und zu meiner Unterkunft. Eine kurze Pause und ein Glas Wein tun gut vor dem Abendessen.

Abenteuer Abendessen - eigentlich wäre der Bericht nun schon fertig, doch ich habe noch einige Tipps für das Futtern im Zittauer Gebirge:
- es wird extrem zeitig gegessen: man sollte abends allerspätestens 18 Uhr 30 im Gasthaus sein,
- Bargeld ist hilfreich und in Oybin / Jonsdorf kriegt man nicht viel davon,
- wer keine Platzangst hat, dem sei die "Kleine Burg" empfohlen...

Gehzeiten stückele ich hier mal nicht auf. Wer die Runde ohne Abstecher geht, schafft das in vier Stunden, verpasst aber viel. Ich habe mit kleinen Pausen über sieben Stunden gebraucht.

Schwierigkeiten - Wanderwege T1 und T2, bestenfalls mal knapp T3. Die Kraxelabstecher sind eigentlich unbewertbar, theoretisch I, passender aber T4 bis T5

Fazit - tja, mein Knie wirds mir nicht danken, ansonsten aber sehr lustig und erinnerungswürdig...

Tourengänger: Bergmax


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