Kühkarlspitze – Großes Karwendelfeeling zum „kleinen Preis“
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Als Freund der Einsamkeit und Urtümlichkeit im Gebirge ist mir das Karwendel sehr ans Herz gewachsen. Ein Ort der Ruhe, der Herausforderungen und des Ausgleichs. Die Einsamkeit hat allerdings auch ihren Grund: viele Touren sind nicht markiert, die Anfahrt nur mit einem Bike sinnvoll zu bewältigen, die Zustiege steil, das Gelände schroff, der Fels brüchig.
Die heute vorgestellte Tour ist auch für weniger abenteuerorientierte geeignet, die das Karwendel kennen lernen möchten. Es war eine meiner letzten Touren aus 2023, an den Verhältnissen wird sich aber wenig geändert haben. Den Bericht hatte ich lange unfertig auf dem PC, veröffentliche ihn nun aber doch, da es eine schöne Tour war, die einen kleinen Kontrast zu meinen sonst eher anspruchsvolleren Touren und Berichtstil bildet. Es handelt sich daher hier nicht nur um einen Tourenbericht, sondern um eine kleine Ode an das Karwendel mit einigen persönlichen Gedanken.
Vorweg, ein Bike, Trittsicherheit und ein wenig Orientierungssinn sind erforderlich aber der Reihe nach. Wie so oft Start mit dem Bike am Parkplatz kurz vor der Grenze und ab ins Hinterautal. Wie oft war ich hier schon und trotzdem erfüllt mich dieser Weg (besonders im Licht der ersten Sonnenstrahlen) mit größter Freude. Bis zur Kastenalm unproblematisch, danach wird der Weg etwas schroffer, da es nicht mehr weit ist, kann man ab hier aber auch einfach laufen. Das Karwendel zeigt sich bereits von seiner schönsten herbstlichen Seite. Man folgt zunächst dem Weg ins hintere Rossloch, zweigt dann aber bald links auf den Steig ins Moserkar ab. Bei Orientierungsschwierigkeiten einfach eher früh in das Kiesbett wechseln und nach einer Gasse in den Latschen linkerhand, markiert mit einem Steinmann, Ausschau halten.
Man folgt dem Weg, bis man zu einer kleinen Feuerstelle und einer Gedenkstätte für Andi (bemalte Steine, Fähnchengirlande). Es dürfte sich hier um den 2020 an der KaWaKa verunglückten Bergsteiger handeln, weiter oben kommt man noch an ein paar Kerzen für die ebenfalls in diesem Jahr verunglückte Bergsteigerin vorbei. Die Berge waren für diese beiden sicherlich Orte der Lebensfreude und Erholung, wie sie es auch für mich sind. Auch heute wird mir hier besonders bewusst, dass ich mit besonderer Dankbarkeit auf eine gelungene und verletzungsfreie Saison zurückblicken kann, die leider nicht jedem vergönnt ist. Das Karwendel ist zwar (wohl aufgrund der geringen Frequentierung) eher nicht als Unfallschwerpunkt bekannt. Gerade den kühneren Spitzen sollte aber mit größtem Respekt begegnet werden, da sie so tückisch wie anziehend sind.
Weiter geht’s dann links hinauf auf gut erkennbarem Steig, bis sich dieser zweiteilt (Steinmann). Für mich geht es heute nicht links (KaWaKa), sondern gerade aus. Der Weg verläuft schön neben der Moserkarbachklamm, bis man den Bach schließlich überqueren kann, um dem Steig ins große Kühkar zu folgen (links neben dem Bach, der aus ebendiesem fließt). Der Weg durch die Latschen ist gut ausgeschnitten, man muss allerdings ein wenig aufpassen, dass man nicht in der Botanik landet, weil man eine Kurve verpasst hat. Einmal biege ich nicht ab und bahne mir fluchend den Weg durch die dichten Latschen. Auf etwa 1800 hm verliert sich der Steig langsam. Man hält sich möglichst im grasigen Gelände, um den mühsamen Schutt zu vermeiden.
Absolute Einsamkeit, das Kar liegt noch immer im Schatten der Sonnenspitzen, während die Gipfel im Glanz der Herbstsonne bereits golden erstrahlen. Vom Südwestgrat der Kühkarlspitze kommen mir unzählige Gämsen entgegen und queren in das große Schuttkar unter die Westwand der Sonnenspitzen. Ich beobachte die Tiere und bewundere die Leichtigkeit, mit der sie sich bewegen. Es gibt hier sicher mehrere Optionen. Ich gehe auf dem grasigen Steifen zunächst weiter, rechts am Südwestgrat vorbei und quere dann bald nach links auf diesen. Umso grüner, umso besser lautet hier die Devise. Die Grasschöpfe bieten guten Halt in der mit Schutt durchsetzen Flanke (T4). Oben angelangt geht es auf dem grasigen Rücken weiter Richtung Gipfel, hier ist nochmal einfaches Gehgelände.
Die letzten 150 hm am Südgrat sind felsig und karwendeltypisch brüchig. Ein bisschen muss man auch für diesen Gipfel arbeiten. Es ist aber bei weitem nicht so schlimm wie so mancher Gipfel der Umgebung. Die "Kletterei" geht über den oberen I. Schwierigkeitsgrad und vielleicht T4+ nicht hinaus (hier geht’s aber ohnehin nicht um Klettern, sondern sicheres Gehen im alpinen Gelände). Ausgesetzt ist es nicht sonderlich, wenn man nicht zu weit in die Flanken ausweicht. Quasi Karwendel light.
Eine letzte Stufe und ich stehe am Gipfel. Das kleine Gipfelbüchlein in einer alten Munitionskiste verrät, dass hier ähnlich wenig los ist, wie auf den Nachbarn, keine 10 Einträge dieses Jahr. Am Panorama kann´s nicht liegen. Die Nordabbrüche gewähren atemberaubende Tiefblicke. Nach Norden hin sieht man die Falkengruppe und auch bis zu den Karwendelgipfeln westlich des Achensees. Östlich erheben sich mächtig die Sonnenspitzen, denen ich auch noch einen Besuch schulde (mittlerweile erledigt: https://www.hikr.org/tour/post189361.html), westlich dann Moserkar- und Rauhkarlspitze sowie der unbenannte Gipfel und selbstverständlich der Südgrat der stolzen Kaltwasserkarspitze, der das Panorama begrenzt. Hinter dem Moserkar sieht man Teile der Gleiersch-Halltal-Kette. Ich gönne mir eine ungewöhnliche lange Gipfelrast und genieße ein kleines Nickerchen in der Herbstsonne. Gedanklich bin ich wieder bei den Verunglückten, die Stimmung ist heute von einer gewissen Melancholie geprägt. Auf einem der Steine unten steht „Das Leben fragt nicht, das Leben tut es“. Bergsteigen bedeutet für mich Leben in seiner pursten Form – einen Schmalen Grat geht man manchmal zwischen Hochgefühlen und der eigenen Endlichkeit, die teils nur einen Abrutscher, einen ausgebrochenen Griff oder einen fallenden Stein entfernt ist. Mit Demut sollte man den Gipfeln begegnen, denn sie haben einen fest im Griff. Niemand „bezwingt“ einen Berg, der Berg lässt einen gewähren und hoffentlich wieder gehen.
Kräftiger Wind setzt ein und ich mache mich langsam an den Abstieg. Nicht nur zwecks sicheren Schrittes lohnt sich der Blick auf den Boden. Das brüchige Gestein gibt auch immer wieder Einblicke in längst vergangene Zeiten. Versteinerte Korallen, wilde und gleichsam erstaunlich uniforme Gesteinsformen laden zum genaueren Betrachten ein. Dazwischen vereinzelte Pflanzen, wahre Überlebenskünstler. Zwei schönen Steine stecke ich ein, um sie unten an die Gedenkstätten zu legen. Retoure geht’s auf demselben Weg, der mittlerweile angenehm sonnig ist. Ohne Zeitdruck ohne technische Schwierigkeiten hat man mehr Zeit für die Kleinigkeiten, die sonst oft unbemerkt bleiben. Ich setze mich noch ein wenig an den Moserkarbach und beobachte das Wasserspiel im Licht der bereits untergehenden Sonne.
Dann geht’s die letzten Meter nach unten. Ich lege die Steine ab, halte kurz inne und verabschiede mich. Ruhet in Frieden, Kameraden im Geiste! Vielleicht lernen wir uns eines Tages kennen. Im Licht der letzten Sonnenstrahlen geht es zurück nach Scharnitz. Es war ein würdiger (vorläufiger) Saisonabschluss mit ungeahnt tiefen Impressionen. Passt auf euch auf und genießt die Berge!
Die heute vorgestellte Tour ist auch für weniger abenteuerorientierte geeignet, die das Karwendel kennen lernen möchten. Es war eine meiner letzten Touren aus 2023, an den Verhältnissen wird sich aber wenig geändert haben. Den Bericht hatte ich lange unfertig auf dem PC, veröffentliche ihn nun aber doch, da es eine schöne Tour war, die einen kleinen Kontrast zu meinen sonst eher anspruchsvolleren Touren und Berichtstil bildet. Es handelt sich daher hier nicht nur um einen Tourenbericht, sondern um eine kleine Ode an das Karwendel mit einigen persönlichen Gedanken.
Vorweg, ein Bike, Trittsicherheit und ein wenig Orientierungssinn sind erforderlich aber der Reihe nach. Wie so oft Start mit dem Bike am Parkplatz kurz vor der Grenze und ab ins Hinterautal. Wie oft war ich hier schon und trotzdem erfüllt mich dieser Weg (besonders im Licht der ersten Sonnenstrahlen) mit größter Freude. Bis zur Kastenalm unproblematisch, danach wird der Weg etwas schroffer, da es nicht mehr weit ist, kann man ab hier aber auch einfach laufen. Das Karwendel zeigt sich bereits von seiner schönsten herbstlichen Seite. Man folgt zunächst dem Weg ins hintere Rossloch, zweigt dann aber bald links auf den Steig ins Moserkar ab. Bei Orientierungsschwierigkeiten einfach eher früh in das Kiesbett wechseln und nach einer Gasse in den Latschen linkerhand, markiert mit einem Steinmann, Ausschau halten.
Man folgt dem Weg, bis man zu einer kleinen Feuerstelle und einer Gedenkstätte für Andi (bemalte Steine, Fähnchengirlande). Es dürfte sich hier um den 2020 an der KaWaKa verunglückten Bergsteiger handeln, weiter oben kommt man noch an ein paar Kerzen für die ebenfalls in diesem Jahr verunglückte Bergsteigerin vorbei. Die Berge waren für diese beiden sicherlich Orte der Lebensfreude und Erholung, wie sie es auch für mich sind. Auch heute wird mir hier besonders bewusst, dass ich mit besonderer Dankbarkeit auf eine gelungene und verletzungsfreie Saison zurückblicken kann, die leider nicht jedem vergönnt ist. Das Karwendel ist zwar (wohl aufgrund der geringen Frequentierung) eher nicht als Unfallschwerpunkt bekannt. Gerade den kühneren Spitzen sollte aber mit größtem Respekt begegnet werden, da sie so tückisch wie anziehend sind.
Weiter geht’s dann links hinauf auf gut erkennbarem Steig, bis sich dieser zweiteilt (Steinmann). Für mich geht es heute nicht links (KaWaKa), sondern gerade aus. Der Weg verläuft schön neben der Moserkarbachklamm, bis man den Bach schließlich überqueren kann, um dem Steig ins große Kühkar zu folgen (links neben dem Bach, der aus ebendiesem fließt). Der Weg durch die Latschen ist gut ausgeschnitten, man muss allerdings ein wenig aufpassen, dass man nicht in der Botanik landet, weil man eine Kurve verpasst hat. Einmal biege ich nicht ab und bahne mir fluchend den Weg durch die dichten Latschen. Auf etwa 1800 hm verliert sich der Steig langsam. Man hält sich möglichst im grasigen Gelände, um den mühsamen Schutt zu vermeiden.
Absolute Einsamkeit, das Kar liegt noch immer im Schatten der Sonnenspitzen, während die Gipfel im Glanz der Herbstsonne bereits golden erstrahlen. Vom Südwestgrat der Kühkarlspitze kommen mir unzählige Gämsen entgegen und queren in das große Schuttkar unter die Westwand der Sonnenspitzen. Ich beobachte die Tiere und bewundere die Leichtigkeit, mit der sie sich bewegen. Es gibt hier sicher mehrere Optionen. Ich gehe auf dem grasigen Steifen zunächst weiter, rechts am Südwestgrat vorbei und quere dann bald nach links auf diesen. Umso grüner, umso besser lautet hier die Devise. Die Grasschöpfe bieten guten Halt in der mit Schutt durchsetzen Flanke (T4). Oben angelangt geht es auf dem grasigen Rücken weiter Richtung Gipfel, hier ist nochmal einfaches Gehgelände.
Die letzten 150 hm am Südgrat sind felsig und karwendeltypisch brüchig. Ein bisschen muss man auch für diesen Gipfel arbeiten. Es ist aber bei weitem nicht so schlimm wie so mancher Gipfel der Umgebung. Die "Kletterei" geht über den oberen I. Schwierigkeitsgrad und vielleicht T4+ nicht hinaus (hier geht’s aber ohnehin nicht um Klettern, sondern sicheres Gehen im alpinen Gelände). Ausgesetzt ist es nicht sonderlich, wenn man nicht zu weit in die Flanken ausweicht. Quasi Karwendel light.
Eine letzte Stufe und ich stehe am Gipfel. Das kleine Gipfelbüchlein in einer alten Munitionskiste verrät, dass hier ähnlich wenig los ist, wie auf den Nachbarn, keine 10 Einträge dieses Jahr. Am Panorama kann´s nicht liegen. Die Nordabbrüche gewähren atemberaubende Tiefblicke. Nach Norden hin sieht man die Falkengruppe und auch bis zu den Karwendelgipfeln westlich des Achensees. Östlich erheben sich mächtig die Sonnenspitzen, denen ich auch noch einen Besuch schulde (mittlerweile erledigt: https://www.hikr.org/tour/post189361.html), westlich dann Moserkar- und Rauhkarlspitze sowie der unbenannte Gipfel und selbstverständlich der Südgrat der stolzen Kaltwasserkarspitze, der das Panorama begrenzt. Hinter dem Moserkar sieht man Teile der Gleiersch-Halltal-Kette. Ich gönne mir eine ungewöhnliche lange Gipfelrast und genieße ein kleines Nickerchen in der Herbstsonne. Gedanklich bin ich wieder bei den Verunglückten, die Stimmung ist heute von einer gewissen Melancholie geprägt. Auf einem der Steine unten steht „Das Leben fragt nicht, das Leben tut es“. Bergsteigen bedeutet für mich Leben in seiner pursten Form – einen Schmalen Grat geht man manchmal zwischen Hochgefühlen und der eigenen Endlichkeit, die teils nur einen Abrutscher, einen ausgebrochenen Griff oder einen fallenden Stein entfernt ist. Mit Demut sollte man den Gipfeln begegnen, denn sie haben einen fest im Griff. Niemand „bezwingt“ einen Berg, der Berg lässt einen gewähren und hoffentlich wieder gehen.
Kräftiger Wind setzt ein und ich mache mich langsam an den Abstieg. Nicht nur zwecks sicheren Schrittes lohnt sich der Blick auf den Boden. Das brüchige Gestein gibt auch immer wieder Einblicke in längst vergangene Zeiten. Versteinerte Korallen, wilde und gleichsam erstaunlich uniforme Gesteinsformen laden zum genaueren Betrachten ein. Dazwischen vereinzelte Pflanzen, wahre Überlebenskünstler. Zwei schönen Steine stecke ich ein, um sie unten an die Gedenkstätten zu legen. Retoure geht’s auf demselben Weg, der mittlerweile angenehm sonnig ist. Ohne Zeitdruck ohne technische Schwierigkeiten hat man mehr Zeit für die Kleinigkeiten, die sonst oft unbemerkt bleiben. Ich setze mich noch ein wenig an den Moserkarbach und beobachte das Wasserspiel im Licht der bereits untergehenden Sonne.
Dann geht’s die letzten Meter nach unten. Ich lege die Steine ab, halte kurz inne und verabschiede mich. Ruhet in Frieden, Kameraden im Geiste! Vielleicht lernen wir uns eines Tages kennen. Im Licht der letzten Sonnenstrahlen geht es zurück nach Scharnitz. Es war ein würdiger (vorläufiger) Saisonabschluss mit ungeahnt tiefen Impressionen. Passt auf euch auf und genießt die Berge!
Tourengänger:
TobiasG
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