In der Goldach: vom Blumenegg zur Martinsbrugg


Publiziert von konschtanz , 20. August 2024 um 16:00.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:17 August 2024
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG 
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Start mit dem Velo Bärenplatz Kreuzlingen 10:50 Ankunft Hängebrücke Blumenegg Goldach 13:54 Rückkehr: Start mit dem Velo bei der Hängebrücke Blumenegg 21:07 Bärenplatz Kreuzlingen 23:19

Für heisse Tage ist eine Wanderung in der Goldach genau das Richtige. Mein Startpunkt ist der Technologiepark Blumenegg oberhalb von Goldach, mit dem Velo kommt man am Ufer noch ein Stückchen weiter, bis an die Stelle, wo neuerdings eine Hängebrücke zu finden ist. Mo6451 hat sie am 15. Januar 2023 schon anschaulich vorgestellt: Riederentobel mit neuer Hängebrücke.
https://www.hikr.org/gallery/photo3687100.html?post_id=177187#1
Bevor ich loslegte, warf ich erst einen Blick von der Brücke in die Runde. Dann stieg ich ans Ufer hinab.

Bittersüsser Nachtschatten - Glauben und Wissen
Dabei begegnete mir der Bittersüsse Nachtschatten mit seinen violett-gelben Blüten und zugleich grünen und roten Früchten, die wie kleine Tomaten aussahen.
Ich hatte gelesen, dass die giftigen Früchte erst bitter, dann süss schmecken, zum Beispiel hier:
https://gizbonn.de/giftzentrale-bonn/pflanzen/nachtschatten-bittersuesser
Zitat: "Früchte scharlachrote, nickende, vielsamige Beeren; anfangs bitter, dann süßlich schmeckend; VIII-X"
Also nahm ich eine reife Frucht und presste mit der Zunge den Saft aus. Es war ein markanter, bitterer oder herber Geschmack, für den mir vergleichende Worte fehlen. Der herbe Geschmack hielt ziemlich lange nach, von süss keine Spur. Hätte ich es nicht probiert, dann hätte ich es geglaubt. Wie bisher. Was weiß ich? Und was glaube ich?

Erdgletscher
Wenig unterhalb der Hängebrücke mündet eine langsam sich wälzende Masse in der Goldach. Ein Erdgletscher, wie man ihn hier nennt, der auch der wesentliche Grund für den Bau der Hängebrücke gewesen sein soll, wie Rudolf Hirtl am 10.2.2021 im Tagblatt 
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/fliessender-erdgletscher-lasst-rantelstrasse-absinken-ld.2099377
schreibt.
Im Gelände neben dem östlichen Brückenkopf war früher eine Hinweistafel zum Erdgletscher und auch ein Wanderweg, der hindurch führte. Holzstege und Rundhölzer, die nach jeder Instandsetzung vom Erdreich mitgenommen wurden, so dass man die Spuren von mehreren Stegen nebeneinander finden konnte. Die Brücke umgeht jetzt dieses Gelände, indem sie die Wandersleute auf die andere Seite leitet.
Wenn man durch die Goldach wandert, findet man noch mehr stellen, wo sich das Ufer in den Fluss wälzt. Aber durch diese Stellen führt kein vita parcours.

Gelbbauchunke
Knapp oberhalb der Stelle, wo das Laufkraftwerk Lochmüli steht, entdeckte ich im Wasser ein kleines Fröschlein. Ich nahm es in die Hand, und sah den gelb gefleckten Bauch: Eine Gelbbauchunke.
https://www.infofauna.ch/de/beratungsstellen/amphibien-karch/die-amphibien/arten/gelbbauchunke#gsc.tab=0

"Die Gelbbauchunke ist in der Schweiz gefährdet, regional sogar stark gefährdet und hat im letzten Vierteljahrhundert einen starken Bestandesrückgang erlitten. Bereits im 19. Jahrhundert haben die grossen Flusskorrektionen zu einem Verlust von Lebensräumen geführt. Dramatisch war der Rückgang von Vorkommen aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg, vor allem seit den 80er Jahren.

Die wichtigsten Ursachen für den Verlust von Lebensräumen der Unken sind die Trockenlegung von Feuchtgebieten, die Verbauung von Flüssen, die Technisierung der Landwirtschaft und der Bauindustrie sowie die Ausräumung von Randstrukturen und Brachland."

Erfreulich, dass sie hier gedeiht. In der Glimmersandgrube von Helsighausen TG hatte ich nachts mal mehrere Gelbbauchunken rufen gehört. Der Ruf war so eigenartig, dass ich nicht mal erkannte, was das war - ich dachte an Vogelstimmen, bis ich Hilfe von Fachleuten bekam. Hier ein Link zu ihrem Ruf:

https://www.infofauna.ch/de/beratungsstellen/amphibien-karch/die-amphibien/amphibienrufe#gsc.tab=0

Schön, dass die Goldach noch so naturbelassen ist. Unterwegs sah ich auch die Wasseramseln und Gebirgsstelzen auffliegen, an einer Stelle könnte sogar ein Eisvogel gewesen sein, falls ich den Ruf richtig erkannt habe - gesehen habe ich ihn nicht.

Gold giit's scho, ma muss es nume finde!
Bei der Wanderung in der Goldach stösst man da und dort auch auf Goldwäscher. Manche haben sich ein überdachtes Zeltlager aufgebaut und grillieren, andere kühlen ihr Bier im Wasser, da sieht man eine Waschrinne im Kies installiert, dort eine liegen gelassenen Waschschüssel, es ist ein friedliches Völkchen, das mit ein paar Goldflimmern zufrieden ist, auch wenn da vielleicht einer den Traum vom Nugget nicht aufgegeben hat. Als ich gegen 18 Uhr die Felsenge aus Nagelfluh erreichte, wo die Goldach zur Schlucht wird, kam mir ein einsamer Goldsucher entgegen, der seine Sachen gepackt hatte. Ich fragte ihn, ob er was gefunden habe. Nein, heute war kein erfolgreicher Tag. Aber morgen ist auch noch ein Tag, meinte er tröstend und fügte hinzu: Gold giit's scho, ma muss es nume finde!
Ich ging durch die Felsenge und fand mich dann dort wieder, wo ich im April dieses Jahrs über eine Rampe abgestiegen war. Damals war ich wegen des Wasserstands aber nicht weit gekommen. Diesmal hatte ich besser Karten. Und bald erreichte ich den

Meeresstrand von St. Gallen
Ja, ich stand auf einem Strand mit Muschelschalen. Die Muscheln lebten in einem Meer, das hier laut Geologen, vgl.
https://molasse-haie-rochen.de/allgemeines/obere-meeresmolasse-der-schweiz/
vor 18,5 - 17 Millionen Jahren existierte.
Als ich vor Jahren das erste Mal hier durchkam, waren mehrere Väter mit Goldwaschen beschäftigt, einer hatte Hammer und Meissel dabei und hämmerte seiner Tochter Muscheln aus dem Fels. 
Die Kinder waren dann damit beschäftigt, Goldflimmer gegen Muscheln zu tauschen.
Der inzwischen verstorbene Geologe Franz Hofmann hat in der Nordostschweiz übrigens umfangreiche Goldwaschproben durchgeführt, um festzustellen, in welchen Flüssen man Gold finden kann. Siehe:
https://www.sghb.ch/wp-content/uploads/2012/06/minaria-4b-1984-as.pdf
Dabei kam er zum Ergebnis, dass der Goldgehalt entscheidend davon abhängt, ob der Fluss die Obere Meeresmolasse durchschneidet. Damals soll es eine Meeresströmung gegeben haben, die goldhaltige Sande aus dem Napfgebiet nach Osten verfrachtete. Das heisst, auch in der Entstehung besteht ein Zusammenhang zwischen dem Gold und den Muscheln.
Heute waren allerdings keine Menschen mehr in der Schlucht. Um 18 Uhr bei einem Tag, der recht bewölkt anfing, war das auch nicht unbedingt zu erwarten.
Wie eindrücklich die Schlucht ist, können Fotos kaum vermitteln. Mit zunehmender Dunkelheit wurden sie auch nicht mehr so gut. Die gigantischen Felsblöcke, die jetzt im Bachlauf liegen, lassen erahnen, was hier abgeht, wenn Tauwetter ist oder andere Gründe zum Felssturz führen. 
Heute ging ich so weit, bis ich schräg über mir die St.Martinsbrugg sah.

Der Rückweg
An passender Stelle stieg ich mit den Wassersandalen in der Böschung auf und schlug mich durch's Gesträuch, bis ich den bewaldeten Bereich durchquert hatte und die Strasse nach Untereggen erreichte. Ich ging die Strasse entlang und nahm in der Böschung Platz, wenn sich ein Auto näherte. So erreichte ich sicher und noch bei Tageslicht Untereggen - Hinterhof. In Mittlerhof füllte ich meine Wasserflaschen bei der Bushaltestelle und bog dann nach links ab, dem  Wanderweg folgend. Über den Aussichtspunkt Höchi (620 m) mit Blick auf den Bodensee ging es nördlich weiter nach Hammershus, von dort nach Unterhospert. Dann folgte ich dem Wegweiser rechts nach Goldach, ging durch den Wald und erreichte kurz nach 21 Uhr noch die Hängebrücke und mein Velo bei Tageslicht.


Tourengänger: konschtanz


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Kommentare (2)


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ABoehlen hat gesagt: Ergänzung zu «Bittersüsser Nachtschatten - Glauben und Wissen»
Gesendet am 25. August 2024 um 11:39
> Was weiß ich? Und was glaube ich?
Gerade was wild wachsende Nachtschattengewächse anbelangt, kuriseren leider in der Literatur noch viele Falschinformationen. So ist der Bittersüsse Nachtschatten nicht einfach eine «Giftpflanze», von der man gefälligst die Finger zu lassen hat, sondern der Giftgehalt der Beeren nimmt im Laufe des Reifeprozesses immer weiter ab. Sind die Beeren vollreif, d.h. lassen sich mühelos vom Stängel lösen, oder fallen sogar von selbst ab, können sie als ungiftig betrachtet werden. Ein Genuss sind sie allerdings in der Tat nicht…
Dies betrifft genauso auch den wesentlich häufiger anzutreffenden Schwarzen Nachtschatten (Solanum nigrum), der in der gängigen Literatur auch als giftig bis stark giftig bezeichnet wird (sogar im sonst sehr geschätzten «Flora Helvetica»). Tatsächlich sind reife Beeren aber völlig bedenkenlos konsumierbar und sogar sehr wohlschmeckend. Vorgestern habe ich daraus Marmelade gekocht, was sich absolut lohnt.

konschtanz hat gesagt: RE:Ergänzung zu «Bittersüsser Nachtschatten - Glauben und Wissen»
Gesendet am 26. August 2024 um 16:44
Vielen Dank für die Hinweise. Ja die schwarze Beere vom schwarzen Nachtschatten schmeckt mir auch!


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