Auf der Via Alta Crio: Cassimoi-Cassinello-Überschreitung
Als ich vor Jahren in Wolken auf dem Pizzo Cassinello stand, habe ich mir vorgenommen wiederzukommen. Dieses Jahr fiel mir glücklicherweise das Heftlein der neuen Via Alta Crio (https://www.viacrio.ch/) in die Hände mit der Info, dass man Cassimoi und Cassinello nun auch weiß-blau-weiß überschreiten kann (Etappe 6). - Von der Länta-Hütte bin ich Tour angegangen und kann sie als wirklich genussvoll empfehlen.
VORBEMERKUNGEN
Zunächst zur Schwierigkeit. Die Südwand des Piz Cassimoi ist meist gut gestuft, weist anhaltende Blockkletterei mit dem einen oder anderen Kamin auf. Sobald es ausgesetzt wird, helfen entweder ein dicker Hanfstrick oder Haltebügel. Die Südwand des Piz Cassinello (1996 von Manfred Hunziker noch als ZS bewertet) ist steil und recht ausgesetzt, aber an den kritischen Stellen gut gesichert. Die Wegfindung ist überall einfach aufgrund der sehr üppigen Wegmarkierung. Die Cima di Aquila ist ohne Schwierigkeiten mitnehmbar. Unangenehm fand ich den Aufstieg zur Bocca di Fornee, die im oberen Teil steilen Schutt mit einzelnen kleinen, aber steilen Schneefeldern aufwies. Aufgrund der grundsätzlich guten Versicherung und den üppigen Markierungen kann ich die T6, die von den Organisatoren der Via Crio genannt werden, nicht nachvollziehen. Doch ein sattes T5 ist es schon und zwar an allen drei Wegpassagen!
Seit 2010 neu in der Landeskarte verzeichnet ist die Cima di Aquila, genau einen Meter niedriger als der Piz Cassimoi und einem Gipfelkreuz aus dem Jahr 2017 (das einzige Gipfelkreuz, welches man auf dieser Runde antrifft). Früher war dieses der NW-Gipfel des Pizzo di Cassimoi, wie der Doppelgipfel bis dato hieß. Dadurch, dass die Cima di Aquila nicht auf der Grenze zu Graubünden liegt, wäre dies nun der höchste Nicht-Grenzgipfel im Tessin (und nicht mehr der Pizzo Campo Tencia), wäre da nicht die geringe Schartenhöhe von 40 Metern...
Einen Pickel hätte ich mir gewünscht an den kleinen Restschneefeldern vor der Bocca di Fornee, meinen Helm habe ich gerne aufgezogen, nachdem der Valser Bergsteiger im Rega-Shirt vor mir schon Steine losgetreten hat.
DIE TOUR
Es sind gute 8 Kilometer vom oberen Zervreila-Parkplatz an der Kapelle (1.984 m - Ende der freigegebenen Teerstraße zur seit Jahren beständig und gut geführten Länta-Hütte auf 2.089 m. Diesen Weg erledigt man mit Vorteil schon am Vortag.
Diem Länta-Hütte ist von Thomas Meier seit vielen Jahren wunderbar geführt. Eine skurille Hütte, die sich in die Felsen hineindrückt, aber heimelig und gemütlich! Wir durften um 6 Uhr frühstücken; mein Bergpartner ging direkt auf den Pizzo Cassinello (via Soredapass) und ich ging die Überschreitung an.
Ich startet an der Länta-Hütte taleinwärts in Richtung Adula; nach kurzer Zeit passiert man den Abzweig zum Furrgelti; der Weg ist nun weiß-blau-weiß und nach etwa 20 Minuten erreicht man den Abzweig bei Punkt 2151. Ein Wegweiser zeigt hinauf zur Capanna Adula.
Nun geht es auf Wegspuren und stets üppig markiert steil durch schrofige Wiesenhänge hinauf. Nach einer ersten Geländestufe wird der Weg etwas sanfter, bis er auf 2.666 m in eine Schwemmebene mit kleinem Seelein mündet. Zwischendurch gibt es immer wieder ein paar Seile, um die steilsten Stellen gut zu überwinden. Hier erkennt man den Weiterweg: erst flach durch eine Schneemulde, dann steiler hinauf in Richtung südliche Scharte, um dann doch noch zur nördlichen Einsattelung der Bocca di Fornee hinüberzuziehen. Hier halten sich ein paar kleine steile Schneefelder, an denen ich mir Pickel oder zumindest einen Stock gewünscht hätte. Übler war die ausgesetzte, rutschige Stelle, an der das kaputte Seil hing. Hier hieß es, gleichzeitig beherzt und vorsichtig zu treten. Mit Seil wäre das kein Problem gewesen. Weitere Seilversicherungen leiten in die (nördliche) Bocca di Fornee (2.885 m; gut 1,5 Stunden ab dem Abzweig).
Nun beginnt der Spaß! Nach wenigen Schritten gelangt man schon an das massive Hanfseil, wie ich es aus dem Wallis kenne. Dieses Hanfseil leitet einen ersten Kamin hinauf und überwindet gleich einmal eine ausgesetzte Stelle. Das war auch gleich einmal ein Gradmesser, denn schwieriger und ausgesetzter wurde die Südwand des Piz Cassimoi nicht mehr. In einem schier endlosen Zickzack geht es über Bänder, die man oft frei geht, zu weiteren Kaminen; hier hat es oft Metall-Haltgriffe, um sicher nach oben zu gelangen. Mal in der Sonne, mal im Schatten, mal mit Seil, mal ohne, aber stets unterhaltsam! So wird auch nie ein ernsthafter zweiter Grat erreicht (maximal II-). Und ganz urplötzlich, sehr überraschend, steht man auf dem riesigen Cassimoi-Plateau! Was für ein Szenenwechsel und wie gigantisch sich die Felsarena hier gruppiert! Es sind noch etwa hundert flache Meter zum Gipfelsteinmann des Piz Cassimoi (3.129 m). Immerhin habe ich für die 200 Höhenmeter in der Südwand doch gute 45 Minuten benötigt...
Trotz der frühen Stunde erheben sich schon die ersten Quellungen in den Tessiner Tälern, aber noch ist der Monte Rosa fein zu sehen!
Eine kurze Gipfelrast und schon wartet der nächste Gipfel: Der wbw-Weg führt an der Cima di Aquila vorbei, doch an geeigneter Stelle zweigt man ab und erreicht über große Blöcke einfach den Gipfel. 20 Minuten sind es vom Piz Cassimoi zur Cima di Aquila (3.128 m; siehe meine Bemerkungen weiter oben).
Auch diese Gipfelrast fällt kurz aus und das nicht nur, weil die Quellungen weiter zunehmen. Besonders fasziniert die steile Südwand des Pizzo Cassinello, durch die der Weg wohl hinauf führt. Ich schaue immer wieder hinüber und sinne darüber nach, wo denn der günstigste Weg langführen mag; eine logische Route sieht man aus der Ferne nicht.
Ich gehe also zurück zu den Markierungen und folgen denen über sanfte Platten in die Senke Sella del Cassinello (3.000 m). Ab hier wird das Gelände wieder deutlich wilder. Zunächst geht es eine steilere Stufe hinauf, dann den blockigen Grat weiter zum Fuß der Südwand. Und jetzt sieht man auch schon ein weiteres Seil und ein weiteres Hanfseil... - Jaja, wird schon gehen.
Erstaunlich einfach und bequem geht es über ein paar schmale Bänder und über leichte Kletterstellen zum Beginn des ersten Seils. Das Seil hängt in einer steilen Verschneidung und man nimmt es gerne zu Hilfe. Das Hanfseil darüber leitet über einen griffarmen, aber ansonsten gutmütigen Riss hinauf. Tatsächlich sind es die ausgesetztesten Stellen der Tour, die aber durch die hervorragende Absicherung sehr gut zu bewältigen sind. Nach dem Hanfseil wird es flach und es fehlen nur noch ein paar Höhenmeter und man steht auf dem länglichen Gipfelplateau des Pizzo Cassinello (3.102 m; ca. 30 Minuten ab Cima di Aquila). Hier oben darf es dann auch gerne eine längere Rast sein, denn der Abstieg zieht sich gewaltig in die Länge.
In einer knappen Stunde geht es über interessantes Plattengelände den Steinmännern und spärlichen Markierungen folgend zum Soredapass (Passo d Soreda, 2.759 m). Von dort sind es anderthalb Stunden bis zur Einkehr an der Lampertsch.Alp (1.992 m), die wohl schon seit 27 bewirtschaftet wird. Die fast flachen verbleibenden 6 Kilometer zum Parkplatz sind zwar in einer guten Stunde zu bewältigen, ziehen sich aber auch noch unangenehm in die Länge; immerhin gibt es schöne Ausblicke!
FAZIT
Das macht defintiv Lust auf mehr: Die Via Crio beschreibt einen sehr interessanten Gratverlauf durch meist einsames Gelände. Wenn das alles so toll präpariert wurde, dann wäre der gesamte Weg sicherlich einer eigenen Unternehmung würdig!
VORBEMERKUNGEN
Zunächst zur Schwierigkeit. Die Südwand des Piz Cassimoi ist meist gut gestuft, weist anhaltende Blockkletterei mit dem einen oder anderen Kamin auf. Sobald es ausgesetzt wird, helfen entweder ein dicker Hanfstrick oder Haltebügel. Die Südwand des Piz Cassinello (1996 von Manfred Hunziker noch als ZS bewertet) ist steil und recht ausgesetzt, aber an den kritischen Stellen gut gesichert. Die Wegfindung ist überall einfach aufgrund der sehr üppigen Wegmarkierung. Die Cima di Aquila ist ohne Schwierigkeiten mitnehmbar. Unangenehm fand ich den Aufstieg zur Bocca di Fornee, die im oberen Teil steilen Schutt mit einzelnen kleinen, aber steilen Schneefeldern aufwies. Aufgrund der grundsätzlich guten Versicherung und den üppigen Markierungen kann ich die T6, die von den Organisatoren der Via Crio genannt werden, nicht nachvollziehen. Doch ein sattes T5 ist es schon und zwar an allen drei Wegpassagen!
Seit 2010 neu in der Landeskarte verzeichnet ist die Cima di Aquila, genau einen Meter niedriger als der Piz Cassimoi und einem Gipfelkreuz aus dem Jahr 2017 (das einzige Gipfelkreuz, welches man auf dieser Runde antrifft). Früher war dieses der NW-Gipfel des Pizzo di Cassimoi, wie der Doppelgipfel bis dato hieß. Dadurch, dass die Cima di Aquila nicht auf der Grenze zu Graubünden liegt, wäre dies nun der höchste Nicht-Grenzgipfel im Tessin (und nicht mehr der Pizzo Campo Tencia), wäre da nicht die geringe Schartenhöhe von 40 Metern...
Einen Pickel hätte ich mir gewünscht an den kleinen Restschneefeldern vor der Bocca di Fornee, meinen Helm habe ich gerne aufgezogen, nachdem der Valser Bergsteiger im Rega-Shirt vor mir schon Steine losgetreten hat.
DIE TOUR
Es sind gute 8 Kilometer vom oberen Zervreila-Parkplatz an der Kapelle (1.984 m - Ende der freigegebenen Teerstraße zur seit Jahren beständig und gut geführten Länta-Hütte auf 2.089 m. Diesen Weg erledigt man mit Vorteil schon am Vortag.
Diem Länta-Hütte ist von Thomas Meier seit vielen Jahren wunderbar geführt. Eine skurille Hütte, die sich in die Felsen hineindrückt, aber heimelig und gemütlich! Wir durften um 6 Uhr frühstücken; mein Bergpartner ging direkt auf den Pizzo Cassinello (via Soredapass) und ich ging die Überschreitung an.
Ich startet an der Länta-Hütte taleinwärts in Richtung Adula; nach kurzer Zeit passiert man den Abzweig zum Furrgelti; der Weg ist nun weiß-blau-weiß und nach etwa 20 Minuten erreicht man den Abzweig bei Punkt 2151. Ein Wegweiser zeigt hinauf zur Capanna Adula.
Nun geht es auf Wegspuren und stets üppig markiert steil durch schrofige Wiesenhänge hinauf. Nach einer ersten Geländestufe wird der Weg etwas sanfter, bis er auf 2.666 m in eine Schwemmebene mit kleinem Seelein mündet. Zwischendurch gibt es immer wieder ein paar Seile, um die steilsten Stellen gut zu überwinden. Hier erkennt man den Weiterweg: erst flach durch eine Schneemulde, dann steiler hinauf in Richtung südliche Scharte, um dann doch noch zur nördlichen Einsattelung der Bocca di Fornee hinüberzuziehen. Hier halten sich ein paar kleine steile Schneefelder, an denen ich mir Pickel oder zumindest einen Stock gewünscht hätte. Übler war die ausgesetzte, rutschige Stelle, an der das kaputte Seil hing. Hier hieß es, gleichzeitig beherzt und vorsichtig zu treten. Mit Seil wäre das kein Problem gewesen. Weitere Seilversicherungen leiten in die (nördliche) Bocca di Fornee (2.885 m; gut 1,5 Stunden ab dem Abzweig).
Nun beginnt der Spaß! Nach wenigen Schritten gelangt man schon an das massive Hanfseil, wie ich es aus dem Wallis kenne. Dieses Hanfseil leitet einen ersten Kamin hinauf und überwindet gleich einmal eine ausgesetzte Stelle. Das war auch gleich einmal ein Gradmesser, denn schwieriger und ausgesetzter wurde die Südwand des Piz Cassimoi nicht mehr. In einem schier endlosen Zickzack geht es über Bänder, die man oft frei geht, zu weiteren Kaminen; hier hat es oft Metall-Haltgriffe, um sicher nach oben zu gelangen. Mal in der Sonne, mal im Schatten, mal mit Seil, mal ohne, aber stets unterhaltsam! So wird auch nie ein ernsthafter zweiter Grat erreicht (maximal II-). Und ganz urplötzlich, sehr überraschend, steht man auf dem riesigen Cassimoi-Plateau! Was für ein Szenenwechsel und wie gigantisch sich die Felsarena hier gruppiert! Es sind noch etwa hundert flache Meter zum Gipfelsteinmann des Piz Cassimoi (3.129 m). Immerhin habe ich für die 200 Höhenmeter in der Südwand doch gute 45 Minuten benötigt...
Trotz der frühen Stunde erheben sich schon die ersten Quellungen in den Tessiner Tälern, aber noch ist der Monte Rosa fein zu sehen!
Eine kurze Gipfelrast und schon wartet der nächste Gipfel: Der wbw-Weg führt an der Cima di Aquila vorbei, doch an geeigneter Stelle zweigt man ab und erreicht über große Blöcke einfach den Gipfel. 20 Minuten sind es vom Piz Cassimoi zur Cima di Aquila (3.128 m; siehe meine Bemerkungen weiter oben).
Auch diese Gipfelrast fällt kurz aus und das nicht nur, weil die Quellungen weiter zunehmen. Besonders fasziniert die steile Südwand des Pizzo Cassinello, durch die der Weg wohl hinauf führt. Ich schaue immer wieder hinüber und sinne darüber nach, wo denn der günstigste Weg langführen mag; eine logische Route sieht man aus der Ferne nicht.
Ich gehe also zurück zu den Markierungen und folgen denen über sanfte Platten in die Senke Sella del Cassinello (3.000 m). Ab hier wird das Gelände wieder deutlich wilder. Zunächst geht es eine steilere Stufe hinauf, dann den blockigen Grat weiter zum Fuß der Südwand. Und jetzt sieht man auch schon ein weiteres Seil und ein weiteres Hanfseil... - Jaja, wird schon gehen.
Erstaunlich einfach und bequem geht es über ein paar schmale Bänder und über leichte Kletterstellen zum Beginn des ersten Seils. Das Seil hängt in einer steilen Verschneidung und man nimmt es gerne zu Hilfe. Das Hanfseil darüber leitet über einen griffarmen, aber ansonsten gutmütigen Riss hinauf. Tatsächlich sind es die ausgesetztesten Stellen der Tour, die aber durch die hervorragende Absicherung sehr gut zu bewältigen sind. Nach dem Hanfseil wird es flach und es fehlen nur noch ein paar Höhenmeter und man steht auf dem länglichen Gipfelplateau des Pizzo Cassinello (3.102 m; ca. 30 Minuten ab Cima di Aquila). Hier oben darf es dann auch gerne eine längere Rast sein, denn der Abstieg zieht sich gewaltig in die Länge.
In einer knappen Stunde geht es über interessantes Plattengelände den Steinmännern und spärlichen Markierungen folgend zum Soredapass (Passo d Soreda, 2.759 m). Von dort sind es anderthalb Stunden bis zur Einkehr an der Lampertsch.Alp (1.992 m), die wohl schon seit 27 bewirtschaftet wird. Die fast flachen verbleibenden 6 Kilometer zum Parkplatz sind zwar in einer guten Stunde zu bewältigen, ziehen sich aber auch noch unangenehm in die Länge; immerhin gibt es schöne Ausblicke!
FAZIT
Das macht defintiv Lust auf mehr: Die Via Crio beschreibt einen sehr interessanten Gratverlauf durch meist einsames Gelände. Wenn das alles so toll präpariert wurde, dann wäre der gesamte Weg sicherlich einer eigenen Unternehmung würdig!
Tourengänger:
panodirk
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