Kurzbericht 

Rollende Planung...


Publiziert von lorenzo , 11. August 2024 um 17:44.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Oberhasli
Tour Datum:10 August 2024
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 1300 m
Abstieg: 1300 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Gschwantenmad oder Gross Rychenbach mit dem Auto
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Hotel Rosenlaui, Engelhornhütte AACB
Kartennummer:LK 1210 Innertkirchen, 1230 Guttannen; K. Ochsner, Engelhornführer, AACB 1990

Die Idee, das Tenn über seine fünf Gipfel zu umrunden, schien verlockend zu sein. Roli hatte kürzlich die Route zum Tennhorn, den ersten von ihnen, bereits erkundet, die Schlüsselpassagen Hohjegiburg NE-Grat und der Aufstieg zum Gross Simelistock über das Egg, waren uns indes noch nicht oder nur noch aus ferner Erinnerung bekannt. Doch heute sollte sowieso nicht alles nach Plan verlaufen. Zuerst hielt die wegen Bauarbeiten nachts gesperrte linkseitige Brienzerseestrasse mein Timing in Atem, dann brach beim Versuch, die Hecktüre zu öffnen, um die Rucksäcke herauszunehmen, die Griffleiste ab. Den Zustieg fanden wir zwar auf Anhieb, danach querten wir aber statt auf dem üblichen Grasband auf dem darunter liegenden rutschigen Schuttband Richtung Tenn, bevor wir dank einiger umstürzlerischer Pirouetten den Dreh schliesslich doch noch fanden. Zuversichtlich stiegen wir über ansprechende Schrofen und Platten zum NNE-Grat hoch, der uns, nun an der Sonne, zum Gipfel des Tennhorns führte, wo uns im SW der NE-Grat der Hohjegiburg in seinen gfürchigen Bann zog. Denn von hier sah der laut Führer "scharfe und ausgesetzte Grat (3, teilweise unzuverlässiger Fels)" deutlich steiler aus, als noch bei der Hinfahrt vom Aaretal aus oder von der Tennhorn WNW-Flanke. Mit zunehmender Skepsis stiegen wir über den S-Grat zur Tennlücke ab, wo wir uns anseilten. Eine fast horizontale gutmütige Seillänge führt uns unter den Grossen Turm, wo der eigentliche NE-Grat bedrohlich aufragte. Zu den sprunghaft angestiegenen Schwierigkeiten gesellten sich brüchiger Fels und fehlende Sicherungsmöglichkeiten, so dass wir schon bald enttäuscht aufgaben, zum Schuttband durch die NW-Flanke abstiegen, und diesem Richtung Simelisattel folgten. Die Zustiegsvariante zum NE-Grat oberhalb des Grossen Turms durch eine "steile, griffarme Rinne" schien für uns aber auch nicht praktikabel zu sein, so dass wir uns auf die Normalrouten zur Vorderspitze und der Hohjegiburg einstellten.

Vor der richtungsweisenden Felszacke gewahrten wir indes eine Möglichkeit, entlang einer Rinne zu dieser, und über nicht allzu steile Platten zum Hohjegiburg W-Grat aufzusteigen. Wieder am kühlen Schatten liess sich das Vorhaben einfacher umsetzen als erwartet, und schon kurze Zeit später turnten wir über den luftigen Grat zum Gipfel, wo wir uns an der Aussicht ins Haslital und den Tiefblicken ins Rosenlaui und ins Urbachtal kaum satt sehen konnten. Als wir zur Vorderspitze weitergingen, breiteten zwei Gleitschirmpiloten, die über die beiden Simeler hierher gelangt waren, wie wir später von ihnen erfuhren, auf einem kleinen Schrofenflecken südöstlich unter deren Gipfel gerade ihre Schirme aus, und kurz danach hob einer nach wenigen Schritten ab, und entschwebte ruhigen Flugs über dem Teiffouwigraben Richtung Gummgrat. Während dem Abstieg zum Simelisattel sahen wir mehreren Seilschaften zu, die vom Gross Simelistock abseilten. Angesichts der 
nun prallen Hitze, die uns apathisch und träge werden liess, konnten wir uns inzwischen nicht mehr vorstellen, dort auch noch hinaufzuklettern, zumal das Egg keinen einladenden Eindruck machte, und die Überschreitung mit wiederholtem Abseilen und einem längeren Abstieg verbunden gewesen wäre. So liessen wir die beiden Simeler rechts liegen und stiegen und seilten uns direkt ins Ochsental ab. In der Engelhornhütte, wo wir einkehrten, erklärte uns der Hüttenwart, dass der Hohjegiburg NE-Grat nicht mehr begangen werde, und ich begrüsste den Führer einer der Gruppen vom Gross Simeler, mit dem ich vor 25 Jahren die Gross Engelhorn- und Südgruppe überschritten hatte. Zurück auf der Falcheren, liessen wir in Roli's kühler Laube bei einer Erfrischung die Tour ausklingen, die zwar anders verlaufen war, als wir es uns vorgestellt hatten, sich aber bis zuletzt doch noch zu einem stimmigen Ganzen abgerundet hatte, denn anders als im Symbolischen gibt es im Realen keinen Mangel - oder zu gut Deutsch:

"Auf dem grössten Mist wachsen bekanntlich die schönsten Rosen."


Tennhorn
Aufstieg WNW-Flanke-NNE-Grat: vom Parkplatz Gross Rychenbach (ca. 1535m) auf dem weiss-rot markierten (wr) Engelhornhüttenweg zum Graaggistein (ca. 1710m, von Gschwantenmad, 1302m, ca. 30min länger). Nach ESE über einen Graskegel bis unter die Felsen, Querung des westlichen Asts des Schwandgrabens nach NE, und am nordöstlichen Rand einer felsigen Rinne auf steilem Gras und Schrofen hinauf zu einem Grasband. Auf diesem leicht ansteigend (Pfadspuren) nach WSW zum WNW-Rücken unterhalb eines Türmchens (Steinmann), T6. Zuerst über diesen auf Gras und Schrofen hinauf, dann ausgesetzte Querung (I) nach rechts in eine parallele Rinne, und durch diese auf Platten (I-II) in schöner Kletterei zum NNE-Grat, der einfach (I) zum Gipfel (2518m) führt, 2h 30min, WS.

Abstieg S-Grat: vom Gipfel (2518m) in einer Z-Schlaufe über griffige Felsen, Schrofen und Gras (I-II, Pfadspuren, z.T. ausgesetzt) hinunter in die Tennlücke (2426m), 15min, T5.

Hohjegiburg
Aufstieg NW-Flanke-W-Grat: von der Tennlücke (2426m) nach W durch eine Schuttrinne ca. 50Hm hinunter auf ein breites Schuttband absteigen, und auf diesem leicht ansteigend nach SW bis unter einen markanten Felszahn. Vor bzw. nordöstlich von diesem rechts einer Geröllrinne auf deren Begrenzungsschrofen (I) zu diesem hinauf, über die NW-Flanke auf "Engelhorngranit" und schönen Kalkplatten (I-II) zum W-Grat, und über diesen in 3 SL (ausgesetzt, I-II) zum Gipfel (2639m), 1h 30min, WS.

Abstieg W-Bänder: vom Gipfel (2639m) südlich entlang dem W-Grat auf abschüssigen Bändern absteigend nach W bis ca. 2570m, 10min, T5. 

Vorderspitze
Aufstieg NE-Grat: vom unteren Ende der W-Bänder (ca. 2570m)  nach NW hinauf zum Sattel 2589 und über den kurzen NE-Grat (I) zum Gipfel (2619m), 5min, L.

Abstieg NW-Rücken: vom Gipfel (2619m) über schuttbedeckte Felsen (Pfadspuren, Steinmänner), unterbrochen von einer plattigen Stufe (10m, I) hinunter, nach N durch eine gestufte Rinne (I) hinab, und nach W zurück zum Rücken oberhalb eines Felszahns (Vorderspitze-Gendarm). An einem Stand an dessen SW-Seite 25m nach NW abseilen, dann auf grasdurchsetzten Felsen (Pfadspuren, I) hinunter zum Simelisattel (2426m). Nach SW über Schrofen (Pfadspuren) hinunter und zuerst 25m in eine Felsmulde, dann 25m nach SE haltend auf eine Schulter abseilen. Von dieser nochmals 25m durch eine Rinne nach SE abseilen, dann kurz auf einem Band (I) zur W-Flanke absteigen. Über diese schräg nach WSW  auf Schrofen hinunter (Pfadspuren, Steinmänner, violette Punke) zur südlichsten von 3 Rinnen, durch die 25m ins Ochsental abgeseilt werden kann. Über Geröll (Pfadspuren) hinab in dessen Mitte, auf einem Pfad durch dieses zur Engelhornhütte AACB (1900m), 2h, WS, und auf dem Hüttenweg (wr) zurück, 30min, T3. Insgesamt 2h 30min.

Insgesamt 7h.

Verhältnisse: sonnig, fast wolkenlos und heiss (Nullgradgrenze über 5000m). Gras morgens noch feucht, sonst wie Wege und Felsen trocken. Altschneereste im steinegen Kaar und im Ochsental.

Material: übliche Kletterausrüstung mit 50m 8,5mm Einfachseil, 3 Schlingen, 8 Express, 1 Satz Rocks und 3 mittleren Camalots (ausser dem Seil grösstenteils nicht gebraucht).

Fahrplan: 6.30 Start, 9 Uhr Tennhorn, 11.30 Hohjegiburg, 12 Uhr Vorderspitze, 13.45 Ochsental, 14 Uhr Engelhornhütte (1h Pause), 15.30 retour.

Tourengänger: lorenzo


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