Flüela Wisshorn - über die Platte


Publiziert von Bergmax , 7. August 2024 um 21:31.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Davos
Tour Datum:30 Juli 2024
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Flüela-Gruppe   CH-GR 
Zeitbedarf: 5:30
Aufstieg: 950 m
Abstieg: 950 m
Strecke:Wägerhus - Winterlücke - NW-Grat - Platte - Flüela Wisshorn - gleicher Rückweg
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto zum Wägerhus (P. 2206) an der Flüelastraße. Mittelviele Parkplätze, kostenlos, ziemlich begehrt.
Kartennummer:map.geo.admin.ch

Ein Normalweg, der möglicherweise nicht einmal der leichteste Weg ist...

Dieser 3000er ist ein gutes Ziel für heiße Tage, weder lang, noch langwierig, dafür ziemlich spannend. Im Sommer wird das Flüela Wisshorn wohl überwiegend via Winterlücke und Nordwestgrat bestiegen, obwohl kurz vor dem Gipfel ein "gefürchtig" aussehender Plattenpanzer überwunden werden muss, wegen dem ich die Tour ein bisschen vor mir her geschoben habe. Es gäbe im Übrigen durchaus Alternativen mit gleicher oder vielleicht sogar etwas geringerer Schwierigkeit, z. B. von Südosten, wie StefanP gezeigt hat.

Obwohl kein Wochenende, habe ich zuerst Schwierigkeiten, am Wägerhus (2207 m) zu parken. Es ist eben ein prima Ausgangspunkt und das Wetter traumhaft. Anstatt dumm im Weg zu stehen, kann ich zum Glück eine der kleineren Parkbuchten an der Straße nutzen.

Der Wanderweg zur Winterlücke ist wunderbar. Nicht zu flach, nicht zu steil, man rutscht nicht aus und die Umgebung ist äußerst hübsch anzuschauen. Bald nach dem Start verteilen sich die Wanderer ganz gut, bei. P. 2350 gehen außerdem einige zur Jöri(flüela)furgge weiter, anstatt in Richtung Winterlücke abzuzweigen. Bemerkenswerert finde ich die Gruppe von Bikern, die ihre Räder tapfer bergauf tragen. Das strengt ja schon beim Zuschauen an...! Jedenfalls bringe ich die knapp 600 Höhenmeter zur Winterlücke (2786 m) bei moderatem Tempo in genau anderthalb Stunden hinter mich und freue mich auf die Gratroute, die in der Lücke beginnt.

Die nächsten 200 Höhenmeter sind relativ gutmütig. Meistens hat man die Wahl, direkt am Grat zu klettern oder aber mehr in eine der beiden Flanken auszuweichen. Hochwärts weiche ich teilweise aus und überkraxele einige der zahmeren Felshindernisse (I+) direkt, runterwärts werde ich fast alles umgehen (trotzdem paar Stellen I). Ich kann nicht sagen, was im Endeffekt "besser" ist. Die Flankenquerungen sind geröllig, aber teilweise gepfadet, im Gegenzug sind die Kraxeleien am Grat teils etwas instabil.
Trotzdem gefällt mir die Route ziemlich gut. Auf einem Podest auf ca. 2900 m deponiere ich meinen Wanderstock und werde ihn weiter oben auch nicht vermissen. Egal, wo genau man hochkraxelt - alle Varianten führen auf etwa 3000 Metern zusammen, denn dort endet der eigentliche Grat und geht in den berühmt-berüchtigten Plattenpanzer über.

Wer die Berichte auf Hikr.org aufmerksam liest, wird feststellen, dass die Querung nach links erst in den neueren Begehungen ab etwa 2012 auftaucht. Zuvor wurde - sofern konkret beschrieben - entweder direkt geklettert oder aber nach rechts ausgewichen.

Vor Ort ist die Entscheidung dann einfach. Direkt hoch traue ich mich nicht. Nach rechts sieht das Gelände zwar theoretisch "irgendwie" gangbar, aber absolut uneinladend aus - brüchig, steil, mistig. Sah das früher mal anders aus? Die Querung nach links ist schon eindrucksvoll und ausgesetzt. Ich benutze - glaube ich - die oberste Variante und kann so immerhin einige bescheidene Griffe bei dem Schleichgang ausnutzen. Ich dachte erst, dass nach der ersten Platte der Sache erledigt sei, aber ganz so ist es nicht, weil sich die felsige Zone noch ein Stückchen hinzieht. Im zweiten Teil benutze ich einen gestuften Riss und kraxele oberhalb mehr durch Blockgelände weiter.
Ungefähr dort, wo sich Nordwest- und Nordostgrat vereinigen, komme ich in etwas unangenehm rutschiges Steilschuttgelände. Denke erst, dass ich falsch bin, aber anscheinend doch nicht, denn es gibt ein paar Steinmänner und Begehungsspuren. Zuletzt umgehe ich eine dritte Platte über Blockfelsen (eine markante Stelle, wo ich durch ein Loch krabbele) und stehe bald darauf auf dem Vorgipfel des Flüela Wisshorns (knapp 3080 m). Hier befindet sich auch das Gipfelbuch.

Natürlich möchte ich weiter zum höchsten Punkt. Dabei ist eine echte Kletterstelle (Doppelriss, ein paar Meter II) im Abstieg zu meistern. Von oben runter muss man sich trauen, nachher in Gegenrichtung geht es einfacher.

Kurz darauf stehe ich auf Hauptgipfel #1, der aus verschiedenen Blöcken besteht.
Weiter gehts über einen flachen Felsgrat zu Hauptgipfel #2 mit einem improvisierten Gipfelkreuz.
Schließlich kraxele ich östlich ausholend auch noch auf den südlichsten Hauptgipfel #3 mit einem Steinhaufen.

Und welcher ist nun am höchsten? Vor Ort kann ich es nicht feststellen.
Daheim werde ich map.geo.admin.ch und den Layer swissALTI3D (hochauflösendes Relief) konsultieren...

...

Nordgipfel (Blöcke) CH1903+ 2793113 1182141 - 3084,8 m
Mittelgipfel (Kreuz) CH1903+ 2793089 1182103 - 3084,5 m
Südgipfel (Steinhaufen) CH1903+ 2793075 1182083  - 3085,0 m

...

Also liegt PStraub richtig - der Gipfel mit dem Steinhaufen gewinnt das Rennen um ganze 20 Zentimeter (sofern die Vermessung wirklich so genau und dauerhaft ist...), aber seine Begründung ist falsch - die Kote 3085 liegt beim Kreuz, die Koordinate mit dem Steinhaufen befindet sich 20 Meter weiter südwestlich.

Wie dem auch sei. Wer den Doppelriss geschafft hat, kann ohnehin alle drei Gipfel mitnehmen und nebenbei die Aussicht genießen. Besonders auffällig präsentiert sich der Piz Linard, aber auch das Flüela Schwarzhorn sieht respektabel aus. Kaum zu glauben, dass ausgerechnet dieser 3000er ungewöhnlich einfach (max. T3) zu erwandern ist. Optisch nicht viel her macht dagegen die bekannte Weissfluh hoch über Davos.

Für den Abstieg muss ich "zwingend" den Aufstiuegsweg nehmen. Warum? - Na weil ich doch den Wanderstock am Grat deponiert habe. Vorher gönne ich mir noch einen ganz kleinen Schluck aus dem Flachmann, aber auch ohne wäre der Rückweg über die Plattenzone runterwärts wohl ein wenig einfacher als hochwärts, weil man die guten Tritte in den Bändern von oben aus besser sieht. Die Ausgesetzheit kommt freilich auch ganz gut zur Geltung. Im Vergleich zum kürzlich begangenen Öhrli empfinde ich das Wisshorn als erheblich schwieriger, gegenüber dem Auenfelder Horn noch als etwas schwieriger. Eigentlich ein klassisches T5 ohne Minus.

Der weitere Gratabstieg unterhalb der Platten ist dann kein Test mehr, auch wenn man dort immer noch ein wenig kraxeln und sorgfältig heruntersteigen muss. Wer wie ich die Pfade in den Flanken nutzt, sollte sich nicht allzu weit vom Grat abdrängen lassen. Bald habe ich meinen Srock wieder und wenig später ist auch schon die Winterlücke erreicht. Der Bergweg zurück zum Wägerhaus ist auch im Abstieg überdurchschnittlich angenehm zu begehen. So komme ich nach nicht einmal sechs Stunden inklusive aller Pausen am Auto an und lasse mir genügend Zeit für die Rückfahrt in den Schwarzwald. Im Flachland ists echt heiß, da ist die Klimaanlage schon etwas Feines...

Schwierigkeiten & Gehzeiten

Wägerhus - Winterlücke: T2; hoch 1 h 30 min, runter 1 h
SW-Grat - Platte - Flüela Wisshorn: T4 bis zur Platte, dann T5; hoch 1 h 5 min, runter 55 min
Erkundung der drei Hauptgipfel; 1 Stelle T5 / II; 2´30 min

Fazit - schön unanstrengender "T5er 3000er"...

Tourengänger: Bergmax


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Kommentare (2)


Kommentar hinzufügen

Uli_CH hat gesagt:
Gesendet am 8. August 2024 um 07:50
Danke für den ausführlichen Bericht und die aussagekräftigen Fotos, Max.

Das Weisshorn ist auch ein Gipfel auf meiner Projektliste, den ich "vor mir herschiebe".

Liebe Grüsse, Uli

Bergmax hat gesagt: RE: Bericht
Gesendet am 8. August 2024 um 18:50
Moin Uli,

ja, immer gerne doch. Es freut mich, wenn meine Berichte hilfreich sind.
Suche Dir einen schönen Tag aus und probiere die Route einfach mal. Ich wünsche Dir viel Erfolg! Aber sei vorsichtig.

Viele Grüße

Max


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