Hohenwartkopf (3308m) und Kellersberg - markante Grate unterhalb des Großglockners


Publiziert von BigE17 , 21. Juli 2024 um 20:12.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Glocknergruppe
Tour Datum:10 Juli 2024
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K2+ (WS+)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 10:30
Aufstieg: 1850 m
Abstieg: 1850 m
Strecke:17 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Lienz oder von Mittersill über den Felbertauern nach Huben im Iseltal. Hier fährt man nach Osten ins Kalser Tal. Man fährt fast bis zum Taurerwirt, kurz vorher zweigt rechts die mautpflichtige Straße zum Lucknerhaus ab. Dort gibt es einen riesengroßen Parkplatz.
Unterkunftmöglichkeiten:Lucknerhaus, Lucknerhütte, Glorerhütte, Salmhütte, Erzherzog-Johann-Hütte

Östlich vom Großglockner bzw. von der Adlersruhe befindet sich ein Grat mit einigen markanten Dreitausendern. Die ersten beiden sind der ziemlich steile Hohenwartkopf, und der etwas langgezogenere Kellersberg. Laut Willy Kreuzer befindet sich zwischen Adlersruhe und Hohenwartkopf auch noch die Salmhöhe. Ob man sie nun als Nebengipfel anerkennen kann, darüber lässt sich streiten. Sie liegt allerdings nur wenige Meter neben dem Weg, kann also im Vorbeigehen bestiegen werden. Wegen der noch günstigen Schneelage wollten ich und ein Tourenpartner den Hohenwartkopf, den Kellersberg und auch die Salmhöhe besteigen. Geplant hatten wir eine Rundtour mit Aufstieg über die Salmhütte und Abstieg über Adlersruhe und Mürztaler Steig.

Um 5:00 starteten wir beim Lucknerhaus. In der kühlen Morgenluft schafften wir den unschwierigen Aufstieg über einen Schotterweg und später einen breiten Steig zur Glorerhütte im Nu. Der Weiterweg zur Salmhütte querte im Auf und Ab eine schöne Hochebene, bis wir zwischen 2 Steigen wählen konnten. Heute entschieden wir uns für den versicherten Steig. Er überwand absteigend eine steile Felsflanke, wobei Trittsicherheit unbedingt erforderlich war. Kurz mussten wir auch über Schnee gehen, immerhin waren die Seile frei. Wir durchquerten das darunterliegende Tal, bis zur Bachüberquerung.

Für den Weiterweg Richtung Hohenwartscharte entschieden wir uns, nicht ganz zur Salmhütte zu gehen, sondern weglos abzukürzen. Das war im angenehmen Geröll überhaupt kein Problem. Wieder am Steig, trafen wir auch gehäuft flachere Schneefelder an. Diese wurden immer häufiger, und irgendwann standen wir unter dem letzten Aufschwung zur Hohenwartscharte. Zuerst musste ein immer steiler werdendes Schneefeld überwunden werden. Wegen der tollen Spur benötigten wir noch keine Steigeisen und keinen Eispickel - trotz bis zu 45 Grad Neigung. Hier setzten nun die Versicherungen zur Hohenwartscharte an. Die 100 Höhenmeter waren dank der Fixseile und der vielen Eisenklammern nur ein leichter, aber ausgesetzter Klettersteig (B). 

Direkt in der Scharte begann der Westgrat vom Kellersberg mit einem senkrechten Aufschwung. Unsere einzige Chance war hier die nördliche Flanke. Wir querten über ein Band kurz in die Flanke, dann begann die Kletterei. Über eine mäßig steile Felsrampe kletterten wir zurück zum Grat (I-II, großteils guter Fels). Der nächste Aufschwung musste ebenfalls nordseitig umgangen werden. Dies dauerte ein wenig länger, fester Fels wechselte sich mit losem Schutt ab. Es gab mehrere mögliche Linien, durch die Flanke nach oben querend aufzusteigen, aber ein paar Stellen II ließen sich nicht vermeiden - sicher die Schlüsselstelle beim Anstieg zum Kellersberg. Zurück am Grat, wurde es kurz ordentlich brüchig (I). Der dritte Aufschwung war nur wenige Meter hoch, im Aufstieg kletterten wir südseitig drum herum (II, unangenehmer Spreizschritt). Das war allerdings nicht der beste Weg. Nach der Umgehung mussten wir noch einen Block erklimmen (II, luftig). Ab jetzt war der Gipfel vor uns zu sehen. Der flache Grat dorthin war großteils leicht zu begehen (I, nur noch 1 Stelle II), einige kleinere Umgehungen sparten uns einiges als Zeit. So erreichten wir den Gipfel des Kellersberges.

Die Aussicht war heute sehr gut, Blickfang war natürlich der nahe Großglockner Doch auch der obere Pasterzenboden sah von hier aus sehr eindrucksvoll aus. Lediglich Richtung Süden war die Fernsicht durch Wolken eingeschränkt. Bald kehrten wir über den Grat zurück zur Hohenwartenscharte. Wegen der Ausgesetztheit an einigen Stellen mussten wir langsam steigen, dementsprechend dauerte dies eine Weile. Von der Scharte stiegen wir nordseitig zum Gletscher ab und betraten diesen. Der oberste Teil des Gletschers hat kaum Spalten, eventuell ist er sogar komplett spaltenfrei. Und falls er welche hat, dann nur kleine. Deswegen gingen wir seilfrei entlang der Spur über den Gletscher. Unterhalb des Ostgrates vom Hohenwartkopf verließen wir die Spur, und stiegen kurz über steilen Firn (ca. 35 Grad) in ein Schartl am Beginn des Ostgrates auf (Eispickel nötig).

Gleich zu Beginn mussten wir uns kurz durch sandigen Schutt nach oben wühlen, doch schon bald erwarteten uns erste brüchige Kletterstellen am Grat (I). Vor einem Turm mussten wir in die ausgesetzte Südflanke queren, und in dieser aufsteigen. Dabei mussten wir ein paar Meter durch bröseliges Gelände nach oben klettern (II, ziemlich heikel, weil man auf einen instabil aussehenden Block steigen muss), der Rest der Umgehung war weniger heikel. Es folgten ein paar nach wie vor brüchige Kletterstellen (I-II), bis schließlich der erste, steile Aufschwung überwunden war. Ab nun wurde der Grat immer flacher und dadurch immer angenehmer zu klettern (I) - ausgesetzt blieb es allerdings. Kurz vor dem Gipfel gab es dann noch kurz eine Reitgratpassage, die aber halb so wild war (I-II). Den Gipfel des Hohenwartkopfes erreichten wir schließlich südlich des Grates.

Nach einer kurzen Gipfelrast kletterten wir wieder über den Ostgrat ab - die schwierigste Passage kletterten wir durch einen Kamin unmittelbar neben dem Aufstieg ab (II) - dieser Weg war aber kaum besser, weil wir auf dem instabilen Block trotzdem kurz draufstehen mussten. Wir stiegen anschließend wieder zur Spur auf dem Gletscher ab, hier verwendete ich im Gegensatz zum Aufstieg zusätzlich die Steigeisen. Auf der Spur angekommen, zog ich sie aber wieder aus. Die Spur erreichte nördlich vom Hohenwartkopf wieder den Grat, und im Gehgelände konnten wir zur nahen Salmhöhe aufsteigen - eigentlich ist diese nur ein Eck am Felsgrat. Diese lag auch keine 5 Minuten abseits des Weges. 

Da wir eine Runde gehen wollten, standen uns noch 150 Höhenmeter Aufstieg zur Erzherzog-Johann-Hütte bevor. In der Mitte wurde der Grat kurz ein wenig schmäler (Stellen I), aber ansonsten führte der Steig unschwierig am Grat bis zur Hütte. Nach einem kurzen Getränk begannen wir mit dem Abstieg über den Unteren Mürztaler Steig. Dieser ist ein Klettersteig mit wenigen Stellen B, großteils A. Wir folgten dem Grat, und ignorierten beide Abstiege zum Teischnitzkees - sowohl jenen beim Kampl, als auch die senkrechte Leiter weiter unten. Erst in der Burgwartscharte führte der Klettersteig dann nochmal ziemlich steil auf den Gletscherrand hinab. Wir folgten der Spur am Gletscherrand gerade nach unten - wobei sie heuer deutlich weiter draußen auf dem Gletscher war, als bei meiner Glocknerbesteigung 2019. Ob diese nicht doch über ein paar kleine Spalten drüberführt, war uns nicht ganz klar, aber wir sahen zumindest nichts, und der Schnee war nur oberflächlich weich (die Routenführung von 2019 sollte aber spaltensicher gewesen sein). Die Schneefelder gingen auch noch deutlich über den Gletscher hinaus, so konnten wir bis auf 2700m sehr schnell abrutschen. Der restliche Abstieg am Mürztaler Steig zur Lucknerhütte war schnell erledigt. Nach einer kleinen Mahlzeit mussten wir nur noch dem Fahrweg bis zum Parkplatz vor dem Lucknerhaus folgen. Insgesamt kamen wir - ohne die Zeit, die wir in den Hütten verbrauchten - auf eine Gehzeit von 10,5 Stunden.

Erwähnenswertes:

1. Der Westgrat des Kellersberges ist eine schöne Klettertour im 2. Schwierigkeitsgrad, der Fels ist gut, aber nicht durchgehend. Wegen der Ausgesetztheit an manchen Stellen ist entsprechende Vorsicht dringend nötig. Die Routenführung ist in der Umgehung des 2. Aufschwungen nicht ganz einfach, ansonsten kann man sich kaum verlaufen. Für schwächere Bergsteiger gibt es genügend Sicherungsmöglichkeiten. Diesen Anstieg würde ich mit T5+ bewerten.

2. Die alternativen Anstiege sind alle schwieriger: Der Gratübergang vom Kellerskopf erreicht den 3. Schwierigkeitsgrad, der Anstieg durch die NO-Flanke bzw. den oberen Nordgrat ist steil und brüchig, bzw. im Frühjahr/Frühsommer eine sehr steile Firntour. Auch der Zustieg zur NO-Flanke ist nicht ganz trivial. Diese Flanke ist im Winter die einzige Aufstiegsmöglichkeit, allerdings ist das definitiv nicht zu empfehlen.

3. Der Hohenwartkopf ist wegen der Brüchigkeit im 1. steilen Gratabschnitt (der mehr einer brüchigen Flanke ähnelt) anspruchsvoller als der Kellersberg. Insbesonders an der Schlüsselstelle ist große Vorsicht geboten, da man kurz einen instabil wirkenden Block belasten muss. Das geringste Übel ist noch unser Abstiegsweg. Sichern ist bei entsprechender Vorsicht jedoch möglich. Außerdem sind je nach Verhältnissen beim Zustieg Pickel und/oder Steigeisen notwendig.

4. Die alternativen Anstiege zum Hohenwartkopf sind sehr schwer: Der NW-Grat und der Südgrat sind brüchig und erreichen den Schwierigkeitsgrad IV, die Nordrinne ist wegen Steinschlag und extremer Steilheit sowieso nicht mehr begehbar.

5. Die Salmhöhe liegt knapp neben dem Weg und ist daher problemlos zu besteigen. Man fühlt sich jedoch nicht wie auf einem Gipfel.

6. Ob die beiden Gletscherpassagen wirklich spaltensicher sind, ist nicht klar. Im Zweifel sollte man sich z.B. auf den Hütten über die Verhältnisse informieren. Bei schlechten Verhältnissen sind auf den Gletschern Steigeisen erforderlich. Bei guten Verhältnissen sind beide Wege exzellente Zustiege zur Erzherzog-Johann-Hütte.

7. Alle alternativen Zustiege zur Hohenwartscharte bzw. Adlersruhe sind Gletschertouren und erfordern daher unbedingt Hochtourenausrüstung. Manche der Routen sind im Sommer sehr schwer und sollten gemieden werden.

8. Trotz der Nähe zu viel begangenen Wegen werden diese Gipfel nur selten besucht - der Handyempfang ist auf den Graten jedoch sehr gut, daher kann diese Tour auch im Alleingang gemacht werden.

9. Der Kellersberg und der Hohenwartkopf sind 2 sehr schöne Ziele, die von entsprechend erfahrenen Bergsteigern bestiegen werden können - am Vortag einer Glocknerbesteigung, aber auch als einzelne Tour. Die Aussicht ist bei gutem Wetter fast während der gesamten Tour fantastisch. Außerdem ist insbesondere die Kletterei am Kellersberg sehr schön. Auch ein Abstecher zur Salmhöhe lohnt sich, weil man einen spektakulären Tiefblick zur Pasterze und zur Franz-Josef-Höhe hat. Diese Gipfel können definitiv als Geheimtipp betrachtet werden. 

Tourengänger: BigE17


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