Wassertreten nach Spiekeroog


Publiziert von Bergmax , 4. Juli 2024 um 22:24.

Region: Welt » Deutschland » Norddeutsches Tiefland
Tour Datum:28 Juni 2024
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 4:30
Aufstieg: 50 m
Abstieg: 50 m
Strecke:Harlesiel - durchs Wall auf Spiekeroog - Spaziergang durch den Inselwald in den Ort - zum Hafen - Fähre nach Neuharlingersiel - Linienbus nach Harlesiel (zu Fuß ca. 9 km im Watt und 4 km auf der Insel)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto nach Harlesiel. Reichlich Parkplätze (€ 7 / Tag).
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Bus K1 von Neuharlingersiel nach Harlesiel. Fährt etwas unregelmäßig.
Kartennummer:eine Seekarten-App (z. B. Navionics Boating) ist hilfreich

Wasserreiche Wattwanderung wegen Westwindes...

Die Tour nach Norderney hat mit gut gefallen und die Schlickschlacht nach Arngast ist erfolgreich überstanden. Gute Voraussetzungen, um die etwas längere Wattquerung zur Insel Spiekeroog auszuprobieren, die als mittel bis ziemlich anspruchsvoll und vor allem auch als sehr abwechslungsreich gilt.

Ich plane die Tour ziemlich kurzentschlossen, da ich eben gerade Zeit habe und alle Voaraussetzungen brauchbar erscheinen: relativ sonnig, keine Gewittergefahr, einigermaßen akzeptables Niedrigwasser (ca. 55 cm über Seekartennull) zu einer vernünftigen Uhrzeit. Nur ein bisschen Westwind soll es geben, so 4 Bft, also nix Drastisches. Ob man dessen Einfluss bemerken wird...?

Die Tour beginnt ganz entspannt in Harlesiel. Der Verlauf der Wattwanderung wird durch mehrere Prielsysteme bzw. Fahrrinnen relativ klar vorgegeben und entspricht grob gesagt einem Bogen via NNO - NW - W. Das bedeutet, dass ich die ersten Kilometer parallel zum Leitdamm zurücklegen werde, welcher die Fahrrinne nach Wangerooge westlich begrenzt. Da ich die Erfahrung gemacht habe, dass direkt neben solchen Dämmen oft tiefer Schlick zu finden ist und außerdem der kleine Strand von Neuharlingersiel keine Gebühr kostet, gehe ich etwa in der Strandmitte ins Watt und halte immer so 200 bis 300 Meter Abstand zu dem Damm.

Gleich zu Anfang bin ich positiv überrascht. Es gibt zwar etwas Schlick (knöcheltief), der aber das Vorankommen nur wenig behindert. Die Sonne scheint - zwar nicht sehr warm, aber immerhin so, dass die Jacke im Rucksack bleibt. Und naja, es ist eben merklich windig.
Nach etwa einem Kilometer fällt mir auf, dass ich eigentlich penetrant im Wasser laufe. Das ist zwar nicht dramatisch, aber es erschwert die Orientierung. Kompass und GPS sind ein Muss auf dieser Tour, zumal es jetzt langsam Zeit wird, den Leitdamm rechts liegen zu lassen und nach Norden zum ersten Priel zu spazieren.

Ich habe Glück und erwische eine günstige Stelle, um diesen Priel zu queren. Es ist so eine Art Mündung von einem etwas kleineren in einen etwas größeren Priel. Oft sind die Priele an solchen Stellen etwas breiter, aber weniger tief. Das Wasser geht mir bis zum Bauch. Alles noch im grünen Bereich. Ich bin gut in der Zeit und habe noch mehr als eine Strunde bis zum Niedrigwasser.

Nach dem Priel ändere ich meine Kurs mehr auf Nordwest. Das nächste Zwischenziel ist das Harlesieler Wattfahrwasser. Bald merke ich, dass ich im Schlick immer langsamer vorankomme. Etwas weiter östlich sieht es rein optisch besser aus - und ist es dann auch. Meistens laufe ich nun im Mischwatt, halb Schlick, halb Sand, was gut geht. Aber der Wind fängt allmählich an zu nerven. Das wird so Stärke 5 sein und man merkt, wie er das Wasser gegen die Tide ins Watt hereindrückt.
Das Harlesieler Wattfahrwasser ist zu meinem Erstaunen dann kein richtiger Priel, sondern eher eine nasse Wattfläche, die etwa knietief mit Wasser überflutet ist. Das hält mich nicht auf!
Allerdings gibt es auf dem Weg nach Spiekeroog gleich zwei Fahwässer. Wie wohl das andere aussehen wird?
Auf dem Weg dorthin - der nicht allzu weit ist (ca. 1 km) - stehe ich unerwartet vor einem mitteren und gleich darauf vor einem ziemlich großen Priel. Der hat die unangenehme Eigenschaft, kurz vor dem jenseitigen Ufer immer tiefer zu werden. Der erste Versuch schlägt fehlt, also probiere ich es weiter östlich, was nach schlechter geht und dann eben mehr westlich, was zum Erfolg führt, aber auch zu einem nassen Rucksack. Ich vermute, dass ich etwas zu weit nach Osten gekommen bin, wo die Baljen beginnen, die in das Tief zwischen Spiekeroog und Wangerooge fließen.

Nach der Querung ist es dann nicht mehr weit zu den Pricken des Spiekerooger Wattfahrwassers. Hoi, die stehen ja komplett auf dem Trockenen?!. Wars das schon?
Nein, war es nicht! Erst treffe ich auf alte Fußspuren, die sicherlich von einer Gruppentour stammen, und die nach hundert Metern an einem breiten Strom enden. Kein Zweifel. Dort muss ich durch. Es ist bald Niedrigwasser (rechnerisch vielleicht noch 15 bis 30 min), also macht abwarten keinen Sinn und bei dem sch... Wind (der immer penetranter wird) geht das Wasser sicher nicht mehr zurück.

Also tue ich alles Wichtige ganz oben in den Rucksack und taste mich mit dem Wanderstock vorwärts. Ja, es ist tief, aber die Strömung ist schwach. Interessanterweise teilt sich der scheinbar hundert Meter breite Strom in zwei Rinnen auf, zwischen denen der Wasserstand bloß knietief ist. In den beiden Rinnen steht mir die Brühe allerdings fast bis zur Brust. Bei sowas ist Vorsicht geboten!

Nach dem Priel finde ich die alten Spuren nicht mehr. Dort befindet sich ein Austernfeld, das aus einzelnen Bänken besteht, zwischen denen sich ekliger Schlick befindet. Bald merke ich, dass es besser ist, nicht von Auster zu Auster zu hüpfen (muss witzig ausgesehen haben), sondern lieber die kleinen Wasserläufe zu nutzen, in denen der Untergrund fest ist. Wahnsinnig dramatisch ist das alles nicht mehr, jedenfalls erreiche ich ziemlich bald einen relativ festen Wattbereich, auf dem ich nun zügig vorankomme.

Im Notfall könnte man nun direkt nach Norden auf die Insel zulaufen. Dort an Land befindet sich aber ein sumpfiges Brutgebiet, das nicht betreten werden sollte. Der übliche Ausstieg aus dem Watt liegt viel weiter westlich und der Hafen, zu dem ich später gehen muss, ebenfalls.
Sicherheitshalber entscheide ich mich für einen Kompromiss. Ich laufe solange auf die Insel zu, bis sicher keine Priele mehr im Weg sind. Dann biege ich nach Westen ab und marschiere im inselnahen Watt noch fast drei Kilometer bis zu dem üblichen Zielpunkt. Das ist anstrengend, weil genau gegen den Wind, aber der Untergrund eignet sich ziemlich gut, da es kaum Schlick gibt. Kurz vor dem Ziel und fast eine Stunde nach Niedrigwasser kann man zugucken, wie die Nordee ankommt. Selbst kurz vor der Insel stapfe ich durch knöcheltiefes Wasser. Für die gesamte Wattquerung von Harlesiel nach Spiekeroog habe ich ziemlich genau drei Stunden gebraucht.

Spiekeroog hat eine fantastische Natur. Am Rand der Dünen blühen bunte, duftende Blumen und alles wirkt plötzlich lieblich und schön. Auch wenn es weiterhin ziemlich frisch ist, wird der nervige Wind gut abgeblockt.
Dort, wo die Pfadspur für die Wattwanderer auf den Hauptweg trifft, befindet sich eine Schutzhütte, die eigentlich zum Beobachten von Vögeln gedacht ist. Ich aber benutze sie vor allem, um mich umzuziehen. Wie immer bei Wattquerungen habe ich einen kompletten Satz Wechselkleidung, andere Schuhe und ein Handtuch - alles in Plastiktüten verpackt - im Rucksack. All dies brauche ich heute. Denn es ist kein Vergnügen und sicher nicht gesund, den ganzen restlichen Tag in halbnassen Sachen herumzulaufen.
Auch eine Büchse Bier habe ich mitgeschleppt. Salzwasser macht nämlich mächtig durstig...

Zum Hafen von Spiekeroog sind es noch moderate zweieinhalb Kilometer. Ich mache aber einen kleinen Umweg über eine Aussichtsdüne, durch den herrlichen Inselwald (knorrige Kiefern und ein paar Eichen und Buchen)  und natürlich durch das bescheidene Ortszentrum, das mit vielen herausgeputzten alten Häusern punktet.

Am Hafen angekommen steht auch schon die Fähre nach Neuharlingersiel bereit. Ich mache es mir im Salon gemütlich und penne kurz nach der Abfahrt ein und werde erst durch das Hornsignal beim Einlaufen am Ziel wieder wach. Dafür also wird auch heute noch getutet...

In Neuharlingersiel muss ich etwa eine halbe Stunde auf den Bus nach Harlesiel warten. Das ist aber kein Nachteil, denn die Schiffe im Sielhafen sind sehenswert und außerdem ist Neuharlingersiel ein sehr guter Tipp, um mehr oder weniger ausgefallene Souvenirs zu kaufen.

Dass Westwind dafür sorgt, dass die Wasserstände im Wattenmeer höher sind als üblich, ist allgemein bekannt. Ehrlich gesagt hat es mich überrascht, wie viel das ausmacht. Vergleicht man nachträglich den gemessenen Pegelstand von Bensersiel zur Zeit der Tour mit der Vorausberechnung, stellt man fest, dass die Differenz gute 30 cm beträgt (und das am Hafen, nicht im offenen Watt). Kein Wunder also, dass die Priele ganz schön tief gewesen sind.
In Zukunft werde ich mehr auf den Wind achten, zumal es für manche Pegel sogar um den Witterungseinfluss korrigierte Vorhersagen gibt. Stichwort "Wasserstandsvorhersage".

Diese Wattwanderung ist eher anspruchsvoll und erfordert schon ein bisschen Erfahrung. Die größte Gefahr dürften die zwei bis drei tiefen Priele sein. Außerdem ist die Orientierung kritisch, weil es zwischen den Prielen "Sackgassen" gibt, die weder ans Festland noch zur Insel führen. Generell braucht es eine adäquate Vorbereitung (Gezeiten, Wetter, Zeitmanagement) und eine angemessene Ausrüstung (Karte, Kompass, Navi, sinnvolle Kleidung, Schuhe, Wanderstock).
Insgesamt wäre es sicher nicht unvernünftig, sich einer geführten Tour anzuschließen.

Fazit - ein Ausflug, an den ich mich gerne noch lange erinnern werde...

Tourengänger: Bergmax


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (5)


Kommentar hinzufügen

georgb hat gesagt:
Gesendet am 5. Juli 2024 um 07:32
Bei dem Wasserstand solltest du vielleicht die Disziplin wechseln und lieber schwimmen ;-)

Uli_CH hat gesagt: RE:
Gesendet am 8. Juli 2024 um 09:35
und den User-Namen anpassen...
Von wegen "Meine Bergtouren: Wassertreten nach Spiekeroog" auf deiner Homepage.

Liebe Grüsse, ebenfalls vom Wasser (Côte d'Émeraude in der Bretagne)
Uli

Bergmax hat gesagt: RE: Berge und Watt
Gesendet am 8. Juli 2024 um 21:15
Hoi, den alten Text habe ich gleich mal auf den aktuellen Stand gebracht ;-).

Besten Dank für die Erinnerung & Grüße

Max

WolfgangM hat gesagt:
Gesendet am 6. Juli 2024 um 09:43
Nach der von mir erfundenen Wattwander-Schwierigkeitsskala

W1 = trocken
W2 = nasse Füße
W3 = nasse Beine
W4 = nasser Hintern
W5 = nur der Kopf guckt noch raus
W6 = ganz unter Wasser / schwimmen

wäre deine Tour (Schlüsselstellen "bis zur Brust") eine W4+ oder W5-.

Respekt! Aber auch gefährlich. Wenn das Wasser noch 50 cm tiefer ist, was bei Wind und ungünstigerer Routenwahl leicht passieren kann, wird es zur W6. Und Schwimmen mit Gepäck geht ja wohl nicht. Oder hast du eine Schwimmhilfe (Aufblas-Ente?) mit dabei?




Bergmax hat gesagt: RE:Schwimmen
Gesendet am 6. Juli 2024 um 18:11
Moin Wolfgang,

ja, die Einstufung nach Deiner Skala kommt wohl hin. Wenn auch nur für ein paar kurze Stellen.
Schwimmen ist was für die Fische. Nicht für Wattwanderer. Auch mit Rucksack würde man wohl nicht gleich untergehen wie ein Stein. Aber es wird allgemein davon abgeraten, vor allem wegen der Gefahr, in immer tieferes Wasser abgetrieben zu werden.

Ich meine mal ein Foto gesehen zu haben, wo die Teilnehmer einer sehr anspruchsvollen Tour ein kleines Schlauchboot mithatten. Aber es ist gut möglich, dass damit nur das Gepäck über problematische Stellen gezogen wird.

Sinnvoller als eine Schwimmhilfe sind meiner Meinung nach:
- Ein Stock, um tiefe Stellen rechtzeitig zu erkennen. Der hilft außerdem bei Schlick.
- Ein Stück Seil, wenn mehrere Personen unterwegs sind - ein Wattführer muss das sogar mitnehmen. Habe ich bei Solotouren aber nicht dabei.
- Rechtzeitig umkehren und / oder eine bessere Stelle suchen. In der Beziehung habe ich mir bei dem tiefen Priel nicht allzuviel Mühe gegeben, sonst hätte ich vielleicht auch eine etwas flachere Stelle gefunden.

Jedenfalls besten Dank für den sinnvollen und auch mahnenden Kommentar. Ich werde jedenfalls in Zukunft aufpassen, dass ich noch den einen oder anderen Bericht schreiben kann...

Viele Grüße aus dem heute stürmischen Ostfriesland

Max


Kommentar hinzufügen»