Kleine und Große Sulzspitze in vier Akten
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Dieser in vier Abschnitte unterteilte Bericht enthält Informationen zu vier verschiedenen Routen auf die Gipfel der Kleinen und Großen Sulzspitze (auch Kleiner und Großer Sulzkopf), die man theoretisch auch beliebig miteinander kombinieren kann. Für sich genommen führt keine der Routen über alle Gipfelköpfe auf einmal, obgleich dies eine lohnende Unternehmung wäre. Ich habe mir diesen Berg stattdessen Stück für Stück erschlossen, vor allem auch, weil ich vorab kaum etwas über ihn in Erfahrung bringen konnte.
1. Kleine Sulzspitze – Aufstieg über Sattelgrat (Nordgrat), Abstieg über Außersulzkar
(7. August 2020)
Eigentlich eine Angelegenheit zum Entspannen, dachte ich. Geht es im zentralen, vom Tal aus gut sichtbaren Abschnitt der Tour doch vermeintlich leicht über einen bulligen, grasgrünen und sanft ansteigenden Kamm, der sich vom Sattelkopf bis zur Kleinen Sulzspitze erstreckt, einfach nur immer der Nase nach und ohne dass man Angst haben müsste, links oder rechts herunterzufallen. Daher frohlockte mich dieser riesige Koloss dazu, den weiten und unklaren Weg zu ihm hinauf auf mich zu nehmen, um oben in luftiger Höhe pfeifend den länglichen Buckel in schöner Manier abzuschreiten und entzückt auf die kleine Welt im Tal hinabzublicken.

Leider war es jedoch alles andere als entspannt, dort hinaufzukommen – und das lag nicht am Terrain, sondern an meiner fehlenden Ortskenntnis. Gleich zu Beginn in der schwierig zu überblickenden da bewaldeten Schlucht, wo Moosbach und Rosanna zusammenfließen, verfranzte ich mich.
Ortsunkundigen rate ich daher, stoisch den Beschilderungen zu folgen, um sicherzugehen, dass man auf den richtigen Wanderweg gelangt – bei freytag & berndt ist dies der Weg Nr. 18A. Dieser verläuft südöstlich der Rosanna und geht später in den Weg 18 über, der dann über die Tanunalpe hinauf zum Sattelkopf leitet und dort endet.
Da ich mich verlaufen hatte, benötigte ich für die 700 Höhenmeter von St. Anton bis zum Gipfel des Sattelkopfs – dem Beginn des verlockenden Kernstücks der Tour – ganze vier Stunden und war dadurch bereits in Zeitnot. So musste ich zu meiner Enttäuschung im Eiltempo über den breiten Sattelgrat hetzen, anstatt mit trillerndem Pfeifen und erhabenem Blick ins Tal hinabzuschauen.
Also schmiss ich den „Turbolader” an und schrubbte die Höhenmeter.
Das immerhin gelang mir vergleichsweise gut; für die 460 Höhenmeter vom Sattelkopf bis P. 2447 brauchte ich 1,25 Stunden und für die verbleibenden knapp 300 Höhenmeter bis zum Gipfel der Kleinen Sulzspitze sogar nur 35 Minuten.
Über den Sattelgrat verläuft keine Wegspur, sodass man sich den günstigsten Durchschlupf durch das strauchige Terrain selbst suchen muss. Um P. 2447 herum wird es felsiger und stellenweise bin ich in die Westflanke ausgewichen, um mein Tempo zu halten. Das Gelände ist aber nirgends heikel.

Am Gipfel angekommen, tauchte plötzlich noch ein Gleitschirmflieger in meinem Blickfeld auf – ein sich bewegender neonfarbener Punkt am Himmel, der guttat, denn ich fühlte mich in diesem Moment da oben doch etwas im Abseits.

Erleichtert war ich auch darüber, dass das Gelände hinab ins Moostal (laut Alpenvereinskarte Nr. 3/2 handelt es sich dabei um das Außersulzkar) vom Kamm aus gut erreichbar und insgesamt gut begehbar aussah – nicht allzu steil, keine Abbrüche –, sodass ich mich für diesen Abstieg entschied. Damit war der Rückweg klar und meine Anspannung aufgelöst, wodurch ich die herrliche Landschaft nun doch noch etwas genießen konnte.

Außersulzkar
Für den Weiterweg auf die Große Sulzspitze, die mindestens vier Gipfelköpfe zählt, was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, wäre mir an diesem Tag keine Zeit geblieben. Immerhin konnte ich mir aber einen ersten Eindruck verschaffen und sehen, dass man aus der Gratsenke zwischen Kleiner Sulzspitze und dem nördlichsten Gipfel der Großen auf letzteren über einen längenmäßig überschaubaren, ziemlich breiten aber auch zerklüfteten Blockgrat aufsteigen kann:

Der Weiterweg zu den Gipfeln der Großen Sulzspitze
Kurzinfo zum Abstieg
Aus besagter Gratsenke (laut AV-Karte „Sulzschartli“ genannt) stieg ich nun unschwierig über mehrere Geländestufen, zum Teil noch auf Schneefeldern, hinab in Richtung Tritschalpe. Auf ungefähr halber Höhe des Abstiegs, wo Heidewiesen beginnen, leitete ein nicht durchgehend ausgeprägter Pfad kurz nördlich, um bald darauf wieder östlich hinab ins Tal zu mäandern. Auf den in den Karten verzeichneten Ziehweg, über den man dann final den Talboden erreicht, stößt man südlich der Skihütte des Skiclubs Arlberg. Für einen Aufstieg über diese Route und den Weiterweg auf den Nordgipfel der Großen Sulzspitze siehe Abschnitt 4.
2. Kurzer Abstecher zum Ansatz des Südgrats der Großen Sulzspitze mit Ausgangspunkt Faselfad
(8. August 2020)
Am Tag darauf unternahm ich eine Tour ins abgelegene Faselfad, welche ich mit einem Besuch der beiden Gipfel des Augstenbergkopfs verband. Dabei wählte ich für den Abstieg dessen geröllige Nordflanke und gelangte über diese in das ihm nördlich vorgelagerte Kar, ab wo ich mich in Richtung Untere Faselfadseen hielt. Hier ergriff ich spontan die Möglichkeit, über eine ziemlich steile mergelige Rampe in nördlicher Richtung zum Ansatz des Südgrats der Großen Sulzspitze aufzusteigen, mit dem Ziel mir diesen aus der Nähe anzuschauen und bei günstigen Gegebenheiten auch gleich zu begehen.

Besagte mergelige Rampe mit kleinem Schneefeld oben
Aber Pustekuchen! Unmittelbar zu Beginn ist der splittrige und zu beiden Seiten ausgesetzte Grat sehr schmal und das teilweise rostrote, beinahe tönerne Gestein erschien mir obendrein unzuverlässig. Das war mir definitiv zu heikel für einen kurzen Abstecher.

Südgrat Große Sulzspitze
Also stieg ich wieder runter ins Kar und ging weiter zu den Seen, von wo aus ich die Westseite des Sulzspitzmassivs in aller Ruhe betrachten konnte. Von dort erschien mir alles sehr szenisch: Nach oben zum Gipfelkamm hin fühlte ich mich an steile Aptychenkalkformationen erinnert, wie wir sie aus dem Allgäu und Lechtal kennen – scharfkantig und schuppig und mit viel Grün in den Flanken. Kaskadenartig vorgelagert indes befinden sich auf mehreren Geländestufen kleine türkis schillernde Bergseen. Zusammen ergibt sich so ein beschauliches, aber gleichzeitig auch ehrfurchteinflößendes Alpinpanorama:


Ebenso eindrucksvoll und durchaus ganz anders ist der Anblick der Großen Sulzspitze vom Augstenbergkopf übrigens:

Kurzinfo zum Abstieg
Durchs Faselfad und hinab ins Verwalltal gelangt man über einen vermutlich vorwiegend von Hirten und Jägern genutzten Pfad. Für einen Aufstieg über diese Route besteht die Herausforderung darin, sie talseitig z.B. mit Hilfe einer guten Karte und etwas Orientierungsvermögen aufzuspüren.
3. Große Sulzspitze Hauptgipfel (P. 2853) via Westrippe des Mittelgipfels und Südgrat – Mittelgipfel (P. 2844) via Westflanke und oberer Nordgrat – Südgipfel (P. 2821) via Nordgrat; Auf- und Abstieg über Tanunalpe
(14. August 2021)
Führe: Vom Verwalltal, in das ich in diesem Fall mit dem Bus gefahren war, leitet der Wanderweg Nr. 18 hinauf zur Tanunalpe (vgl. Abschnitt 1), von der auch ein sandiger Viehpfad in südwestlicher Richtung abzweigt. Diesem folgte ich knapp 1,5 km, bis er sich unweit eines Holzschuppens auf einer Wiese verläuft. Hier öffnet sich ostsüdöstlich der Blick auf die weite Fläche unterhalb des Sulzspitzmassivs, dem ich mich ab hier weglos in besagter Richtung näherte.
Zuerst ging es über Wiesen, dann bald über steinigeres Gelände, während die Steilheit stetig zunahm. Ich hielt dabei auf einen in Richtung Westsüdwest verlaufenden, im unteren Bereich relativ flach anmutenden und ausgedehnten Seitengrat zu. Diesen erreichte ich zuletzt über felsiges Gelände in leichter Kraxelei. (Dauer: ca. eine Stunde ab dem Holzschuppen; sehr anstrengender Abschnitt wegen der Steilheit)

Blick über das Aufstiegsgelände
Nun stieg ich auf diesem Seitengrat zum Teil über Gras, zum Teil über Fels in östlicher Richtung so weit auf, bis ich problemlos in das rechtsseitig folgende Blockkar gelangen und dieses ohne an Höhe zu verlieren queren konnte. (Das könnte bereits auf ca. 2500 m gewesen sein, vielleicht war es aber auch noch etwas tiefer.)
Oberhalb der Querung befindet sich eine wilde und stark zerklüftete Felslandschaft bis hinauf zu den Gipfeln. Unterdessen hielt ich geradeaus zu auf den nächsten von oben hinabstreichenden Seitengrat, den ich als Westrippe des Mittelgipfels bezeichne. Ich stieg jedoch nicht ganz zu dieser auf, sondern stoppte noch unterhalb ihrer Kammlinie in recht gut navigierbarem Gelände, das allerdings aufgrund der Größe einiger Blöcke unwegsam ist. Dort drehte ich wieder auf Ost und stieg relativ steil auf einer Art Band in Richtung der markanten Scharte zwischen den beiden höchsten Erhebungen des Massivs, dem P. 2853 linkerhand und dem P. 2844 rechterhand.

Westrippe am Bildrand rechts, das erwähnte Band etwas links unterhalb davon und im Zentrum der Mittelgipfel
Ich erreichte die Scharte nach ca. einer Stunde ab Beginn des Aufstiegs über den ersten Seitengrat. Aus der Scharte kraxelte ich zuerst nördlich über den Südgrat und links davon zu P. 2853, dem Hauptgipfel. (Meine Höhenmessung zeigte dort 2851 m (+ - 5 m) an.)
Dem Hauptgipfel ist ein weiterer Gipfel nördlich vorgelagert, den ich in diesem Augenblick fälschlicherweise für die Kleine Sulzspitze hielt, der in Wirklichkeit aber P. 2840 entspricht, welcher somit die nördlichste Erhebung der Großen Sulzspitze ist. Wobei diesem freilich noch die Kleine Sulzspitze nördlich vorgelagert ist, die ja auch zu diesem Ensemble dazugehört. Die Kraxelei zum Hauptgipfel jedenfalls ist stellenweise luftig und vermutlich mit I+/T5 zu bewerten.

Blick vom Hauptgipfel zum Nordgipfel (P. 2840)

Blick vom Hauptgipfel zum Mittelgipfel (P. 2843)
Zurück in der Scharte versuchte ich mich nun zunächst direkt am furchteinflößenden Nordgrat des Mittelgipfels, was ich jedoch bald sein ließ, da sich die Schwierigkeiten zu Beginn (evtl. III) in der Westflanke umgehen lassen (hier vielleicht bis II, etwas luftig). So erreichte ich den Grat oberhalb der schwierigen Stellen und folgte ihm von dort zum Gipfel, für den meine Höhenmessung 2850 m (+ - 5 m) ergab, was dem P. 2843 auf der AV-Karte entsprechen dürfte.

Blick vom Mittelgipfel auf dessen Nordgrat rechts und einen Teil seiner Westflanke links

Blick vom Mittelgipfel zum Hauptgipfel
Vom Mittelgipfel ging es dann südlich durch Gehgelände zur nächsten Scharte mit einem markanten Zacken. Diesen versuchte ich zunächst zu überschreiten, was jedoch einen gewagten Spreizschritt (II+, ausgesetzt) erfordert hätte. Daher stieg ich etwas ungünstig von der Westseite des Zackens (wo ich mich „verfangen” hatte) zurück in die Scharte, aus der ich gekommen war, und umging das Ganze unterhalb (aber auch auf der Westseite). Anschließend steuerte ich in eine schmale Rinne und stieg in ihr hinauf in die nächstfolgende Scharte. (Das Gelände ist etwas brüchig.)
Aus dieser Scharte kraxelte ich nun über den düsteren schwarzen Blockgrat auf den ersten und höheren der beiden südlichen Gipfelköpfe. Die Kraxelei dürfte im Bereich I+ liegen, ist etwas ausgesetzt und allgemein erschien mir das Gestein hier brüchiger zu sein. Insgesamt tendiere ich hier schon zu T5+. Auf dem Gipfel maß die App 2816 m (+ - 5 m), was dem Höhenpunkt 2821 m gleichkommen müsste.

In der Querung des Zackens mit Blick zum Nordgrat des Südgipfels (P. 2821)

Blick vom Südgipfel zum Mittelgipfel (hinten) sowie dem Zacken (mittig)
Der weitere Gratverlauf nach Süden ist durchgehend schmal und zerborsten, wobei ich Umgehungsmöglichkeiten in den Flanken nicht ausschließen würde, und vermutlich auch recht brüchig. Der Grat führt über mindestens einen weiteren Gipfelkopf und endet dort, wo ich im Jahr zuvor meine Erkundung abgebrochen hatte:

Für heute war ich jedoch schon sehr zufrieden, hatte ich es schließlich auf die drei wesentlichen Erhebungen der Großen Sulzspitze geschafft. Ich beschloss daher umzukehren, stieg nördlich zurück in die Scharte, umging den garstigen Zacken abermals westseitig zur nächsten Scharte und stieg von dort zurück in Richtung Mittelgipfel. Ich bog jedoch schon davor links/westlich ab und gelangte so auf die Westrippe, unterhalb derer ich anfangs aufgestiegen war. Der Abstieg auf der recht breiten Westrippe ist unschwierig. Man folgt ihr bis zu einem Steinmann (bei P. 2676), von wo aus man dann über Schutt und Blöcke das Kar erreicht und wieder mit der Aufstiegsroute aufschließt.
4. Kleine Sulzspitze (P. 2741) via Ostgrat und Große Sulzspitze Nordgipfel (P. 2840) via Nordgrat – Auf- und Abstieg über Außersulzkar
(30. September 2023)
Mein einziger Besuch des Verwalls in diesem traurigen Jahr. Ich wollte nochmal hin, um sicherzugehen, dass ich mit der Einordnung der Gipfel in Bezug auf die Kleine und den nördlichsten der Großen Sulzspitze richtiglag, und um den Nordgipfel selbst auch zu besteigen. Vor Ort entschied ich mich außerdem dazu, anstelle direkt zu dem in Abschnitt 1 erwähnten Sulzschartli aufzusteigen (so wie ich abgestiegen war), lieber den aus dem Außersulzkar leicht zu erreichenden Ostgrat der Kleinen Sulzspitze zu nehmen.
Für den Zustieg zum Außersulzkar nutzt man vorteilhaft den erwähnten phasenweise wenig ausgeprägten Pfad, der sich in Serpentinen durch den hohen Heidehang arbeitet. Von der Tritschalpe kommend, zweigt dieser Pfad aber erst nach der Arlberger Skihütte vom Ziehweg rechts ab. Ich war in diesem Fall aus Vergesslicheit schon unweit der Tritschalpe über anfangs noch deutliche, sich bald aber verlierende Trittspuren über einen ziemlich dicht bewachsenen Hang einige hundert Meter aufgestiegen. Anschließend bin ich in Richtung des eigentlichen Pfads gequert, ohne diesen jedoch zu erreichen. Dabei orientierte ich mich an einer kleinen Holzhütte am Rand einer ersten hohen Geländestufe:

Die Holzhütte ist der kleine Punkt rechts oben auf der Geländekante.
Mit einiger Entfernung an der Hütte links vorbeiziehend, gelangte ich schließlich ins Kar und zum Ansatz des Ostgrats. Dieser ist relativ leicht zu begehen. Stellenweise muss man kraxeln, ist es etwas luftig und man erreicht schon auch mal kurz den II. Grad, aber unausgesetzt.

Auf dem Ostgrat
Der Nordgrat des Nordgipfels ist von der Gesteinsqualität her dann schlechter und von der Geländebeschaffenheit her rauer. Immer wieder verhindern hohe Abbrüche ein Weitergehen und erfordern Umgehungen links und rechts. Aber ich gelangte nirgends an den Rand der Verzweiflung. Zur Not muss man großzügiger umgehen. (Später im Abstieg bin ich dann direkt in der gerölligen Ostflanke des Nordgipfels auf mehr oder weniger gerader Linie ins Außersulzkar gelangt. – Es geht also auch komplett ohne Gratberührung.)

Blick vom Ostgrat auf den Nordgrat

Umgehung am Nordgrat

Auf dem Nordgipfel
Auch ein Übergang zum Hauptgipfel erscheint mir möglich und dürfte von ähnlicher Güte sein wie der Nordgrat zum Nordgipfel wie beschrieben. Muße dazu, dies auszutesten, hatte ich an diesem Tag jedoch nicht.

Blick vom Nordgipfel zum Hauptgipfel (P. 2843)
So endete dieser vierte „Akt“ für mich nicht mit dem Hochgefühl, mit welchem ich seinerzeit aufgebrochen war, diesen vielleicht etwas unprätentiösen, bei weitem aber nicht anspruchslosen und durchaus sehr vielgestaltigen Berg zu erkunden.
1. Kleine Sulzspitze – Aufstieg über Sattelgrat (Nordgrat), Abstieg über Außersulzkar
(7. August 2020)
Eigentlich eine Angelegenheit zum Entspannen, dachte ich. Geht es im zentralen, vom Tal aus gut sichtbaren Abschnitt der Tour doch vermeintlich leicht über einen bulligen, grasgrünen und sanft ansteigenden Kamm, der sich vom Sattelkopf bis zur Kleinen Sulzspitze erstreckt, einfach nur immer der Nase nach und ohne dass man Angst haben müsste, links oder rechts herunterzufallen. Daher frohlockte mich dieser riesige Koloss dazu, den weiten und unklaren Weg zu ihm hinauf auf mich zu nehmen, um oben in luftiger Höhe pfeifend den länglichen Buckel in schöner Manier abzuschreiten und entzückt auf die kleine Welt im Tal hinabzublicken.

Leider war es jedoch alles andere als entspannt, dort hinaufzukommen – und das lag nicht am Terrain, sondern an meiner fehlenden Ortskenntnis. Gleich zu Beginn in der schwierig zu überblickenden da bewaldeten Schlucht, wo Moosbach und Rosanna zusammenfließen, verfranzte ich mich.
Ortsunkundigen rate ich daher, stoisch den Beschilderungen zu folgen, um sicherzugehen, dass man auf den richtigen Wanderweg gelangt – bei freytag & berndt ist dies der Weg Nr. 18A. Dieser verläuft südöstlich der Rosanna und geht später in den Weg 18 über, der dann über die Tanunalpe hinauf zum Sattelkopf leitet und dort endet.
Da ich mich verlaufen hatte, benötigte ich für die 700 Höhenmeter von St. Anton bis zum Gipfel des Sattelkopfs – dem Beginn des verlockenden Kernstücks der Tour – ganze vier Stunden und war dadurch bereits in Zeitnot. So musste ich zu meiner Enttäuschung im Eiltempo über den breiten Sattelgrat hetzen, anstatt mit trillerndem Pfeifen und erhabenem Blick ins Tal hinabzuschauen.
Also schmiss ich den „Turbolader” an und schrubbte die Höhenmeter.
Das immerhin gelang mir vergleichsweise gut; für die 460 Höhenmeter vom Sattelkopf bis P. 2447 brauchte ich 1,25 Stunden und für die verbleibenden knapp 300 Höhenmeter bis zum Gipfel der Kleinen Sulzspitze sogar nur 35 Minuten.
Über den Sattelgrat verläuft keine Wegspur, sodass man sich den günstigsten Durchschlupf durch das strauchige Terrain selbst suchen muss. Um P. 2447 herum wird es felsiger und stellenweise bin ich in die Westflanke ausgewichen, um mein Tempo zu halten. Das Gelände ist aber nirgends heikel.

Am Gipfel angekommen, tauchte plötzlich noch ein Gleitschirmflieger in meinem Blickfeld auf – ein sich bewegender neonfarbener Punkt am Himmel, der guttat, denn ich fühlte mich in diesem Moment da oben doch etwas im Abseits.

Erleichtert war ich auch darüber, dass das Gelände hinab ins Moostal (laut Alpenvereinskarte Nr. 3/2 handelt es sich dabei um das Außersulzkar) vom Kamm aus gut erreichbar und insgesamt gut begehbar aussah – nicht allzu steil, keine Abbrüche –, sodass ich mich für diesen Abstieg entschied. Damit war der Rückweg klar und meine Anspannung aufgelöst, wodurch ich die herrliche Landschaft nun doch noch etwas genießen konnte.

Außersulzkar
Für den Weiterweg auf die Große Sulzspitze, die mindestens vier Gipfelköpfe zählt, was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, wäre mir an diesem Tag keine Zeit geblieben. Immerhin konnte ich mir aber einen ersten Eindruck verschaffen und sehen, dass man aus der Gratsenke zwischen Kleiner Sulzspitze und dem nördlichsten Gipfel der Großen auf letzteren über einen längenmäßig überschaubaren, ziemlich breiten aber auch zerklüfteten Blockgrat aufsteigen kann:

Der Weiterweg zu den Gipfeln der Großen Sulzspitze
Kurzinfo zum Abstieg
Aus besagter Gratsenke (laut AV-Karte „Sulzschartli“ genannt) stieg ich nun unschwierig über mehrere Geländestufen, zum Teil noch auf Schneefeldern, hinab in Richtung Tritschalpe. Auf ungefähr halber Höhe des Abstiegs, wo Heidewiesen beginnen, leitete ein nicht durchgehend ausgeprägter Pfad kurz nördlich, um bald darauf wieder östlich hinab ins Tal zu mäandern. Auf den in den Karten verzeichneten Ziehweg, über den man dann final den Talboden erreicht, stößt man südlich der Skihütte des Skiclubs Arlberg. Für einen Aufstieg über diese Route und den Weiterweg auf den Nordgipfel der Großen Sulzspitze siehe Abschnitt 4.
2. Kurzer Abstecher zum Ansatz des Südgrats der Großen Sulzspitze mit Ausgangspunkt Faselfad
(8. August 2020)
Am Tag darauf unternahm ich eine Tour ins abgelegene Faselfad, welche ich mit einem Besuch der beiden Gipfel des Augstenbergkopfs verband. Dabei wählte ich für den Abstieg dessen geröllige Nordflanke und gelangte über diese in das ihm nördlich vorgelagerte Kar, ab wo ich mich in Richtung Untere Faselfadseen hielt. Hier ergriff ich spontan die Möglichkeit, über eine ziemlich steile mergelige Rampe in nördlicher Richtung zum Ansatz des Südgrats der Großen Sulzspitze aufzusteigen, mit dem Ziel mir diesen aus der Nähe anzuschauen und bei günstigen Gegebenheiten auch gleich zu begehen.

Besagte mergelige Rampe mit kleinem Schneefeld oben
Aber Pustekuchen! Unmittelbar zu Beginn ist der splittrige und zu beiden Seiten ausgesetzte Grat sehr schmal und das teilweise rostrote, beinahe tönerne Gestein erschien mir obendrein unzuverlässig. Das war mir definitiv zu heikel für einen kurzen Abstecher.

Südgrat Große Sulzspitze
Also stieg ich wieder runter ins Kar und ging weiter zu den Seen, von wo aus ich die Westseite des Sulzspitzmassivs in aller Ruhe betrachten konnte. Von dort erschien mir alles sehr szenisch: Nach oben zum Gipfelkamm hin fühlte ich mich an steile Aptychenkalkformationen erinnert, wie wir sie aus dem Allgäu und Lechtal kennen – scharfkantig und schuppig und mit viel Grün in den Flanken. Kaskadenartig vorgelagert indes befinden sich auf mehreren Geländestufen kleine türkis schillernde Bergseen. Zusammen ergibt sich so ein beschauliches, aber gleichzeitig auch ehrfurchteinflößendes Alpinpanorama:


Ebenso eindrucksvoll und durchaus ganz anders ist der Anblick der Großen Sulzspitze vom Augstenbergkopf übrigens:

Kurzinfo zum Abstieg
Durchs Faselfad und hinab ins Verwalltal gelangt man über einen vermutlich vorwiegend von Hirten und Jägern genutzten Pfad. Für einen Aufstieg über diese Route besteht die Herausforderung darin, sie talseitig z.B. mit Hilfe einer guten Karte und etwas Orientierungsvermögen aufzuspüren.
3. Große Sulzspitze Hauptgipfel (P. 2853) via Westrippe des Mittelgipfels und Südgrat – Mittelgipfel (P. 2844) via Westflanke und oberer Nordgrat – Südgipfel (P. 2821) via Nordgrat; Auf- und Abstieg über Tanunalpe
(14. August 2021)
Führe: Vom Verwalltal, in das ich in diesem Fall mit dem Bus gefahren war, leitet der Wanderweg Nr. 18 hinauf zur Tanunalpe (vgl. Abschnitt 1), von der auch ein sandiger Viehpfad in südwestlicher Richtung abzweigt. Diesem folgte ich knapp 1,5 km, bis er sich unweit eines Holzschuppens auf einer Wiese verläuft. Hier öffnet sich ostsüdöstlich der Blick auf die weite Fläche unterhalb des Sulzspitzmassivs, dem ich mich ab hier weglos in besagter Richtung näherte.
Zuerst ging es über Wiesen, dann bald über steinigeres Gelände, während die Steilheit stetig zunahm. Ich hielt dabei auf einen in Richtung Westsüdwest verlaufenden, im unteren Bereich relativ flach anmutenden und ausgedehnten Seitengrat zu. Diesen erreichte ich zuletzt über felsiges Gelände in leichter Kraxelei. (Dauer: ca. eine Stunde ab dem Holzschuppen; sehr anstrengender Abschnitt wegen der Steilheit)

Blick über das Aufstiegsgelände
Nun stieg ich auf diesem Seitengrat zum Teil über Gras, zum Teil über Fels in östlicher Richtung so weit auf, bis ich problemlos in das rechtsseitig folgende Blockkar gelangen und dieses ohne an Höhe zu verlieren queren konnte. (Das könnte bereits auf ca. 2500 m gewesen sein, vielleicht war es aber auch noch etwas tiefer.)
Oberhalb der Querung befindet sich eine wilde und stark zerklüftete Felslandschaft bis hinauf zu den Gipfeln. Unterdessen hielt ich geradeaus zu auf den nächsten von oben hinabstreichenden Seitengrat, den ich als Westrippe des Mittelgipfels bezeichne. Ich stieg jedoch nicht ganz zu dieser auf, sondern stoppte noch unterhalb ihrer Kammlinie in recht gut navigierbarem Gelände, das allerdings aufgrund der Größe einiger Blöcke unwegsam ist. Dort drehte ich wieder auf Ost und stieg relativ steil auf einer Art Band in Richtung der markanten Scharte zwischen den beiden höchsten Erhebungen des Massivs, dem P. 2853 linkerhand und dem P. 2844 rechterhand.

Westrippe am Bildrand rechts, das erwähnte Band etwas links unterhalb davon und im Zentrum der Mittelgipfel
Ich erreichte die Scharte nach ca. einer Stunde ab Beginn des Aufstiegs über den ersten Seitengrat. Aus der Scharte kraxelte ich zuerst nördlich über den Südgrat und links davon zu P. 2853, dem Hauptgipfel. (Meine Höhenmessung zeigte dort 2851 m (+ - 5 m) an.)
Dem Hauptgipfel ist ein weiterer Gipfel nördlich vorgelagert, den ich in diesem Augenblick fälschlicherweise für die Kleine Sulzspitze hielt, der in Wirklichkeit aber P. 2840 entspricht, welcher somit die nördlichste Erhebung der Großen Sulzspitze ist. Wobei diesem freilich noch die Kleine Sulzspitze nördlich vorgelagert ist, die ja auch zu diesem Ensemble dazugehört. Die Kraxelei zum Hauptgipfel jedenfalls ist stellenweise luftig und vermutlich mit I+/T5 zu bewerten.

Blick vom Hauptgipfel zum Nordgipfel (P. 2840)

Blick vom Hauptgipfel zum Mittelgipfel (P. 2843)
Zurück in der Scharte versuchte ich mich nun zunächst direkt am furchteinflößenden Nordgrat des Mittelgipfels, was ich jedoch bald sein ließ, da sich die Schwierigkeiten zu Beginn (evtl. III) in der Westflanke umgehen lassen (hier vielleicht bis II, etwas luftig). So erreichte ich den Grat oberhalb der schwierigen Stellen und folgte ihm von dort zum Gipfel, für den meine Höhenmessung 2850 m (+ - 5 m) ergab, was dem P. 2843 auf der AV-Karte entsprechen dürfte.

Blick vom Mittelgipfel auf dessen Nordgrat rechts und einen Teil seiner Westflanke links

Blick vom Mittelgipfel zum Hauptgipfel
Vom Mittelgipfel ging es dann südlich durch Gehgelände zur nächsten Scharte mit einem markanten Zacken. Diesen versuchte ich zunächst zu überschreiten, was jedoch einen gewagten Spreizschritt (II+, ausgesetzt) erfordert hätte. Daher stieg ich etwas ungünstig von der Westseite des Zackens (wo ich mich „verfangen” hatte) zurück in die Scharte, aus der ich gekommen war, und umging das Ganze unterhalb (aber auch auf der Westseite). Anschließend steuerte ich in eine schmale Rinne und stieg in ihr hinauf in die nächstfolgende Scharte. (Das Gelände ist etwas brüchig.)
Aus dieser Scharte kraxelte ich nun über den düsteren schwarzen Blockgrat auf den ersten und höheren der beiden südlichen Gipfelköpfe. Die Kraxelei dürfte im Bereich I+ liegen, ist etwas ausgesetzt und allgemein erschien mir das Gestein hier brüchiger zu sein. Insgesamt tendiere ich hier schon zu T5+. Auf dem Gipfel maß die App 2816 m (+ - 5 m), was dem Höhenpunkt 2821 m gleichkommen müsste.

In der Querung des Zackens mit Blick zum Nordgrat des Südgipfels (P. 2821)

Blick vom Südgipfel zum Mittelgipfel (hinten) sowie dem Zacken (mittig)
Der weitere Gratverlauf nach Süden ist durchgehend schmal und zerborsten, wobei ich Umgehungsmöglichkeiten in den Flanken nicht ausschließen würde, und vermutlich auch recht brüchig. Der Grat führt über mindestens einen weiteren Gipfelkopf und endet dort, wo ich im Jahr zuvor meine Erkundung abgebrochen hatte:

Für heute war ich jedoch schon sehr zufrieden, hatte ich es schließlich auf die drei wesentlichen Erhebungen der Großen Sulzspitze geschafft. Ich beschloss daher umzukehren, stieg nördlich zurück in die Scharte, umging den garstigen Zacken abermals westseitig zur nächsten Scharte und stieg von dort zurück in Richtung Mittelgipfel. Ich bog jedoch schon davor links/westlich ab und gelangte so auf die Westrippe, unterhalb derer ich anfangs aufgestiegen war. Der Abstieg auf der recht breiten Westrippe ist unschwierig. Man folgt ihr bis zu einem Steinmann (bei P. 2676), von wo aus man dann über Schutt und Blöcke das Kar erreicht und wieder mit der Aufstiegsroute aufschließt.
4. Kleine Sulzspitze (P. 2741) via Ostgrat und Große Sulzspitze Nordgipfel (P. 2840) via Nordgrat – Auf- und Abstieg über Außersulzkar
(30. September 2023)
Mein einziger Besuch des Verwalls in diesem traurigen Jahr. Ich wollte nochmal hin, um sicherzugehen, dass ich mit der Einordnung der Gipfel in Bezug auf die Kleine und den nördlichsten der Großen Sulzspitze richtiglag, und um den Nordgipfel selbst auch zu besteigen. Vor Ort entschied ich mich außerdem dazu, anstelle direkt zu dem in Abschnitt 1 erwähnten Sulzschartli aufzusteigen (so wie ich abgestiegen war), lieber den aus dem Außersulzkar leicht zu erreichenden Ostgrat der Kleinen Sulzspitze zu nehmen.
Für den Zustieg zum Außersulzkar nutzt man vorteilhaft den erwähnten phasenweise wenig ausgeprägten Pfad, der sich in Serpentinen durch den hohen Heidehang arbeitet. Von der Tritschalpe kommend, zweigt dieser Pfad aber erst nach der Arlberger Skihütte vom Ziehweg rechts ab. Ich war in diesem Fall aus Vergesslicheit schon unweit der Tritschalpe über anfangs noch deutliche, sich bald aber verlierende Trittspuren über einen ziemlich dicht bewachsenen Hang einige hundert Meter aufgestiegen. Anschließend bin ich in Richtung des eigentlichen Pfads gequert, ohne diesen jedoch zu erreichen. Dabei orientierte ich mich an einer kleinen Holzhütte am Rand einer ersten hohen Geländestufe:

Die Holzhütte ist der kleine Punkt rechts oben auf der Geländekante.
Mit einiger Entfernung an der Hütte links vorbeiziehend, gelangte ich schließlich ins Kar und zum Ansatz des Ostgrats. Dieser ist relativ leicht zu begehen. Stellenweise muss man kraxeln, ist es etwas luftig und man erreicht schon auch mal kurz den II. Grad, aber unausgesetzt.

Auf dem Ostgrat
Der Nordgrat des Nordgipfels ist von der Gesteinsqualität her dann schlechter und von der Geländebeschaffenheit her rauer. Immer wieder verhindern hohe Abbrüche ein Weitergehen und erfordern Umgehungen links und rechts. Aber ich gelangte nirgends an den Rand der Verzweiflung. Zur Not muss man großzügiger umgehen. (Später im Abstieg bin ich dann direkt in der gerölligen Ostflanke des Nordgipfels auf mehr oder weniger gerader Linie ins Außersulzkar gelangt. – Es geht also auch komplett ohne Gratberührung.)

Blick vom Ostgrat auf den Nordgrat

Umgehung am Nordgrat

Auf dem Nordgipfel
Auch ein Übergang zum Hauptgipfel erscheint mir möglich und dürfte von ähnlicher Güte sein wie der Nordgrat zum Nordgipfel wie beschrieben. Muße dazu, dies auszutesten, hatte ich an diesem Tag jedoch nicht.

Blick vom Nordgipfel zum Hauptgipfel (P. 2843)
So endete dieser vierte „Akt“ für mich nicht mit dem Hochgefühl, mit welchem ich seinerzeit aufgebrochen war, diesen vielleicht etwas unprätentiösen, bei weitem aber nicht anspruchslosen und durchaus sehr vielgestaltigen Berg zu erkunden.
Tourengänger:
Ben77

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