Ein Meer von Schutt - Piz Tea Fondada (3144 m) und Piz Magliavachas (3088 m)


Publiziert von PStraub , 16. Juli 2023 um 14:35. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Val Müstair
Tour Datum:14 Juli 2023
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: Münstertaler Berge   CH-GR   I 
Aufstieg: 1715 m
Abstieg: 1715 m

Wenn man in HIKR Berge im Val Mora aufruft, kommt meist eine dieser Anzeigen:

Dagegen wollte ich etwas unternehmen.

Geplant waren zwei Tagestouren im Val Müstair. Am ersten Tag auf die Gipfel Cuclèr da Jon dad Onsch und Piz Tea Fondada, am zweiten auf Piz Magliavachas und Piz Murtaröl. Wie üblich mit Anfahrt per Bike.

So startete ich beim Beginn der Via Val Mora, zwischen Valchava und Fuldera. Bis zu Pra da Vau, der Endstation des Touristenbusses, ist das eine sehr gute Naturstrasse. Ab dort ist sie oft ausgewaschen.

Bei La Stretta bin ich losgelaufen. Das Val Schumbraida ist weglos, jedoch sehr angenehm zu begehen. Da ich Richtung Cuclèr da Jon dad Onsch wollte, habe ich den Bach oberhalb der Schlucht gequert, sobald das möglich war (ca. 2410 m). Ab da alles den Hang hoch. In diesen Wiesen blühen Unmengen an Edelweiss. Vom Sattel P.2697 ging ich Richtung westliche Schutthalde, welche zwischen den Gipfeltürmen zum Grat hochzieht.

Im SAC-Tourenportal steht: "Vom Val da Tea Fondada oder Val Schumbraida zum Sattel P. 2697 m. Dann in nördlicher Richtung die ersten beiden Grattürme westlich umgehen und über Schrofen zum Gipfel. (WS)"
Beschissener kann eine derartige Route nicht beschrieben werden.
Ich stieg die Schuttmulde - sie wird gegen oben immer enger und heikler - hoch und kam, tendenziell immer links haltend, mit Hängen und Würgen auf ein Plateau. Gegen Nord und Süd ragen Gipfeltürme weitere rund 20 m senkrecht in die Höhe, der nördliche dürfte der höchste Punkt sein. Ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen, aber ich sah da weder Schrofen noch eine halbwegs gangbare Passage. So begnügte ich mich halt mit dem erwähnten Plateau auf gut 2750 m.

Dann stieg ich die Rinne ab und querte die Hochebene Richtung Piz Tea Fondada. Theoretisch könnte man die Mulde zu P. 3048 direkt ersteigen, aber die dortigen Hänge sahen noch schlimmer aus als die bisherigen. So stieg ich den Rücken zu P. 2943 hoch und folgte weitgehend dem Grat. Wie die ganze Tour war auch das eine Jo-Jo-Strecke: auf - ab - auf ..

Der Schlussaufstieg zwischen P. 3048 und dem Gipfel war eine Schinderei. Eigentlich wäre hier Dolomit angesagt, für mich sah es wie Kalk aus der Malm/Kreide-Grenze (Quintner-/Schrattenkalk) aus. Kleine, feinsplittrige, messerscharfe Steine, die Schutthalden bilden, die sich ohne ersichtlichen Grund in Bewegung setzen. Weil alles rutscht, muss man zügig gehen, damit man überhaupt Höhe macht. Und Ausrutscher bleiben nicht aus. Was im teilweise doch steilen Gelände für Haut und Psyche wenig hilfreich ist.  

Auf dem Gipfel liegt noch Schrott herum, vermutlich die Reste eines Trangulationspunktes.

Mittlerweile hatte ich beschlossen, den Piz Magliavachas auch noch zu versuchen. Dafür folgte ich dem Grat. Oder wollte eigentlich: Was auf der Karte als begehbar aussieht, bricht immer mal wieder in einer Steilstufe ab, was einige Umwege erforderlich machte. Bei der letzten gab ich auf und stieg bezw. rutschte zur Mulde beim Passo di Val Paolaccia (P. 2825) ab. Ausser einem Grenzstein ist da nichts.

Der Aufstieg zum Grat des  Piz Magliavachas stand jenem von vorher in nichts nach. Wer lange genug stillsteht, dürfte nach einiger Zeit im Val Fraele unten sein.
Auch dieser Gipfel ist nicht überlaufen - in HIKR ist das der erste "Treffer".
Paradoxerweise scheint P. 3043 und nicht P. 3088 gleich daneben als Gipfel zu gelten. Vom Grat dazwischen sind beide Punkte leicht zu erreichen.

An sich hatte ich befürchtet, ich müsste zum Passo di Val Paolaccia zurück. Doch die  Schutthalden sowohl Richtung Val  Magliavachas wie auch jene zum Val da Tea Fondada sahen durchgängig aus. So versuchte ich den Abstieg zu letzterem, was auch recht gut gelang.

Auf der Karte sind im Val da Tea Fondada Wegspuren eingezeichnet. Davon ist nicht mehr viel Brauchbares übrig. Vermutlich werden keine Schafe mehr aufgetrieben, weil solche Täler vom Bund als "mit vertretbarem Aufwand nicht zu schützen" eingestuft werden. Vor allem unten im Legföhren-Dickicht ist ein Gespür für Wege von Vorteil.

Endlich zurück beim Bike-Parkplatz schaffte ich es, dieses erst suchen zu müssen. Ein Legföhrenstrauch als Merkpunkt ist unvorteilhaft in einer Wiese, wo es derart viele davon hat.

Die Wetterprognose lautete: Ganze Schweiz schön und warm. Anscheinend gehört des Münstertal nicht mehr zur Schweiz: Es war meist bewölkt, nach dem Mittag waren die Gipfel oft sogar im Nebel, und ein bissiger Föhn sorgte immer wieder für Frösteln. Und im Abstieg fielen sogar ein paar Tropfen.

Schalenwild habe ich keines gesehen, nur ganz vereinzelte Trittspuren von Gemsen. Dafür wimmelt es im Val Mora und den Seitentälern von Murmeltieren.

Das war, sowohl was die Höhenmeter als auch das doch sehr anstrengende Gelände angeht, eine happige Wanderung. Deshalb verzichtete ich auf die für den zweiten Tag geplante Tour.

Kontinentale Wasserscheiden
Bei dieser Tour auf die Rote Wand kam ich an die kontinentale Wasserscheide Rhein/Donau.
Zufällig war ich am Döss Radond nur wenige Tage nachher gleich noch einmal auf dieser unterwegs: Das Val Müstair entwässert via Etsch in die Adria, das Val Mora via Spöl - Inn in die Donau. Und der unscheinbare Passo di Fraele westlich des Passo di Val Paolaccia ist nochmals eine: Die Fraele-Seen entwässern via Veltlin in den Po.


Bike: auf/ab je ca. 800 Hm, 18 km
zu Fuss: auf/ab je ca. 1710 Hm, 13.5 km


Nachtrag 06.08.2023
Auf Anfrage teilte mir R. Müller, Bergführer im Münstertal, folgendes mit:
"Der Name des Berges ist ein Personenname; die Herkunft ist mir aber auch nicht bekannt. 
Die Besteigung erfordert eine kurze ausgesetzte Kletterei."

Tourengänger: PStraub
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Kommentare (3)


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Bergrider hat gesagt: Ergänzende Informationen
Gesendet am 22. Februar 2024 um 21:03
Hallo PStraub,

gratulation zu deiner Tour im abgelegenem Val Mora.

Ich möchte nur kurz hinzufügen, dass beim Piz Magliavachas nicht nur der namenlose P3088, den du bestiegen hast, sondern auch der P3042, der eigentlich Piz Magliavachas heisst, den du südlich umgangen bist, bestiegen werden kann. Vom Gipfel aus gesehen ist er in südöstlicher Richtung in einer kleinen Rinne (T5+, II) zu besteigen.

Die Gegend ist wirklich einsam und man muss Schutt lieben!

Ich habe letztes Jahr mein Traum erfüllt und den ganzen Grat im Val Mora in drei verschiedenen Tagen gemacht. Es hat mir, v.a. das Stück von der Bocchetta Cancano (P2809) bis zum Piz Schumbraida (P3124) alles abverlangt (auch nicht im SAC-Tourenportal berichtet).

Hier meine Routenbeschreibungen (auf die blaue Route klicken) und Verhältnisse inkl. GPX-Tracks dazu:

https://www.gipfelbuch.ch/verhaeltnisse/239701-wanderung-piz-murtaroel-3180m

https://www.gipfelbuch.ch/verhaeltnisse/246810-wanderung-monte-cornaccia-3144m

https://www.gipfelbuch.ch/verhaeltnisse/248877-wanderung-piz-rims-2965m

Ich wünsche dir weiterhin schöne Touren!

Lieber Gruss,
Bergrider

Bergrider hat gesagt: Route zum Cuclèr da Jon dad Onsch
Gesendet am 12. August 2024 um 00:13
Hallo,

ich war heute auf dem Cuclèr da Jon dad Onsch.

Zur Ergänzung hier meine genaue Beschreibung zur Route:

https://www.gipfelbuch.ch/routen/26167-cucler-da-jon-dad-onsch2775m-von-val-mora-hoch-via-val-schumbraida-ueber-suedgrat-und-hinab-via-val-da-tea-fondada

Lieber Gruss
Bergrider

PStraub hat gesagt: RE:Route zum Cuclèr da Jon dad Onsch
Gesendet am 16. August 2024 um 15:57
Danke für die Info.
Das ist ja krass - von wegen "Schrofengelände"!

Gruss Peter


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