Zum Höhendorf der Zauberer
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Brrrrr.... Eine Tour aus einem Buch? Ob ich das kann? Ich hab nämlich großen Spaß daran, meine Touren selbst zusammenzustellen. Ich gehe ganz selten mal nach Buch. Na, mal sehen, was für Wege der Autor herausgesucht hat.
Die Tour startet in Reichenbach, das überregional bekannt ist für sein Felsenmeer. Das ist eine riesige Halde von Granitblöcken, an denen sich schon die Römer die Zähne ausgebissen haben. Heute dient sie vornehmlich als Touristenattraktion und Klettergarten für Kinder. Diese Tour lässt das Felsenmeer jedoch aus, und dreht durch den Osten und den Süden Reichenbachs, Gegenden, die wenig bewandert sind, weil das Felsenmeer hier eben die Hauptattraktion ist. Und schon allein deshalb ist sie interessant.
Um diese Jahreszeit ist's ja normalerweise kalt und grau im Odenwald ("im Odenwald, im Odenwald..."). Aber gestern hat's 19 Grad erreicht (jaja, der Klimawandel ist nur ein Hoax der Windkraftindustrie...)! Und so zog es die Waldelfe und mich zum Wandern in die Höhe. Also "Gumbo Gumbo" von Guranfoe eingelegt, und ab nach...
Reichenbach (200 m), das in Navis gern Lautertal heißt. Am Friedhof (der sich praktischerweise in der Friedhofstraße befindet) hat's Parkplätze.
3 Stunden sind erlaubt, es gehen also nur Drei-Stunden-Touren. Wir haben uns dran gehalten.
Man wandert zunächst die Friedhofstraße hinauf, dann halbrechts in die Knodener Straße. Weiter in die Hohensteiner Straße, die sich bald nach links wendet und den Berg hinauf schlängelt. In der zweiten Rechtskehre zweigt geradeaus der Sählwiesenweg ab, ein Feldweg, der - "stramm", heißt es im Buch - hinauf zum Hohenstein (320 m) führt.
Am Waldrand sollte man sich unbedingt umdrehen. Von einem Schutzhüttl aus hat man diesen schönen Blick hinunter ins Lautertal. Fast die einzige Aussicht des Tages! Im Süden sind Köppel und Knodener Kopf zu sehen, zu denen unsere Tour noch führen wird. Im Südwesten zeigt sich der Hohberg, dann öffnet sich der Blick ins Rheintal. Auf der anderen Seite des Lautertals fällt der Blick auf das Auerbacher Schloss und den Melibokus.
Ein paar Meter den Wald hinauf erstreckt sich der Hohenstein, ein 17 Meter hoher Quarzitfels. Warum der hier steht, erzählt eine Sage:
Sie berichtet von zwei Riesen, die hier im Lautertal lebten. Der eine hauste am Hohenstein, der andere auf der anderen Seite des Tals, am Felsenmeer auf dem Felsberg. Eines Tages gerieten die beiden Nachbarn in Streit. Und sie bewarfen einander mit Steinen. Immer größer wurde die Wut der Riesen, und immer größer wurden die Steine, die sie aufeinander warfen.
Doch der Hohensteiner Riese hatte mehr Steine zur Verfügung, als der Riese vom Felsberg. Und deshalb begrub er seinen Widersacher bald mit seinen vielen Steinen. Nur ein Felsen blieb übrig, der war selbst dem Riesen zu schwer.
Bis heute kann man den Felsberg-Riesen in dunklen Nächten unter den Steinen des Felsenmeers Stöhnen hören....
Und jetzt wissen wir auch, warum am Hohenstein nur der eine, riesige Felsblock zu sehen ist - und am Felsberg so viele Granitbrocken!
Zurück zum Hohenstein. Das ist ein schön im lichten Hochwald gelegener, ca. 60 Meter langer und 17 Meter hoher Quarzitfels, der mit seinen vier, fünf Metern Breite eigentlich einen veritablen Grat bildet. Der Fels steht frei und ist damit von allen Seiten bekletterbar. Die langen NW- und SO-Seiten bieten etwa sechzig Kletterrouten von II bis VIII, dem abenteuerlustigen, trittsicheren und klettergewandten Wanderer kann aber vor allem die Ost-West-Überschreitung ans Herz gelegt werden: Beide Schmalseiten sind wunderbar gestuft und bieten einen Kraxelspaß, der den IIten Schwierigkeitsgrad kaum überschreitet - wenn auch teils in ausgesetztem Gelände.
Es geht die steilere Ostkante hinauf, in einer steilen Rinne. Diese wird an ihrem Ende rechts verlassen, wo man auf einen Absatz gelangt. Am anderen Ende des Absatzes links hinauf und zum höchsten Punkt.
Einige Meter zurück, dann wird die Überschreitung fortgesetzt. Es geht mehr oder weniger über alles rüber, besonders im breiten Mittelteil hat's immer mal kurz Gehgelände.
Die Schlüsselstelle ist ein geneigtes Wandl, das auf kleinen, abgelatschten und deshalb rutschigen Griffen und Tritten abgeklettert werden muss. Der Rest ist wieder weitgehend Gehgelände, man kann aber auch nach links durch einen lustigen schrägen Spalt zum Waldboden hinuntersteigen.
Der Fels wurde 2013 durch die Grundeigentümerin gesperrt, die Sperrung war jedoch unrechtmäßig. Mittlerweile ist er wieder zum Klettern freigegeben.
Hinterm Hohenstein geht's dann erst einmal hinaus aus dem Wald und durch eine hübsche Allee über eine Wiese. Drüben hält man sich rechts. Dort geht's hinunter zum Hofgut Hohenstein (333 m).
Hier befand sich einst ein Dörfchen. Schon 1339 wurde es erstmals erwähnt. Mitte des 19. Jahrhunderts gehört zu Hohenstein 154 Morgen Ackerland, 97 Morgen Wiesen und 317 Morgen Wald. Dort wurde auch Bergbau betrieben.
Wirtschaftliche Nöte zwangen die Bewohner dann, sich anderswo ein Auskommen zu suchen. Das Familie Erbach-Schönberg legte die Grundstücke zusammen und baute sie zu einem Hofgut aus. Heute kann man es für Feierlichkeiten mieten.
Der breite Weg wendet sich hier nach Süden. Es geht zum Jagdhaus hinauf, dann links hinein in eine Dell. Am nächsten Abzweig halten wir uns geradeaus, immer den Berg hinauf. Am nächsten Abzweig links, den felsigen Hang der Ferdinandenhöhe querend. Moosbewachsene Felsen prägen hier das Gelände. Dort, wo sich der Weg nach links wendet, steigen wir rechts hinauf auf die Höhe. Dort geht's erneut nach rechts, zur Ferdinandenhöhe (437 m).
Die Ferdinanden(s)höhe ist ein zu Ehren der Gräfin Ferdinande Henriette zu Erbach-Schönberg (1699-1750) angelegter Rastplatz auf dem felsigen Spitzkegel "Köppel".
1718 heiratete Graf Georg August von Erbach-Schönberg (1691-1758) Ferdinande Henriette, eine der Stolberger Töchter. Mit ihr hatte er 13 Kinder, die er in eine Familienbibel eintrug, die bis heute auf dem Altar der Schönberger Kirche liegt. Ferdinande starb 1750 im heutigen Bad König. Sie ist in Michelstadt begraben.
Hier geht's leider nicht weiter, deshalb muss man wieder zurück zum Bergrücken, zu der Stelle, an der man zuvor heraufgekommen ist. Hier nun auf breitem Weg nach rechts, zu einer Wegteilung nach einer Kurve. Wir zweigen hier links ab, und gleich wieder nach links. Hier geht es nun zunächst nordseitig um den Knodener Kopf herum.
Bald queren wir den historischen Knodener Kirchenpfad, die die Knoden genannten Häuschen auf der Höhe mit Reichenbach verbindet. Der Weg wurde einst zum Kirchgang von Knoden nach Reichenbach genutzt - in Knoden gab (und gibt) es keine Kirche. Der in Vergessenheit geratene "Kneremer Kerschepoad" ist Anfang Februar 2022 bei einer Ein-Tages-Aktion mit 35 beteiligten Helfern wiederhergestellt worden.
Unser Weg dreht bald auf die Westseite des Knodener Kopfs, wo er sich durch rauhes, felsiges Gelände bis fast auf den Gipfel hinaufzickzackt. Dieser wird zuletzt aber noch einmal nordseitig passiert. Schließlich geht's bergab und man tritt östlich des Knodener Kopfs auf eine schöne Wiese hinaus. Bald nach rechts und hinüber nach Knoden (472 m).
Das Höhendorf der Zauberer! Damit ist Knoden gemeint. Offenbar hat es ein Knodener vor vielen Jahren bis in die Schweiz geschafft. Ein Hikr womöglich? Ein Hexr auf jeden Fall, denn der Mann musste die Schweiz schnell wieder verlassen - wegen Hexerei! Und so verbreitete sich nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges die Furcht vor den Knodenern....
Angeblich beherrschten diese die Kunst des Bannens - die "Knodener Kunst": Die Knodener konnten damit ihre Widersacher zum Beispiel am Boden festbannen und auf diese Weise unschädlich machen. Aber auch das Brauchen zählte zu ihren Fähigkeiten: ein Zauber, mit dem sie Krankheiten heilen und Armut mildern konnten. Also nett und freundlich sein, zu den Knodenern!
Eine Sage gibt's natürlich auch: Einst desertierte der Knodener Bitschenickel aus dem französischen Heer. Als man ihm nachstellte, verhexte er seine Verfolger: Und plötzlich konnten sie vom Hohenstein aus nur noch in eine einzige Richtung gehen. Sie waren nicht mehr fähig, sich umzudrehen. Die Geschichte sprach sich bald herum, und so kam es dazu, dass die französischen Offiziere ihre Soldaten davor warnten, Knoden zu betreten....
Man folgt nun kurz der Dorfstraße Richtung Osten, dann verlässt man am Feuerwehrhaus das winzige Örtchen Richtung Schannenbach. Über Wiesen geht's hinunter in die Rehklinge, und drüben im Wald wieder hinauf nach Schannenbach (480 m). Hier war ich 2019 schon einmal, im Mai, da hat's geschneit....
Heute, im Januar, ist's deutlich wärmer. Aber der Wind pfeift, und somit behält auch heute wieder das alte Sprichwort recht, das bekanntlich besagt: "Im Odenwald, im Odenwald, da....".
Wir wanderten in das Örtchen hinein und die Krehbergstraße hinauf. Dann ging's nach rechts, hinein in's Schannenbacher Moor (470 m).
O schaurig ist's übers Moor zu gehn!
Im Süden des Ortes erstreckt sich das Schannenbacher Hochmoor. Es ist nach Westen hin über den Gronauer Bach mit dem Meerbach verbunden. Das Moor erstreckt sich über ein Gebiet von etwa 16 Hektar. Naturnahe Wälder bedecken etwa ein Viertel des Naturschutzgebiets, der Rest wird von Feuchtwiesen gebildet.
Das Schannenbacher Moor beherbergte wertvolle Reste eines ehemaligen, von Grundwasser gespeisten Niedermoors. Das heutige Hochmoor ist ein Regenmoor, das entstanden ist, weil hier das Regenwasser nicht versickern kann und sich unterhalb wasserdurchlässiger Bodenschichten in einer Mulde sammelt. Sauerstoffmangel sorgt dafür, dass abgestorbene Pflanzen nicht zersetzt werden. So entsteht im Lauf der Zeit eine Torfschicht.
Das Schannenbacher Moor wurde 1975 unter Schutz gestellt. Es hat überregionale Bedeutung für den Erhalt naturnaher Wälder und Wiesen, seltener Schmetterlinge und Moose. Deswegen wurde es 2003 auch in das europaweite Schutzgebietsnetz Natura2000 aufgenommen. Hier haben sich seltene Pflanzen erhalten, darunter das Wollgras, die Sumpfdotterblume und der Fieberklee. Hier leben die gefährdete Sumpfschrecke und der selten gewordene Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling.
Leider ist die schutzwürdige Lebensgemeinschaft durch Entwässerungsmaßnahmen, die Einleitung von Abwässern und eine intensivere landwirtschaftliche Nutzung in der Umgebung weitgehend verloren gegangen. Selbst innerhalb des Schutzgebiets finden sich die schützenswerten Pflanzengesellschaften nur noch kleinflächig.
Wir durchwanderten ein feuchtes, felsiges Waldstück, ignorierten den ersten Abzweig rechts und traten bald wieder aus dem Wald heraus. Der Weg folgt aber noch dem Waldrand, und beim nächsten Abzweig hielten wir uns rechts, wieder in den Wald hinein. Es geht hinunter zu ein paar Häusern, die abseits des Ortes im Wald stehen. Hier stießen wir auf die Gronauer Straße.
Die Gronauer Straße teilt das Schutzgebiet in einen kleineren nördlichen Bereich und das südlich gelegene eigentliche Moor.
Vor ein paar künstlich angelegten Teichen nahmen wir dann den beschilderten Waldweg links, den sogenannten Verbindungsweg, der im felsigen Tal des Meerbachs hinunter Richtung Gronau führt.
Man wandert hier durch das Naturdenkmal Schannenbacher Felsenmeer, ein Granodiorit-Blockmeer, das als Wandschluchtfelsenmeer mit Biotopcharakter geschützt ist. In der Waldschlucht wachsen Blockschuttwälder. Hier stehen einige Edellaubbäume wie der Berg-Ahorn, die Berg-Ulme und die Esche zwischen verstreut liegenden Felsblöcken.
Man bleibt in der Folge auf dem Verbindungsweg, und hält sich an Abzweigen immer so rechts wie möglich (im Effekt heißt das: geradeaus, parallel zum Bach). Auf etwa 270 Metern Höhe hat man dann die Möglichkeit, den Meerbach zu überqueren. Hier hinüber, und drüben gleich auf den unteren der beiden Wege. Man schwingt in der Folge in Seitentälchen hinein und hinaus, dann landet man wieder auf dem Talweg. Auf diesem geht's nun weiter hinunter zu einem alten Wegstein (197 m) mit schönen gemeißelten Richtungsangaben.
Der letzte Anstieg! Es geht nochmal von 197 auf 317 Meter hinauf. Allerdings auf einer Strecke von 1,5 Kilometern, das ist zu schaffen. Man folgt hier stets dem Zeichen des Europäischen Fernwanderwegs E1. An Abzweigen hält man sich zunächst geradeaus, bis man auf einem breiten Waldweg landet. Dem folgt man ein kurzes Stück nach links, dann geht's geradeaus hinauf in den Sattel des Haurodpasses (317 m), der ebenfalls mit einem alten Sandsteinwegweiser auswartet. Dann ist es geschafft, von hier an geht's nur noch bergab.
Man folgt einem schönen Bergrücken nordwärts, dann senkt sich der Weg in dessen Westflanke ab. Es geht noch einmal durch einen Hohlweg dann tritt man, schon nahe dem Ortsrand Reichenbachs, auf die Wiesen hinaus. Hier befindet sich die Georg-Bechtel-Ruhe (250 m).
Georg Bechtel (1867-1943) stammte aus einer alteingesessenen Familie aus dem Schlierbachtal. Nach seiner Heirat 1897 ließ er sich in Reichenbach nieder. Bechtel hing sehr an seiner Heimat, und hat ihr in Erzählungen, Theaterstücken, Liedern und Gedichten ein Denkmal gesetzt. Bis heute werden seine Stücke von den lokalen Vereinen aufgeführt.
Ein Gedicht Bechtels ist bei der Bechtel-Ruhe zu lesen. Es trägt den Titel: "Weit im Ourewoald".
Von hier aus ist das Ziel, der Friedhof, schon zu sehen. Ein paar Schritte weiter zweigen rechts zwei Wege ab. Der nicht ganz so rechte führt hinunter zum Ort, den wir am Höllackerweg betreten. Nach links, dann nach rechts, dann ist der Parkplatz am Friedhof erreicht.
In genau drei Stunden! So soll es sein.
Fazit:
Wir waren uns einig: Das ist defi eine Frühjahrstour. Und so frühlingshaft die Temperaturen auch waren, zu einem Frühjahr gehört mehr als nur 16 Grad Lufttemperatur. Der 1. 1. bleibt der 1. 1. Deshalb lasst Euch von den Grau- und Brauntönen unserer Fotos nicht abschrecken, und kommt, wenn Ihr die Runde gehen wollt, im April oder im Mai, wenn alles grünt und blüht. Dann ist's schöner.
P. S.:
Die Bewertung T5/II bezieht sich natürlich nur auf die (optionale!) Überschreitung des Hohensteins. Ansonsten ist das eine klassische Odenwald-Tour: T1 und kein Gekraxel.
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