Dreiländerecke / Hármashatárkő / Tromejnik - wo sich Österreich, Ungarn und Slowenien treffen
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Inmitten einer spärlich besiedelten, überwiegend bewaldeten Hügellandschaft erhebt sich die "Kuppe 380", dessen höchster Punkt an der Sitzung des österreisch-ungarischen Grenzregulierungsausschusses am 5. Mai 1922 in Tauka, in der alle drei gemischten Grenzkommissionen anwesend waren, zur Dreiländerecke bestimmt wurde. Dieser österreichische Vorschlag wurde mit 12 zu 4 Stimmen angenommen.
Schnurgerade zieht sich die Bahnlinie zwischen Maisfeldern ins Endlose hin, als wir sie nach dem Bahnhof Jennersdorf kreuzen. Bis zum eigentlichen Ausgangspunkt der Tour, Neumarkt an der Raab, auf der gegenüberliegenden Talseite, müssen wir ein Stück der Verbindungsstrasse folgen, die aber nur wenig befahren ist.
Neumarkt an der Raab liegt am Übergang zwischen dem flachen Talboden der Raab und der komplett mit Wald bedeckten Hügelzone, die sich kilometerweit nach Ungarn hinüber erstreckt. Im Münzgraben tauchen wir in dieses einsame Gelände ein, wo uns keine Menschenseele begegnet und auch weit und breit kein Haus zu sehen ist. Hat wohl der Mord an Janos Borovnyak 1930 die Leute aus dieser Gegend vertrieben? Wir wissen es nicht, jedenfalls erinnert ein steinernes Kreuz an jenen Unglücklichen.
Unmittelbar vor der Staatsgrenze taucht dann doch noch ein einsames Haus auf und gleich dahinter ist die Strasse zu Ende. Im Dickicht stossen wir auf Grenzsteine und einen dahinter verlaufenden Graben. Hier erstreckte sich bis vor 20 Jahren der Eiserne Vorhang.
Weiter in südlicher Richtung sind bald wieder Pfadspuren auszumachen, die zwar arg verkrautet und versumpft sind, uns aber zuverlässig nach Jánoshegy (Jankeberg) führen, d.h. in dessen unteren Ortsteil Alsó-Jánoshegy (382 m). Vertraute ungarische weiss-rot-weisse und weiss-grün-weisse Wegzeichen tauchen dort an Bäumen auf und über ein gutes Schottersträsschen erreichen wir den oberen Ortsteil, der entsprechend Felső-Jánoshegy heisst, tatsächlich aber etwas niedriger liegt als der untere (Pt. 379.5). Weit schweift der Blick nach Norden über die Wälder des Münzgrabens in die Hügel des Burgenlandes nördlich der Raab. Und nach Süden: Wald, soweit man sehen kann!
Jánoshegy ist eine ausgesprochene Streusiedlung, deren Ortsteile mit Kiesstrassen verbunden sind. Hinter dem letzten Haus beginnt die Strasse sogleich zu verfallen, aber sie ist weiterhin mit den weiss-grün-weissen Zeichen markiert und so kämpfen wir uns durch Pfützen, Sümpfe und Buschwerk nach Westen vor, wo wir schliesslich wieder auf die Grenze stossen. Ein Wachtturm und ein Stück Stacheldraht wurden hier erhalten, um zu zeigen, wie sich diese Grenze bis vor 20 Jahren präsentiert hat.
Nebst all dem Leid, welches die Trennung Europas den Menschen brachte, darf auch ein positiver Aspekt nicht ausser Acht gelassen werden: Für die Natur war diese unbewohnte und ungenutzte "Todeszone" das genaue Gegenteil, nämlich ein Paradies, wo sich Pflanzen und Tiere weit gehend unbehelligt entwickeln konnten. Daher wurde 2004 in Ungarn das Projekt "Grünes Band" ins Leben gerufen (http://www.greenbelteurope.eu), mit dem Zweck, diesen einzigartigen Lebensraum für die Natur zu erhalten und zu schützen. Ziel ist es, entlang der früheren Grenze zwischen Ost und West ein ökologisches Netzwerk aufzubauen, welches sich über 8500 km von der Barentsee bis zum Schwarzen Meer erstreckt und dabei National- und Naturparks, Biosphärenreservate und andere Schutzgebiete verbindet.
Da der österreichische Wanderweg nun quasi "um sieben Ecken" um alle Hügel und Gräte herum zur Dreiländerecke führt, vertrauen wir uns weiterhin der ungarischen Markierung an, die uns streng der Grenze entlang führt. Beim Grenzstein C124,20 verlässt diese aber den Grat und taucht sehr steil in den Zeminggraben ab (Pt. 304.9). Nach einer Rutschpartie verlassen wir am Grund des Tales die Grenze und nehmen auf ungarischer Seite den finalen Aufstieg zur 387 m hohen Dreiländerecke in Angriff, der am Schluss über eine lange Treppe führt.
Ein sehr schöner Platz erwartet uns. In der Mitte der formschöne Dreiländerstein mit den Wappen von Österreich, Ungarn und Slowenien, welcher von der internationalen Grenzziehungskommission zwischen dem 23. und dem 29. Mai 1924 errichtet wurde, daneben Informationstafeln, Tische und Bänke. Und kein Mensch weit und breit!
Nach einer längeren Pause steigen wir erneut in den Zeminggraben / Hampó-völgy ab, folgen nun aber dem Talweg ostwärts. Ein reizvolles Tal, beidseitig von urtümlichen Wäldern eingeschlossen und am Talboden von Büschen und Sträuchern überwuchert. An den warmen und sandigen Wegböschungen flitzen Eidechsen davon. Irgendwann tauchen die ersten Häuser auf und der wiederum recht matschige Weg wird schlagartig besser. Vorbei an Bauernhöfen mit schönen Gärten erreichen wir im sich verbreiternden Tal schliesslich den Ort Felsőszölnök (Gornij Senik / Oberzeming).
Dies ist der westlichste Ort Ungarns, und war wegen der Nähe zur Grenze bis 1990 nur schwer zugänglich. Als westlichster Punkt Ungarns galt zu dieser Zeit Szakonyfalu (Sakalovci / Eckersdorf). Bemerkenswert an Felsőszölnök ist auch, dass 90% seiner Bewohner slowenische Wurzeln haben. Hier liegt deshalb das Zentrum der Landesselbstverwaltung der ungarischen Slowenen und jährlich am 5. Dezember wird der Kulturtag der Slowenen gefeiert (Mikulás-Járás / Miklavževanje).
Der Entscheid, hierhin abzusteigen, ist ein ziemlicher Poker, denn wir wissen wohl, dass von hier ein Bus nach Szentgotthárd zurückfährt, aber keineswegs wann. 10 Minuten nach unserer Ankunft taucht tatsächlich einer auf - der nächste wäre erst 5½ Std. später gefahren!
Auch wenn ein solcher Fahrplan für jemanden, der Schweizer Verhältnisse gewohnt ist, abenteuerlich anmutet, so muss man doch im Hinterkopf behalten, dass in Ungarn JEDE ständig bewohnte Ortschaft von einem Bus bedient wird, was in der Schweiz längst nicht der Fall ist. Zuständig dafür ist die Firma Volánbusz, wobei jedes Komitat (Verwaltungsbezirk) seine eigene "Volángesellschaft" hat, die dann entsprechend nach dem Komitat benannt ist. Da wir uns hier im Komitat Vas befinden, heisst die zuständige Gesellschaft "Vasivolán". Das "i" nach dem Wort "Vas" ist eine Nachsilbe (Suffix), an der die ungarische Sprache so reich ist. Damit macht man aus Substantiven Adjektive, also etwa dasselbe wie wenn wir im Deutschen sagen würden "bernisch" oder "walliserisch".
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Inmitten einer spärlich besiedelten, überwiegend bewaldeten Hügellandschaft erhebt sich die "Kuppe 380", dessen höchster Punkt an der Sitzung des österreisch-ungarischen Grenzregulierungsausschusses am 5. Mai 1922 in Tauka, in der alle drei gemischten Grenzkommissionen anwesend waren, zur Dreiländerecke bestimmt wurde. Dieser österreichische Vorschlag wurde mit 12 zu 4 Stimmen angenommen.
Schnurgerade zieht sich die Bahnlinie zwischen Maisfeldern ins Endlose hin, als wir sie nach dem Bahnhof Jennersdorf kreuzen. Bis zum eigentlichen Ausgangspunkt der Tour, Neumarkt an der Raab, auf der gegenüberliegenden Talseite, müssen wir ein Stück der Verbindungsstrasse folgen, die aber nur wenig befahren ist.
Neumarkt an der Raab liegt am Übergang zwischen dem flachen Talboden der Raab und der komplett mit Wald bedeckten Hügelzone, die sich kilometerweit nach Ungarn hinüber erstreckt. Im Münzgraben tauchen wir in dieses einsame Gelände ein, wo uns keine Menschenseele begegnet und auch weit und breit kein Haus zu sehen ist. Hat wohl der Mord an Janos Borovnyak 1930 die Leute aus dieser Gegend vertrieben? Wir wissen es nicht, jedenfalls erinnert ein steinernes Kreuz an jenen Unglücklichen.
Unmittelbar vor der Staatsgrenze taucht dann doch noch ein einsames Haus auf und gleich dahinter ist die Strasse zu Ende. Im Dickicht stossen wir auf Grenzsteine und einen dahinter verlaufenden Graben. Hier erstreckte sich bis vor 20 Jahren der Eiserne Vorhang.
Weiter in südlicher Richtung sind bald wieder Pfadspuren auszumachen, die zwar arg verkrautet und versumpft sind, uns aber zuverlässig nach Jánoshegy (Jankeberg) führen, d.h. in dessen unteren Ortsteil Alsó-Jánoshegy (382 m). Vertraute ungarische weiss-rot-weisse und weiss-grün-weisse Wegzeichen tauchen dort an Bäumen auf und über ein gutes Schottersträsschen erreichen wir den oberen Ortsteil, der entsprechend Felső-Jánoshegy heisst, tatsächlich aber etwas niedriger liegt als der untere (Pt. 379.5). Weit schweift der Blick nach Norden über die Wälder des Münzgrabens in die Hügel des Burgenlandes nördlich der Raab. Und nach Süden: Wald, soweit man sehen kann!
Jánoshegy ist eine ausgesprochene Streusiedlung, deren Ortsteile mit Kiesstrassen verbunden sind. Hinter dem letzten Haus beginnt die Strasse sogleich zu verfallen, aber sie ist weiterhin mit den weiss-grün-weissen Zeichen markiert und so kämpfen wir uns durch Pfützen, Sümpfe und Buschwerk nach Westen vor, wo wir schliesslich wieder auf die Grenze stossen. Ein Wachtturm und ein Stück Stacheldraht wurden hier erhalten, um zu zeigen, wie sich diese Grenze bis vor 20 Jahren präsentiert hat.
Nebst all dem Leid, welches die Trennung Europas den Menschen brachte, darf auch ein positiver Aspekt nicht ausser Acht gelassen werden: Für die Natur war diese unbewohnte und ungenutzte "Todeszone" das genaue Gegenteil, nämlich ein Paradies, wo sich Pflanzen und Tiere weit gehend unbehelligt entwickeln konnten. Daher wurde 2004 in Ungarn das Projekt "Grünes Band" ins Leben gerufen (http://www.greenbelteurope.eu), mit dem Zweck, diesen einzigartigen Lebensraum für die Natur zu erhalten und zu schützen. Ziel ist es, entlang der früheren Grenze zwischen Ost und West ein ökologisches Netzwerk aufzubauen, welches sich über 8500 km von der Barentsee bis zum Schwarzen Meer erstreckt und dabei National- und Naturparks, Biosphärenreservate und andere Schutzgebiete verbindet.
Da der österreichische Wanderweg nun quasi "um sieben Ecken" um alle Hügel und Gräte herum zur Dreiländerecke führt, vertrauen wir uns weiterhin der ungarischen Markierung an, die uns streng der Grenze entlang führt. Beim Grenzstein C124,20 verlässt diese aber den Grat und taucht sehr steil in den Zeminggraben ab (Pt. 304.9). Nach einer Rutschpartie verlassen wir am Grund des Tales die Grenze und nehmen auf ungarischer Seite den finalen Aufstieg zur 387 m hohen Dreiländerecke in Angriff, der am Schluss über eine lange Treppe führt.
Ein sehr schöner Platz erwartet uns. In der Mitte der formschöne Dreiländerstein mit den Wappen von Österreich, Ungarn und Slowenien, welcher von der internationalen Grenzziehungskommission zwischen dem 23. und dem 29. Mai 1924 errichtet wurde, daneben Informationstafeln, Tische und Bänke. Und kein Mensch weit und breit!
Nach einer längeren Pause steigen wir erneut in den Zeminggraben / Hampó-völgy ab, folgen nun aber dem Talweg ostwärts. Ein reizvolles Tal, beidseitig von urtümlichen Wäldern eingeschlossen und am Talboden von Büschen und Sträuchern überwuchert. An den warmen und sandigen Wegböschungen flitzen Eidechsen davon. Irgendwann tauchen die ersten Häuser auf und der wiederum recht matschige Weg wird schlagartig besser. Vorbei an Bauernhöfen mit schönen Gärten erreichen wir im sich verbreiternden Tal schliesslich den Ort Felsőszölnök (Gornij Senik / Oberzeming).
Dies ist der westlichste Ort Ungarns, und war wegen der Nähe zur Grenze bis 1990 nur schwer zugänglich. Als westlichster Punkt Ungarns galt zu dieser Zeit Szakonyfalu (Sakalovci / Eckersdorf). Bemerkenswert an Felsőszölnök ist auch, dass 90% seiner Bewohner slowenische Wurzeln haben. Hier liegt deshalb das Zentrum der Landesselbstverwaltung der ungarischen Slowenen und jährlich am 5. Dezember wird der Kulturtag der Slowenen gefeiert (Mikulás-Járás / Miklavževanje).
Der Entscheid, hierhin abzusteigen, ist ein ziemlicher Poker, denn wir wissen wohl, dass von hier ein Bus nach Szentgotthárd zurückfährt, aber keineswegs wann. 10 Minuten nach unserer Ankunft taucht tatsächlich einer auf - der nächste wäre erst 5½ Std. später gefahren!
Auch wenn ein solcher Fahrplan für jemanden, der Schweizer Verhältnisse gewohnt ist, abenteuerlich anmutet, so muss man doch im Hinterkopf behalten, dass in Ungarn JEDE ständig bewohnte Ortschaft von einem Bus bedient wird, was in der Schweiz längst nicht der Fall ist. Zuständig dafür ist die Firma Volánbusz, wobei jedes Komitat (Verwaltungsbezirk) seine eigene "Volángesellschaft" hat, die dann entsprechend nach dem Komitat benannt ist. Da wir uns hier im Komitat Vas befinden, heisst die zuständige Gesellschaft "Vasivolán". Das "i" nach dem Wort "Vas" ist eine Nachsilbe (Suffix), an der die ungarische Sprache so reich ist. Damit macht man aus Substantiven Adjektive, also etwa dasselbe wie wenn wir im Deutschen sagen würden "bernisch" oder "walliserisch".
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