Verstecktes hinterm Seibelseckle: Kesselbach, Schöner Fels, Obergrind und ein prächtiger Schliff
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Manchmal verstellen einem die stark frequentierten Orten den Blick auf nahebei liegende, eher stille Ecken. Am Seibelseckle, einer Passhöhe östlich der bekannt-beliebten Hornisgrinde, ist immer einiges los: vom Parkplatz dort startet man winters auf mehrere Loipen, es gibt eine Skipiste, und wenn man am nahen Mummelsee keinen Parkplatz bekommt, beginnt man ganzjährig halt von hier aus Wanderungen, die die meisten Leute dann in eben jene Richtung zieht, und natürlich hoch auf die 'Grinde. Doch auch entlang der östlich ziehenden Bergrücken gibt es (trotz reichlich Fichten-Mono) einige versteckte Perlen zu entdecken, teils muss man sie halt unterholzig besuchen, teils auf Forstautobahnen, teils auf zugewucherten Pfaden. Höhepunkt war bei der vorgestellten Tour der Durchstieg des Schliffs im Oberen Kirchgraben.
Weil in Schliffen wie dem heutigen viel Gestein gemoved wurde und auch das steile Terrain unter ihnen recht schlüpfrig ist, tönt als Soundtrack zur Tour I Feel The Earth Move von Boogaloo Joe Jones.
Los geht es mit der aufgehenden Sonne vom Seibelseckle (958 m) aus östlich herab zum Kesselbach. Er enstspringt im Talschluss am Sattel zwischen Hornisgrinde und Obergrind, wo ich gegen Ende der Tour durchkommen werde. Unten sollte man der Beschaulichkeit wegen den Pfad nördlich entlang des Bachs nehmen, und nicht den Forstweg südlich lang. Auch wenn man dem Kesselbach ansieht, dass er normalerweise einen höheren Wasserstand hat, ist es in diesen Tagen der anhaltenden Trockenheit schön, mal wieder ein typisches Schwarzwald-Bächle neben sich plätschern zu hören und es über Felsen springend zu sehen. Das erste Etappenziel ist bald erreicht, es ist der Schöne Fels (750 m). Ihn und eine parallel-versetzte, im Wald versteckte Felsrippe hatte ich auf der Topographischen Karte entdeckt und sie möche ich heute hochsteigen. Beide sind aus Granit, er bildet das Grundgebirge des Schwarzwalds, wird aber nahe oberhalb schon vom Deckgebirge aus Buntsandstein abgelöst werden. Links und rechts des Schönen Fels wachsen leider reichlich Farn und Brombeeren, rechts hoch erscheint es mir etwas weniger umständlich. Herauf bis zur Ostseite eines ersten Aufschwungs und von da den hakenförmigen Stamm einer Jungfichte als Tritt nutzend auf den Gratrücken des Felsens, kurze ausgesetzte II-er-Stelle. Anschliessend kraxelig immer den Gratrücken weiter herauf, dabei schöne Blicke zurück ins Tal. Leider muss ich die finalen Meter wegen der Vegation nach rechts ausweichen und erreiche den "Gipfel" des Felsens nur bergseitig durch die Bäume. Dahinter wiederum quere ich (weiter weglos) noch nicht direkt rüber zum nächsten Tagesordnungs-Punkt, der erwähnten Parallel-Rippe, sondern erkraxle noch im Wald oberhalb verborgene Fortsetzungen des Schönen Felsens. Danach durch die Bachrinne nebenan östlich rüber und auf Sicht die besagte Nachbar-Rippe gefunden. Sie ist leider nur zu Beginn felsig und kraxelig. Was soll's, Versuch macht klug.
Auf dem Rippenrücken nun möglichst mittig durchs Gehülz soweit herauf, bis er abflacht und an eine Forstautobahn stösst, die mich dann bequem östlich um den Buckel von P. 854 herum weiter bringt, und zwar in das Tälchen des zum Kesselbach zufliessenden Wälzbachs. Ihn quere ich an einer sinnvollen Stelle weglos und begleite ihn, mit einigen Foto-Momenten, ein Stück abwärts. Bald jedoch links auf einem markierten Pfad den Hang hochgestiegen bis zu einem Forstweg an P. 825, der mich rechts/östlich nun bis zum Einstieg in die beiden Tobel bringt, die im Schliff Oberer Kirchgraben entstehen und an der Stelle ihres (eher unscheinbaren) Zusammentreffens von diesem Weg an P. 749 gequert werden. Ich bin hier in einem (auf manchen Karten als Langengrinde bezeichneten) Segment des langgestreckten Begrückens, der sich tatsächlich beinah gleich-hoch-bleibend zwischen Obergrind und Philippenkopf im Westen sowie Diebaukopf und Langeck im Osten durchzieht und sozusagen quer vom Hauptkamm des Nordschwarzwalds in Höhe der Hornisgrinde abzweigt. Der Obere Kirchgraben erstreckt sich dabei in der Fallinie des Südhangs der Langengrinde von ca. 890 m herab bis zu P. 749 und liegt nördlich der Weiler Hinterlangenbach und Mittellangenbach. Als erstes steige ich durch den den rechten der beiden kleinen Tobel (eigentlich eher bzw. Erosionsrinnen) hoch. Das macht später das weglose Erkunden weiter oben in den Schliffen leider etwas ineffizient – egal, ich muss ja net zum Zug ... Kleinere Fallstufen im Tobel (der Bachlauf darin ist leider trockengefallen) kann man direkt überkraxeln, es gibt jedoch auch zwei größere Stufen, bei denen ich nur durch Ausweichen in die Tobelflanken dran vorbei komme. Interessant jedenfalls die aus dem Buntsanstein glattgeschliffenen Partien, über die (früher?) wohl das Wasser floss.
Der Durchstieg der Kessel unterhalb der Schliff-Abbrüche und den sich daran anschliessenden Tobeln/Erosionsrinnen ist nicht ganz trivial: die Steilwände sind zwar nicht sehr hoch (ca. 8-20 m), aber belegt mit Geröll, sandigem Boden, Fichtennadeln, Laub. Insgesamt eine extrem schlüpfrige Angelegenheit, ein Abrutscher würde unten auf Blöcken unsanft enden. Ich hab dann immer nach einer Route geschaut, bei der ich mich an Jungfichten entlanghangeln konnte.
Ich bin oben im kesselförmigen Ende des rechten Tobels angekommen, dem eigentlichen Schliff. Ein für Schwarzwald-Verhältnisse beeindruckende, halbrund-zerklüftete Buntsandstein-Wand steht hier im Wald und zeigt mir, dass an diesem Ort geomorphologisch viel passiert ist. Nach einem Überblicksfoto schaue ich, dass ich nun nach links/westlich zum anderen Tobel komme. Auch ihn möchte ich mal von unten hochsteigen, deswegen also möglichst diagonal (GPS-geführt) zu ihm herab. Was in diesem Fall hieß: erstmal einen machbaren Aufstieg/Ausstieg durch die Wand des rechten Tobels zu finden, um dann durchs Waldgelände herab zum Linken zu finden. Es wird ein ziemlicher Kampf mit der Begrenzungswand, siehe oben. Auf den linken Tobel treffe ich nun ca. in seinem unteren Drittel. Viel Totholz liegt am Grund, aber zu einer (ersten) Fallstufe arbeite ich mich mal herab: auch hier vom Wasser glattgeschliffenes Gestein, aber der Bach ist (derzeit?) trockengefallen. Die Tobelwand wieder herauf und die Fallstufe umgangen. Dort ist der Einschnitt dann plötzlich nicht mehr so tief, die Vegetation nimmer so dicht (dafür nadelwaldiger). Aber weiterhin steil geht es bergan und ich entdecke eine weitere Fallstufe. Diese wird sogar (schwach) von einem Rinnsal überflossen, mit der Moos-Einrahmung ein wirklich schönes Fundstück. Nah oberhalb zeichnen sich durchs Walddunkel dann eine ganze Reihe überhängender Felsen ab – super! Ich arbeite mich (nach einem Kraxel-Abstecher zu einer Felsnase rechterhand) rasch herauf. Dort sehe ich, dass all diese wuchtigen Felsen stark unterminiert sind und mit dem dadurch entstandenen Überhang den Tobel auch hier beeindruckend kesselförmig um- und abschliessen: ich bin nun am oberen (vermutlich linken) Ende des Schliffs angelangt.
Schliffe sind im Nordschwarzwald ein Begriff für Rutschungen und Fels-Abbrüche in steilen, wasserreichen Partien des Buntsandstein-Deckgebirges, verursacht durch einen Unterspülungs-Prozess:
"Zuweilen treten in den Quellkesseln nackte Felswände auf. Die steilen Wände schließen sich zu einer Hohlform zusammen. Sie sind an eine bestimmte Schichtengruppe im Buntsandstein gebunden, denn abgesehen von den glazial umgebildeten Kesseln, den Karen, trifft man nur in den Schichten des Eckschen Konglomerats und des Hauptbuntsandsteins nackte Felswände. Im Eckschen Konglomerat wirkt das Sickerwasser stark unterminierend. Die große Macht vieler, hier austretender Quellen erlaubt sofort einen Transport des gelockerten Materials. Die überlagernden, gut verfestigten Schichten lasten schwer auf der unterhöhlten Masse des Konglomerats, so daß die Blöcke abbrechen und in die Tiefe schleifen. Häufig weicht auch das durchspülte Material der lockeren Schichten dem Gewicht der großen Blöcke seitlich aus, und der Block rutscht in derselben Weise zu Tal ... Die Schliffe sind in unserm Gebiete eine typische Erscheinung. Allerdings treten sie nur in den steilsten Quellkesseln auf. Am häufigsten trifft man sie im Hintergrund der Kare, wo die Wirkungen der Eiszeit die Wände der Quellkessel bedeutend steiler gemacht haben. Es gibt aber auch Schliffe, die mit Karen in keiner Weise zusammenhängen ... In den Schliffen lösen sich alljährlich große Felsen los, besonders zwischen späterem März und Anfang Mai, wenn die Stärke der Quellen am größten ist." (aus: Die Oberflächengestaltung des nördlichen Schwarzwalds, 1913, S. 27 ff.)
Beispiel für einen Schliff am oberen Rand eines Kars wäre der
Rotengießen (800 m), ein Schliff ähnlich dem hiesigen wiederum ist der
Rappenschliff (790 m).
Direkt unterhalb der Felswand arbeite ich mich nun östlich herüber und nach Übersteigen eines kleinen trennenden Grats stehe ich schon im nächsten Kesselrund. Auch hier mächtig überhängender Fels. Die Wegfindung wird wegen der Botanik nochmals komplexer ... aber direkt nebenan/östlich geht es weiter und ich trete in sogar noch einen vierten Schliff ein! Es wird der letzte heute sein. Er hat hat eine eher konkav ausgeformte, recht mächtige Felswand von ca. 15 m, an deren Fuß ich relativ einfach entlanggehen kann. An den Wänden aller Schliffe rinnt oder tropft Wasser herab, hier am letzten wohl am meisten. Da derzeit eine lange Trocken-Periode herrscht tippe ich, dass sonst mehr Wasser hervortritt. Und wenn ich die Fachliteratur richtig verstehe, schreiten die geomorphologischen Vorgänge, die Unterminierung also, in Schliffen dauerhaft fort. Hier und da sieht man an den Wänden auch frisch abgelöste/herausgebrochene Partien. Die stark von den Seiten her zugewucherten und bemoosten Fallstufen der Tobel wiederum deuten darauf hin, dass der durchschnittliche Wasserfluss über die Jahre abgenommen hat. Große Freude jedenfalls über diesen beeindruckenden, weitläufigen Schliff im "Oberen Kirchgraben" und auch darüber, dass meine Topographie-Karten-Vermutung zutraf: auf der Karte ist nur steiles Terrain mit Quelltrichtern verzeichnet, eine Benennung mit "-Schliff" hat der Obere Kirchgraben nicht.
Nun direkt rechts neben dem letzten Kessel den steilen Waldhang heraufgestiegen und oben wieder auf die Forstweg-Zivilisation getroffen. Auf dem Weg geht's dann links/westlich weiter. Die Wegböschung rechterhand zeigt hier auf einige Meter erneut Felsen: die Fortsetzung der Sandsteinbänke, die nur wenig unterhab die eben besuchten Schliff-Kessel ausgebildet haben. An der nächsten Weggbelung nehme ich einen recht überwucherten Forstweg herauf zum Kamm der Langengrinde (952 m). Auf ihm führt mich nun ein schön angelegter Pfad (Teilstück des Seensteigs) durch abwechslungsreiche und wetterzerzauste Vegetation, lange und recht eben nach Westen. Der Buckel des anschliessend folgenden Philippenkopfs (958 m) ist schnell überstiegen. Danach ein kurzes Forstweg-Intermezzo im Sattel "Balzgänger" zur Obergrind hin. Ihren Nordosthang steige ich nun auf einem (informellen) Pfad hoch, der mich zum Etappenziel Rotweinfelsen bringen wird. Der Abzweig zum Pfadbeginn ist recht unscheinbar. Leider ist der Pfad im mittleren Abschnitt von Vollernter-Maschinen zerstört. Aber mit offenen Augen findet man Fußspuren, die diese Stellen umgehenden, generellel ist auch hier GPS hilfreich.
Der Rotweinfelsen (1000 m) ist etwas Besonderes: ein überhängender Felsblock, in dessen Überhangnische man eine improvisierte Sitzbank, Feuerstelle sowie (im Felsschutt der Nische) sowie immer eine Flasche Rotwein findet, denn das ist das "Motto" des Rotweinfelsens: man bringt eine Flasche Rotwein mit und darf die Flasche der/des Vorgänger(s) öffnen. Wichtig ist, dass immer eine Flasche am Fels verbleibt – für Bergnotfälle! :o) Auch an ein Felsenbuch und Korkenzieher wurde gedacht. Ein sympathisches Konzept. Initiiert wurde es von einem Herrn aus Achern. Ich bin nun zum dritten Mal hier und auch wenn man (wie heute ich) mal keine Flasche mitbringt, findet man manchmal mehrere volle Flaschen an, heute praktischerwise auch eine angebrochene. Davon fülle ich mir etwas in meine Trinkflasche um, stosse auf diesen schöne Ort an und suche im Felsenbuch den Eintrag von meinem letzten Besuch hier.
Nun weiter den Pfad herauf, nah oberhalb muss man kurz durch ein paar Bäume schlüpfen und steht auf einer zugewucherten Wegkreuzung: scharf nach rechts, pfadig weiter bergan gehen (nicht auf die breitere, zugewachsen Trasse halbrechts). Es folgt das letzte Highlight der Tour, die wild zerzauste Grinden-Landschaft der Obergrind (1091 m). Vor gut zwei Jahren war ich zum
ersten Mal auf ihr. Sie ist ein langgezogener Buckel, der direkt östlich an die berühmte Hornisgrinde anschliesst (durch eine kleine Einsattelung getrennt). Der Pfad (nur noch auf älteren Karten verzeichnet) ist oft arg überwuchert und durch Wurzeln, Blöcken, Totholz durchwegs rustikal. Er wird aber offenbar noch ab und zu begangen. Hin und wieder hat man Fernblicke zu den benachbarten Höhenzügen. Weil hier schon länger nimmer beforstet wird, hat sich auf der Obergrind eine vielfältige Vegetationsmischung herausgebildet. Der Pfad folgt der alten Grenze zwischen Baden und Württemberg, viele Grenzsteine zeugen davon. Aufgrund der hochgeschossenen Botanik muss man den Pfad oft etwas suchen, irgendwann rücken die Latschenkiefern auch bedrohlich nah heran, bleiben aber zahm. Ansonsten: wilde, stille Natur rundum, was für ein Kontrast zur nahen, sicherlich auch interessanten, aber vielbesuchten Hornisgrinde (1164 m). Aus ebendiesem Grund lasse ich einen Besuch ebendieser heut mal aus und zweige im nun folgenden Kieneck-Sattel südlich ab, ab hier wieder auf markiertem, sogar felsdurchsetzten Weg herab zum Seibelseckle, dem Ausgangspunkt der Wanderung. Kurz vor Rückkunft ein entgegenkommender Wanderer, und zusammen mit einer Holzfällerin am Philippenkopf bleiben dies die einzigen Begegnungen des Tages.
Fazit: die Schliffe im Nordschwarzwald sind schon was Besonderes. Das dazu nötige Unterholz-Gewurschtel wird mit eindrucksvollen Szenerien belohnt, die die lokale Geomorphologie sprichwörtlich offenlegen. Die weiteren Etappenziele von Bächlerauschen über Felsgekraxel bis zu Rotweintrinken und Obergrind-Dschungel haben dieses Touren-Highlight angenehm gerahmt. GPS, Kleidung mit langen Hosen und Ärmeln, Kletterhandschuhe, Zeckenschutz, Sportbrille und Stecken sind sinnvoll bis notwendig.
Eine Tour aus der Rubrik Unterholz-Preziosen
Weil in Schliffen wie dem heutigen viel Gestein gemoved wurde und auch das steile Terrain unter ihnen recht schlüpfrig ist, tönt als Soundtrack zur Tour I Feel The Earth Move von Boogaloo Joe Jones.
Los geht es mit der aufgehenden Sonne vom Seibelseckle (958 m) aus östlich herab zum Kesselbach. Er enstspringt im Talschluss am Sattel zwischen Hornisgrinde und Obergrind, wo ich gegen Ende der Tour durchkommen werde. Unten sollte man der Beschaulichkeit wegen den Pfad nördlich entlang des Bachs nehmen, und nicht den Forstweg südlich lang. Auch wenn man dem Kesselbach ansieht, dass er normalerweise einen höheren Wasserstand hat, ist es in diesen Tagen der anhaltenden Trockenheit schön, mal wieder ein typisches Schwarzwald-Bächle neben sich plätschern zu hören und es über Felsen springend zu sehen. Das erste Etappenziel ist bald erreicht, es ist der Schöne Fels (750 m). Ihn und eine parallel-versetzte, im Wald versteckte Felsrippe hatte ich auf der Topographischen Karte entdeckt und sie möche ich heute hochsteigen. Beide sind aus Granit, er bildet das Grundgebirge des Schwarzwalds, wird aber nahe oberhalb schon vom Deckgebirge aus Buntsandstein abgelöst werden. Links und rechts des Schönen Fels wachsen leider reichlich Farn und Brombeeren, rechts hoch erscheint es mir etwas weniger umständlich. Herauf bis zur Ostseite eines ersten Aufschwungs und von da den hakenförmigen Stamm einer Jungfichte als Tritt nutzend auf den Gratrücken des Felsens, kurze ausgesetzte II-er-Stelle. Anschliessend kraxelig immer den Gratrücken weiter herauf, dabei schöne Blicke zurück ins Tal. Leider muss ich die finalen Meter wegen der Vegation nach rechts ausweichen und erreiche den "Gipfel" des Felsens nur bergseitig durch die Bäume. Dahinter wiederum quere ich (weiter weglos) noch nicht direkt rüber zum nächsten Tagesordnungs-Punkt, der erwähnten Parallel-Rippe, sondern erkraxle noch im Wald oberhalb verborgene Fortsetzungen des Schönen Felsens. Danach durch die Bachrinne nebenan östlich rüber und auf Sicht die besagte Nachbar-Rippe gefunden. Sie ist leider nur zu Beginn felsig und kraxelig. Was soll's, Versuch macht klug.
Auf dem Rippenrücken nun möglichst mittig durchs Gehülz soweit herauf, bis er abflacht und an eine Forstautobahn stösst, die mich dann bequem östlich um den Buckel von P. 854 herum weiter bringt, und zwar in das Tälchen des zum Kesselbach zufliessenden Wälzbachs. Ihn quere ich an einer sinnvollen Stelle weglos und begleite ihn, mit einigen Foto-Momenten, ein Stück abwärts. Bald jedoch links auf einem markierten Pfad den Hang hochgestiegen bis zu einem Forstweg an P. 825, der mich rechts/östlich nun bis zum Einstieg in die beiden Tobel bringt, die im Schliff Oberer Kirchgraben entstehen und an der Stelle ihres (eher unscheinbaren) Zusammentreffens von diesem Weg an P. 749 gequert werden. Ich bin hier in einem (auf manchen Karten als Langengrinde bezeichneten) Segment des langgestreckten Begrückens, der sich tatsächlich beinah gleich-hoch-bleibend zwischen Obergrind und Philippenkopf im Westen sowie Diebaukopf und Langeck im Osten durchzieht und sozusagen quer vom Hauptkamm des Nordschwarzwalds in Höhe der Hornisgrinde abzweigt. Der Obere Kirchgraben erstreckt sich dabei in der Fallinie des Südhangs der Langengrinde von ca. 890 m herab bis zu P. 749 und liegt nördlich der Weiler Hinterlangenbach und Mittellangenbach. Als erstes steige ich durch den den rechten der beiden kleinen Tobel (eigentlich eher bzw. Erosionsrinnen) hoch. Das macht später das weglose Erkunden weiter oben in den Schliffen leider etwas ineffizient – egal, ich muss ja net zum Zug ... Kleinere Fallstufen im Tobel (der Bachlauf darin ist leider trockengefallen) kann man direkt überkraxeln, es gibt jedoch auch zwei größere Stufen, bei denen ich nur durch Ausweichen in die Tobelflanken dran vorbei komme. Interessant jedenfalls die aus dem Buntsanstein glattgeschliffenen Partien, über die (früher?) wohl das Wasser floss.
Der Durchstieg der Kessel unterhalb der Schliff-Abbrüche und den sich daran anschliessenden Tobeln/Erosionsrinnen ist nicht ganz trivial: die Steilwände sind zwar nicht sehr hoch (ca. 8-20 m), aber belegt mit Geröll, sandigem Boden, Fichtennadeln, Laub. Insgesamt eine extrem schlüpfrige Angelegenheit, ein Abrutscher würde unten auf Blöcken unsanft enden. Ich hab dann immer nach einer Route geschaut, bei der ich mich an Jungfichten entlanghangeln konnte.
Ich bin oben im kesselförmigen Ende des rechten Tobels angekommen, dem eigentlichen Schliff. Ein für Schwarzwald-Verhältnisse beeindruckende, halbrund-zerklüftete Buntsandstein-Wand steht hier im Wald und zeigt mir, dass an diesem Ort geomorphologisch viel passiert ist. Nach einem Überblicksfoto schaue ich, dass ich nun nach links/westlich zum anderen Tobel komme. Auch ihn möchte ich mal von unten hochsteigen, deswegen also möglichst diagonal (GPS-geführt) zu ihm herab. Was in diesem Fall hieß: erstmal einen machbaren Aufstieg/Ausstieg durch die Wand des rechten Tobels zu finden, um dann durchs Waldgelände herab zum Linken zu finden. Es wird ein ziemlicher Kampf mit der Begrenzungswand, siehe oben. Auf den linken Tobel treffe ich nun ca. in seinem unteren Drittel. Viel Totholz liegt am Grund, aber zu einer (ersten) Fallstufe arbeite ich mich mal herab: auch hier vom Wasser glattgeschliffenes Gestein, aber der Bach ist (derzeit?) trockengefallen. Die Tobelwand wieder herauf und die Fallstufe umgangen. Dort ist der Einschnitt dann plötzlich nicht mehr so tief, die Vegetation nimmer so dicht (dafür nadelwaldiger). Aber weiterhin steil geht es bergan und ich entdecke eine weitere Fallstufe. Diese wird sogar (schwach) von einem Rinnsal überflossen, mit der Moos-Einrahmung ein wirklich schönes Fundstück. Nah oberhalb zeichnen sich durchs Walddunkel dann eine ganze Reihe überhängender Felsen ab – super! Ich arbeite mich (nach einem Kraxel-Abstecher zu einer Felsnase rechterhand) rasch herauf. Dort sehe ich, dass all diese wuchtigen Felsen stark unterminiert sind und mit dem dadurch entstandenen Überhang den Tobel auch hier beeindruckend kesselförmig um- und abschliessen: ich bin nun am oberen (vermutlich linken) Ende des Schliffs angelangt.
Schliffe sind im Nordschwarzwald ein Begriff für Rutschungen und Fels-Abbrüche in steilen, wasserreichen Partien des Buntsandstein-Deckgebirges, verursacht durch einen Unterspülungs-Prozess:
"Zuweilen treten in den Quellkesseln nackte Felswände auf. Die steilen Wände schließen sich zu einer Hohlform zusammen. Sie sind an eine bestimmte Schichtengruppe im Buntsandstein gebunden, denn abgesehen von den glazial umgebildeten Kesseln, den Karen, trifft man nur in den Schichten des Eckschen Konglomerats und des Hauptbuntsandsteins nackte Felswände. Im Eckschen Konglomerat wirkt das Sickerwasser stark unterminierend. Die große Macht vieler, hier austretender Quellen erlaubt sofort einen Transport des gelockerten Materials. Die überlagernden, gut verfestigten Schichten lasten schwer auf der unterhöhlten Masse des Konglomerats, so daß die Blöcke abbrechen und in die Tiefe schleifen. Häufig weicht auch das durchspülte Material der lockeren Schichten dem Gewicht der großen Blöcke seitlich aus, und der Block rutscht in derselben Weise zu Tal ... Die Schliffe sind in unserm Gebiete eine typische Erscheinung. Allerdings treten sie nur in den steilsten Quellkesseln auf. Am häufigsten trifft man sie im Hintergrund der Kare, wo die Wirkungen der Eiszeit die Wände der Quellkessel bedeutend steiler gemacht haben. Es gibt aber auch Schliffe, die mit Karen in keiner Weise zusammenhängen ... In den Schliffen lösen sich alljährlich große Felsen los, besonders zwischen späterem März und Anfang Mai, wenn die Stärke der Quellen am größten ist." (aus: Die Oberflächengestaltung des nördlichen Schwarzwalds, 1913, S. 27 ff.)
Beispiel für einen Schliff am oberen Rand eines Kars wäre der


Direkt unterhalb der Felswand arbeite ich mich nun östlich herüber und nach Übersteigen eines kleinen trennenden Grats stehe ich schon im nächsten Kesselrund. Auch hier mächtig überhängender Fels. Die Wegfindung wird wegen der Botanik nochmals komplexer ... aber direkt nebenan/östlich geht es weiter und ich trete in sogar noch einen vierten Schliff ein! Es wird der letzte heute sein. Er hat hat eine eher konkav ausgeformte, recht mächtige Felswand von ca. 15 m, an deren Fuß ich relativ einfach entlanggehen kann. An den Wänden aller Schliffe rinnt oder tropft Wasser herab, hier am letzten wohl am meisten. Da derzeit eine lange Trocken-Periode herrscht tippe ich, dass sonst mehr Wasser hervortritt. Und wenn ich die Fachliteratur richtig verstehe, schreiten die geomorphologischen Vorgänge, die Unterminierung also, in Schliffen dauerhaft fort. Hier und da sieht man an den Wänden auch frisch abgelöste/herausgebrochene Partien. Die stark von den Seiten her zugewucherten und bemoosten Fallstufen der Tobel wiederum deuten darauf hin, dass der durchschnittliche Wasserfluss über die Jahre abgenommen hat. Große Freude jedenfalls über diesen beeindruckenden, weitläufigen Schliff im "Oberen Kirchgraben" und auch darüber, dass meine Topographie-Karten-Vermutung zutraf: auf der Karte ist nur steiles Terrain mit Quelltrichtern verzeichnet, eine Benennung mit "-Schliff" hat der Obere Kirchgraben nicht.
Nun direkt rechts neben dem letzten Kessel den steilen Waldhang heraufgestiegen und oben wieder auf die Forstweg-Zivilisation getroffen. Auf dem Weg geht's dann links/westlich weiter. Die Wegböschung rechterhand zeigt hier auf einige Meter erneut Felsen: die Fortsetzung der Sandsteinbänke, die nur wenig unterhab die eben besuchten Schliff-Kessel ausgebildet haben. An der nächsten Weggbelung nehme ich einen recht überwucherten Forstweg herauf zum Kamm der Langengrinde (952 m). Auf ihm führt mich nun ein schön angelegter Pfad (Teilstück des Seensteigs) durch abwechslungsreiche und wetterzerzauste Vegetation, lange und recht eben nach Westen. Der Buckel des anschliessend folgenden Philippenkopfs (958 m) ist schnell überstiegen. Danach ein kurzes Forstweg-Intermezzo im Sattel "Balzgänger" zur Obergrind hin. Ihren Nordosthang steige ich nun auf einem (informellen) Pfad hoch, der mich zum Etappenziel Rotweinfelsen bringen wird. Der Abzweig zum Pfadbeginn ist recht unscheinbar. Leider ist der Pfad im mittleren Abschnitt von Vollernter-Maschinen zerstört. Aber mit offenen Augen findet man Fußspuren, die diese Stellen umgehenden, generellel ist auch hier GPS hilfreich.
Der Rotweinfelsen (1000 m) ist etwas Besonderes: ein überhängender Felsblock, in dessen Überhangnische man eine improvisierte Sitzbank, Feuerstelle sowie (im Felsschutt der Nische) sowie immer eine Flasche Rotwein findet, denn das ist das "Motto" des Rotweinfelsens: man bringt eine Flasche Rotwein mit und darf die Flasche der/des Vorgänger(s) öffnen. Wichtig ist, dass immer eine Flasche am Fels verbleibt – für Bergnotfälle! :o) Auch an ein Felsenbuch und Korkenzieher wurde gedacht. Ein sympathisches Konzept. Initiiert wurde es von einem Herrn aus Achern. Ich bin nun zum dritten Mal hier und auch wenn man (wie heute ich) mal keine Flasche mitbringt, findet man manchmal mehrere volle Flaschen an, heute praktischerwise auch eine angebrochene. Davon fülle ich mir etwas in meine Trinkflasche um, stosse auf diesen schöne Ort an und suche im Felsenbuch den Eintrag von meinem letzten Besuch hier.
Nun weiter den Pfad herauf, nah oberhalb muss man kurz durch ein paar Bäume schlüpfen und steht auf einer zugewucherten Wegkreuzung: scharf nach rechts, pfadig weiter bergan gehen (nicht auf die breitere, zugewachsen Trasse halbrechts). Es folgt das letzte Highlight der Tour, die wild zerzauste Grinden-Landschaft der Obergrind (1091 m). Vor gut zwei Jahren war ich zum

Fazit: die Schliffe im Nordschwarzwald sind schon was Besonderes. Das dazu nötige Unterholz-Gewurschtel wird mit eindrucksvollen Szenerien belohnt, die die lokale Geomorphologie sprichwörtlich offenlegen. Die weiteren Etappenziele von Bächlerauschen über Felsgekraxel bis zu Rotweintrinken und Obergrind-Dschungel haben dieses Touren-Highlight angenehm gerahmt. GPS, Kleidung mit langen Hosen und Ärmeln, Kletterhandschuhe, Zeckenschutz, Sportbrille und Stecken sind sinnvoll bis notwendig.
Eine Tour aus der Rubrik Unterholz-Preziosen
Tourengänger:
Schubi

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