Porphyr (3326 m) - jetzt ist Schluss


Publiziert von PStraub , 23. Juli 2022 um 15:42.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Surselva
Tour Datum:22 Juli 2022
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: S
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   Bifertengruppe   CH-GL   Tödigruppe 
Aufstieg: 1690 m
Abstieg: 2190 m

Mittlerweile in einem Alter, wo man allenfalls noch Präsident der USA werden kann, ist es Zeit, "Altlasten" abzuwerfen. Oder besser gesagt, alte Projekte abzuschliessen.
Mein grösstes Projekt als Bergwanderer waren die "Glarner Berge" - Details dazu hier. Und dafür fehlte mir am Schluss über Jahre noch genau ein Gipfel: der Porphyr. Vor rund vier Jahren versuchte ich, diesen im Alleingang vom Urlaun her zu besteigen (siehe hier), doch da musste ich aufgeben.


So machten Bergführer Paul und ich am 22-07-2022 einen weiteren Anlauf. Ich hätte erneut die Gratvariante (Bild) vorgeschlagen, er aber hielt eine Besteigung von der Porta da Gliems als erfolgversprechender.
Wir brachen bei Tagesanbruch auf und stiegen auf dem "Weg" Puntegliashütte - Piz Russein bis zur Porta da Gliems. Wer die Gletscher der Umgebung (Punteglias, Posta Biala, Gliems ..) von früher kannte, erschrickt, wie wenig von diesen noch vorhanden ist.
Steht man einmal oben und schaut sich die Hänge des Porphyrs an, ist man geneigt, die Zelte gleich wieder abzubrechen. Zwar sind es "nur" rund 100 Hm, doch das ist unglaublich steil und man kann dem Berg beim Zerbröseln förmlich zuschauen. Schutt in jeder Grösse liegt auf jedem Tritt, und selbst beim anstehenden "Fels" prüft man besser drei- als nur zweimal, wie fest dieser sitzt.

Die Route
Die Route beginnt an der Nordwestkante und folgt einem System von knappen Verschneidungen und Bändchen, erst eher nach links, dann auf eine Stufe am Westgrat, dann wieder deutlich nach links, schliesslich zurück auf den Grat. Diesem folgt man recht angenehm auf plattigen Köpfen bis zu einem Gendarmen, den man beidseitig (südlich ist einfacher) umgehen kann. Dann wieder auf schuttigen Bändern auf der Nordseite über den Gipfelaufschwung hinaus, wo man unmittelbar beim Gipfel wieder die Grathöhe erreicht.
Zurück auf der gleichen Route, am Ende des Grates hat jemand eine topmoderne Abseilstelle eingebohrt. Das kam überraschend bei einem Berg, wo sonst jegliche menschliche Spuren (Tritte, Steinmann, Gipfelbuch ..) fehlen. Nachtrag: Grund = siehe hier
Klettertechnisch schwierig ist das nicht, aber - wie oben erwähnt - heikel. Tritt man gewollt oder ungewollt einen Stein los, gibt es keinen Zweifel, dass es dieser bis auf den Gletscher hinunter schafft. Und der Fels ist ein fieser, feinsplittriger Kalk mit messerscharfen Kanten: Meine (ungeschützten) Hände legen beredtes Zeugnis davon ab.

Weiteres
Hohes Lob an Bergführer Paul für seine um- und nachsichtige Führung. Er sorgte für Sicherungen an einem Berg, der so lotterig ist, dass er selber gesichert werden müsste.
Lob auch an das Team der Puntegliashütte für die ausgezeichnete Bewirtung.

Das war eine weitere Bahn/Bike/Hike-Tour (Bikestrecke = Trun - Alp da Schlans). Dass die RhB eher gemächlich unterwegs ist, weiss ich nachgerade. Doch zumindest bei der Rückfahrt in brütender Hitze hätte ich Wagen mit Klimaanlage gerne akzeptiert.

Bezüglich Höhenmetern war es eine happige Tour. Netto sind es von der Hütte aus nur rund 1000 Hm. Aber wenn man alle Gegensteigungen (Fuorcla da Punteglias, Alp da Schlans) dazurechnet waren es knapp 1700 m hinauf und knapp 2200 Hm hinunter.

Porphyr
Einen absurderen Namen hätte man für diesen Berg nicht finden können. Porphyr ist ein vulkanisches Gestein, das in der Schweiz nirgends zu finden ist. Diese Berge gehören geologisch zum oberen Jura (Malm).

Geologie
Das Val Punteglias ist der letzte grosse Aufschluss des Aarmassiv-Urgesteins im Osten. Es hat sogar dem bläulichen, gross-kristallinen Punteglias-Granit, dem "Leitgestein" der Ablagerungen des Rheingletschers, den Namen gegeben.
Die westlichen Berge - Piz Curtin und Umgebung - bestehen noch vollständig aus Granit. An Crap Grond / Cavistrau zieht sich eine scharfe Trenn-/Überschiebungslinie durch die Hänge: unten Granit, oben Mesozoikum.
Urlaun und Porphyr bestehen - wie die gesamte Tödi-Region - im Gipfelbereich aus Gesteinen aus dem Oberen Jura (Malm). Darunter steht Trias (Rötidolomit) an, auffällig die ockerfarbenen Wände im Bereich der beiden Fuorclas da Punteglias. Wie wir vor Ort feststellten, zeigt dieser hier im Bruch eine rötliche Tönung, ist also nicht hellgrau wie "vorne" am Tödi.
Zudem muss es zumindest stellenweise eine Schicht Verrucano oder Quartenschiefer geben, wie die roten Bruchstücke auf dem Weg  dort hinauf zeigen. Das hatte ich schon hier auf der andern Seite des Val Gliems festgestellt. Leider gibt es von dieser Gegend noch immer keine 25'000er Blätter der geologischen Karte.
Auffällig sind hier die grossen zeitlichen Sprünge / Schichtlücken: Zwischen dem Granit (Karbon, ca. 300 Mio.) und Trias fehlen 50 Mio. Jahre, zwischen Trias und Malm gar 100 Mio. Jahre.

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Projekt "Glarner Berge"

Phase 1
Begonnen hatte es damit, dass ich mir so Mitte der 80er-Jahre vorgenommen hatte, alle Glarner Berge zu besteigen.
Als Glarner Berg galt mir ein Gipfel, der innerhalb der GL-Kantonsgrenze liegt, dessen Schartenhöhe mindestens 50 m beträgt und dessen Name im SAC-Führer (Ausgabe 8) und in der damalig aktuellen Ausgabe der 25'000er-Landeskarte aufgeführt war.
Details dazu hier.
Die dazu gehörige Datenbank mit den Angaben zu den Bergen wurde bei einem Update des Providers kaputtgeschossen, die Liste ist hier noch zu finden.
Dieses Projekt war nach knapp zehn Jahren abgeschlossen.

Phase 2
Basierend auf dem Wissen, welches ich mir mit dem ersten Projekt erarbeitet hatte, habe ich die 10. Auflage des SAC-Alpinführers "Glarner Alpen" geschrieben, welcher 2004 veröffentlicht wurde. Neben dem Kanton Glarus umfasst das Gebiet des Führers Teile der Kantone Schwyz, St. Gallen, Graubünden und Uri.

Ab Juni 2007 war ich auf HIKR aktiv, bald einmal kam der Gedanke auf, dass in HIKR alle Berge des oben erwähnten Führers eine Erwähnung haben sollten. So habe ich sukzessive die noch fehlenden Berge der elf Gruppen besucht. Keine Ahnung, wieviele Erstbeschreibungen ich damals verfasste, sicher ist jedoch, dass einige davon zu regelmässig wiederholten "Klassikern" wurden.
Das Projekt, dass jeder Wegpunkt-Berg aus "meinem" Gebiet mindestens einmal in HIKR aufgeführt ist, wurde am 15-07-2015 mit der Besteigung des Tödi-Sandgipfels abgeschlossen.

Phase 3
Nun heisst "aufgeführt" nicht zwingend, dass der Wegpunkt vom jeweiligen Berichtersteller wirklich bestiegen worden war.
So habe ich zusätzlich die zwar erwähnten, aber nie bestiegene Gipfel besucht - viele von diesen weisen noch immer genau eine Besteigung auf.
Am 26-07-2018 wurde mit dem Grünhorn (2953 m; Tödi-Gruppe) der letzte der bisher bloss erwähnten Gipfel bestiegen - damit war auch Phase 3 abgeschlossen.

Abschluss
Nun ist die Liste der Wegpunkte in HIKR offen, jeder kann beliebige Punkte zusätzlich erfassen. Einer der zwischenzeitlich erfassten Wegpunkte ist der Porphyr.
Der fiel in den früheren Projekten heraus, weil er erst ab der 2003er-Ausgabe der LK namentlich aufgeführt worden ist und in HIKR erst 2013 erfasst wurde.  
Mit der Besteigung dieses Berges ist mein Projekt "Glarner Berge" definitiv abgeschlossen.

Tourengänger: PStraub
Communities: ÖV - Bike - Hike


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Kommentare (5)


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Bergamotte hat gesagt: Herzliche Gratulation
Gesendet am 23. Juli 2022 um 21:03
Lieber Peter

Mit grosser Freude habe ich vom definitiven Abschluss Deines Projekts gelesen, herzliche Gratulation. Die offene Pendenz Porphyr hatte ich durchaus nicht vergessen. Ich habe mich dem Projekt immer sehr verbunden gefühlt, auch wenn ich meines Wissens nichts beigetragen habe.

Ich denke, mit Deinem BF hattest Du grosses Glück. Die meisten hätten sich erst gar nicht auf ein solches Projekt eingelassen und latschen lieber x-mal dieselbe Modetour ab. Ich spreche leider auch aus Erfahrung. Ist Paul ein Einheimischer aus der Surselva? Und irgendeine Idee, wer die Abseilstelle eingerichtet hat?

Beste Grüsse
Gabriel

justus hat gesagt: RE:Herzliche Gratulation
Gesendet am 24. Juli 2022 um 06:53
Auch von von mir herzlichen Glückwunsch zu diesem finalen Schutthaufen. :-)
Evtl stammt die Abseilstelle noch von der Grenztour Graubünden von Norbert Joos und Peter Gujan? Den Bildband dazu habe ich einmal auf der Planurahütte gelesen, als wir 2 Tage lang eingeschneit waren (im August).

Gruess /justus

Primi59 hat gesagt:
Gesendet am 25. Juli 2022 um 07:32
Hallo Nachbar, auch wenn im Moment nicht so häufig ;-)))

Auch von meiner Seite her Gratulation zu diesem "Abschluss"

schön hast du dies alles nach deinem Gusto beenden können, aber ich nehme mal an, dass du den Bergen treu bleibst und nicht den Rücken zu kehrst ?

Lieber Gruss
Priska

PStraub hat gesagt: Danke ..
Gesendet am 25. Juli 2022 um 17:10
Danke Euch allen

@ Bergamotte: Kaum einer war so häufig im Val Punteglias unterwegs wie du. Leute, die neue Routen suchen/begehen waren und sind immer Teil eines solchen Projekts.

@Justus: Du und Micha führen ja mein Projekt - auf einem für mich unerreichbaren Niveau - weiter.

Abseilstelle: Du hast natürlich recht - wer, wenn nicht diese zwei, würden an diesem Schutthaufen vorbeikommen?

Danke an alle Peter

DonMiguel hat gesagt: Herzlichen Glückwunsch!
Gesendet am 10. Januar 2023 um 21:37
Hallo Peter

Wiedermal habe ich nach dem Prophyr gestöbert, in Gedanken an Dich. Siehe da, Du hast es endlich geschafft! Deine Tour ist mir verborgen geblieben, da du sie dem Graubünden zugeordnet hast..:) Herzlichen Glückwunsch!

Das Einstiegsfoto und die folgenden Gesteinslotter-Föteli geben einen guten Eindruck zu den Bedingungen..:)

Viele Grüsse
Micha


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