Kaffeefahrten
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Gibt es sic noch, die Kaffeefahrten? – In den 60ziger Jahren konnte man sich als Bejahrter zu gratis Ausfahrten einladen lassen, miteinbegriffen Mittagessen, Demonstration und Degustation. Am Ende kam man von dem Fliegenden Billigen Jakob zurück mit einem feinen Pfannenset oder mit einem Deckenpaar, wovon man genaugenommen beides nicht brauchte. Aber eine tolle Ausfahrt hat man gehabt, und alles dazu gratis.
rojosuiza schlittert nun unaufhaltsam selber ins Alter der Kaffeefahrten hinein. So ist es kein Wunder, wenn es den Jüngling unter den Senioren tatsächlich trifft. Doch statt brav das Ziel abzuwarten – dem jugendlichen Ungestüm dauert die Fahrt viel zu lange! – bricht der Jung-Senior schon nach Zwei-Dritteln aus. Danach macht er sich zu Fuss auf den Heimweg, weil er sich keine Abfahrtszeit gemerkt hat. Zuletzt springt er mitten auf der Heimfahrt doch noch vom Trittbrett! – Nein, solch ein Senior, der kommt weder mit Pfannenset noch mit Decken nach Hause, der hat am Schluss nichts in der Hand, nichts!
Dem Lago di Poschiavo entlang führt ein Weg, ein Schlenderweg oder ein Schnellwanderweg, je nachdem. rojosuiza muss schnellwandern; er hat es eilig. Er will die Strecke zwischen den Zügen machen, damit er gewandert ist, aber in Miralgo nicht auf den Zug warten. Sein Zug hat Verspätung gehabt, also wird die Zeit zwischen den Zügen kürzer als eine Stunde. Hat der Fahrplanheld den Fahrplan also genau studiert? – Hat er natürlich nicht, er weiss es auch so am besten.
Nun, die erste Rechnung ist aufgegangen. Der Weltschnellwanderer sitzt wieder im fahrenden Zug. Hinab nach Brusio, über den Viadukt von Brusio, von einem Weltkulturwunder ins andere: Tirano, Italien. Immer trauert rojosuiza ein wenig, dass kein Halt ist bei der Wallfahrtskirche der Madonna di Tirano, aber dann steigen alle dort aus, statt im Stadtbahnhof unten. Vom letzten Besuch her erinnert der Kaffeefahrer sich des Cafés Novecento. Gut war der Kaffee dort. Ein bisschen Krempel aus dem 19 Jahrhundert steht dort herum. Dafür hat rojosuiza eine starke Schwäche. Die Kaffeepreise sind auch von der Jahrhundertwende, der letzten natürlich: 2 x Cappucciono excellente für € 2,80. Hier ist der €uro noch etwas wert, hier lass mich bleiben.
Aber bleiben kann rojosuiza nicht. Bei einer Kaffeefahrt wird man immer wieder aufgehetzt und weitergefahren. Kennt der Fahrplanleser den Fahrplan denn? – Nun, nein. Also läuft er los, via Wallfahrtskirche, aus Italien hinauf in die Schweiz. Das ist nicht ganz die gewaltige Leistung, als die es klingt. Nur wenige Kilometer geht es hinauf, dann ist der Grenzort schon erreicht. rojosuiza springt durch die Grenzstelle, macht ein paar illegale Abkürzungen, denn er will unbedingt den Zug nicht verpassen. In Campocologno darf er dafür am Schluss eine Viertelstunde warten.
Fährt er denn nun, der bescheidene Kaffeefahrtenfahrer also brav nach Hause, in sein Feriendomizil in Pontresina? – Das glaubt doch keiner. Bei der Hinfahrt hat er sich hier schon sehnsüchtig aus dem Fenster gelehnt – jetzt springt er ab. Cavaglia mi amor! – Es rennt die Bergziege durch saftige Wiesen hinan, auf dem Weg, den rojosuiza vor einigen Wintern beim Abstieg nach einigen Verhauern aus dem Schnee herausgerarbeitet hat. Unterwegs stolpert er über ein Schildchen. So entdeckt er Stefan Rüesch mit seinen Minaturen. Er findet sie später erneut, auch da zuerst das Schildchen-Stolpern. rojosuiza ist ein scharfer Beobachter, das sieht jeder, kein Zweifel.
Am Schluss steht – wie kann es anders sein – ein Kaffeehalt. Kann es einen wuchtigeren Schlusspunkt geben als den Latte Macchiato, in der Kulisse von Alp Grüm? Rundum zufrieden schnurrt der ältere Herr in seiner Ecke über dem Kaffee. Um ihn herum sind spendefreudige Senioren der oberen Preisklasse. Als Anfänger ziemt es rojosuiza, bescheiden zu bleiben.
Was hat er denn nun mitgebracht von seiner Kaffeefahrt? – Einen vollen Bilderkasten hat er mitgebracht, und den stürzt er hier unten aus über den geneigten Leser…
Tourengänger:
rojosuiza
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