Hohgwächte und Chli Haupt
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Ich sitze auf der Hüttenterrasse der Domhütte. Die Bergschuhe und Socken liegen in der Sonne, um auszulüften und zu trocken. Vor mir steht der wohlverdiente Eistee mit einem feinen Stück Kuchen mit Rahm zur Stärkung. Schliesslich geht es später noch runter nach Randa… Der Blick schweift gedankenverloren in die umgebenden Gletscherwelten. Da sehe ich ihn: einen netten, kleinen Felskopf etwa auf Hüttenhöhe, der die Zunge des Festigletschers (noch) spaltet.
Dies war im Juli vor zwei Jahren, nach der Täschhorn-Dom Überschreitung. Der Felskopf ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ein Blick auf die Karte offenbarte, dass es sich um das «Chli Haupt» handelt. Was für ein schöner und passender Name! Ausserdem ist der Berg über 3000 Meter hoch, ein wichtiges Kriterium für mich. Der Entscheid war also gefällt: Ich muss da hoch! Nur wie? Der SAC Führer schweigt sich über die Existenz dieses Köpfchens aus. Auch im Internet fand ich keine Infos, obwohl der Berg ideal erschlossen in unmittelbarer Hüttennähe liegt.
Nun gut, etliche Stunden des Karten- und Fotostudiums später (zum Glück ergibt sich mir als Berufspendler ausreichend Zeit dafür), beschloss ich den Westgrat anzugehen. Da ich auch noch nie auf der Hohgwächte stand, sollte dieser schöne Berg in die Tour miteingebaut werden.
So startete ich mit leichten Schuhen bei wunderbarem Wetter in Randa mit Primärziel Hohgwächte. Am Fusse der Steilwand vor der Domhütte wechselte ich bei einer kleinen Quelle auf die Bergschuhe. Die Steilstufe nordöstlich der Hütte lässt sich an ihrer schwächsten Stelle gut überwinden (kurzer Boulderzug zu Beginn). Danach weiter über Blöcke und den leichten Grat zu P. 3257. Weiter über gut begehbaren Schutt und die Firnkuppe zum Gipfel.
Da mich der Aufstieg zum Gipfel 3.5h kostete, blieb noch genug Zeit, am Chli Haupt einen Versuch zu starten. Für den Abstieg von der Hohgwächte wählte ich das schuttige Süd-Couloir östlich vom P. 3529. Anschliessend über den Gletscherrand und glatt geschliffene Felsplatten auf den Rücken zwischen Gross und Chli Haupt. Nun konnte ich mich dem Westgrat des Chli Haupts zuwenden. Dieser besteht aus kompaktem, stabilem Fels (eine direkte Linie über den Westgrat dürfte ca. 2 Seillängen schöne Kletterei bieten). Die schwierigste Stelle befindet sich gleich zu Beginn des Grats (kurze Stelle III). Danach wird über leicht abfallende Felsbänder aufsteigend nach rechts gequert (II). Der Schlussaufstieg führt über steilen Schutt und Blöcke zur kahlen Gipfelfläche.
Also schnell einige Steintürmchen errichtet, um der Glatze wenigstens eine kümmerliche Kopfbehaarung zu schenken und die Besteigung meines 700. 3000er in den Alpen zu feiern.
Den Grat kletterte ich auf gleicher Route ab und stattete noch dem Gross Haupt absteigend (sic!) über den Ostrücken einen kurzen Besuch ab. Nach dem fiesen Gegenanstieg zurück geht es leicht über Felsplatten und Moränenschutt entlang einiger schönen kleinen Seelein zur Hütte und über den Hüttenweg zurück nach Randa.
Vom Bahnhof lässt sich während der Wartezeit der Rückblick auf das Haupt ideal geniessen.
Nachtrag:
Lange habe ich überlegt, ob ich diesen Beitrag schreiben soll. Schliesslich gibt es nur noch ganz wenige dieser unbeschriebenen Gipfel in der Schweiz. Da ich selbst jedoch ein begeisterter Hikr-User bin und so selbst schon viel von diesem Wissensschatz profitieren konnte, wollte ich ebenfalls etwas zu dessen Komplettierung beitragen.
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