Historisch durch die Nordwand der Zugspitze - es ist Eisenzeit!


Publiziert von Kris , 28. Dezember 2020 um 12:35.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Wetterstein-Gebirge und Mieminger Kette
Tour Datum: 4 September 2020
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 1350 m

Endlich hat es einen perfekten Tag im Wetterstein und ich war bereits in den vergangenen Tagen im Kontakt mit Bergführern um eine entsprechende Tour etwas härterer Gangart zu planen. Zur Wahl standen letztlich die Eisenzeit oder der kleine Waxenstein, nachdem ich mich für dieses Jahr vom Jubi-Grat verabschiedete. Gründe dafür zum einen das fehlende Training (bedingt durch den Lockdown..) sowie ein paar Problemen im linken Ellenbogen (wahrscheinlich auch bedingt durch den Lockdown und das dahingehende Home Office mit falscher Haltung..). Am Ende lasse ich mich von der Eisenzeit überzeugen und hoffe, dass der "Arm hält" und ich freue mich wirklich darauf, da ich die Route bereits seit ca. 5 Jahren im Blick habe, quasi seitdem sie eingerichtet und "wiederentdeckt" wurde. Damals hielten uns die Sprengarbeiten für die neue Seilbahn vom Eibsee ab.. jetzt kann uns nichts mehr aufhalten?

Um 8 Uhr holt mich Jan, mein heutiger Bergführer am Bahnhof in Garmisch ab und sodann fahren wir mit dem Auto bis zum Parkplatz am Eibsee. Hier machen wir uns fertig, kaufen ein Ticket bis Riffelriss und warten noch ca. 20 Minuten bis zur Abfahrt der Zahnradbahn. Es scheinen einige Bergführer unterwegs zu sein und tatsächlich gehen ein paar davon am heutigen Tage die Eisenzeit. Insgesamt schätze ich die Begeher an diesem perfekt sonnigen Freitag im frühen September auf etwa 20 Personen. Das ist schon beachtlich für eine Route, die prädestiniert für Steinschlag ist, daher heißt es - Obacht! Dennoch gab es tatsächlich 1-2 Begeher ohne Helm, wovon ich hiermit dringend abraten mag.

Ab dem Riffelriss folgen wir zuerst dem Pfad in Richtung Riffelscharte. Alle Gruppen legen hier ein ordentliches Tempo vor und ich merke, dass die Puste etwas knapper bemessen ist bei mir als noch pre-lockdown im letzten Jahr in Ecuador. Ich schnaube immer wieder durch und merke wie der Argwohn beim Bergführer leicht steigt, zumindest in meiner Empfindung - die Gedanken sind wohl: "packt der das, wenn er jetzt schon so schnaubt?!" - verständlich, immerhin sind wir gerade erst ein paar Höhenmeter unterwegs. Aber sei es drum, man muss sich ja noch warm laufen dürfen... so fallen wir aber ans Ende der Seilschaften zurück, was bedingt durch die Steinschlag-Gefahr nur sehr begrenzt ein Grund zur Freude ist..

Nach einer Weile zweigt ein Pfad ab (lt Topo etwa auf 1800m), natürlich unbeschildert. Dieser zieht dann in Serpentinen auf die ersten Seilbahnanlagen und Bänder unterhalb der Nordwestwand zu. Hier machen wir eine erste Pause und bald wird es das erste Mal ausgesetzter. So seilen wir uns schon hier an einer dieser Sprengseilbahn-Anlagen an, einfach weil es wohl bequemer ist als weiter oben und folgen dem abschüssigen, aber recht breiten Band nach Osten (T5). Den hier verbauten Stahlseilen ist natürlich nicht zu trauen. Die nun folgenden Passagen zeigen bereits, wie unübersichtlich die Wand sein kann. Als Faustregel gilt im unteren Teil: nicht den alten Drahtseilen nach oben folgen (deutlich schwerer!). Wir winden uns eher nach oben, immer mit etwas bangem Blick auf möglichen Steinschlag (der auch immer wieder in leichter
Form herabprasselt).. 

Eigentlich gelangt man nun an die sogenannte "Schlüsselstelle", die ihren Namen aufgrund eines überdimensionierten Schraubenschlüssels erlangte, der hier zurückgelassen wurde. Leider - und das ruft Unverständnis hervor - ist enorm viel des geschichtsträchtigen Materials in der Route durch Begeher als Mitbringsel entfernt worden, sogar ein ganzer Kompressor(!), der natürlich in den 30er Jahren ein beachtliches Gewicht an den Tag legte.. Somit ist der "History" Faktor in der letzten Zeit doch etwas gesunken in der Route, so findet man bspw, auch keine/kaum noch alte Bierflaschen der Arbeiter. Wenn es in dem Tempo weitergeht (die Route wird ungefähr erst seit 2015 begangen), dann ist bald gar nichts mehr vorhanden.. nur die alten Betonbauten in den Stollenlöchern, die werden wohl nicht so einfach zu entwenden sein .. 

Über leichteres Kraxelgelände (meist I) erreicht man zügig die "Harakiri Leiter" - eine bald 100 Jahre alte Eisenleiter, die nur noch an Bindfäden zu hängen scheint. Sie bildet an dieser Stelle aber immer noch den leichtesten Aufstieg und so steigt man - gesichert vom Bergführer von oben - sehr vorsichtig die teils fehlenden Sprossen nach oben. Über weiteres Kraxelgelände gilt es nun, einen großen, alten Strommast anzupeilen. Hier überholen wir bereits einige Seischaften, die ohne Führer unterwegs sind, wo Sicherung + Wegfindung selbstverständlich mehr Zeit in Anspruch nimmt. Außerdem bin ich mittlerweile "im Game", d.h. die Puste ist wieder da und es geht recht flott voran. Es geht nun schnurstracks auf die Stollenlöcher zu, wo es die erste "wirkliche" Schlüsselstelle nach dem eher leichten I-IIer Gelände zu bewältigen gibt - eine kleintrittige Wandstelle im Stollenloch. Im Topo angegeben ist eine IV- für die etwa 5 Meter hohe Stelle. Ich empfand sie als recht angenehm zu klettern, gerade im Vergleich zur weiter oben liegenden, zweiten 4er Stelle.

Danach wird es eine ganze Weile einfacher, und über eine Leiter erreicht man die eigentlichen Stollenlöcher, in denen die Arbeiter schliefen und sicherlich mindestens Wochenschichten verbrachten. Eingepreist und verhandelt war daher zumindest eine zünftige Ration Bier pro Arbeiter - verpflichtend! Der Ausblick ist auf jeden Fall fantastisch aus den Löchern auf den Eibsee und auch die Überbleibsel der Arbeiter im Betonbau sind allein den Aufstieg wert. Man wandelt nun durch die Stollenlöcher bis es rechts wieder eine Leiter hinabgeht, nicht geradeaus durch die Tür - da gehts in den Stollen der Zugspitzbahn - Gefahr! 

Wichtig - jetzt beginnt erst die eigentliche Klettertour! Wer bis jetzt Probleme hat, zieht besser die Reißleine. Zu viel auf einzelne Passagen und die Wegfindung eingehen macht m.E. wenig Sinn, da verweise ich besser auf das gute Topo, zu finden bei Google. Dennoch bleibt die Wegfindung wirklich anspruchsvoll. Es folge längere Passagen im I-IIer Gelände, die aber immer wieder durch III-III+ Stellen durchbrochen werden. Die IIIer schnell klettern zu können, ist obligatorisch! Das erste Mal so richtig ausgesetzt wird es bei einer wenig griffigen Plattenquerung (III+). Über brüchige Platten
(III) geht es auf ein Band, welches folgend wieder abgeklettert werden muss (I-II).

Nun hat man einen bequemen Stand, um die für mich eigentliche Schlüsselstelle zu begutachten (IV). Abdrängend und kleingriffig, brüchig muss man sich um einen Vorsprung hangeln um dann genauso kleingriffig die nächsten 5 Meter nach oben zu steigen. Ich empfand die Stelle als deutlich anspruchsvoller als die erste IVer Stelle. Geholfen hat mir, den Bergführer genau zu beobachten, auch wenn er sich in gefühlten 2 Sekunden emporgeschwungen hatte. Die gute Nachricht: es ist gut abgesichert, zumindest für den Nachsteiger - ausgesetzt ist es trotzdem!

Verschnaufen ist nicht drin denn nun folgt eine der zwei langen IIIer Passagen. Steil bis senkrecht geht es mehr als 50 Meter aufwärts. Die Passage macht aber Spaß und ist mit etwas Blick für die Route sehr gut zu meistern. Nachdem mir eine Expressschlinge den Abflug gemacht hat, muss der Guide nochmal 5 Meter abklettern, um sie wiederzuholen. Fortfolgend wird das Gelände wieder deutlich leichter (I-II) und führt eher ausgesetzt in Querungen unter einer Steilwand hindurch. Auf etwa 2500m endet die Kletterei abrupt an einem sehr steilen Geröllhang. Leider - leider - muss man diesen nun etwa 100hm nach oben, was mit Abstand den kraftraubendsten Part für mich darstellte - ich fluchte nicht nur einmal! Ein Schritt hoch, einer wieder runter.. richtig fieser Split!


Ziel ist es, eine markante schwarze Wulst rechterhand zu erreichen (I-II). Diese gilt es, halb kriechend aber einfach, zu queren (I-II). Nach der Wulst folgen die letzten etwa 80 Höhenmeter, die fast durchgängig im 3er Gelände zu meistern sind. Kraftreserven sollten also bestenfalls noch ein paar vorhanden sein, immerhin ist man dann noch lange nicht oben! Im Vergleich zum brüchigen Gelände weiter unten in der Route ist der Fels hier oben aber fester. Aufgrund der größeren Höhe steigt aber je nach Verhältnissen auch die Chance für Schnee/Eis in der Route. Gerade bei letzterem dann natürlich nochmal eine ganz, ganz andere Hausnummer!

Nach dieser schönen Kletterei mit guten Durchblicken zur beeindruckenden Großen Rifflwandspitze steht man plötzlich fast vis-a-vis zu ebenjener auf dem Grat unterhalb der Zugspitze (ca. 2680m). Der sogenannte Finger, ein steinerner ist der Endpunkt der Kletterroute. Hier machen wir eine ausgiebigere Brotzeit und genießen Rundum- und Tiefblick in die Route. Am Ende waren wir unter den Ersten der ca. 20 Personen, die in die Route gestartet sind. Ich fühle mich doch fitter als gedacht und mit der guten Seil- und Routenführung des Guides ist man einfach entspannt + schnell unterwegs! Nach den obligatorischen Fotos müssen wir aber noch auf die Zugspitze kommen ..

Dafür müssen wir uns - vorsichtig! - abseilen. Man sieht bereits die Ameisenschnur am Klettersteig des Höllental-Aufstiegs, dessen letzte paar hundert Höhemeter wir nun begehen müssen. Da wir uns aber direkt darüber abseilen, müssen wir aufpassen keine Steine loszutreten auf die Begeher unter uns. Gar nicht so einfach bei dem Bruch der uns erwartet! Da hilft nur Konzentration und Behutsamkeit. Ein 50M Abseiler reicht gerade so aus, um auf die Route zu kommen. Nachdem ich mich über das Drahtseil geschwungen habe, klinke ich mich in das Klettersteigseil und laufe schon mal los, der Guide kommt hinterher. Nun kommt doch die Erschöpfung! Während die N-NW-Wand logischerweise mehrheitlich im Schatten lag, knallt uns nun die Mittagssonne entgegen. Weiterhin fällt die Anspannung ab, ohne Adrenalin nun im vergleichsweise sehr einfachen Gelände hieve ich mich die A/B Passagen nach oben und muss immer wieder eine Pause einlegen, trinke fast alles aus meinem Vorrat aus (immerhin 2,5 Liter!) 


Die schwersten KS-Passagen warten normalerweise an der Randkluft und direkt nach dem Einstieg vom Höllentalferner (bis C). Uns bleiben max. B Passagen. Während wir für die Kletterroute vom Riffelriss knapp 4 Stunden benötigt haben (lt. Topo bitte 5-6 Stunden einplanen!), brauchen wir nochmal eine Stunde für die etwas mehr als 300hm im Klettersteig. Insgesamt benötigen wir also etwa 5 Stunden. Mit schlechterer Wegfindung kann daraus schnell eine viel höhere Zahl werden, also Obacht bei der Zeitplanung ohne Guide!
Am Gipfel ist natürlich wieder die Hölle los, sodass wir vorsichtig neben der Schlange nach oben klettern (II). Nach 2-3 Gipfelfotos geht es zum wohlverdienten Weizen in der Seilbahnstation. Dafür müssen wir aber wieder durch den Wahnsinnsandrang (trotz Corona!) und steigen zügig die Leitern ab. Das ich auch diesmal wieder Flip Flops am Gipfel erspähe war ja eh klar.. wir (Guide, Mitarbeiter Seilbahn und ich) sind uns einig, seltsam (& natürlich gut!), dass da oben nicht deutlich mehr passiert. 

Nach dem Weizen heißt es lange Anstehen an der Seilbahn, teils auch wegen den Corona-Auflagen. Die Zeit nutze ich aber für interessante Gespräche mit dem Guide über seinen Beruf - finde ich immer wieder spannend! Nachdem wir am Eibsee wohlbehalten angekommen sind, werde ich noch dankenswerterweise wieder mit nach Garmisch gefahren, direkt an s Hotel Vier Jahreszeiten am Bhf, in dem ich untergekommen bin. Danke, Jan für die coole Tour!!

Eine Wahnsinns-Route im Genuss-Bereich, die allerdings viel Erfahrung in Routenfindung voraussetzt - besser + entspannter geht es mit Guide! Schade, dass die historischen Überbleibsel nach und nach abhanden kommen und den besonderen Touch der Route etwas schmälern! Nichtsdestotrotz eine volle Empfehlung für den (bisher) ungewöhnlichsten Weg auf die Zugspitze (wenn man mal Hammer-Routen wie Aufstieg über Rifflwandkamm oder Himmel und Hölle in der direkten N-Wand der Zugspitze außen vorlässt). Als nächstes muss dann wohl der Jubi endlich dran sein für mich! 

-VIDEO folgt evtl. noch-



  • KONDITION 4/5
  • ORIENTIERUNG 5/5
  • TECHNIK 5/5
  • EXPONIERTHEIT 4/5

  • Tourengänger: Kris


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    Kommentare (2)


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    alpensucht hat gesagt: Herzlichen Glückwunsch
    Gesendet am 28. Dezember 2020 um 20:52
    zur Eisenzeit! Starke Leistung auch mit Bergführer, schätze ich. Da liest man über 3 Monate nix von dir und dann so einen Hammer. Vielen Dank für's Teilen deiner Eindrücke, bleib fit und komm gut ins neue Jahr!


    Kris hat gesagt: RE:Herzlichen Glückwunsch
    Gesendet am 30. Dezember 2020 um 13:33
    Danke dir, wünsche ich Dir auch! Durch die gute Absicherung ist die Tour trotz der Brüchigkeit bei entsprechender Achtsamkeit ein Genuss. Das würdest du auch packen, da bin ich sehr sicher :)


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