Der weithin unbeachtete Geißkopf (1086 m) ist orographisch gesehen eigentlich nur die nördliche Fortsetzung des ebenfalls recht unbekannten Altsteigerskopfs (1092 m). Weil unbeachtete Berge auf Hikr aber auch mal dran sein wollen, kommt der Geißkopf bei dieser Tour jetzt also dick in die Titelzeile. Beide Berge trennt eine nicht mal fühlbare Schartentiefe von wenigen Metern. Da hier in Baden jedoch jede noch so unscheinbare Kuppe einen Namen bekommt, muss ich beim vorliegenden Tourenbericht natürlich Ordnung walten lassen. Weiterhin dabei auf dieser feierabendlichen Runde waren der nördliche Nachbar Schwarzkopf (1073 m), den man über einen immerhin deutlicheren Sattel erreicht, sowie eben auch besagter Kollege Altsteigerskopf, den ich z.B. hier schon mal mit Schneeschuhen überlaufen hab und der auch sonst zu jeder Jahreszeit irgendwie mein Lieblingsberg im hiesigen Teil des Schwarzwalds geworden ist. Warum das so ist, erzähl' ich weiter unten.
Anlass und Rahmen für diese Runde nach Feierabend waren Ecken auf den besagten Bergen, die mir auf der topographischen Karte respektive Luftbildern auffielen und mich neugierig machten: ein östliches Kar-Halbrund zwischen Geißkopf und Altsteigerskopf und felsige Partien in sowohl der Ost- wie der Westflanke des Schwarzkopfs. Diese wären sogar kleine Blockhalden, so jedenfalls sagte es mir ein wissenschaftliches Fundstück aus dem Netz (die Lokalisierung darin erfolgt allerdings nicht mit dem Schwarzkopf, sondern mit der nahen Passhöhe Seibelseckle). Nix spektakuläres also, aber vielleicht einen Besuch wert. Achso: die Blüte der Latschenkiefer war natürlich nicht der Anlass zur Tour … um ehrlich zu sein hab ich erst vor Ort mitbekommen, wie arg die Latschen einen derzeit beim Durchwurschteln mit Pollen einstauben.
Da die Sonne bei dieser Tour eine Rolle spielte und weil es schön holprig zu den weglosen Passagen der Tour passt, empfehle ich diesmal als Soundtrack „Everyone Knows Everyone“ von Helio Sequence.
Ich fahre also nach Feierabend hoch, freue mich über die im blauen Himmel eingestreuten Schäfchenwolken (welche sich leider bis Sonnenuntergang komplett auflösen werden) und starte von einem Wanderparkplatz an der Schwarzwaldhochstraße. Von da hoch in den Hang des Geißkopfs bis zur Wegspinne im Sattel zwischen Letzterem und der Südnase des Schwarzkopf. Dann links auf eben diese Nase den Pfad hoch und darob öffnet sich der Blick nun auch nach Osten.
Ein Jägerstand bietet mir einen guten Podest für weitere Bilder und bald schon bin ich auf dem Südgipfel des Schwarzkopfs, der mit 1072 m höher als sein Nordgipfel ist (1058 m) und trotzdem in nur wenigen Karten verzeichnet ist (vielleicht weil vom Nordgipfel herunter eine Skipiste führt). Der bis zum Jägerstand noch einigermassen sichtbare Pfad wird immer undeutlicher, auch er ist nicht auf allen Karten noch eingezeichnet. Viel Windbruch liegt herum, es ist ein schöner wilder Bergrücken. Leider ist er aus Buntsandsteins-Erosions-Gründen (wie so oft bei höheren Bergen des Nordschwarzwalds) über die Jahrtausende so flach erodiert worden, dass selbst Vogelbeeren, Jungfichten und Latschen ausreichen, um einem die Fernsicht vom höchsten Punkt zu verstellen :-I
Deswegen also (und aus o.g. Erkundungs-Vorhaben) folgen nun zwei weglose Abstecher durch die Heidelbeeren und Unmengen Totholz zu den Hängen des Schwarzkopfs, östlich wie westlich, wo ich die erwähnten Blockhalden zu finden hoffe. Dem Smartphone-GPS sei Dank klappt das gut und der nun errreichte Osthang überrascht mit einem wunderbaren Fernblick: Wald, Wald, Wald, soweit das Auge reicht ... ein Meer aus Bäumen. Nur als kleine Unterbrechung darin das Forsthaus Auerhahn, ein Hotel und offenbar das markanteste Gebäude des Weilers Unterlangenbach im nächstliegenden Tal. Ich stehe nun zwischen den Sandstein-Blöcken und schaue mich darin um. Von einer Blockhalde würde ich mit meinem kleinen Geologie-Basiswissen hier vllt. nicht (mehr) sprechen. Es gibt kaum (noch) die für Blockhalden so typischen Hohlräume unter den frostgesprengt-verkanteten Blöcken, und falls diese Hohlräume mal existiert haben sollten, sind sie inzwischen meist mit Bodensubstrat verfüllt oder mit Heidelbeeren zugewachsen. Trotzdem: ein schöne felsige Hangpartie und ein stiller Ort weit abseits von Allem. Mit Unterbrechungen durch Vegetation setzt sich die Felspartie ca. 80 Meter nach Norden fort.
Anschliessend durch die Heidelbeeren wieder zurück nach oben, den Pfad gekreuzt und ebenso weglos rüber zum Westhang. Dort überrascht mich eine Ansammlung von Felsen, die tatsächlich (trotz recht geringer Gesamtfläche) eine kleine, aber schöne Blockhalde bilden. Interessant finde die Vorstellung, dass dies alles mal ein kompakter, freiliegender Nährfelsen war, den Frost und Wetter über die Jahrtausende in viele Blöcke kleingesprengt haben (und weiterhin zerteilen). Recht bezaubernd auch der Fernblick hier: runter in die Rheinebene, rüber zu den Vogesen jenseits davon, und natürlich rüber zur bekannt-beliebten Nachbarin Hornisgrinde (1164 m).
Zurück zum Pfad und runter zum Sattel. Von da südlich auf der Nordnase des Geißkopfs nach oben mit wiederum schönen Fernblicken. Von links und rechts jedoch rücken mir die Latschenkiefern bedrohlich nah auf den Pelz und bald schon verschwinden darin nicht nur der Fernblick, sondern auch ich. Die Ahnung eines Pfads ist noch erkennbar. Hier habe ich mir eine weitere kurze topographisch-geologische Erkundung vorgenommen: die Karte zeigt mir ein steiles Halbrund, die die östlichen Hänge von Geißkopf und Altsteigerskopf bilden. Und tatsächlich: es handelt sich um eines der zahlreichen Kare im Nordschwarzwald, von kleinen Gletschern geformt in den Eiszeiten. Aus dem Netz habe ich dazu dies wissenschaftliche Fundstück geangelt. Das von mir angepeilte Kar (bzw. das obere Ende seiner Wand) ist darin als Geißloch verzeichnet und in den Sechziger Jahren offenbar mal gründlichst vermesssen worden. Auch hier habe ich mir vor der Tour alles auf dem Luftbild angeschaut: leider schien mit höherem Bewuchs alles recht verwaldet zu sein. Aber ich hoffte auf den ein oder anderen Durch- und Tiefblick zwischen den Bäumen. Die weglsoe Wegfindung zum Rand der Karwand brauchte dann allerdings zwei Anläufe, denn die Latschen bilden einen ziemlich undurchdringlichen Wald. Letztendlich folge ich dann wohl den Latschen-Durchschlüpfen des hier lebenden Rotwilds. Dabei auch kurzes Erstaunen über die pollenstaubreiche Blüte der Latschen rundum und Dankbarkeit dafür, dass ich darauf nicht allergisch reagiere. Apropos Nase: mein Riecher war richtig und an zwei Stellen hat mir Windwurf dann Blicke ins (eher erahnbare) Halbrund des Geißloch-Kars ermöglicht. Weit in der Ferne war sogar ein Ort im Schwäbischen erkennbar (Freudenstadt?).
Ohne irgendeine Schartentiefe (s.o.) zu bemerken bin ich nun schon auf dem Areal des Berg-Nachbarn Altsteigerskopf, leider weiterhin dicht umdrängt von Latschen. Ich kämpfe mich zurück zu einer Schneise in ihnen (die, auf der ich vorhin auch hochkam), die exakt auf der Landesgrenze zwischen Baden und Württemberg verläuft und das Luftbild sagt mir, dass es weiter südlich noch eine abzweigende Latschen-Gasse in nordwestliche Richtung geben sollte: so käme ich dann direkt bei einem meiner Lieblings-West-Fernblicke im Nordschwarzwald heraus (zuletzt stapfte ich dort im Dezember vorbei). Nach ca. zweihundert Metern ungewissen Latschens durch Latschen rechs tatsächlich die andere Gasse. Diese steigt leicht bergan und ändert sich zu einer wieder offeneren Szenerie: ich habe das Hochmoor auf dem Altsteigerskopf erreicht. Kolken mit tiefschwarzem Moorwasser stehen hier zwischen Rasenbinse und Latschenkiefer. Dazwischen leuchtet im Licht des Sonnenuntergangs blühendes Wollgras und so einige schöne Moose. Auf jeden Fall ein weiterer sehr besonderer Ort. Diese Ecke ist für mich neu, bisher war ich nur mehrfach auf dem markierten, aber ebenfalls recht wilden Pfad in Gipfelnähe unterwegs (s.u.). Das Hochmoor entstand, so wie auf vielen anderen Schwarzwaldhöhen, durch Rodung und Beweidung der Gipfelrücken während des Mittelalters. Und natürlich durch die reichhaltigen Niederschläge auf dem Hautpkamm des Nordschwarzwalds. Mit gezielten Schritten geht es vorsichtig weiter (ich will hier auf keinen Fall etwas zertrampeln), aber bald schon senkt sich das Gelände wieder sanft nach Nordwesten ab. Vorbei an weiterhin viel Totholz, Latschen, Vogelbeeren, Birken erreiche ich tatsächlich wie erhofft den schönen Fernblick im Übergang zwischen Altsteigerskopf und Geißkopf. Große Freude. Auch, weil die Sonne sich anschickt, nun endgültig unterzugehen und hinter der Südflanke der nahen Hornisgrinde zu verschwinden. Gerade noch rechtzeitig kann ich sie, zusammen mit dem Tiefblick auf Rheinebene und das Seebach-Tal mit der Kamera einfangen (aber nicht festhalten).
Der schöne Blick liegt an einem tollsten Pfade im Nordschwarzwald überhaupt, nämlich dem Teilstück des Seensteigs (von Baiersbronn zum Mummelsee) über den Altsteigerskopf. Der ist, obwohl markiert, eher wenig begangen (vermutlich weil etwas unterhalb der bekannte Westweg verläuft) und dermassen naturnah sowie abwechslungs- und aussichtsreich geführt, dass diese Passage zu meinem Lieblingswegstück im Nordschwarzwald wurde. Zufällig liegt an der besten Tiefblick-Stelle auch ein kleiner Fels mit perfekter Sitzhöhe und so mache ich hier noch Veschperpause, während die Sonne im Nordwesten nun endgültig hinter der 'Grinde verschwindet und die Landschaft drumrum beginnt, im Restlicht zu schimmern. Schliesslich packe ich zusammen und geniesse auf dem bergab führenden Pfad weiterhin die Abenddämmerung. Ab dem Sattel dann wieder auf einen Forstweg und bald schon bin ich untem am Wagen.
Fazit: Was machen die langen Tage im späten Mai nicht alles möglich. Nach dem Büro noch viel erlebt und erkundet. Ich mag das Tourenplanen mitttels Topo-Karte und Luftbild inzwischen sehr. Tipp: ein Wanderstecken ist im weglosen Terrain hilfreich, denn unter den Heidelbeeren liegen jede Menge verrottender Baumstämme, auf denen man schnell mal abgleitet oder sie halt wegen erwähnter Heidelbeersträucher gar nicht erst sieht. Auf den Blockhalden ist Vorsicht mit den Spalten angesagt. Die Blöcke sind meist fest verkantet, trotzdem immer erst antreten. Aus beiden Gründen die Einstufung der Tour mit T3+.
Eine Tour aus der Rubrik Unterholz-Preziosen
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