O schaurig ist's übers Moor zu gehn! Das Schwarze Moor.


Publiziert von Nik Brückner , 5. Juni 2020 um 12:15. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Westliche Mittelgebirge » Rhön
Tour Datum:24 Mai 2020
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 1:00
Aufstieg: 7 m
Abstieg: 7 m
Strecke:3,5km

O schaurig ist's übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Heiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt! –
O schaurig ist's übers Moor zu gehn,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!


Das Schwarze Moor liegt in der Bayerischen Rhön am Dreiländereck von Hessen, Thüringen und Bayern. Es ist mit 66,4 Hektar der größte Moorkomplex in der Rhön und eines der bedeutendsten Hochmoore in Mitteleuropa. Es handelt sich um ein kuppelförmig aufgewölbtes Regenmoor: Von der zentralen Hochfläche, die eine Torfmächtigkeit von bis zu acht Metern aufweist, fällt die Oberfläche nach allen Seiten ab.

Der Name rührt vom roten Magellans-Torfmoos her, das auch dem nahegelegenen Roten Moor den Namen gab. Hier verdirbt und schimmelt die Pflanze schon beim Keimen, und wird dann schwarz.


Das wollten die Waldelfe und ich uns mal ansehen. Wir kamen von der Milseburg herüber, "Il Velo Dei Riflessi" von Quel Che Disse Il Tuono im Ohr, und trafen uns am Wanderparkplatz Schwarzes Moor mit meinen Eltern zu einer naturkundlichen Runde. Erste Station: das ehemalige Reichsarbeitsdienst-Lager Hochrhön.

Das ehemalige RAD-Lager befindet sich am nordöstlichen Rand des Schwarzen Moors. Ein steinernes Tor erinnert heute als Mahnmal daran. Das Lager wurde ab 1934 errichtet und beherbergte etwa 300 Personen. Es war Bestandteil des "Rhönaufbauplans" von Gauleiter Otto Hellmuth, der hier die Landwirtschaft fördern wollte. Der RAD legte Drainagen, entfernte Steine, pflanzte Fichten an, und versuchte sich im Kartoffelanbau. Das Vorhaben scheiterte jedoch an den naturräumlichen Bedingungen. 1945 wurde das Lager aufgegeben und bis auf die Fundamente abgetragen.

Wir wanderten weiter zum Beginn des Moorpfads. An einer weiten Wiese betritt man das Gelände. Der Rundweg führt zunächst am Rand eines Karpatenbirkenwaldes vorbei. Man wandert dann hinüber zu einem 2007 errichteten, 17 Meter hohen Aussichtsturm, der zur Zeit coronabedingt gesperrt ist. Dort beginnt der 2,2 Kilometer lange Bohlensteg, auf dem man nun durch einen großen Teil des Moors wandern kann.

Fest hält die Fibel das zitternde Kind
Und rennt, als ob man es jage;
Hohl über die Fläche sauset der Wind –
Was raschelt drüben am Hage?
Das ist der gespenstische Gräberknecht,
Der dem Meister die besten Torfe verzecht;
Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind!
Hinducket das Knäblein zage.


Der Lehrpfad verläuft durch das Niedermoor in südlicher Richtung auf die zentrale Hochfläche. Er führt an einem Moorauge, an Flarken und Schlenken vorbei. Von diesem Bereich des Weges ist die komplette zentrale Hochfläche zu überblicken.

Das Schwarze Moor entstand nach der letzten Eiszeit, vor etwa 12.000 Jahren. Damals entstanden hier in der Gegend große Mulden. Dort, wo wasserstauende Sedimente (v. .a. Ton und Basalt) diese Mulden abdichteten, konnten sich Moore bilden. Die besonderen klimatischen Bedingungen der Rhön, mit hohen Niederschlagsmengen und niedrigen Bodentemperaturen, begünstigten das Moorwachstum.

Für das Schwarze Moor sind Vertiefungen wie Flarken und Mooraugen charakteristisch. Das sind Wasseransammlungen, die bis zu zweieinhalb Meter tief sind. Die Flarken – Risse in der Moorvegetation – bilden sich durch die Bewegung des Moorkörpers, ähnlich wie bei einem Gletscher. Die Entstehung der Mooraugen dagegen ist noch nicht restlos erforscht. Sie gelten als Besonderheit des Schwarzen Moors: In anderen Hochmooren liegen sie häufig in den zentralen Teilen des Hochmoors, im Schwarzen Moor dagegen befinden sie sich am Rand der zentralen Hochfläche. Das größte der drei Mooraugen am Bohlensteg hat eine Fläche von 500 Quadratmetern und eine Tiefe von etwa 2,5 Metern. Darunter liegt eine etwa eineinhalb Meter dicke Torfschlammschicht, darunter wiederum die Tonunterlage.


Vom Ufer starret Gestumpf hervor,
Unheimlich nicket die Föhre,
Der Knabe rennt, gespannt das Ohr,
Durch Riesenhalme wie Speere;
Und wie es rieselt und knittert darin!
Das ist die unselige Spinnerin,
Das ist die gebannte Spinnenlenor',
Die den Haspel dreht im Geröhre!


Der Weg führt weiter zum Niedermoor, das sich als Sumpfgürtel um das zentrale Hochmoor zieht.

Das Schwarze Moor ist in verschiedene Vegetationszonen gegliedert, deren jede von besonderen Bedingungen geprägt ist, und eine je eigene typische Tier- und Pflanzengesellschaft beheimatet. Viele der hier vorkommenden Arten sind gefährdet oder vom Aussterben bedroht.

Im Niedermoor wachsen charakteristische Gräser wie Wollgras, Grau-Segge, Hunds-Straußgras, Sumpf-Blutauge, Sumpf-Labkraut, Sumpf-Kratzdistel und Fieberklee. Weiter nach innen folgt das Moor-Randgehänge mit kleinwüchsigen Bäumen und Sträuchern wie Birken, Kiefern, Rauschbeere, Heidelbeere, Besenheide, Schwarze Krähenbeere und Gewöhnliche Moosbeere. Yep, das ist die Cranberry, die hat durchaus einen deutschen Namen.

Im Hochmoor schließlich sind die Torfmoose anzutreffen: das rötliche Magellans-Torfmoos ebenso wie das grünliche Spieß-Torfmoos. Interessant sind auch die insektenfangenden Pflanzen wie Sonnentau und Fettkraut. Dazu wachsen hier verschiedene Arten von Heidekraut. Weitere zum Teil sehr seltene Pflanzen sind Siebenstern, Sumpffarn, Torfgränke und Straußblütiger Gilbweiderich.

Das Schwarze Moor ist dagegen relativ arm an Tierarten. Viele Arten sind scheu und meiden die Nähe der Besucher. Zu den hier beheimateten Säugetierarten zählen der Baummarder, die Sumpfspitzmaus und der Iltis. Auch die für die Rhön typischen Raubtiere leben hier: das Hermelin, das Mauswiesel und der Fuchs. Nachaktiv sind der Steinmarder, der Dachs und der zugewanderte Waschbär.

Eines ihrer letzten Rückzugsgebiete haben im Schwarzen Moor die Birkhühner, die ansonsten außerhalb der Alpen vom Aussterben bedroht sind. Zu beobachten sind auch die Bekassine, Zwergschnepfen, Gemeine Binsenjungfern, Baum- und Wiesenpieper, Feldschwirle und vereinzelt der Auerhahn.
Über die zentrale Moorfläche schwirren dazu Libellen wie die Arktische Smaragdlibelle, die Torf-Mosaikjungfer, die Sumpf-Heidelibelle und die Große und die Kleine Moosjungfer.

In den trockeneren Bereichen des Moors leben die Kreuzotter, der Feuersalamander, Blindschleichen und die Bergeidechse, in den Flarken und Mooraugen Amphibien, wie Molche, Frösche und Kröten. Fische können dagegen wegen des nährstoffarmen und sauren Wassers in den Mooraugen nicht überleben.


Der Rundweg auf den Holzbohlen ist fantastisch, und so ist es nicht nur interessant und lehrreich, durchs Schwarze Moor zu wandern, es macht auch Spaß. Und so geht es ...

Voran, voran! Nur immer im Lauf,
Voran, als woll es ihn holen!
Vor seinem Fuße brodelt es auf,
Es pfeift ihm unter den Sohlen,
Wie eine gespenstige Melodei;
Das ist der Geigemann ungetreu,
Das ist der diebische Fiedler Knauf,
Der den Hochzeitheller gestohlen!


Im Schwarzen Moor wurde von 1770 bis 1939 immer wieder Torf abgebaut. Das Moor lieferte aber nur geringe Mengen. Dabei wurden an verschiedenen Stellen Entwässerungsgräben angelegt. In diesen Bereichen sank der Wasserstand ab, und die Torfmoose stellten ihr Wachstum ein oder starben ab.

Im Jahr 1802 wurde im Moor Steinpflaster entdeckt. Man vermutete, dies seien Reste eines versunkenen Dorfs, sie gehen aber wohl eher auf den Torfstich der Würzburger Hofkammer um 1770 zurück. Ein versunkenes Dorf, von dem in der Gegend berichtet wird, und das auf das Jahr 827 zurückgehen soll, ordnet man heute dem Köhlersmoor bei Hünfeld zu.


Da birst das Moor, ein Seufzer geht
Hervor aus der klaffenden Höhle;
Weh, weh, da ruft die verdammte Margret:
„Ho, ho, meine arme Seele!“
Der Knabe springt wie ein wundes Reh;
Wär nicht Schutzengel in seiner Näh,
Seine bleichenden Knöchelchen fände spät
Ein Gräber im Moorgeschwele.


Natürlich sind die gruseligen Sagen rund um das Schwarze Moor ein wichtiger Bestandteil der Faszination, die diese Landschaft auf ihre Besucher ausübt.

"Vor undenklichen Zeiten versank im Schwarzen Moor eine schöne Stadt oder, wie andere wissen wollen, ein großes Dorf, weil die Einwohner von ihrem sündhaften Leben nicht ablassen wollten. An die Stelle der Stadt oder des Dorfes trat nun ein unergründlich tiefer, schwarzer See, der nach und nach bis auf die wenigen schwarzen Löcher von einer dichten Moordecke überzogen wurde. In der Tiefe des Moores jedoch ist das Leben noch nicht erstorben; denn wenn die Bewohner des versunkenen Ortes nach ihrer Kirche eilen und reuevoll dort um Erlösung beten, dann braust es im Moore gewaltig, und schwarzes schlammiges Wasser gärt aus den sogenannten ‚Teichen‘. Auch habe mancher, der sich am Rande des Moores niederlegte, zuweilen noch die Turmuhr schlagen und die Hähne aus der Tiefe krähen hören. Nur drei Jungfrauen aus dem versunkenen Ort war es gestattet, zuweilen aus dem Moore emporzukommen. Sie wurden in der Umgegend die Moorjungfern genannt und kamen regelmäßig zum Kirmestanz nach Wüstensachsen. Als sie aber dort einmal über die Zeit zurückgehalten wurden, verließen sie traurig den Tanzplatz. Am anderen Morgen war einer der Teiche blutrot gefärbt. Die Moorjungfern hat seitdem keiner mehr zu Wüstensachsen gesehen. In nächtlicher Stunde schweben nur noch die Seelen der drei Moorjungfern mit denen der anderen dort Versunkenen als Irrlichte über dem Moore."

Paul Schlitzer: Lebendiges Erbe – Sagen aus Rhön und Vogelsberg.
 

Da mählich gründet der Boden sich,
Und drüben, neben der Weide,
Die Lampe flimmert so heimatlich,
Der Knabe steht an der Scheide.
Tief atmet er auf, zum Moor zurück
Noch immer wirft er den scheuen Blick:
Ja, im Geröhre war's fürchterlich,
O schaurig war's in der Heide.


Yep, schaurig war's in der Heide. Heute ist das nicht mehr so, denn der Naturschutz und der Lehrpfad sorgen für Aufklärung.

Das Gebiet wurde 1939 unter Naturschutz gestellt, danach durfte im Schwarzen Moor kein Torf mehr abgebaut werden. Als sich in den 1960er-Jahren Trampelpfade gebildet hatten, und Teile des Moors zerstört zu werden drohten, manche Besucher sogar in den Mooraugen badeten (es soll sich dort ein Sprungbrett befunden haben), umgab man 1976 das Schwarze Moor mit einem 4,8 Kilometer langen Zaun, und legte den heute 2,2 Kilometer langen Bohlensteg an, auf dem die Besucher bis heute durch einen Teil des Moores gelenkt werden. Diese Maßnahmen haben sich positiv auf die Regenerierung des Moors ausgewirkt. Am Weg stellen 23 Informationstafeln die Tier- und Pflanzenwelt des Moors vor. Mehr Infos, auch einen Flyer, gibt es hier.


Fazit:

Sehr interessantes, kurzes Ründl im düsteren Hochmoor. Können's nur empfehlen!


...und für uns ging's weiter zum Gangolfsberg. Der nächste Naturlehrpfad!



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Kommentare (4)


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Schubi hat gesagt:
Gesendet am 5. Juni 2020 um 20:58
Hey Nik.

Schöne Idee mit den lyrischen Passagen in deinem Bericht. Du als alter Literat kannst solche Quellen ja wahrscheinlich ausm Handgelenk schütteln ;-)
Ich war lustigerweise letzte Woche auch kurz in einem Moor unterwegs, aber halt hier im *Grindenschwarzwald.

Torfigen Gruß, Frank

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 7. Juni 2020 um 16:51
Na, bevor ich Torfrock zitiere, zitiere ich lieber das Dröstle!

Män, lass uns auma wieder rumgrinden, ich vermisse Euch. Jetzt dürfen wir ja auch wieder, das sollten wir nutzen, was meinter?

Liäbi Grüäss,

Nikch

Schubi hat gesagt: RE:
Gesendet am 7. Juni 2020 um 19:55
Machmer! Die Vogesen machen ja auch bald wieder auf.

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 8. Juni 2020 um 11:26
Prima!


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