Kalamität am Piz Duan
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Ich renne so schnell ich kann. Zwiegenähte Vollleder-Bergstiefel sind nicht zum Rennen gemacht. Ich renne am Lägh de la Duana vorbei, bis zum felsigen Steilstück im Val Maroz. Dann wieder los, bis es zu sehr sticht, in der Lunge. Ich bin wütend, weil ich nicht schneller laufen kann. Fast schon in Casaccia, kommen mir zwei Bergwanderer entgegen, ein Pärchen. Wo ist das nächste Telefon?. Ich habe keine Zeit für entgeisterte Blicke, sprinte wieder los. In Casaccia, das erste Gehöft. Ich gestikuliere. Der Bauer geht ins Haus, zum Telefon im Korridor. Rätoromanisch, ich verstehe kein Wort. Er kommt raus, zeigt in die Luft. Das Knattern des Hubschraubers wird schon lauter, im selben Moment. Peter war schneller, viel schneller, gottseidank, in Soglio, als ich in Casaccia.
Am Morgen des gleichen Tages:
Es hatte ganz locker angefangen. Wir gehen früh in Casaccia los, noch etwas marode vom Feiern. Nach dem ersten Höhenmeter geht es schon besser. Noch 1679 Meter liegen vor uns. Peter, F. und ich setzen uns von der Gruppe ab. Alles klappt reibungslos, unsere Dreiergruppe ist am Gipfel des Piz Duan. Wir steigen etwas ab, da kommt uns der Rest der Gruppe entgegen. Wir geben ihnen unser Seil und Gurte. Wir hatten es nicht gebraucht, auch nicht auf dem Gletscher, aber just in case. Steigeisen haben sie selber. Wir drei machen es uns gemütlich, oberhalb des Steilstückes am Rand der Gipfelmulde. Die anderen lassen sich Zeit; die Sonne scheint; wir schlagen die Zeit tot; sondieren die Routen. F. klettert herum, steigt eine Schnee-Rinne ab; S-förmig verschwindet die Rinne aus unserer Sicht.
Die Zeit vergeht, der Rest der Gruppe kommt nicht, und F. auch nicht. Er müsste eigentlich wieder in unserem Blickfeld erscheinen, unten auf dem Schneefeld. Peter steigt ihm hinterher, verschwindet auch aus meinem Blickfeld, erscheint kurz danach unten auf dem Schneefeld, rudert mit den Armen. Ich gehe den Normalweg runter, bis in Rufweite. Ich soll nach Casaccia laufen, er gehe nach Soglio. Der Rest der Gruppe hat inzwischen aufgeschlossen, ich versuche zu erklären wie man das Notsignal macht, den Landeplatz mit Kleidung markiert.
F. hatte sich schon einmal das Genick gebrochen. Er fuhr den alten Opel Kadett, wir wollten in die Bretagne, vier Leute ohne viel Geld, Kofferraum überladen mit Konservendosen. Gurte waren nur eine Idee, damals, niemand schnallte sich an. Als das Auto in den Baum schleuderte, flog F. aus der Fahrertür. Die Windschutzscheibe noch 5 cm hoch. Mit Schrauben in der Schädeldecke, zogen ihm die Ärzte das Genick wieder gerade, mit Gewichten an einem Stahlseil über eine Rolle, drei Monate lang. Danach war er 10 Zentimeter größer, ging wieder mit uns in die Berge, hatte nie Höhenangst, schrumpfte wieder auf Normalgröße, aber konnte den Kopf nicht mehr so richtig drehen. Und jetzt das.
Die Ärzte in Samedan, businesslike, am nächsten Tag. Sie sind Experten, flicken jedes Jahr hunderte Leute zusammen, meistens Skifahrer. F. wird noch operiert. Oberschenkelhals, mehrere Fleischwunden, irgendwas mit der Lunge, und der Ferse. Peter und ich haben unseren Bergkram im Auto, was sollen wir tun; wir gehen am Abend auf die Boval Hütte, und am nächsten Tag auf den Piz Morterasch. Zurück im Ort Morteratsch fahren wir ins Krankenhaus. F. ist jetzt wach, freut sich mit uns, dass wir den Morteratsch nun geschafft haben, und dass wir ihm das schreckliche Krankenhausessen wegessen.
P.S. Die Gemeinde Maloja übernahm dankenswerter Weise die Kosten für die Bergung. Als Salecina- Gäste hatten wir den Bauern bei der Heuernte geholfen.
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Am Morgen des gleichen Tages:
Es hatte ganz locker angefangen. Wir gehen früh in Casaccia los, noch etwas marode vom Feiern. Nach dem ersten Höhenmeter geht es schon besser. Noch 1679 Meter liegen vor uns. Peter, F. und ich setzen uns von der Gruppe ab. Alles klappt reibungslos, unsere Dreiergruppe ist am Gipfel des Piz Duan. Wir steigen etwas ab, da kommt uns der Rest der Gruppe entgegen. Wir geben ihnen unser Seil und Gurte. Wir hatten es nicht gebraucht, auch nicht auf dem Gletscher, aber just in case. Steigeisen haben sie selber. Wir drei machen es uns gemütlich, oberhalb des Steilstückes am Rand der Gipfelmulde. Die anderen lassen sich Zeit; die Sonne scheint; wir schlagen die Zeit tot; sondieren die Routen. F. klettert herum, steigt eine Schnee-Rinne ab; S-förmig verschwindet die Rinne aus unserer Sicht.
Die Zeit vergeht, der Rest der Gruppe kommt nicht, und F. auch nicht. Er müsste eigentlich wieder in unserem Blickfeld erscheinen, unten auf dem Schneefeld. Peter steigt ihm hinterher, verschwindet auch aus meinem Blickfeld, erscheint kurz danach unten auf dem Schneefeld, rudert mit den Armen. Ich gehe den Normalweg runter, bis in Rufweite. Ich soll nach Casaccia laufen, er gehe nach Soglio. Der Rest der Gruppe hat inzwischen aufgeschlossen, ich versuche zu erklären wie man das Notsignal macht, den Landeplatz mit Kleidung markiert.
F. hatte sich schon einmal das Genick gebrochen. Er fuhr den alten Opel Kadett, wir wollten in die Bretagne, vier Leute ohne viel Geld, Kofferraum überladen mit Konservendosen. Gurte waren nur eine Idee, damals, niemand schnallte sich an. Als das Auto in den Baum schleuderte, flog F. aus der Fahrertür. Die Windschutzscheibe noch 5 cm hoch. Mit Schrauben in der Schädeldecke, zogen ihm die Ärzte das Genick wieder gerade, mit Gewichten an einem Stahlseil über eine Rolle, drei Monate lang. Danach war er 10 Zentimeter größer, ging wieder mit uns in die Berge, hatte nie Höhenangst, schrumpfte wieder auf Normalgröße, aber konnte den Kopf nicht mehr so richtig drehen. Und jetzt das.
Die Ärzte in Samedan, businesslike, am nächsten Tag. Sie sind Experten, flicken jedes Jahr hunderte Leute zusammen, meistens Skifahrer. F. wird noch operiert. Oberschenkelhals, mehrere Fleischwunden, irgendwas mit der Lunge, und der Ferse. Peter und ich haben unseren Bergkram im Auto, was sollen wir tun; wir gehen am Abend auf die Boval Hütte, und am nächsten Tag auf den Piz Morterasch. Zurück im Ort Morteratsch fahren wir ins Krankenhaus. F. ist jetzt wach, freut sich mit uns, dass wir den Morteratsch nun geschafft haben, und dass wir ihm das schreckliche Krankenhausessen wegessen.
P.S. Die Gemeinde Maloja übernahm dankenswerter Weise die Kosten für die Bergung. Als Salecina- Gäste hatten wir den Bauern bei der Heuernte geholfen.
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Tourengänger:
detlefpalm

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