Durch die Klipperen-Nordwand und über die Schneide zu den Gungern
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Als ich 2017 über den scharfen Grat zwischen Gungern und Klipperen kraxelte, und dabei den Eindruck hatte, dass die Tour andersherum einfacher sein könnte, kam mir die folgende Idee, mit der man die Überschreitung noch etwas würde aufwürzen können:
"Von der Kanisalpe aus über steiles Gras auf den markanten nördlichen Vorgipfel der Klipperen. Dann auf dem Nordgrat an die Gipfelmauer heran, Abstieg bis zu dem steilen Durchlass und über diesen hinauf zum Gipfel. Dann die Gratüberschreitung von Ost nach West bis zur Wannenhöhe."
Okay, das ist ein wenig knapp. Also ausführlicher: Nördlich der Klipperen gibt es einige nette Grasgipfel, die durch schöne, schmale Grate miteinander verbunden sind. Diese sind zwar von verschiedenen Seiten aus in T4-, T5-Gelände erreichbar, als alleiniges Ziel jedoch nicht lohnend. Käme man von dort aber auf den Klipperengipfel, ließen sie sich mit einer Überschreitung des scharfen Grats zwischen Klipperen und Gungern verbinden - genau in der Richtung, die mir damals einfacher erschienen war. Das einzige Problem: Die Klipperen fallen nach Nord(westen wie -ost)en in einer senkrechten, brüchigen Felswand ab, die an den niedrigen Stellen geschätzte 50 Meter hoch ist. Ein Durchkommen zum Gipfel von der Kante, die nördlich an diese Wand heranführt, die Direttissima also, wäre ziemlich gruselig, weil äußerst brüchig. Aber es gibt links (südöstlich) von dieser direkten Kante einen steilen Durchlass, den ich mir bei meiner damaligen Tour ansah, so gut ich konnte: vom Wanderweg aus, aus 600 Metern Entfernung...
Falls es tatsächlich möglich wäre, diesen Durchlass zu begehen, wäre meine Routenidee in die Tat umzusetzen. Aber das würde man sich vor Ort ansehen müssen - oder man könnte auf einen Hikr hoffen, der das ausprobieren würde! Boerscht hat's mal probiert, ist dann aber im steilen Gelände umgedreht.
Langer Rede kurzer Sinn: Es fand sich keiner, und ich musste selbst hin, und nachsehen. Im Schlepptau hatte ich die unverwüstliche Yuki, die mir trotz Verspannungen im Nacken unerschrocken zu den Klipperen folgte....
Okay, das ist immer noch ein wenig knapp. Also noch ausführlicher:
An einem wunderschönen Herbstsamstag fuhren Yuki und ich - passend begleitet von der wahnsinnigen Musik des Ryorchestra - in den Bregenzerwald und prusikten mit der Seilbahn Mellau hinauf zur Bergstation (1399m). Dort folgten wir dem Wanderweg zur Kanisalpe (1463m), wo ich Yuki vor die Wahl stellte: Direkter Aufstieg zu Pt. 2000 im Norden des Klipperengipfels über einen steilen, vermutlich recht eintönigen Grashang, oder weiter auf dem Weg hinauf zur Wurzachalpe, und von dort aus alles auf der Gratkante...?
Was frag' ich eigentlich....
Wir wanderten weiter zur Wurzachalpe (1622m), und verließen dort den markierten Weg nach rechts.
Bergstation - Wurzachalpe: Markierte Wanderwege, T1, T2, 45 Minuten
Über einige Grashügel geht es nun hinauf, bis der Grat unterhalb eines Felsmäuerchens, das nach rechts unten ausläuft, nach und nach schmaler und steiler wird. Überraschend wenige Bäume stellten sich uns dabei in den Weg, und auf guten Tierspuren waren wir schnell an dem Felsmäuerchen angelangt.
Hier hat man mehrere Möglichkeiten. Die Tiere nutzen einen Durchlass unten, gleich hinter einer kleinen Baugruppe direkt voraus, für Menschen ist das eine I. Oben weicht man dann der ersten Erle links aus, hart am oberen Rand des Mäuerchens, dann steigt man in freiem Grasgelände weiter hinauf. Yuki dagegen folgte dem Mäuerchen eine Weile nach links, und erstieg es dann weiter oben. Auch das ist eine I.
Wir stiegen dann im freien Grasgelände weiter hinauf, und nutzten ein Schartl über uns, um auf die Westseite zu gelangen. Dort stiegen wir zwischen der Gratkante, links, und einigen Bäume, rechts, weiter hinauf. Kurzzeitig wird es hier so steil, dass man eine T5 vergeben muss (im schon recht knusprigen Gras dieses Oktobers nicht ganz ohne), abgesehen von dieser einen Passage wird es aber nie steiler als T4.
Gelangt man schließlich auf den Grat, ist der Schrofenkopf Pt. 2000 schon deutlich zu sehen. Auf, oder ein wenig rechts der Kante geht es in nun einfachem Gelände auf Tierspuren an den Kopf heran. Man kann ihn frontal übersteigen, das ist im mittleren Teil nochmal steil, oder ihn rechts umgehen, dazu verlocken die Tierspuren. Wir entschieden uns für die Umgehung, ich hatte Schmerzen im linken Bein, und wollte mich ein bisschen schonen.
Umgeht man Pt. 2000, dann quert man zu einem felsigen Seitengrat hinüber, der weiter oben recht einfach, und weiterhin im Gras überwunden werden kann. Von dort aus quert man hinauf in den Sattel zwischen Pt 2000 und der nächsten, gemächlichen Graskuppe. Pt. 2000 ist von hier aus problemlos zu erreichen.
Wurzachalpe - Pt. 2000: Wegloser Steilgrasanstieg, T5, eine Stelle I, 1h
Hinter der gemächlichen Graskuppe wird der Grat wieder ziemlich schmal, zudem steilt er noch ein, zwei Mal auf.
Bevor das Gelände links unterhalb schotterig-schieferig wird, bietet sich über einen grasigen Seitengrat noch eine Abstiegsmöglichkeit nach Osten. Unten würde man auf den Wanderweg gelangen.
Dann steht man unmittelbar vor dem Klipperengipfel. Er wäre zum Greifen nah....
Yuki bekam ja schon Lust, aber der senkrechte Fels bricht schon beim Hinschauen, und so beließen wir's beim Wegschauen. Aber da gibt es ja diese Stelle, die Boerscht versucht, und die ich bei meinem ersten Besuch vom Wanderweg aus gesehen hatte....
Diese Schwachstelle in der Gipfelmauer befindet sich links (südöstlich). Man folgt also der Felswand im schieferigen Schotter auf einer Höhe, auf der die Hangneigung sich für die kurze Querung möglichst angenehm anfühlt. Bei geschickter Wegführung ist das nicht schwieriger als T4. Dabei sollte man die Felsmauer rechts oberhalb im Blick behalten: Gleich der erste Durchlass ist derjenige, welche.
Die Felswand wirkt nicht sehr hoch, beim Durchstieg merkt man aber, dass es doch recht weit hinaufgeht. Ca. 50 Meter, so unsere Schätzung. Zunächst steigt man den obersten Teil einer Grasrippe hinauf, die aus dem Kar heraufkommt, dann klettert man in waagrecht geschichtetem, von Erde und Gras durchsetztem Fels hinauf, der nach oben hin immer steiler wird, und zum Ausstieg hin - schätzungsweise - die 70°-Grenze reißt. Das Ganze ist ziemlich steil und äußerst ausgesetzt, fühlt sich subjektiv aber immer machbar an, weil Tritte und Griffe stets von außergewöhnlichen Dimensionen sind. Trotzdem: Auspsychen ist hier nicht erlaubt. Ein Fehltritt ebensowenig.
Ich war als erster hinaufgestiegen. Nach dem äußerst steilen Ausstieg spikete ich schnell nach links, wo sich am Grat ein Kanzele nach Norden hinausschiebt: Von dort aus hat man einen haarsträubend guten Blick in die Aufstiegsroute, wo Yuki gerade heraufkletterte. An die dreißig Fotos habe ich geschossen, und ich wette, ich hab's nicht übers Herz gebracht, auch nur zwanzig davon aus der Auswahl für diesen Bericht hinauszuwerfen - so krass sah das aus.
Der Aufstieg durch diese Stelle dauerte für jede(n) von uns ca. 12, 15 Minuten. Als auch sie heraufgekommen war, nahm ich Yuki in Empfang, wir highfiveten, und gingen dann zusammen nochmal hinüber zu dem Kanzele. Dort klappte ihr, wie zuvor mir, die Kinnlade hinunter. Dann liefen wir, unsere Kinnladen auf dem Boden schleifend, die letzten Meter zum Gipfel der Klipperen (2066m) hinauf.
Pt. 2000 - Klipperen: Weglose Gratüberschreitung T2, Schotterquerung T4, Kletterstelle T6/II, 1h
Einen wunderbaren Rundblick hat man hier! Im Norden die Nagelfluhkette, dann Kanisfluh und Diedamskopf, die Üntschenspitze, der Heiterberg, der Ifen, dahinter der Hochvogel, Annalper Stecken, Hochkünzelspitze, Zitterklapfen, Zafernhorn, Glatthorn, und rechts davon der lange Walserkamm. Und ganz in der Nähe: Die prominente Damülser Mittagsspitze.
Wir machten uns nun an das eigentliche Herzstück der Tour, das sich für uns, nach dem wilden Aufstieg durch die Nordwand, subjektiv nun eher wie ein Bonus anfühlte: Die Überschreitung des schmalen Grats von den Klipperen zu den Gungern. Dieser Grat ist kurz (700m bis zu den Gungern, 1,9 km bis zur Wannenhöhe), aber nicht einfach: Wild, brüchig, schmal; einiges ist umgehbar, anderes nicht, und auch die Umgehungen sind nicht einfach. Es bestehen allerdings mehrere Abstiegsmöglichkeiten nach Süden über steiles Gras.
In leichtem Gehgelände geht es nun vom Klipperengipfel südwestwärts hinunter. Immer in Kantennähe stiegen wir ab. Dann wird der Grat flacher, bleibt aber zunächst noch einfach zu begehen. Aber gleich wird es unvermittelt steil: Es geht eine felsdurchsetzte Stufe auf guten Tritten hinunter zu einem ersten schmalen Abschnitt.
Wem das hier zu gruselig ist, der könnte nach links zum Wanderweg absteigen.
Der Grat wird in der Folge so richtig schmal. Man nähert sich einem ziemlich spektakulären Zacken, der schmal und steil direkt am Grat aufragt. Zuvor sind aber noch eine kurze Graspassage und mehrere Felssstufen zu überwinden, sowie eine schmale Felsschneide, die durch plattigen, abwärts geschichteten Fels gebildet wird.
Dann steht man unmittelbar vor dem spektakulären Zacken, der nun - es hilft nichts - überklettert werden muss. Und aus der Nähe wird klar: Das Ding ist ziemlich mürbe, und hängt zu allem Übel noch nach Norden über. Wer diesen an der Kante erklettern möchte, kann das tun, aber selbst Yuki, die sich stärker als ich an der Kante orientiert hat, hat hier und da in die linke Flanke gegriffen (ihre Route: II). Ich selbst war ein Stück weiter in der Flanke, vermutlich war der Fels hier ein bisschen brüchiger (meine Route: I-II).
Wer diese Passage umgehen möchte, sollte das großzügig tun, d. h., sich gar nicht erst um den Aufstieg kümmern, sondern die Stelle weit unten in der Südflanke passieren, und im Gras, bei einigen Bäumchen, wieder zum Grat aufsteigen.
Hat man den Zacken erstiegen, wird es nun deutlich einfacher. Höchstschwierigkeiten erwarten eine(n) nun nicht mehr. Über Schiefergebrösel gelangt man in ein grasiges Schartl, und auf einer schmalen Schrofenschneide hinauf zu einem niedrigen Mäuerchen, das ein wenig schief auf dem Grat steht. Auf diesem, oder links daneben, geht es weiter hinauf. Dann wird eine Schulter erstiegen, die flach zu einem letzten, dreistufigen Aufschwung führt. Es sind drei einander recht ähnliche Gras/schrofen-Stufen, alle so im Ier-IIer-Bereich. Den ersten erstiegen wir in der rechten Flanke, die oberen beiden nahmen wir frontal.
Nun geht es an den Gungern-Ostgipfel heran, der durch eine Schwachstelle in einem letzten Wandl leichter erstiegen ist. Vom Gungern-Ostgipfel (2053m) sind es nur wenige Schritte im Gras zum Gungern-Westgipfel (2050m).
Klipperen - Gungern: weglose Gratüberschreitung, T6, I-II, 50 Minuten
Nun hat man's geschafft: Die Schwierigkeiten sind überwunden. Man geht in der Folge wahlweise an der Kante oder links davon in einem gemütlichen Grashang weiter. Lediglich eine Stelle verlangt noch ein letztes Mal sicheres Gehen: ein ziemlich steiler Abstieg, der in den 40°-Bereich geht. Den Wannenkopf (2006m) kann man ersteigen, oder südlich im Grashang umgehen, dann steht man an der Gipfelstation einer Seilbahn. Einige Meter weiter befindet sich die Wannenhöhe (1915m), über die der Wanderweg verläuft.
Gungern - Wannenhöhe: weglos, steiles Gras, eine Passage T4, sonst leichter, 20 Minuten
An der Wannenhöhe wechselten wir auf den Wanderweg. Der ist nur im oberen Teil schön, dann wechselt er auf die Trasse eines steilen Fahrwegs, auf dem das Laufen keinen großen Spaß macht. Immerhin ist man schnell unten an der Roßstellenalpe (1395m) bzw. an der Bergstation der Seilbahn Mellau (1399m).
Wannenhöhe - Bergstation Mellaubahn: steiler Fahrweg, T1, 40 Minuten
Ausrüstung:
C-Schuhe, Stecken, Helm, Pickel
Fazit
Was für ein herrlicher Tag! Es ist einfach fantastisch, wenn man eine Idee hat, und sich am Ende herausstellt, dass sie sich tatsächlich in die Tat umsetzen lässt. Umso schöner, wenn jemand Nettes dabei ist, der bereit ist, sich auf ein Experiment einzulassen, und auf den man sich verlassen kann. Yuki war schon am Nordostgrat des Diedamskopfs dabeigewesen, bei der Überschreitung von Derraköpfle und Unspitze und auf den wilden Graten des Daniels, und ich hätte sie auch hier nicht missen mögen. Yuki, vielen Dank für's Dabeisein!
Tourengänger:
Nik Brückner,
yuki
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