Große Löffelspitze (3190m), Löfflergrat und Glockhaus - Einsamste Tour im Defereggental


Publiziert von BigE17 , 2. September 2019 um 08:00.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Venedigergruppe
Tour Datum:26 August 2019
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   I 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 1700 m
Abstieg: 1700 m
Strecke:29 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Mittersill über den Felbertauern oder von Lienz kommend nach Huben. Hier führt eine Straße nach Westen ins Defereggental. Man fährt bis Erlsbach, dann zweigt rechts die mautpflichtige Straße zum Alpengasthaus Oberhaus ab. Über diese erreicht man das Oberhaus, wo sich ein großer Parkplatz befindet.
Unterkunftmöglichkeiten:Keine

Das Arvental im hintersten Defereggental bekommt sehr viel Besuch. Führt doch der beliebte Weg übers Klammljoch durch ebendieses Tal. Bei den vielen schönen Berggipfeln rund um dieses Tal sieht es schon ganz anders aus: Die Lenkspitze ist ein beliebtes Wanderziel, alle anderen Berggipfel werden so gut wie nie bestiegen. Das liegt zum einen an den langen Zustiegen, zum anderen an den Schwierigkeiten bei den Aufstiegen. Bei allen Gipfeln außer der Lenkspitze muss geklettert werden, der Fels ist in der Gegend nicht der beste. Doch genau diese Einsamkeit macht eine Besteigung dieser schönen Gipfel so reizend. Ich und mein Tourenpartner entschieden uns an diesem Tag für den höchsten Berg rund ums Arvental, die Große Löffelspitze.

So ging es in aller Früh wieder einmal zum Oberhaus, das wir um 5:15 erreichten. Mit unseren Mountainbikes fuhren wir mit Stirnlampen entlang des Fahrweges ins Tal hinein. Als wir die Seebachalm erreichten, wurde es langsam hell und wir benötigten die Lampen nicht mehr. Wir fuhren am angenehmen Weg an der Jagdhausalm vorbei bis kurz vors Klammljoch - nämlich zur Arventalalm. Zu unserem Erstaunen gab es hier noch eine Fortsetzung des Weges. So gelangten wir mit dem Rad bis zu einem Stall auf ca. 2300m, der sich bereits sehr weit hinten im Tal befindet.

Nun ging es zu Fuß weiter: Wir überquerten den Bach bei der ersten guten Gelegenheit und gingen auf der rechten Seite weglos weiter. Schon nach kurzer Zeit begann das Gelände steiler zu werden, wodurch wir endlich Höhenmeter gewannen. Auf 2500m wurde das Tal wieder flacher, hier begannen wir mit dem Aufstieg auf der rechten Seite in ein mit Schutt gefülltes Hochkar. Im Kar angekommen, mussten wir uns entscheiden, ob wir sehr steil im Schutt direkt zum Löfflergrat aufsteigen, oder weniger steil auf den NW-Grat vom Löfflergrat und dann über diesen zum Gipfel. Wir entschieden uns für die 2. Variante. Diese war zwar länger und schwieriger, aber deutlich weniger anstrengend. 

Im steilen Schutt wühlten wir uns kurz auf einen Seitengrat hinauf. Im brüchigen Fels kamen wir mit wenigen leichten Kletterstellen (I) aus, der Großteil war Gehgelände. Gelegentlich mussten wir halt in den ca. 30° steilen Schutt ausweichen. Schließlich erreichten wir den oberen Teil des NW-Grates. Gleich mussten wir 2 brüchige Türme überschreiten (I-II), dann wurde es angenehmer. So gelangten wir ohne größere Probleme zum Gipfel des Löfflergrates (I-II), es war aber ausgesetzt. 

Der Vollständigkeit halber wollten wir auch noch den NO-Gipfel mitnehmen. Der Verbindungsgrat ist nicht allzu lang, aber äußerst ausgesetzt. Manche Zacken werden überschritten (II), andere in der linken Flanke umgangen. Der Gipfelaufbau war letztendlich deutlich leichter zu knacken als erwartet (II). Über denselben Weg kehrten wir zum Löfflergrat zurück.

Nun begann der steile Aufstieg auf die Große Löffelspitze. Von unten gesehen sah dieser sehr schwierig aus, aber wenn man zu klettern beginnt, merkt man, dass die Schwierigkeiten moderat sind (II), der Fels ist deutlich besser als erwartet. Erst sehr weit oben mussten wir kurz in die Westflanke ausweichen. Hier wurde der Fels dann doch recht brüchig, das Gelände war genauso ausgesetzt wie am Grat. Als wir wieder am Grat waren, führte uns eine kurze brüchige Rinne (I) auf den Gipfel.

Das Panorama wurde leider zum Teil durch Nebel eingeschränkt, dieser verzog sich dann aber auch immer wieder für kurze Zeit. Im Osten dominierten Röt- und Daberspitze, im Norden und Westen die Zillertaler Alpen, im Süden die Rieserfernergruppe. Aber aus der Ferne grüßten auch die Dolomiten. Aber auch der Südgrat der Großen Löffelspitze sah von hier aus spektakulär aus: Steile Abbrüche, ausgesetzt, wahrscheinlich brüchiger Fels. Dieser Grat ist laut Wikipedia ein sehr unangenehmer 3. Schwierigkeitsgrad!

Also stiegen wir wieder über denselben Weg zurück zum Löfflergrat. Nun entschieden wir uns dazu, direkt durch eine Rinne in der Westflanke abzusteigen. Dabei konnten wir herrlich im sandigen Schutt, der um die 40-45° steil war, abrutschen. Im Abstieg ein Genuss, im Aufstieg wäre dieser Weg eine wahre Tortur... Nun galt es, den langen Westgrat der Großen Löffelspitze zu überschreiten, um zum Glockhaus zu gelangen. Wir probierten es bei einer markanten Rinne. Am Einstieg behinderte uns ein wenig Blankeis unter dem Schutt, es folgte eine Stelle I-II, dann ging es über brüchige Felsen hoch auf den Grat (I).

Nun dachten wir bereits, dass alle Probleme auf dieser Tour hinter uns liegen würden. Laut AV-Führer und dem Buch "Die Dreitausender Osttirols" von Georg Zlöbl sollte der Nordgrat aufs Glockhaus Kletterei im 1. Grad sein. Wir würden schon bald herausfinden, dass dem nicht so ist... Im 1. Schwierigkeitsgrad hätten wir aufsteigen können, indem wir den Berg umrundet hätten, in der SW-Flanke höhergestiegen wären und so von Süden den Gipfel erreicht hätten. Doch davon wussten wir noch nichts, da wir die Flanke nicht einsehen konnten.

So stiegen wir über eine sehr steile Schuttflanke bis in die Scharte zwischen Großer Löffelspitze und Glockhaus auf. Hier setzte der spektakuläre Nordgrat des Glockhaus an. Wir waren sehr skeptisch, dass wir hier im 1. Schwierigkeitsgrad hinaufkommen würden. Nach einem leichten Anfang umgingen wir den ersten Aufschwung in der Westflanke. Der Fels war brüchig, das Gelände ausgesetzt (II). Nach einer kurzen Rückkehr auf den Grat umgingen wir den nächsten Aufschwung wieder westseitig (I). Ostseitige Umgehungen waren durchgehend unmöglich, im oberen Teil war auch die Westflanke zu steil. Also mussten wir den letzten Teil des Grates direkt bezwingen. In steiler, ausgesetzter und brüchiger Kletterei stiegen wir an der gelben Kante höher (II+) und erreichten so ein kurzes Stück Reitgrat. Vor uns befand sich ein kleines Felsköpfl, das wir im Reitsitz nicht überwinden konnten. So mussten wir das Köpfl "umarmen", um so heikel westseitig vorbeizukommen (III), auch der kurze Abstieg in ein Schärtchen war griffarm und nicht einfach (III). Die letzten Meter zum Gipfel waren zumindest ein bisschen leichter (II+). Dieser Abschnitt ist deutlich schwieriger als die restliche Tour und kann mit der Hochtourenschwierigkeit ZS bewertet werden.

Zumindest die Aussicht war genauso schön wie auf der benachbarten Großen Löffelspitze. Wir konnten von hier aus leider die SW-Flanke nicht einsehen, so sahen wir keine Alternative, als wieder über den selben Grat abzusteigen. Ohne Seil fühlte ich mich hier recht unwohl, aber irgendwie gelang uns dann doch der Abstieg. Das Abrutschen durch die Schuttflanke war herrlich und wir erreichten das flache Kar unterhalb von Jagdhausspitze, Glockhaus und Große Löffelspitze. Nach einer Weile dann der ernüchternde Anblick, dass wir durch die SW-Flanke einfach aufs Glockhaus gekommen wären. Darüber hatte natürlich niemand ein einziges Wort geschrieben...

Wir stiegen durch eine steile schuttübersähte Flanke ins Arvental ab, überquerten den Bach und erreichten so unsere Fahrräder. Die Fahrt war ein Genuss, der Gegenanstieg kurz vor dem Oberhaus hielt uns auch nicht mehr auf. So erreichten wir um 13:45 wieder das Auto.

Erwähnenswertes:
1. Wenn man durch die SW-Flanke aufs Glockhaus steigt, halten sich die Schwierigkeiten in Grenzen. Begeht man hingegen den Nordgrat oder den Südgrat der Großen Löffelspitze, beträgt die Kletterschwierigkeit 3 und ZS.

2. Den Aufstieg von der Löfflergratscharte über den NO-Grat auf den Löfflergrat kann man vergessen. Er ist sehr lang, stets ausgesetzt und vermutlich brüchig. Der 2. Schwieigkeitsgrad stimmt hier wahrscheinlich auch nicht.

3. Der Übergang vom Glockhaus zur Jagdhausspitze ist wahrscheinlich schwierig und gefährlich. Aufstiege von Osten her sind generell zu vergessen!

4. Die Tour ist nicht allzu lang, sie kann nach einem frühen Start auch durchgeführt werden, wenn nachmittags Gewitter gemeldet sind.

5. Ohne Mountainbike ist diese Tour ein Hammer und dauert 2-3 Stunden länger.

6. Ein Seil ist nicht notwendig, wenn man den richtigen Aufstieg aufs Glockhaus wählt. Die Schlüsselstelle - die Überschreitung des Westgrates der Löffelspitze - kann umgangen werden, das dauert aber recht lange.

7. Wenn man sich allen Gefahren bewusst ist, steht einer herrlichen Bergtour nichts mehr im Wege. Due Große Löffelspitze ist mehr als nur ein Geheimtipp.

8. Der Löfflergrat und das Glockhaus sind im Winter auch als Skitour machbar, aber sehr steil!

Tourengänger: BigE17


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Kommentare (4)


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georgb hat gesagt:
Gesendet am 2. September 2019 um 08:50
Bravo BigE. Herrlich wilde Berge! Hast du einsehen können, wie man vom Röttal am besten auf den Löfflergrat steigt?
Grüße Georg

BigE17 hat gesagt: RE:
Gesendet am 2. September 2019 um 14:04
Hallo Georg
Danke für die Glückwünsche.

Der Aufstieg aus dem Röttal führt ziemlich direkt durch die Nordflanke zum Gipfel. Es ist aber ordentlich steil, zum Schluss muss man sich durch mindestens 45 Grad steilen Schutt hochwühlen. Steigeisen sind nicht nötig.
Foto habe ich leider keines .
LG

georgb hat gesagt:
Gesendet am 2. September 2019 um 15:23
Sowas hab ich mir schon gedacht, Danke! Weiß noch nicht, ob und wann ich darauf Lust habe ;-)
Deine Gipfelauswahl find ich übrigens sehr gut, sind auch für mich ein paar Kandidaten dabei!

BigE17 hat gesagt: RE:
Gesendet am 2. September 2019 um 16:06
Freut mich, wenn ich dich zur einen oder anderen Tour inspirieren kann.
Ich muss aber zugeben, dass ich nur über meine ausgefallensten Touren schreibe ;)


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