Vågakallen, 943m, Nordryggen N4+ und Normalweg/Sydveggen


Publiziert von lila , 11. August 2019 um 15:06.

Region: Welt » Norwegen
Tour Datum: 5 August 2019
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: V+ (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: N 
Zeitbedarf: 15:00
Aufstieg: 1100 m
Abstieg: 1100 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz an der Straße nach Henningsvaer, direkt am Djupfjord

Nach unserer phantastischen Tour auf den Stetind letzte Woche und ein paar gemütlichen Tagen auf den Vesterålen stellt sich die Frage, ob wir das Kletterzeug nochmal auspacken. In unserem Rockfax-Kletterführer sind jede Menge Sportkletterrouten beschrieben, der Lofoten-Granit ist - sofern er trocken ist - zum Klettern ein Traum. Allerdings sind die meisten Touren für uns zu schwierig. Berücksichtigen sollte man auch, dass die Norweger nicht zimperlich sind mit ihrer Bewertung, es gilt laut unserem Kletterführer die Formel: norwegischer Schwierigkeitsgrad + 1 = UK -Schwierigkeitsgrad. Und ob die Briten - insbesondere die Schotten - zimperlich sind mit ihren Bewertungen sei mal dahingestellt... Eine norwegische 4+ ist also für uns germanische Großstadt-Hallenkletterer locker eine 5+ oder 6-.

Die Auswahl an "Anfängertouren" im Führer ist dann doch nicht so groß und bei einer steht extra was von Schlange, an der man sich in der Regel bei Nicht-Regen anstellen muss, darauf hat P wenig Lust, er möchte lieber "wo rauf". 

Der Vågakallen als Ziel ist klar. Aber Kletterzeug raufschleppen und nicht wissen, ob wir die Tour - immerhin 12 Seillängen - schaffen oder doch lieber gemütlich Wandern?  Ich muss am nächsten Morgen entscheiden, P ist um diese Uhrzeit noch im stand-by Modus. Ohne Zögern entscheide ich für Klettern, keine Frage. Noch ist es bedeckt, aber der Wetterbericht sagt ab 13.oo Uhr Sonne voraus - die dann gegen 16.oo Uhr auch tatsächlich kommt...

Man startet am Djupfjord-Parkplatz und geht am Nordufer des Sees auf einem deutlich sichtbaren Pfad mehr oder weniger am Ufer entlang. Durch die herumliegenden Granitblöcke kommt man nicht wirklich schnell voran, der Weg zieht sich mit schwerem Rucksack. Auf der Blockhalde zwischen dem Djupfjord und dem Djupfjordvatnet (=See)  zweigt nach rechts der Sydveggen ab, das ist der Normalweg für Wanderer bzw. der Abstieg. Der Pfad des  Sydveggen ist trotz üppiger Vegetation, Blockhalden und Sumpfgelände fast überall leicht zu finden und mit zahlreichen Steinmännern gekennzeichnet. Auch der Pfad, der am Nordufer des Djupfjordvatnet entlang bis ans Ostnordostende des Sees führt, ist problemlos zu finden. Kurz nach dem Ende des Sees, nachdem man den Bach überquert hat, windet sich der Pfad steil nach oben, teils durch Wiesen, teils über Blockhalden. Auf den letzen 150 Höhenmetern bis zum Gratrücken verliert er sich teilweise in den Geröllhalden. 

Die korrekte, aber doch etwas sparsame Routenbeschreibung aus dem Kletterführer ist genau diese: https://www.ukclimbing.com/logbook/c.php?i=100468 , Topo kenne ich keines. In den Alpen erleichtern vorhandene Haken die Routenfindung und Sicherung ja beträchtlich, diesen Luxus gibt's hier nicht, es ist alles clean. 

Der Einstieg zum Nordryggen befindet sich am Grat auf ca 550m Höhe. Verleitet durch Trittspuren im Schrofen & Steilgras-Gelände, die irgendwie sympathischer aussahen als eine mit Moos bewachsene Platte, die man hätte queren müssen, verpassen wir die erste Seillänge und erreichen erst oberhalb den Gratrücken. 

Richtig zur Sache geht es für uns erst in der 5. Seillänge, dem Kamin. Wenn man nicht so klein ist, wie ich (1,60m), hat man es hier deutlich leichter, zum Spreizen ist er für mich zu weit. Aber P ist ja einen Viertel  Meter größer als ich und steigt sourverän vor. Dafür tut er sich in der 6. Seillänge mit seinen extra-langen Armen und Beinen sehr schwer, der abdrängende Riss durch die short wall drängt ihn zu sehr ab. Meine Kürze und die große Fingerkraft kommen mir hier zu Gute, diesmal steige ich vor. Den irgendwie immer noch sehr schweren Rucksack lasse ich aber lieber unten und ziehe ihn "big-wall-mäßig" hinterher am Seil rauf. Die 10. Seillänge, der jamming crack, ist Rißkletterei vom Feinsten, allzuviele Möglichkeiten für Zwischensicherungen hat man hier allerdings nicht. Vermutlich sind wir am Ende des Risses zu früh nach rechts auf einen Absatz, jedenfalls brauchen wir sehr lange, bis wir den weiteren Routenverlauf, die 11. Seillänge, gefunden haben. Von einer big flake ist die Rede, aber flake heißt doch (Schnee-) Flocke - hmmm!?  P steht erstmal am Rande einer Felsspalte und meint, dass es da nicht weiter geht - tut's ja auch nicht! - und sucht weiter unten. Erst nachdem er gegoogelt hat, dass flake auch Schuppe heißt, fällt es ihm wie selbige von den Augen, dass damit nämlich diese Felsspalte gemeint ist und dass man sich da einfach durchrobbt. Diese flake ist ca 5-6 Meter lang und steht ca 60-70 cm von der Wand entfernt, meine Primaloftjacke hat seitdem zwei wunderbar parallel verlaufende Risse... Etwas ermattet, aber gut gelaunt packen wir nach dem Ausstiegskamin das Seil weg und folgen dem weiternen Gratverlauf über UIAA-II-er Platten- und Schrofengelände.

Die Abendsonne strahlt und alles ist gut, bis wir kurz unterhalb des Gipfels an the gap stehen, einer Art ca 12 Meter tiefen Getscherspalte aus Fels, die quer zum Gratrücken verläuft. Abseilen und drüben raufklettern ist wegen überhängend keine Option, umgehen auch nicht. Im Führer steht einfach drüberspringen. Tja, da hab ich Pech gehabt, ich kann Vieles mit meiner leichten Gehbehinderung, aber nicht über eine ca 1,70 Meter breite Felsspalte bergauf springen. Nicht mal mit Seilsicherung, geht einfach nicht. Die einzige Möglichkeit für mich ist, mich an einem Fixseil wie im Waldseilgarten rüberzuhangeln. Auf der Talseite der Spalte gibt es ein paar Schlingen und ein Kettenglied aus Eisen, das man zum Sichern nehmen kann. Ich sichere P, er schluckt und atmet tief durch, läuft dann an und hüpft - langbeinig, wie er ist - souverän drüber. Auf der anderen Seite liegen genug große Blöcke, an denen man einen zweiten Stand bauen kann. Wie gut, dass wir zwei Halbseile dabei haben. Aus einem bauen wir die Seilbrücke, am anderen sichert mich P. Ich hänge mich mit einer Schlinge in die Seilbrücke und stürze mich statt in die Tiefe in selbige. Fix an den Armen rübergehangelt und die Kante an der Bergseite gegriffen, noch ein mittel-eleganter Schwung, um ein Bein auf die Kante zu bringen und auch dieses Hindernis ist geschafft!

Bis zum Gipfel sind es noch ca 15 Minuten Gehgelände, wir werden mit Abendsonne und herrlicher Aussicht belohnt. 

Was für eine tolle Tour, wir sind sehr glücklich. Daran ändert auch der mühsame Abstieg über den Sydveggen nichts, der in den ersten ca 200 HM nach dem Gipfel aus anhaltender I-er und II-er-Kraxelei besteht, top mit Steinmännern gekennzeichnet, und uns im weiteren Verlauf mit zwei Gegenanstiegen erfreut. Im Führer steht: "you'll have a long day out". Ja, hatten wir. In der Früh um drei sind wir wieder am Parkplatz. Da die Abenddämmerung aber nahtlos in die Morgendämmerung übergeht, ist es nicht wirklich dunkel und die Wegfindung auch ohne Stirnlampe kein Problem. 

Unsere gemütlichen Ü50-Zeiten: 

Parkplatz - Einstieg: ca 550 HM, ca 3,5 Std
Einstieg - the Gap: ca 350 HM, ca 6 Std
sicheres Überqueren der Spalte: 1 Std
the Gap - Gipfel: ca 100 HM, ca 15 min
Gipfel - Parkplatz über den Sydveggen: ca 4 Stunden

Insgesamt waren wir mit drei halbstündigen und ein paar kurzen Pausen, Kletterzeug an- bzw. ausziehen etc. 18,5 Stunden unterwegs. 

Tourengänger: lila


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Kommentare (3)


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dominik hat gesagt:
Gesendet am 12. August 2019 um 07:18
Toll!

lila hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. August 2019 um 14:20
danke - ja war eine tolle Tour!

pame hat gesagt: Endlich
Gesendet am 17. Februar 2020 um 04:00
ein Bericht über den Vagakallen. War vor über 10 Jahren schon mal dort in der Gegend, bin aber schon ganz unten im vielen Gestrüpp gescheitert. Damals gab es im Netz so gut wie keine Informationen über diesen Berg.


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