Presanella (3556 m) - der höchste Gipfel der Südalpen


Publiziert von PStraub , 11. Juli 2019 um 10:44.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:10 Juli 2019
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1800 m
Abstieg: 1800 m

Die Alpen bestehen aus vier geologischen Haupteinheiten, Helvetikum, Penninikum, Ostalpen und Südalpen.
Das Helvetikum besteht aus Ablagerungen vom Nordrand der Tethys, das Penninikum aus Ablagerungen aus deren Tiefseebecken und die Ostalpen aus Ablagerungen vom Südrand.
Anders die Südalpen: Sie gelten als "abgebrochener" Teil der afrikanischen Kontinentalplatte. Alles südlich der periadriatischen oder insubrischen Linie liegt - für Geologen - in Afrika. Und diese verläuft in der Adamello/Presanella-Region über den Passo del Tonale.

Mit der Presanella habe ich die höchsten Punkte aller geologischen Haupteinheiten bestiegen.
Der höchste Gipfel des Helvetikums ist der Mont Blanc.
Der höchste Gipfel des Penninikums ist die Dufourspitze.
Der höchste Gipfel der Ostalpen ist der Piz Bernina.
Das entspricht meinem Stand des (Nicht-)Wissens: Die Grenze zwischen Helvetikum und Penninikum in den Westalpen ist nicht völlig unbestritten.


Nach einer endlosen Anreise, die leider nur per Auto halbweg zügig zu schaffen ist, war ich endlich in Pinzolo angelangt.
An sich beginnt die Strasse Richtung Rifugio Segantini unterhalb des Ortsteils Sant' Antonio di Mavignola, wer von Norden kommt, braucht nicht bis Pinzolo durchzufahren. Doch etwas Kultur musste auch sein: In Pinzolo steht die Chiesa di San Vigilio mit einem einzigartigen Totentanz-Freskenzyklus.
San Vigilio war/ist eigentlich eine Friedhofskapelle. Leider hat sie beschränkte Öffnungszeiten, ins Innere kommt man nur zu bestimmten Zeiten - die ich voll verpasst habe.
Denn ich war etwas unter Druck: Schon früh am Vormittag ballten sich an den Berghängen überall dicke Wolken zusammen, Regen oder gar Gewitter am Nachmittag waren mehr als wahrscheinlich.

So fuhr ich bald einmal die Strasse ins Val Nambrone hoch. Obwohl asphaltiert, tut man sich so etwas nicht freiwillig an. Die Einheimischen anscheinend doch - man muss ständig mit Gegenverkehr rechnen.

Nach dem Parkplatz auf gut 2000 m ist man in knapp einer Stunde im Rifugio - ich sogar trocken, denn trotz dichtem Nebel regnete es hier nicht.

Das Rifugio ist ausgezeichnet geführt. So gut, dass es trotz abenteuerlicher Anfahrt ein beliebtes Ziel für Tagesausflüge ist, wie ich im Abstieg am nächsten Tag feststellen würde.

Hüttenchef Egidio machte klare Ansagen: Frühstück um 04.30 Uhr, Aufbruch um 5 Uhr. Das erschien mir reichlich früh für eine Tour mit (netto) 1200 Hm **. Aber er hatte anscheinend so seine Erfahrungen gemacht.

So um fünf war es schon leidlich hell, und meine Planung war insofern aufgegangen, als das Schönwetterfenster gerade rechtzeitig gekommen war: Es war ein prächtiger Morgen mit wolkenlosem Himmel.
Erst steigt man eher weit als steil in fast westlicher Richtung bis unter die Bocchetta di Monte Nero. Ab etwa 2600 m lag Schnee, der am frühen Morgen zumindest oberflächlich gefroren war. Ca. 30 Hm unter dem Pass kommt man in Fels, das ist der erste der sehr gut ausgerüsteten Auf- bezw. Abstiegspassagen, die in vielen Beschreibungen als Klettersteige bezeichnet werden.
Darum hier die Anmerkung: Wer einen IIer frei klettern kann, wird auf dieser Tour keine Klettersteig-Ausrüstung brauchen bezw. einsetzen wollen.
Auch der folgende Abstieg ist gleich: Steil, etwas ausgesetzt, aber prefekt ausgerüstet.

Nach einer Passage, wo es ohne Steigeisen kein Fortkommen mehr gegeben hätte, kommt wieder eine kurze Passage in Fels, dann wieder Schnee, später ein weiteres "Klettersteig"-Intermezzo. Schliesslich ist man am Gipfelhang, wo man am Orobica-Biwak vorbei kommt und von wo man mit mässigen Problemen (vereister Schnee) auf den Gipfel gelangt.

Die Aussicht ist eindrücklich, auch wenn sich in meinem Fall die Brenta-Dolomiten ständig mit Wolken umhüllten.
Erst war ich alleine, dann kamen noch zwei aus einer anderen Richtung. Nicht via die berühmte Nordwand, dafür waren sie zu knapp ausgerüstet.

Für den Abstieg wählte ich die gleiche Route.
Geplant hatte ich die Route via den Passo dei Quattro Cantoni, aber ich befürchtete, wegen den dort noch liegenden Schneemengen die Markierungen für den Einstieg nicht zu finden.

Das Spezielle an dieser Tour ist der ständige Tenuewechsel. Selten habe ich die Steigeisen am gleichen Tag so oft an- und wieder ausgezogen. Und noch gar nie die Stöcke so oft gekürzt und an den Rucksack geschnallt.
Das, die zusätzlichen Meter der Auf- und Abstiege und die doch beträchtliche Höhe machen diese Tour recht anspruchsvoll.
 
Um gut 11 Uhr war ich wieder zurück im Rifugio. Dort gab es erst ein Getränk ab Zapfhahn(!), dann begann mit dem Abstieg zum Parkplatz die Rückreise, über die ich mich besser ausschweige ..

** mit allen Gegensteigungen dürfte 1500 Hm realistisch sein.

PS: Das Rifugio heisst nach dem Maler Giovanni Segantini der aus Arco (beim Gardasee), also quasi aus der Umgebung stammte. Allzu ernst nimmt man das Patrozinium scheinbar nicht: Im ganzen Haus habe ich keine Bilder oder ähnliches von ihm gesehen.

Tourengänger: PStraub


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